Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.10.2005
Aktenzeichen: 24 U 39/05
Rechtsgebiete: VOB/A, ZPO


Vorschriften:

VOB/A § 10 Nr. 5 Abs. 4
VOB/A § 10 Nr. 5 Abs. 4 S. 2
VOB/A § 19 Nr. 2
VOB/A § 21
VOB/A § 21 Nr. 3
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 d
VOB/A § 25 Nr. 5
VOB/A § 26
VOB/A § 26 Nr. 1 b
ZPO § 279 Abs. 3
ZPO § 285
ZPO § 286 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. Februar 2005 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die VOB/A auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte hatte die komplette Erneuerung des Daches eines Lager- und Werkstattgebäudes der Standortverwaltung N einschließlich der Entfernung des Altdachaufbaus ausgeschrieben. Das Nebenangebot der Klägerin sah vor, Teile des Altdachaufbaus zu erhalten. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht beweisen können, dass ein Verstoß der Beklagten gegen Vorschriften der VOB/A zu einem Schaden bei ihr geführt habe und dass die Beklagte ihr den Zuschlag hätte erteilen müssen. Unstreitig habe die Beklagte der Klägerin nicht den Zuschlag auf ihr Hauptangebot erteilen müssen. Ebenso wenig sei die Beklagte verpflichtet gewesen, der Klägerin den Zuschlag auf ihr Nebenangebot zu erteilen, da die Klägerin nicht habe beweisen können, dass die durch ihr Nebenangebot vorgeschlagenen Leistungen mit der ausgeschriebenen Leistung gleichwertig i. S. v. § 21 VOB/A gewesen seien. Die Klägerin könne auch nicht daraus einen Schadensersatzanspruch herleiten, dass die letztlich durch die Fa. T zur Ausfühgung gekommenen Dacharbeiten mit ihrem Nebenangebot gleichwertig gewesen wäre, nach der beabsichtigten Reduzierung des Leistungsumfanges die Bieter aufzufordern, ihre Angebote den geänderten Anforderungen anzupassen, begründe das keinen Schadensersatzanspruch. Die Klägerin könne nur dann Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn sie beweisen oder zumindest nahe legen könne, dass ihr in diesem Fall der Zugschlag hätte erteilt werden müssen. Das sei jedoch nicht nachweisbar und nicht ersichtlich. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Ausführungen auf Seite 5 ff. des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin.

Die angefochtene Entscheidung verstoße gleich in mehrfacher Hinsicht gegen Art. 103 GG, §§ 279 Abs. 3, 285, 286 Abs. 1 ZPO.

Die rechts- und verfahrensfehlerhafte Vorgehensweise des Landgerichts sei durch den Beweisbeschluss vom 17.09.2002 (Bl. 313 f. d.A.) eingeleitet worden. Zum einen seien die Beweisfragen entscheidungsunerheblich gewesen. Entscheidend sei vielmehr die Frage, ob das Nebenangebot der Klägerin in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht gleichwertig mit den Leistungen gewesen sei, die die Beklagte in ihrem Leistungsverzeichnis vorgesehen hatte. Zum anderen beruhe die Fehlentscheidung des Landgerichts auch darauf, dass das Landgericht den Sachverständigen X beauftragt habe, dem es an fachlicher Qualifikation im Dachdeckerhandwerk fehle. Rechts- und verfahrensfehlerhaft sei auch, dass das Landgericht den Sachverständigen X nicht auf den Antrag der Klägerin im Schriftsatz vom 27.01.2005 zum Termin vom 04.02.2005 geladen habe. Die Ausführungen des Sachverständigen seien widersprüchlich gewesen und hätten sich nicht mit den schriftsätzlichen Ausführungen der Klägerin auseinandergesetzt. Zu berücksichtigen sei auch, dass nach dem vorangegangenen Hinweis des Gerichts vom 14.09.2004 die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt sei.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei das Nebenangebot der Klägerin mit dem sog. Amtsvorschlag der Beklagten technisch und wirtschaftlich gleichwertig gewesen. Entgegen der undifferenzierten Auffassung des Sachverständigen X habe das Nebenangebot der Klägerin nicht lediglich auf eine Verringerung der Massen ihres Hauptangebotes beruht. Vielmehr habe die Klägerin, wie erstinstanzlich ausgeführt, nach Beratung mit Anwendungstechnikern der Bitumenindustrie einen alternativen Aufbau entwickelt, wodurch sich im Vergleich zum Hauptangebot sowohl die Ausführungsart in Bezug auf Schichtenfolge, dicke und dimensionierung als auch hinsichtlich der Eigenschaften der Materialien und deren Verarbeitung geändert habe. Eine Ausführung der Arbeiten auf der Grundlage des Nebenangebots der Klägerin hätte nicht zu einer geringwertigeren Leistung geführt sondern zu einer höherwertigeren. Obwohl Teile des alten Dachaufbaus auf dem Dach verblieben wären, wäre der neue Dachaufbau wie neuwertig gewesen, weil an den verbleibenden Teilen kein Vergang zu verzeichnen gewesen wäre. Der Aufbau wäre langlebiger gewesen, als dies nach dem Leistungsverzeichnis der Beklagten der Fall gewesen wäre und hätte auch unter Umweltgesichtspunkten erhebliche Vorteile gehabt, da ca. 80 m³ anorganisches Material nicht hätten entsorgt werden müssen. Für die Berücksichtigungsfähigkeit eines Nebenangebotes komme es nicht auf die Identität der ausgeschriebenen und alternativ angebotenen Leistung an, sondern auf die Gleichwertigkeit. Wäre Identität zwischen Hauptangebot und Nebenangebot erforderlich, wären Nebenangebote obsolet. Die Gleichwertigkeit sei aber gegeben gewesen, was sich nicht zuletzt aus der von der Beklagten mit der Fa. T getroffenen Nachtragsvereinbarung ergebe, der im wesentlichen das vermeintlich nicht gleichwertige Nebenangebot der Klägerin zugrunde gelegen habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 28.056,77 € nebst Zinsen in Höhe von 9,5 % seit dem 05.02.2000 bis zum 06.04.2000, 8,75 % vom 07.04.2000 bis zum 15.06.2000, 9,25 % vom 16.06.2000 bis zum 03.09.2000, 9,5 % vom 04.09.2000 bis zum 24.10.2001, 9,25 % vom 25.10.2001 bis zum 25.07.2003, 8,75 % vom 26.07.2003 bis zum 10.03.2004 und 8,25 % seit dem 11.03.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Die Ausführungen der Klägerin, dass der Beweisbeschluss vom 17.09.2002 nicht entscheidungserhebliche Beweisfragen enthalte und daher gar nicht hätte ergehen dürfen, seien zutreffend, worauf bezeichnenderweise bereits sie selbst in erster Instanz mehrfach hingewiesen habe. Das Landgericht hätte vielmehr auf der Grundlage von § 21 Nr. 3 VOB/A lediglich prüfen müssen, ob das Nebenangebot der Klägerin vom 09.09.1996 (Bl. 68 - 76 d.A.) der Ausschreibung vom 02.09.1996 (Bl. 39 - 50 d.A.) als gleichwertig entsprochen habe.

Diese Frage hätte das Landgericht ohne die Hinzuziehung eines Sachverständigen beantworten können. Denn selbst ein Laie wisse, dass es einen Unterschied mache, ob man ein Flachdach komplett abreiße und vollständig erneuere oder ob man einen Teil des alten Dachaufbaus bestehen lasse. Allein aus dieser Erkenntnis folge, dass das Nebenangebot der Klägerin nicht gleichwertig mit den Hauptangeboten gewesen sei. Aus der Ausschreibung vom 02.09.1996 habe sich ergeben, was unstreitig ist; dass die vorhandene Dachabdichtung mit rd. 2.230 qm bestehend aus 3lagigen Bitumenbahnen einschließlich Wärmedämmschicht und Ytong-Deckenplatten komplett hätte entfernt und entsorgt werden sollen. Ausgeschrieben und gefordert gewesen sei also eine komplette Neuherstellung des Flachdaches. Mit ihrem Alternativvorschlag angeboten habe die Klägerin demgegenüber eine Sanierung des vorhandenen Daches. Dass diese Art der Ausführung nicht mit der ausgeschriebenen Leistung gleichwertig sei, bedürfe keiner Vertiefung. Bietervorschläge, die den quantitativen oder qualitativen Anforderungen des Auftraggebers nicht entsprechen würden, könnten nicht gleichwertig zu den Hauptangeboten sein. Bei der Frage, ob ein Nebenangebot gleichwertig sei oder nicht, müsse stets bedacht werden, dass ein anderer Anbieter in Kenntnis des Umstandes, dass der Auftraggeber auch eine geänderte Leistung akzeptieren würde, ein noch günstigeres Angebot abgegeben hätte. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hätte die Beklagte gegen Vergabegrundsätze verstoßen, wenn sie der Klägerin auf ihr Nebenangebot hin den Zuschlag erteilt hätte. Die Frage der Gleichwertigkeit sei eine Rechtsfrage, die jedenfalls im vorliegenden Fall ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen hätte entschieden werden können.

Soweit der Sachverständige B in seiner Tischvorlage vom 23.09.2005 ausgeführt habe, dass das Nebenangebot aus fachlicher Sicht technisch mindestens gleichwertig zum Hauptangebot sei, ließen diese Äußerungen erkennen, dass sich der Sachverständige mit den relevanten Vorschriften der VOB/A nicht befasst habe. Eine "auf einem Altflachdach aufgepfropfte" Sanierungslösung sei wegen der damit verbundenen Risiken und Unwägbarkeiten in Bezug auf den Zustand des Altdaches gerade nicht gewollt gewesen. Es bestehe bei belassenem Altdach dann kein ausschließlich neues Dach, sondern nur ein neuer Dachaufbau auf belassenem Altdach, was insgesamt eine andere Leistung darstelle. Eine qualitative Gleichwertigkeit scheide schon deshalb aus, weil unter dem neuen Dach unverändert und dann nicht mehr selbständig erfassbar das alte Dach als zwingende Unterkonstruktion des Neudaches vorhanden bleibe, und zwar verbunden mit allen Risiken des unklaren, unbekannten Zustandes des Altdaches. Der alte und marode, teils durchfeuchtete und Beschädigungen an der Dachhaut aufweisende Zustand des Altflachdaches habe eben zu dieser gewollten und vertretbar begründeten Ausschreibung geführt, wonach vor Aufbringen eines Neudaches das Altdach vollständig zu entfernen sei. Diese Entscheidungskompetenz, "was gewollt wird" stehe allein dem ausschreibenden Bauherrn zu, ein Bieter könne keine andere Bauweise erzwingen. Die Beklagte verweist insoweit darauf, dass das Altdach im Jahr 1996 schon über 20 Jahre alt gewesen sei, was unstreitig ist, vollständige Unterlagen zur zutreffenden, sicheren Beurteilung des Dachaufbaus und seines Zustandes hätten nicht mehr vorgelegen und zudem seien Durchfeuchtungen an der Innenseite aufgetreten. Die Dachoberfläche sei durch das langsame und längerfristige Eindringen der Kieslage seit Jahren bereichsweise beschädigt, teilweise erheblich korrodiert bzw. in Mitleidenschaft gezogen gewesen, so dass die Durchfeuchtungen offenbar nicht nur auf evtl. alte Einbaunässe oder Staunässe, sondern auch auf tiefdringendes Oberflächenwasser zurückzuführen gewesen sei.

Die Verfahrensrügen, die die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung erhebe, würden somit ins Leere gehen.

Dass dann aus anderweitigen Kostengründen ca. ein halbes Jahr später im Frühjahr 1997 anders disponiert worden sei, ändere an der vertretbaren Richtigkeit der Vorgehensweise im Jahre 1996 nichts. Relevant bleibe allein die Ausschreibung und Wertung im Jahre 1996. Im Übrigen weiche die Ausführung im Jahre 1997 schon dadurch vom Nebenangebot von September 1996 ab, als sie die Perforierung der gesamten alten Dachabdichtung zur Diffusionsmöglichkeit im gesamten Dachaufbau ermögliche und zusätzlich eine egalisierende Dampfdruckausgleichsschicht als erforderlich aufgebracht worden sei.

Schließlich werde unverändert auch die Schadenshöhe bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens durch den Sachverständigen B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Tischvorlage vom 23.09.2005 (Anlage in der Akte) sowie auf den Berichterstattervermerk vom 25.10.2005 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus c.i.c. geltend. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass bei einer öffentlichen Ausschreibung zwischen dem Ausschreibenden einerseits und einem interessierten Bieter andererseits spätestens mit der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen durch diesen ein auf eine mögliche Auftragserteilung gerichtetes vorvertragliches Vertrauensverhältnis begründet wird. Bei Verletzung dieses Vertrauensverhältnisses durch den Ausschreibenden können nach den Grundsätzen einer Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen (c.i.c.) Schadensersatzansprüche des interessierten Bieters nach vertragsrechtlichen Grundsätzen entstehen. Sie sind auf den Ersatz des Schadens gerichtet, den der Bieter dadurch erlitten hat, dass er darauf vertraut hat, die Ausschreibung werde nach den Vorschriften der VOB/A abgewickelt. Die Ersatzpflichten des Auftraggebers können den entgangenen Gewinn eines nicht zum Zuge gekommenen Anbieters einschließen, wenn er ein berechtigtes und schutzwürdiges Vertrauen darauf hatte entwickeln können, den Auftrag zu erhalten und ihm bei rechtmäßigem Vorgehen des Ausschreibenden der Auftrag hätte erteilt werden müssen (BGH NJW 1998, 3636 f.; 2000, 661, 662; 2001, 3698; Werner/Pastor Rdn. 1885 ff m.w.N.; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 8. Teil Rdn. 66 f. m.w.N.).

Danach ist ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht gegeben. Die Beklagte hat nicht dadurch gegen die Regelungen der VOB/A verstoßen, dass sie der Klägerin auf ihr Nebenangebot nicht den Zuschlag erteilt hat.

Das sog. Alternativ-Angebot der Klägerin vom 09.09.1996 über 226.493,78 DM (Bl. 68 ff d.A.) stellte ein Nebenangebot im Sinne der VOB/A dar. Änderungsvorschläge oder Nebenangebote setzen begrifflich voraus, dass die Leistung inhaltlich anders angeboten wird, als sie in der Leistungsbeschreibung, die zum Gegenstand des Vergabeverfahrens gemacht worden ist, enthalten ist. Während Änderungsvorschläge die Änderung lediglich einzelner Leistungsteile oder Leistungsbestandteile betreffen, handelt es sich um Nebenangebote, wenn die Änderung entweder des gesamten vorgesehenen Leistungsinhaltes oder jedenfalls ganzer Abschnitte davon angeboten wird (Ingenstau/Korbion-Kratzenberg VOB/A § 10 Rdn. 79). Da die Klägerin vorliegend in ihrem Alternativangebot die vorgesehenen Leistungsinhalte in erheblichem Umfang geändert hat, handelt es sich begrifflich um ein Nebenangebot.

Die Beklagte hat ausweislich Nr. 5 ihrer Bewerbungsbedingungen (Bl. 21 d.A.) Nebenangebote ausdrücklich zugelassen, § 10 Nr. 5 Abs. 4 VOB/A. Nr. 5 der Bewerbungsbedingungen enthält weitere Voraussetzungen für die Abgabe eines Nebenangebotes, die angelehnt sind an die Vorschrift des § 10 Nr. 5 Abs. 4 S. 2 VOB/A. Ob die dort aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind, ist fraglich, kann aber dahinstehen. Wie der Sachverständige B in seiner Tischvorlage vom 23.09.2005 richtigerweise ausgeführt hat, hätte die Klägerin im Hauptangebot und im Nebenangebot einen Hinweis zu den erforderlichen Dacheinläufen machen können. Des weiteren hätte ein Hinweis zur Entsorgung der Plattenbekleidung an den Aufzugsschächten gemacht werden können. Diese Punkte mussten aber nicht zu einem Ausschluss des Nebenangebots der Klägerin führen, da sie in einem Bietergespräch hätten geklärt werden können. Auf diese Frage kommt es aber aufgrund der nachfolgenden Ausführungen nicht an.

Die formellen Voraussetzungen des § 21 Nr. 3 VOB/A, wonach Nebenangebote auf besonderer Anlage gemacht und als solche deutlich gekennzeichnet werden müssen, sind vorliegend erfüllt, vgl. hierzu auch die Ausführungen auf Seite 2 unten der Tischvorlage des Sachverständigen B.

Gem. § 25 Nr. 5 VOB/A war das Nebenangebot der Klägerin zu werten, es sei denn die Beklagte hätte es in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen nicht zugelassen, vgl. § 25 Nr. 1 Abs. 1 d VOB/A.

Es ist zweifelhaft, ob danach das Nebenangebot der Klägerin überhaupt zu werten oder ob es nicht ausgeschlossen war. Zwar spricht gegen den Ausschluss des Nebenangebots der Klägerin, dass, wie oben ausgeführt, hier Nebenangebote zugelassen worden sind. Möglich ist es allerdings auch, dass der Auftraggeber nur bestimmte Arten von Nebenangeboten ausschließt, weil er eine bestimmte Art der Ausführung wünscht. Daran kann hier deswegen gedacht werden, weil sich unter Würdigung aller Umstände aus der Ausschreibung ergibt, dass die Beklagte eine komplette Dachsanierung wünschte und den vorhandenen Dachaufbau gerade nicht auf dem Dach belassen wollte. Zwar hat sie diesbezüglich abweichende Nebenangebote nicht ausdrücklich ausgeschlossen. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang allerdings vertreten, dass ein Ausschluss bestimmter Änderungsvorschläge nicht ausdrücklich erklärt werden muss, sondern dass sich dieser auch durch Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Bedingungsunterlagen ergeben kann (Kapellmann/Messerschmidt-Dähne, § 25 VOB/A Rdn. 100, Beckscher VOB-Kommentar-Brinker/Ohler § 25 VOB/A Rdn. 143, Heiermann-Rusam § 25 VOB/A Rdn. 87 m.w.N.). Danach kommt vorliegend ein Ausschluss des Nebenangebots der Klägerin deswegen in Betracht, weil sich aus den Ausschreibungsunterlagen der Beklagten ergab, dass die Entfernung des alten Dachaufbaus als "verbindliche Festlegung" (Rusam) unverhandelbar war. Demgegenüber wird die Ansicht vertreten, dass der Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 d nur aus rein formalen Gründen ohne Wertung erfolge (Völlink/Kehrberg-Vavra § 25 VOB/A Rdn. 43) was hier gegen einen Ausschluss des Nebenangebots sprechen würde. Der Senat kann offen lassen, welcher Literaturmeinung er sich anschließt.

Denn es fehlt jedenfalls an der Gleichwertigkeit des Nebenangebots der Klägerin i.S.d. VOB/A, so dass ihr deswegen der Auftrag nicht hätte erteilt werden dürfen.

Allerdings sprechen die Ausführungen des Sachverständigen B in seiner Tischvorlage, auf die er im Senatstermin Bezug genommen hat, für eine Gleichwertigkeit des Nebenangebots. Er hält das Nebenangebot sogar aus ökologischen Gründen für vorzugswürdig. Diese Bewertung ist allerdings rein technerischer Natur. Die Frage, ob die Gleichwertigkeit eines Nebenangebots i.S.d. VOB/A gegeben ist, ist jedoch Rechtsfrage, bei welcher die technische Gleichwertigkeit nur eine von mehreren maßgebenden Komponenten darstellt. Soweit der Sachverständige im Senatstermin auch Rechtsauffassungen vertreten hat, folgt der Senat dem nicht. Vorliegend ist aus den folgenden Gründen keine Gleichwertigkeit gegeben.

Von der Beklagten ausgeschrieben war eine komplette Erneuerung des Daches mit Entfernung des alten Dachaufbaus. Das Nebenangebot der Klägerin kam deswegen zu deutlich günstigeren Preisen, weil es einen von der Ausschreibung stark abweichenden Vorschlag enthielt, der gegenüber dem mit der Ausschreibung korrespondierenden Hauptangebot deutlich abgemagert war. Der Vorschlag der Klägerin basierte darauf, dass der vorhandene Dachaufbau belassen und durch einen Zusatzaufbau ergänzt werden sollte (vgl. auch die Tischvorlage des Sachverständigen B S. 3). Ein derartiges abgemagertes Nebenangebot kann aus mehreren Gründen nicht als gleichwertig behandelt und wie ein Hauptangebot gewertet werden.

Es fehlt an der qualitativen und quantitativen Gleichwertigkeit zum abzugebenden Hauptangebot. Das Nebenangebot berücksichtigt nicht, dass die Entfernung des alten Dachaufbaus zentraler Bestandteil der Ausschreibung war. Dies war für jeden Bieter offensichtlich. Die Leistungsbeschreibung des Auftraggebers ist aber maßgebender Gesichtspunkt für die Frage der Gleichwertigkeit des Nebenangebots (vgl. VOB-Stelle Niedersachsen, IBR 2002, 37). Könnte der Auftraggeber nachträglich die maßgebenden Inhalte der Leistungsbeschreibung verbindlich ändern oder die Vergabekriterien anders gewichten, wäre die nach dem Zweck der VOB/A erforderliche Überprüfung seiner Vergabeentscheidung nach objektiven Kriterien nicht mehr gewährleistet. Der Auftraggeber könnte einen dem Gebot der Chancengleichheit widersprechenden Einfluss auf die Vergabeentscheidung nehmen mit der Folge, dass die Anbieter in einer mit dem Zweck der Regelung unvereinbaren Weise der Willkür der Vergabestelle ausgeliefert wären (BGH NJW 2000, 137, 139 zu § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A). Die Zulassung eines wie vorliegend deutlich abgespeckten und daher quantitativ nicht gleichwertigen Nebenangebots würde auf eine Wettbewerbsverzerrung hinauslaufen und dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Bieter widersprechen (vgl. zu diesen Grundsätzen des Vergabeverfahrens auch OLG Frankfurt NZV 2002, 692, 694 und OLG Rostock NZV 2002, 696, 697). Vielmehr ist es dem öffentlichen Auftraggeber untersagt, auf abgemagerte Nebenangebote einen Zuschlag zu erteilen, weil dies eine Benachteiligung für alle die Bieter bedeuten würde, die im Vertrauen auf den ausgeschriebenen Standard ihre Preisermittlung durchgeführt haben und bei entsprechend geändertem Leistungsumfang aufgrund ihrer betriebsindividuellen Verhältnisse möglicherweise günstigere Angebote abgegeben hätten (Kapellmann/Messerschmidt-Dähne a.a.O. Rdn. 103, Heiermann/Riedel-Rusam a.a.O. Rdn. 96, Beckscher VOB-Kommentar-Brinker/Ohler a.a.O. Rdn. 143, Völlink/Kehrberg-Vavra a.a.O., Franke/Grünhagen § 25 VOB/A Rdn. 681, 685, Kuss § 25 VOB/A Rdn. 64, VOB-Stelle Niedersachsen IBR 1997, 94, VK Nordbayern IBR 2001, 631 und Vergaberechtsreport 5/2004, Bl. 408 d.A.).

Des weiteren ist darauf hinzuweisen, dass dem Auftraggeber grundsätzlich ein Ermessen bei der Zuschlagserteilung eingeräumt ist und er bei Nebenangeboten eine besonders eingehende und alle Vergabekriterien gewichtende und zueinander ins Verhältnis setzende, vergleichend abwägende Wertung durchzuführen hat, insbesondere wenn erhebliche Abweichungen von der ausgeschriebenen Bauleistung vorliegen (Beckscher VOB-Kommentar a.a.O. Rdn. 139, VÜA Bayern IBR 1995, 241, VÜA Nordrhein-Westfalen IBR 1998, 97, Kapellmann-Messerschmidt-Dähne a.a.O. Rdn. 102). Der Auftraggeber hat einen eigenen Beurteilungsspielraum bei der Wertung, innerhalb dessen er mit sachgerechten Erwägungen über die Annahme oder Ablehnung eines zugelassenen Nebenangebots entscheiden darf (Heiermann/Riedel-Rusam a.a.O. Rdn. 93). Hier hat sich die Auftraggeberin ganz bewusst dafür entschieden, dass die alte Dachhaut entfernt werden sollte. Wegen der hierfür maßgeblichen Gründe wird auf die obigen Ausführungen unter I. Bezug genommen. Die von der beklagten Bundesrepublik angeführten Gründe sind zumindest vertretbar und entsprachen jedenfalls im Jahr 1996 der üblichen Vorgehensweise. Ergänzend wird insoweit auf die Auszüge aus dem Forschungsbericht des Aachener Instituts für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik aus Dezember 2001 Bezug genommen (Anlage 2 zur Tischvorlage des Sachverständigen B), wonach auch im Dezember 2001 immer noch überwiegend durchfeuchtete Flachdächer bis auf die Dampfsperre abgeräumt wurden, da die Unsicherheit bei Planern und Dachdeckern groß war, was u.a. auf das Fehlen einer verlässlichen Dokumentation der Erfahrungen mit sanierten Dächern und das Fehlen von Handlungsanweisungen zurückzuführen sei. Zu Recht weist die Beklagte daher darauf hin, dass es ihrer Entscheidung überlassen sein musste, ob sie eine komplette Dacherneuerung wünschte oder eine Belassung des vorhandenen Dachaufbaus unter Inkaufnahme des seinerzeit in Fachkreisen überwiegend bejahten oder zumindest nicht ausgeschlossenen Risikos. Einem Bieter ist es nicht möglich, durch ein entsprechendes kostengünstigeres Nebenangebot, auch wenn es funktional gleichwertig sein mag, den Auftraggeber dazu zu zwingen, von seiner in vertretbarer Weise getroffenen grundsätzlichen Entscheidung über die Durchführung der Dachsanierung abzuweichen.

Die Beklagte hat sich daher rechtmäßig verhalten, als sie der Klägerin auf ihr Nebenangebot nicht den Zuschlag erteilt hat.

Die Berufung wird allein auf die vorgenannten Gesichtspunkte gestützt (vgl. Bl. 547 d.A.). Auf das weitere erstinstanzliche Vorbringen kommt es daher nicht an. Es hätte aus den nachfolgenden Gründen ebenfalls nicht zu einem Schadensersatzanspruch der Klägerin geführt.

Nachdem, wie oben ausgeführt, die Ausschreibung auf einer kompletten Dacherneuerung basierte und dem günstigsten Bieter der Zuschlag erteilt werden sollte, nämlich der Fa. Rasche, hat sich die Zuschlagserteilung dann tatsächlich über ein halbes Jahr hingezogen. Eröffnungstermin war der 10.09.1996, der schriftliche Auftrag wurde erst am 04.04.1997 erteilt. § 19 Nr. 2 VOB/A sieht dagegen als Regel eine Zuschlagsfrist von 30 Kalendertagen vor. Irgendwelche Ansprüche der Klägerin resultieren hieraus aber nicht.

Eine rechtsverbindliche Zuschlagserteilung seitens der Beklagten ist durch die Versendung des entsprechenden Schreibens an die Fa. T im April 1997 erfolgt (vgl. erstinstanzlicher Hinweis Bl. 423 oben d.A.). Zu diesem Zeitpunkt war bereits aufgrund der nicht vorhandenen Haushaltsmittel klar, dass die ursprünglich ausgeschriebene Ausführung nicht zur Durchführung gelangen würde, vielmehr die Variante mit Belassung der alten Dachhaut, die dem Nebenangebot der Klägerin weitgehend gleichwertig war (vgl. mündliches Gutachten X im Termin vom 14.09.2004, Bl. 423 f. d.A.). Es stellte sich nunmehr also aufgrund der nicht vorhandenen Haushaltsmittel eine gegenüber dem Zeitpunkt der Ausschreibung stark veränderte Situation dar. Diese Änderung kann als grundlegende Änderung der Bedingungsunterlagen in wirtschaftlicher Hinsicht i.S.v. § 26 Nr. 1 b angesehen werden, so dass möglicherweise eine Aufhebung der Ausschreibung in Betracht kam (vgl. Ingenstau/Korbion-Portz § 26 VOB/A Rdn. 16 a.E.). Allerdings enthält § 26 VOB/A eine sog. "Kann-Vorschrift". Der Auftraggeber ist also nicht bereits immer dann zur Aufhebung der Ausschreibung verpflichtet, wenn einer der in § 26 Nr. 1 VOB/A festgelegten Tatbestände vorliegt. Insbesondere steht einem Bieter grundsätzlich kein subjektives Recht auf Aufhebung der Ausschreibung zu. Ein solches Recht würde allerdings ausnahmsweise dann bestehen, wenn das Ermessen des Auftraggebers auf Null reduziert wäre, so dass nur eine Aufhebung der Ausschreibung ermessensfehlerfrei wäre (Ingenstau/Korbion-Portz a.a.O. Rdn. 11 m.w.N.). Eine derartige Ermessensreduzierung auf Null ist vorliegend nicht gegeben. Das Ausschreibungsverfahren war zum Zeitpunkt der Streichung der Haushaltsmittel bereits abgeschlossen und es hatte sich ein deutlich günstigster Bieter herausgestellt. Der Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, wenn sie angesichts dieser Umstände an dem günstigsten Bieter festhielt.

Im Übrigen würde selbst dann, wenn man die zuletzt aufgeworfene Frage im Sinne der Klägerin entscheiden würde, dieser der von ihr geltend gemachte Anspruch nicht zustehen. Einen Ersatz des positiven Interesses könnte sie nämlich nur dann verlangen, wenn sie bei ordnungsgemäßer Anwendung der VOB/A den Zuschlag erhalten hätte. Das ist nicht ersichtlich, wie bereits das Landgericht zutreffend und von der Klägerin unbeanstandet ausgeführt hat, da die Fa. T deutlich günstigste Bieterin war. Auch ein Vergleich der Auftragssumme aus dem Auftrag vom 04.04.1997 (300.092,96 DM) abzüglich der Minderkosten gemäß Nachtragsvereinbarung 1 vom 02.04./14.04.1997 (116.787,10 DM) ergibt einen deutlich niedrigeren Betrag als die von der Klägerin im Alternativangebot angebotene Summe von 226.493,78 DM (Bl. 68 ff d.A.). Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin hätte sich daher allenfalls auf das negative Interesse richten können, also auf einen Ersatz der mit der Teilnahme am Verfahren verbundenen Aufwendungen (vgl. etwa BGH NJW 1998, 3636). Aus den oben dargestellten Gründen besteht hier allerdings auch ein derartiger Anspruch nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück