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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 29.05.2001
Aktenzeichen: 24 U 9/01
Rechtsgebiete: ZPO, VOB/B, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 733
VOB/B § 8 Nr. 3
VOB/B § 5 Nr. 4
VOB/B § 6
BGB § 284 Abs. 2 Satz 1
BGB § 254 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 9/01 OLG Hamm

Verkündet am 29. Mai 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm durch die Richter am Oberlandesgericht Kayser und Thome sowie die Richterin am Landgericht Stemke auf die mündliche Verhandlung vom 29.Mai 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.November 2000 verkündete Urteil der 11 Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Anschlußberufung der Klägerin wird ebenfalls zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert keine der Parteien um mehr als 60.000 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung der Beklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Zwar war die Kündigung des Werkvertrages durch die Beklagte gemäß § 8 Nr. 3 iVm. § 5 Nr. 4 VOB/B wegen Verzuges der Klägerin gerechtfertigt, so dass grundsätzlich kein Vergütungsanspruch, über den von der Beklagten für erbrachte Leistungen gezahlten Betrag hinaus, bestünde (dazu unten 1.). Allerdings hätte die Beklagte das von der Klägerin völlig vorbehaltlos gemachte Angebot, die bereits gefertigten, aber noch nicht eingebauten Fensterelemente zu übernehmen, annehmen müssen. Sie schuldet deshalb wegen Verstoßes gegen ihre Schadensminderungspflicht doch eine angemessene Vergütung für diese Bauteile (dazu unten II.).

I.

Die Kündigung mit Schreiben vom 10.Dezember 1998 war gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B berechtigt.

Die Klägerin befand sich mit ihrer Leistung seit dem 20.November 1998 in Verzug und hatte eine ihr mit Schreiben vom 1.Dezember 1998 gesetzte Nachfrist mit Kündigungsandrohung fruchtlos verstreichen lassen.

Der 20.November 1998 war im Werkvertrag zwischen den Parteien als Leistungsendzeitpunkt gemäß § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB vereinbart worden.

Nachdem in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes im Rahmen der Ausschreibung von Seiten der Beklagten mehrere widersprüchliche Leistungszeitangaben enthalten waren, die aber sämtlich vor dem 20. November 1998 lagen, ist in dem Auftragsschreiben vom 8. September 1998 durch die Beklagte als Zeitpunkt für den Beginn der Arbeiten der 21.09.1998 und als Fertigstellungstermin der 20.11.1998 deutlich eingetragen. Ob das unter Bezugnahme auf Nr.3.4 der dem Vertrag zugrundeliegenden EVM (B/K) BVB als Abänderung eines geschlossenen Vertrages möglich war, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls liegt in dieser Erklärung der Beklagten ein neues Angebot auf Vertragsschluß mit dieser individuell für dieses Projekt vorgesehenen Frist. Dieses Angebot hat die Klägerin schlüssig angenommen, spätestens, als sie am 7. Oktober 1998 durch Aufmaßnahme mit den Arbeiten begann.

Diese Leistungsfrist ist auch nicht obsolet geworden oder vertraglich geändert worden.

Hindernde Umstände gemäß § 6 VOB/B hat die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 3. Dezember 1998 angemeldet, also bereits nach Ablauf des vereinbarten Fertigstellungstermins und nach Eingang der Nachfristsetzung durch die Beklagte. Hinzu kommt, dass die aufgeführten - streitigen - Schwierigkeiten bei der Demontage der alten Fenster bereits bei Beginn der Demontagearbeiten, also am 25. November 1998 aufgetreten sein müssen. Die Behinderung wurde also nicht unverzüglich angezeigt.

Auch eine derart umfassende Änderung des Leistungsinhaltes, dass auch die Beklagte nicht mehr davon ausging, dass hierfür die vereinbarte Frist noch gelten könnte, hat es trotz des Nachtragsauftrages nicht gegeben. Hierbei handelte es sich um kleinere Änderungen an wenigen Fenstern, die den Produktionsbeginn der allermeisten Fenster nicht behindern konnten und Produktionsdauer und Montage der betroffenen Fenster nicht verlängern konnten.

Die Parteien haben auch keine anderweitige Vereinbarung über die Frist getroffen. Die Schreiben vom 11. und 13. November 1998 der Parteien sind diesbezüglich keine Willenserklärungen zur Änderung des bestehenden Vertrages, sondern reine Information über den Montagebeginn und damit den technischen Ablauf sowie dessen Bestätigung Zum einen bedurfte es bei der Vielzahl von betroffenen Mietern einiger Koordinierung von Seiten der Beklagten, die die Klägerin mit ihrem Schreiben in die Wege leiten wollte. Zum anderen können diese Schreiben nicht isoliert gesehen werden, sondern müssen auch im Zusammenhang mit der vorherigen Korrespondenz, insbesondere dem Schreiben der Beklagten vom 5. Oktober 1990, gesehen werden. Darin hatte die Beklagte die Klägerin aufgefordert, spätestens bis zum 8.10.1998 mit den Arbeiten zu beginnen und innerhalb der Vertragsfristen zu vollenden, wobei auch bereits auf § 8 Nr. 3 VOB/B hingewiesen wurde. Zu einer Abänderung der offenbar zumindest von Seiten der Beklagten wichtig genommenen Vertragsfristen hätte es deshalb eindeutig darauf zielender Erklärungen der Parteien bedurft und nicht lediglich der Mitteilung des Montagebeginns.

Auch die von der Klägerin vorgenommene Streichung des Datums des Endes der Fertigstellungsfrist in dem mit Empfangsbestätigung zurückgesandten Exemplar des Auftragsschreibens der Beklagten änderte die vereinbarten Fristen nicht mehr. Dieses Schreiben ging der Beklagten weit nach Beginn der Arbeiten an dem Projekt durch die Klägerin am 2. Dezember 1998 zu. Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag mit den verbindlichen Fristen bereits geschlossen. Zu einer Annahme dieser von der Klägerin angebotenen Änderung des Vertrages ist es nicht gekommen. Die Beklagte hat noch am Tage des Eingangs der Empfangsbestätigung der Streichung der Frist widersprochen.

II.

Der vom Landgericht der Klägerin zugesprochene Vergütungsanspruch ergibt sich aber als ein Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes der Beklagten gegen die Schadensminderungspflicht.

Auch im Rahmen der Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B und dem Recht des Auftraggebers nach Absatz 2 Satz 1 den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des Auftragnehmers von einem Dritten ausführen zu lassen, obliegt dem Auftraggeber nach dem Grundgedanken des § 254 Abs. 2 BGB eine gewisse Sorgfaltspflicht (Ingenstau/Korbion/Vygen, 14.Aufl., B § 8 Rn. 109). Das kann auch dazu führen, dass bereits angelieferte Baustoffe für die Weiterführung des Bauvorhabens zu verwenden sind, wenn die Stoffe hierfür uneingeschränkt tauglich sind, gegen ihre Verwendung auch aus der Sicht des Nachunternehmers keine Bedenken bestehen, der Auftragnehmer ohne weiteres bereit ist, die Baustoffe dem Auftraggeber zur Verfügung zu stellen, und der Auftragnehmer keine anderweitige Verwendungsmöglichkeit hat (OLG Düsseldorf, OLGR 1992, 337). Wenn unter Berücksichtigung aller bis zur Auftragserteilung an den Dritten für den Auftraggeber erkennbaren Umstände, insbesondere auch der Gründe für die Kündigung, die Verwendung der Bauteile dem Auftraggeber zumutbar ist, ist dieser gehalten, bereits hergestellte Bauteile zu übernehmen und angemessen zu vergüten (BGH, BauR 1995, 545). Verstößt der Auftraggeber gegen diese Pflicht, ist er dem Auftragnehmer zum Schadensersatz verpflichtet.

Die für dieses Erneuerungsvorhaben von der Klägerin hergestellten Fenster waren nach Aufmaß individuell zu fertigen gewesen. Die Klägerin hat für die bereits vollzählig hergestellten, aber nicht mehr eingebauten Fenster deshalb keine anderweitige Verwendungsmöglichkeit. Sie hat bereits im Schreiben vom 16.12.1998, mit dem sie der Kündigung widersprach, für den Fall der Aufrechterhaltung der Kündigung durch die Beklagte, ihr Einverständnis mit der Verwendung der bereits hergestellten Fenster erklärt und auch auf die Schadensminderungspflicht der Beklagten hingewiesen. Auch wenn die Klägerin mit Schreiben vom 21.01.1999 zuvor noch Verhandlungen über die Preise aufnehmen wollte, so hat sie doch spätestens mit Schreiben vom 27.01.1999 die Fenster ohne irgendwelche Vorbedingungen ihrerseits zur Verfügung gestellt und erklärt, selbst die Vergütung könne - auf der Basis der Vertragspreise - später festgelegt werden. Wiederum hat sie die Beklagte auf deren Schadensminderungspflicht hingewiesen. Erst zwei Wochen später beauftragte die Beklagte die Nachfolgefirma. Diese hatte bereits zuvor ihre Bereitschaft erklärt, die von der Klägerin hergestellten Fenster zu montieren, wobei sie lediglich - völlig verständlich - die Gewährleistung für bauseits gelieferte Elemente ausschloß. Bedenken gegen die Elemente äußerte sie aber keine. Der Beklagten war die Verwendung der von der Klägerin hergestellten Fenster auch zumutbar. Es gab und gibt keine Mängelrügen, die die Fensterelemente selbst betreffen. Es waren lediglich noch nicht zu Ende geführte Montagearbeiten, wie Versiegelung oder Verleistung, gerügt worden. Grund für die Kündigung war allein der Verzug der Klägerin mit dem Einbau der Fenster. Dieser sollte von ihr nun nicht mehr geleistet werden. Auch die Tatsache, dass die Drittfirma die Gewährleistung für die Elemente ausschloß, rechtfertigt letztlich nicht, dass die Beklagte die Elemente der Klägerin nicht übernahm und für Montage und Elemente einen Gewährleistungspflichtigen haben wollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte ja ohnehin schon wegen der bereits eingebauten Fenster mit der Klägerin als Gewährleistungspflichtiger zu tun hatte. Sie bekam also durch die Beauftragung der Drittfirma in jedem Falle einen weiteren Pflichtigen. Bei Übernahme der Elemente der Klägerin wären lediglich die Grenzen der Gewährleistungspflichten der beiden Firmen andere gewesen. Wichtig ist dabei, dass die Gewerke "Herstellung der Fenster" und "Montage der Fenster" klar auseinander zu halten waren. Die Fachleute der Beklagten konnten deshalb bei auftauchenden Gewährleistungsfragen ohne weiteres erkennen, welchem dieser Gewerke ein Mangel zuzuordnen sein würde und dann den entsprechenden Vertragspartner in Anspruch nehmen. Es war der Beklagten im Rahmen der Abwicklung des Vertrages mit der Klägerin also zumutbar, die hergestellten Elemente zu übernehmen.

Die Beklagte hat ihrer Schadensminderungspflicht nicht dadurch genügt, dass sie versuchte, einen Ankauf der von der Klägerin gefertigten Fenster durch die Drittfirma zu vermitteln. Dann hätte die Drittfirma gegenüber der Beklagten Gewährleistung für nicht von ihr hergestellte Elemente übernehmen müssen. Dazu war sie als Fensterherstellerin nicht verpflichtet. Vielmehr hätte die Beklagte selbst im Rahmen des Vertrages mit der Klägerin die bereits hergestellten Fenster übernehmen müssen und diese dann der Drittfirma zum Einbau zur Verfügung stellen müssen.

Als Schadensersatz ist der Klägerin eine angemessene Vergütung für die hergestellten und nach wie vor der Beklagten zur Verfügung stehenden Fenster zu zahlen. Das Landgericht hat entsprechend der Berechnung der Klägerin in Bezug auf die nicht eingebauten Fensterelemente einen Anspruch in Höhe des Vertragspreises abzüglich des kalkulierten Montagepreises zuerkannt. Insoweit hat die Beklagte keine Einwendungen erhoben. Auch sind nach dem eigenen Vortrag der Beklagten die Montagekosten der Drittfirma nicht höher als die Kosten, die die Klägerin angesetzt hat. Bei Übernahme der Fensterelemente von der Klägerin zu diesen Preisen und Montage durch die Drittfirma waren der Beklagten also keine höheren Kosten entstanden. Damit sind die von der Klägerin - die bei der ursprünglichen Leistungsausschreibung ja die billigste war - nach dem Vertrag berechneten Preise für die Elemente angemessen.

B.

Die Anschlußberufung der Klägerin wegen der Zinssatzhöhe hat keinen Erfolg.

Die von ihr vorgelegte Bescheinigung der Steuerberaterin der Klägerin weist - wenn überhaupt - dann lediglich Darlehen aus, die von den Söhnen der Geschäftsführerin der Klägerin, die nach ihrem Vortrag nicht Gesellschafter sind, gewährt wurden. Damit ist der Nachweis eines Zinsschadens, also einer unfreiwilligen Vermögenseinbuße, nicht ausreichend geführt. Es ist nicht deutlich, ob die Klägerin gezwungen war, diese Darlehen aufzunehmen, in wie weit sie Tilgungsleistungen erbringen kann und ob sie nicht auf dem Kapitalmarkt einen günstigeren Zinssatz erzielen konnte.

C.

Der Senat sieht keinen Anlaß, der Anregung der Beklagten zu folgen, die Revision wegen der Erörterungen zur Übernahmepflicht bezüglich der hergestellten Fenster zuzulassen.

Die Kriterien für eine solche Übernahmepflicht sind in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich nicht umstritten. Bei der Anwendung dieser Kriterien handelt sich letztlich immer um eine Einzelfallentscheidung, so auch hier. Offene Fragen grundsätzlicher Bedeutung sieht der Senat nicht.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 733 ZPO.

Ende der Entscheidung

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