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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.04.2001
Aktenzeichen: 23 W 87/01
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 2 Satz 3 u. Abs. 1 Satz 1
BRAGO § 28
1)

Ein Anwaltswechsel bei Verweisung nach Wegfall des Lokalisationsprinzips ist grundsätzlich nicht als prozeßnotwendig anzusehen.

2)

Die Kosten des nach Verweisung beauftragten weiteren Anwalts sind daher nur in der Höhe erstattungsfähig, wie durch seine Einschaltung sonst angefallene Kosten erspart geblieben sind. Insoweit kommen fiktive Kosten für Informationsfahrten der Partei zum erstbeauftragten Anwalt sowie fiktive Terminsreisekosten dieses Anwalts in Betracht.

3)

Bei den fiktiven Terminsreisekosten sind insoweit die Tage- und Abwesenheitsgelder nach § 28 Abs. 3 BRAGO zugrunde zu legen, nicht jedoch ein darüber hinausgehendes Zeithonorar (hier: Stundensatz von 400,-- DM), das der erstbeauftragte Anwalt grundsätzlich für die Wahrnehmung von Terminen bei auswärtigen Gerichten seinen Mandanten abverlangt.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

23 W 87/01 OLG Hamm

in dem Rechtsstreit

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 9. April 2001 auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 15. November 2000 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Paderborn vom 17. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sandmann, die Richterin am Oberlandesgericht Rautenberg und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Funke

beschlossen:

Tenor:

Der der Beklagten von der Klägerin zu erstattende Betrag wird abändernd auf 6.060,44 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. August 2000 von 490,44 DM und seit dem 29. September 2000 von weiteren 5.570,00 DM.

Die weitergehende Beschwerde und der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 10. August 2000 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von bis zu 6.000,00 DM.

Gründe:

Die als "Erinnerung" bezeichnete zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten (§§ 104 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG) hat nur in geringem Umfang Erfolg.

Sie kann die Kosten der zusätzlich von ihr im Anschluß an die vom Landgericht Düsseldorf am 25. Januar 2000 beschlossene Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Paderborn beauftragten Rechtsanwälte nur in der Höhe erstattet verlangen, die sie durch deren Einschaltung erspart hat. Diese fiktiven Aufwendungen belaufen sich allerdings entgegen der Ansicht der Rechtspflegerin nicht nur auf 207,60 DM für eine erforderlich gewordene Informationsreise zu Düsseldorfer Prozeßbevollmächtigten, sondern auch auf weitere 238,88 DM für die Wahrnehmung des Kammertermins am 9. August 2000 beim Landgericht Paderborn durch einen Düsseldorfer Anwalt.

Der von der Rechtspflegerin festgesetzte Betrag von 5.821,56 DM ist somit lediglich auf 6.060,44 DM zu erhöhen.

Gemäß § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nämlich nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten mußte.

1.

Nachdem sich die Beklagte im Kammertermin beim Landgericht Düsseldorf am 25. Januar 2000 durch ihre Düsseldorfer Prozeßbevollmächtigten hatte vertreten lassen, war es nicht erforderlich, daß sie nach der Verweisung an das Landgericht Paderborn für die dortige Vertretung zusätzlich Rechtsanwälte aus Lippstadt beauftragte. Nach der seit dem 1. Januar 2000 geltenden Neufassung des § 78 Abs. 1 ZPO wären auch Düsseldorfer Anwälte beim Landgericht Paderborn postulationsfähig gewesen. Auch wenn die Düsseldorfer Anwälte zunächst einen auf die Vertretung beim Landgericht Düsseldorf beschränkten Auftrag gehabt haben sollten, hätte dieser nach der Verweisung an das Landgericht Paderborn entsprechend erweitert werden können, zumal sie sich schriftsätzlich bereits umfassend auch in der Sache und nicht nur zur Frage der Zuständigkeit geäußert hatten.

Ihnen wäre eine Reise zur Terminswahrnehmung beim Landgericht Paderborn auch zumutbar gewesen. Dasselbe gilt für eine Informationsreise, die ein Vertreter der Beklagten zur Unterrichtung ihrer Düsseldorfer Prozeßbevollmächtigten hätte durchführen müssen. Der Senat teilt nicht die von der Beklagten angeführte Ansicht des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln, einer Partei sei eine Informationsreise von mehr als 40 Kilometer grundsätzlich unzumutbar (Beschluß des OLG Köln vom 03.11.1999 - 17 W 201/99 - in Anwaltsblatt 2001, 121; Leitsätze auch in MDR 2000, 234). Die Festlegung einer starren Zumutbarkeitsgrenze für die Länge einer Informationsreise ist nicht angemessen. Eine schematische Beurteilung der Erstattungsfähigkeit von Kosten für einen zusätzlichen Anwalt anhand der Entfernung läßt sich mit dem Sinn und Zweck des § 91 ZPO nicht vereinbaren (siehe unveröffentlichte Senatsbeschlüsse vom 27.11.2000 - 23 W 321/00 - und vom 12.02.2001 - 23 W 638/00 -). Vielmehr kann die Verpflichtung, den Prozeßbevollmächtigten selbst zu unterrichten, nur ausnahmsweise entfallen, so daß nur im Einzelfall die Möglichkeit besteht, einen weiteren Rechtsanwalt auf Kosten des Prozeßgegners zu beauftragen. Angesichts der noch überschaubaren Reisedauer nach Düsseldorf, der Verhältnisse der Beklagten als Unternehmen und des Inhalts und der Umstände des Rechtsstreits ist ein solcher Ausnahmefall nicht ersichtlich.

2.

Da kein Anwaltswechsel notwendig war kann die Beklagte gemäß § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO die Kosten ihrer Lippstädter Prozeßbevollmächtigten nur in der Höhe erstattet verlangen, die sie durch deren Beauftragung verglichen mit den fiktiven Verhältnissen bei einer weiteren Vertretung durch die ursprünglichen Düsseldorfer Anwälte erspart hat. Zu Recht hat die Rechtspflegerin insoweit fiktive Informationskosten in Höhe von 207,60 DM berücksichtigt, die die Beklagte für die Reise eines Mitarbeiters zu ihren Düsseldorfer Anwälten hätte aufbringen müssen. Außerdem sind die Kosten hinzuzusetzen, die der Beklagten entstanden wären, wenn Düsseldorfer Prozeßbevollmächtigte am 9. August 2000 den Kammertermin beim Landgericht Paderborn wahrgenommen hätten:

Fahrtkosten § 28 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO 172 km x 2 x 0,52 DM/km 178,88 DM Abwesenheitsgeld § 28 Abs. 3 BRAGO 60,00 DM 238,88 DM

Soweit sich die Beklagte als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 23.11.2000 auf eine Bescheinigung ihrer ehemaligen Düsseldorfer Anwälte vom 20.11.2000 (Bl. 250 GA) beruft, nach der diese zur Terminswahrnehmung beim Landgericht Paderborn nur gegen ein zusätzliches Zeithonorar von 400,00 DM pro Stunde bereit gewesen wären, sind diese Sätze, die die gesetzlich nach § 28 Abs. 3 BRAGO vorgesehene Entschädigung übersteigen, nicht erstattungsfähig. Es geht nicht zu Lasten der Klägerin, daß die Beklagte ohne Prozeßnotwendigkeit Prozeßbevollmächtigte in Düsseldorf ausgewählt hat, die sie bei auswärtigen Gerichten nur gegen zusätzliches Zeithonorar vertreten hätten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Nr. 1953 der Anlage 1 zum GKG. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 12 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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