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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.12.2006
Aktenzeichen: 24 U 58/05
Rechtsgebiete: VOB/A, VOB/B, BGB


Vorschriften:

VOB/A § 2 Nr. 1
VOB/A § 22
VOB/A § 24 Nr. 3
VOB/A § 25 Nr. 3 Abs. 3
VOB/A § 28
VOB/A § 28 Nr. 2 Abs. 2
VOB/B § 2 Nr. 5
BGB § 150 Abs. 2
BGB § 154 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 04.04.2005 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat im Jahre 2004 Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Sanierung der rechtsseitigen Emsdeiche im Stadtgebiet der Beklagten erbracht. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt sie die Beklagte auf Zahlung von Mehrvergütung wegen geänderter Stahlpreise in Anspruch.

Durch Urteil vom 04.04.2005, auf dessen Tatbestand hinsichtlich des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien verwiesen wird, hat das Landgericht die auf Zahlung von 72.733,16 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Hinsichtlich der für diese Entscheidung maßgeblichen Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Gegen das landgerichtliche Urteil richtet sich die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin, die folgendes geltend macht:

Die Beklagte habe durch ihr Zuschlagsschreiben vom 02.03.2005 nicht das im Zuge der Submission von der Klägerin unterbreitete Angebot angenommen sondern vielmehr ein Angebot mit veränderten Konditionen versandt. Durch das Zuschlagsschreiben sei nämlich die ursprünglich vorgesehene und dem Angebot zugrundeliegende Bauzeit geändert worden. Die Klägerin habe wiederum dieses modifizierte Angebot durch ihr Schreiben vom 15.03.2004 nicht unverändert angenommen sondern erneut modifiziert. Der Inhalt des Schreibens vom 15.03.2004 sei sodann dadurch Vertragsinhalt geworden, dass die Beklagte die Arbeiten der Klägerin hingenommen und erst mit Schreiben vom 30.07.2004 mitgeteilt habe, dass eine Anpassung der Stahlpreise nicht erfolgen könne.

Das Landgericht habe auch zu Unrecht eine Anwendung des § 2 Nr. 5 VOB /B abgelehnt. Soweit das Landgericht aus dieser Vorschrift eine Verpflichtung der Klägerin hergeleitet habe, vor Vertragsschluss auf die erhöhten Stahlpreise hinzuweisen, sei dies unrichtig, weil die VOB/B erst für die Ausführung von Bauleistungen ab Vertragsschluss gelte. Außerdem seien nach Angebotsabgabe Vorbehalte hinsichtlich der angebotenen Preise aufgrund des Nachverhandlungsverbotes des § 24 Nr. 3 VOB/A unzulässig. Als die Klägerin den Bitten der Beklagten um Verlängerung der Bindefrist entsprochen habe, sei für sie auch noch nicht erkennbar gewesen, ob und wie sich Änderungen der Stahlpreise auswirken würden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 72.733,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, ein wirksamer Bauvertrag der Parteien sei bereits aufgrund des Zuschlagsschreibens vom 02.03.2004 zu Stande gekommen. Durch jenes Schreiben sei keine generelle Änderung der Ausführungsfrist erfolgt, da jene Frist schon im Angebot der Klägerin nicht datumsmäßig festgelegt worden sei. Durch das Zuschlagsschreiben sei lediglich der Zwischentermin für die Fertigstellung eines Teilabschnitts des Bauvorhabens geändert worden. Außerdem sei bereits die Bindefristverlängerungserklärung der Klägerin als Angebot auf entsprechende Verlängerung der Ausführungsfristen auszulegen. Jenes Angebot sei von der Beklagten durch den Zuschlag angenommen worden. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass am 08.03. 2004 eine erste Baubesprechung der Parteien stattgefunden habe. Im Rahmen dieser Besprechung hätten die Vertreter der Klägerin keinerlei Mehrvergütungsverlangen geäußert.

Die Beklagte meint weiterhin, einer Anpassung des Vertrages stehe entgegen, dass sich die Klägerin zweimal vorbehaltlos mit einer Verlängerung der Bindefrist einverstanden erklärt habe, obwohl ihr die Entwicklung der Stahlpreise bekannt gewesen sei.

Die Beklagte vertritt schließlich die Auffassung, § 2 Nr. 5 VOB/B sei weder direkt noch analog anwendbar. Die geänderten Umstände seien bereits vor Vertragsschluss eingetreten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren nimmt der Senat auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M, X und G. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk über die mündliche Verhandlung vom 05.12.2006 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Mit der für den Erlass eines Grundurteils (§ 304 ZPO) erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund einer in der Zeit zwischen dem ursprünglichen Ende der Zuschlagsfrist (14.01.2004) und der Erteilung des Zuschlags (02.03.2004) eingetretenen Erhöhung der Stahlpreise berechtigt ist, die Beklagte auf Zahlung einer erhöhten Vergütung in Anspruch zu nehmen. Auf eine etwaige schon in der Zeit bis zum Ablauf der ursprünglichen Zuschlagsfrist erfolgte Stahlpreiserhöhung ließe sich die Klageforderung dagegen nicht stützen. Eine solche Erhöhung wäre auch dann, wenn der Zuschlag bereits bis zum ursprünglichen Ende der Zuschlagsfrist erteilt worden wäre, allein von der bis dahin ( vgl. § 19 Nr. 3 VOB/A) an die Preise ihres Angebots vom 12.12.2003 gebundenen Klägerin zu tragen gewesen.

Das auf die später eingetretene Stahlpreiserhöhung gestützte Mehrpreisverlangen der Klägerin scheitert dagegen nicht an der von der Beklagten angenommenen Bindung an die Preise des Angebots vom 12.12.2003. Dieses Angebot ist nicht unverändert Bestandteil der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien geworden.

Nach Auffassung des Senats, der insoweit der Rechtsprechung des BGH (NJW 2005, 1653) zur Annahme eines Angebots auf Abschluss eines Bauvertrages mit der Maßgabe, dass eine neue Bauzeit festgelegt wird, und den Ausführungen von Kniffka (ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 24.10.2006, Rdnr. 30 ff. zu § 631 BGB) folgt, stellt sich die Rechtslage dann, wenn der Zuschlag aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens mit veränderten Fertigstellungsterminen erfolgt, wie folgt dar:

Sollen die ursprünglich vorgesehenen Termine nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien im Zeitpunkt des Zuschlags nicht mehr vereinbart werden, handelt es sich bei der Zuschlagserteilung um ein verändertes Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB (BGH, NJW 2005, 1653). Gleichgültig ist, ob es sich um eine wesentliche oder unwesentliche Änderung handelt (BGH NJW 2001, 222; Palandt-Heinrichs BGB, 65. Aufl. § 150 Rdnr. 2). Kann diesem Angebot nicht entnommen werden, dass dem Unternehmer das Recht eingeräumt wird, einen veränderten Preis für seine Leistung zu verlangen, weil der Besteller keinen neuen Preis bezahlen, sondern lediglich eine neue Bauzeit möchte, hat der Unternehmer (Bieter) drei Möglichkeiten:

Er kann das veränderte Angebot mit der Folge annehmen, dass sich nur die Bauzeit nicht jedoch die Vergütung ändert.

Er kann das neue Angebot mit der Folge ablehnen, dass kein Vertrag zustande kommt (Kniffka a.a.O. Rdnr. 33).

Schließlich kann er das veränderte Angebot seinerseits hinsichtlich der Vergütung unter Berücksichtigung seiner Kalkulation und der zwischen dem ursprünglich vorgesehenen Zuschlagszeitpunkt und dem tatsächlichen Zeitpunkt des Zuschlags eingetretenen vergütungsrelevanten Veränderungen modifizieren. Der Besteller ist dann unter Berücksichtigung des vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses der Parteien und ihrer auch insoweit geltenden Kooperationspflicht verpflichtet, das hinsichtlich der Vergütung modifizierte Angebot anzunehmen, wenn er keinen triftigen Grund hat, es abzulehnen. Letzteres kommt in Betracht, wenn die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Ausschreibung vorliegen, insbesondere, wenn das Bauvorhaben wegen der preislichen Veränderungen für ihn wirtschaftlich nicht mehr tragbar erscheint.

Der Umstand, dass ein Bieter das annehmbarste Angebot abgegeben hat, begründet in den Fällen, in denen der Auftraggeber dieses aus den vorgenannten Gründen nicht zurückweisen darf, sein Vertrauen darauf, dass ihm auch der Zuschlag erteilt wird, wenn er es nur an die von ihm nicht beeinflussbaren Veränderungen der Angebotsgrundlagen angepasst hat, die nach dem ursprünglich vorgesehenen Zuschlagszeitpunkt eingetreten sind. Dass das Nachprüfungsverfahren oder andere in den Risikobereich des Bestellers fallende Umstände eine Vergabe verzögern, darf dem Unternehmer nicht zum Nachteil gereichen (Kniffka a.a.O. Rdnr. 34).

In Übereinstimmung mit dem OLG Jena (NzBau 2005, 341, 344) ist der Senat der Auffassung, dass es mit dem das Vergaberecht prägenden Grundsatz eines fairen Wettbewerbs nicht vereinbar wäre, dass es ein nachrangiger Bieter andernfalls in der Hand hätte, den günstigsten Bieter durch die Zeitverzögerung, die mit einem Vergabenachprüfungsverfahren verbunden ist, und die dadurch bedingten Veränderungen der Kalkulationsgrundlagen, dazu zu zwingen sein Angebot zurückzuziehen, indem er einer Bindefristverlängerung aus wirtschaftlichen Gründen nicht zustimmt, und dadurch dem nachrangigen Bieter die Gelegenheit verschafft, sich noch an die erste Stelle der Zuschlagswertung schieben zu können. Dem nachrangigen Bieter darf auch nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, einen günstigeren Wettbewerber, der einer Bindefristverlängerung zustimmt, durch Preissteigerungen während einer Verzögerung des Zuschlags, die mit einem erfolglosen Vergabenachprüfungsverfahren verbunden sind, wirtschaftlich zu schädigen. Das widerspräche sowohl dem Interesse des günstigsten Bieters als auch dem Interesse des öffentlichen Auftraggebers. Gem. § 2 Nr. 1 VOB/A sind Bauleistungen zu angemessenen Preisen zu vergeben und gem. § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A soll der Zuschlag auf das Angebot erteilt werden, dass unter Würdigung aller Gesichtspunkte als das wirtschaftlichste erscheint. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, den öffentlichen Auftraggeber vor Nachteilen zu schützen, die zwangsläufig mit nicht auskömmlichen Preisen verbunden sein können (Ingenstau/Korbion/ Kratzenberg, VOB, 15. Aufl., § 25 VOB/A, Rdnr. 66 m.w.Nachw.). Deshalb sollen Angebote ausgeschlossen werden, deren Preis unangemessen niedrig ist, weil damit häufig die Gefahr verbunden ist, dass der spätere Auftragnehmer in Schwierigkeiten gerät und den Auftrag entweder nicht oder nicht ordnungsgemäß ausführt (BGH, NJW 1995, 737; Ingenstau/Korbion/Kratzenberg a.a.O.).

Ein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot des § 24 Nr. 3 VOB/A tritt dann, wenn das Zuschlagsschreiben als verändertes Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB verstanden wird, das der Bieter/Unternehmer seinerseits ablehnen, unverändert oder modifiziert annehmen kann, nicht ein. § 24 Nr. 3 VOB/A bezieht sich nur auf die Zeit zwischen dem Eröffnungstermin gemäß § 22 VOB/A und der Erteilung des Zuschlags nach § 28 VOB/A und nicht auf die Zeit nach Zuschlagserteilung (vgl. Ingenstau/ Korbion - Kratzenberg, § 24 VOB/A Rdnr. 1).

Die Annahme, dann, wenn der Bieter/Unternehmer einer Verlängerung der Zuschlagsfrist zustimme, sei bereits die Zustimmungserklärung als Angebot auf Abänderung der Ausführungsfristen auszulegen (so: OLG Jena, Baurecht 2000, 1611) oder sogar als Angebot auf Abänderung der Ausführungsfrist und auf Anpassung des Preises, was sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergebe (so: Kapellmann, NZBau 2003, 1, 5), ist dagegen unter Berücksichtigung des Nachverhandlungsverbots des § 24 Nr. 3 VOB/A problematisch, worauf Kapellmann zutreffend hinweist (NZBau 2003, 1, 2). Da nach § 24 Nr. 3 VOB/A in der Zeit zwischen Angebotseröffnung und Zuschlagserteilung Verhandlungen über Änderungen des Angebots und seiner Preise grundsätzlich unstatthaft sind, muss es nicht nur als unzulässig angesehen werden, in dem Zeitraum bis zur Zuschlagserteilung stillschweigend eine Preisanpassung zu vereinbaren, es verbietet sich auch die gegenteilige Annahme, eine vorbehaltlose Zustimmung zu einer Verlängerung der Zuschlagsfrist sei als Verzicht auf ein - in dieser Zeit nicht zulässiges - Mehrpreisverlangen zu werten, der zudem ohne Überprüfung der Kalkulation ins Blaue hinein erfolgen würde. Es ist dem Bieter im Rahmen der (wiederholten) Zustimmung zu einer Verlängerung der Bindefrist nicht zumutbar und vielfach auch erkennbar unmöglich, seine gesamte Kalkulation zu überprüfen sowie die aktuellen Preisangebote seiner Lieferanten abzufragen. Die Zustimmung zu einer Verlängerung der Zuschlagsfrist beinhaltet deshalb allein die Erklärung des Bieters, auch über die ursprüngliche Zuschlagsfrist hinaus bereit zu sein, bei ansonsten unveränderten Umständen an seinem ursprünglichen Vertragsangebot festzuhalten. Sie schafft eine Vertrauensgrundlage für beide Verhandlungspartner für entsprechende Dispositionen und bindet den Bieter weiterhin an sein Angebot, soweit sich dessen Grundlagen nicht nachweislich geändert haben.

Diese Auffassung ist gegenüber derjenigen von Kapellmann (NZBau 2003, 1, 5), der eine Anpassung des nach seiner Auffassung ohne Hinweis auf die erhöhten Preise geschlossenen Vertrags gem. § 2 Nr.5 VOB/B befürwortet, deshalb vorzugswürdig, weil sie dem Transparenzgebot des Vergaberechts entspricht und dem Auftraggeber die Möglichkeit lässt, auf ein verändertes Angebot nicht einzugehen statt ihn "blind" an ein ihm unbekanntes Angebot zu binden. Sie dient zudem einer raschen Klärung der Auftragslage, weil sowohl der Auftragnehmer als auch der Auftraggeber unverzüglich auf das geänderte Angebot reagieren müssen.

Die Anwendung der vorstehend dargestellten Grundsätze auf den hier zu entscheidenden Fall führt zu folgenden Feststellungen:

Die Beklagte hat durch das Zuschlagsschreiben vom 02.03.2004 (Bl. 42/43 d. A.) das Vertragsangebot der Klägerin nicht unverändert angenommen sondern es jedenfalls hinsichtlich des Fertigstellungstermins eines Bauabschnitts modifiziert. Ziffer 3.3 der "Besonderen Vertragsbedingungen", die Bestandteil des Angebots der Klägerin waren, sah eine Fertigstellung des Abschnitts zwischen den Stationen 2 + 300 und 2 + 700 bis zum 15.04.2004 vor (vgl. Bl. 37 d. A.). Durch das Zuschlagsschreiben vom 02.03.2004 ist der Fertigstellungstermin für jenen Abschnitt geändert und auf den 29.05.2004 festgelegt worden. Diese Änderung hatte gemäß § 150 Abs. 2 BGB zur Folge, dass zum Vertragsschluss eine Annahmeerklärung der Klägerin erforderlich war, zu der die Beklagte die Klägerin im Einklang mit § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A in ihrem Schreiben vom 02.03.2004 auch aufgefordert hat, indem sie die Klägerin ausdrücklich um eine schriftliche Auftragsbestätigung gebeten hat.

Dass die Klägerin das veränderte Vertragsangebot der Beklagten ihrerseits unverändert angenommen hätte, ist jedoch nicht feststellbar. Die Klägerin hat auch nach der Aussage des Zeugen G, des zuständigen Mitarbeiters der Beklagten, schon innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Zuschlagsschreibens und damit innerhalb einer ihr zuzubilligenden angemessenen Reaktionsfrist ein auf die zwischenzeitlich eingetretene Stahlpreiserhöhung gestütztes Mehrpreisverlangen erhoben. Wie der Zeuge bei seiner Vernehmung durch den Senat bekundet hat, war der schriftlichen Bitte der Klägerin um Preisanpassung vom 15.03.2004 (Bl. 8/9 d. A.) bereits ein Telefonat mit gleicher Zielsetzung vorausgegangen.

Das von der Beklagten behauptete Verhalten der Vertreter der Klägerin bei der ersten Baubesprechung vom 8.03.2004 konnte auch aus der Sicht der Beklagten nicht als konkludente unveränderte Annahme des mit dem Zuschlagsschreiben vom 02.03.2004 erfolgten modifizierten Vertragsangebots gewertet werden. Einer solchen Wertung steht bereits der Umstand entgegen, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 02.03.2004 ausdrücklich um eine schriftliche Auftragsbestätigung sowie um die gleichzeitige (Unterstreichungen durch den Senat) Vorlage einer Vertragserfüllungsbürgschaft gebeten hatte. Der letztgenannten Bitte ist die Klägerin indessen erst mit ihrem Schreiben vom 15.03.2004 nachgekommen, mit dem sie aber gleichzeitig auch ihr Mehrpreisverlangen gestellt hat.

Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob nicht auch aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme des Senats, insbesondere aufgrund der Aussage des Zeugen M, davon ausgegangen werden muss, dass die Klägerin schon am 08.03. 2004 einen Vorbehalt hinsichtlich der Auswirkungen der Stahlpreiserhöhung erhoben hat.

Dass die Beklagte ihrerseits das hinsichtlich der Vergütung modifizierte Vertragsangebot der Klägerin vom 15.03.2004 unverändert angenommen hätte, lässt sich zwar nicht feststellen. Die Behauptung der Beklagten, der Klägerin sei bereits "wenige Tage" nach Erhalt des Schreibens vom 15.03.2004 erklärt worden, dass hinsichtlich des Mehrvergütungsverlangens eine Handlungsanweisung des Bundes eingeholt werden müsse, ist nicht widerlegt. Der hierdurch begründete Einigungsmangel der Parteien steht einem wirksamen Vertragsschluss jedoch nicht entgegen. Die Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht anwendbar, da die Parteien den Vertrag trotz der unvollständigen Vertragsabrede tatsächlich durchgeführt haben (BGH NJW 83, 1727, 1728).

Die hinsichtlich der Vergütung bestehende Lücke in den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ist dadurch zu schließen, dass der Klägerin das Recht zuzubilligen ist, einen an die Stahlpreiserhöhung angepassten, nach den Grundsätzen des § 2 Nr. 5 VOB/B ermittelten Preis verlangen zu können. Fehlt bei einem Werkvertrag eine ausdrückliche Vergütungsvereinbarung, gilt die übliche Vergütung als vereinbart (§ 632 Abs. 2 BGB). Ist - wie hier - die VOB/B vereinbart worden, ist eine dem Grunde nach gerechtfertigte Anpassung der Vergütung an geänderte Preisgrundlagen üblicherweise nach den Grundsätzen des § 2 Nr. 5 VOB/B vorzunehmen ( vgl. auch Kniffka a.a.O. Rdnr. 34 : Liegt die VOB/B zugrunde, bestehen keine Bedenken, wenn der Unternehmer den neuen Preis entsprechend § 2 Nr. 5 VOB/B ermittelt). Der Senat wendet insoweit § 2 Nr. 5 VOB/B nicht entsprechend an, sondern er geht davon aus, dass eine Preisanpassung nach dem Rechtsgedanken des § 2 Nr. 5 VOB/B der gebotenen Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Kooperationsverpflichtung der Parteien am besten entspricht, weil sie ggf. nach objektiven Kriterien mit Hilfe eines Sachverständigen überprüfbar ist. Damit wird zugleich der Gefahr vorgebeugt, dass der Sinn und Zweck des Ausschreibungsverfahrens nachträglich unterlaufen wird.

Ob im Falle einer Vergabe mit veränderten Fertigstellungsterminen bei der Bemessung der Höhe einer Preisanpassung ggf. auch berücksichtigt werden kann, dass durch die neue Bauzeit eine Kostenverringerung eintritt, erscheint dem Senat zweifelhaft (vgl. auch die die Berücksichtigung einer Preisermäßigung ablehnende Entscheidung BayObLG NZBau 2002, 689), kann jedoch vorliegend offen bleiben. Nach Auffassung des Senats könnte eine solche Kostenermäßigung allenfalls dann beachtlich sein, wenn sie bereits zeitnah zu dem Mehrvergütungsverlangen geltend gemacht worden wäre. Die Beklagte hat auf diesen Gesichtspunkt indessen erstmals im Senatstermin vom 05.12.2006 hingewiesen. Im übrigen fehlt es auch an konkreten Darlegungen dazu, dass die hier vorliegende zeitliche Verschiebung tatsächlich zu Ersparnissen, etwa aufgrund günstigerer Witterungsverhältnisse, geführt hat.

Davon, dass in der maßgeblichen Zeit zwischen dem 14.01.2004 (Ablauf der ursprünglichen Zuschlagsfrist) und dem 02.03.2004 (Zuschlag) eine Stahlpreiserhöhung eingetreten ist, die mit der für den Erlass eines Grundurteils erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., Rdnr. 6 zu § 304) das Mehrvergütungsverlangen der Klägerin rechtfertigt, ist der Senat aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen M in Verbindung mit dem von dem Zeugen verfassten Schreiben der Klägerin vom 15.03.2004 (Bl. 8/9 d. A.) überzeugt. Die nähere Aufklärung der Höhe des berechtigten Preisanpassungsverlangen der Klägerin ist im Betragsverfahren vorzunehmen und wird voraussichtlich nicht ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen erfolgen können.

Ende der Entscheidung

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