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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.11.2006
Aktenzeichen: 25 U 40/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 1 S. 3
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Februar 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 405.635,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit zunächst gemäß § 522 Abs. 1 S. 3 ZPO auf den Hinweis der Senatsvorsitzenden vom 09. August 2006 Bezug genommen.

Der Schriftsatz der Beklagten gibt keine Veranlassung, von der in dem Hinweis niedergelegten Beurteilung der Sach- und Rechtslage abzuweichen.

Der Kläger war - wenn man nicht bereits einen konkludenten Auskunftsvertrag annehmen will - jedenfalls in den Schutzbereich des zwischen der Beklagten und der I GmbH & Co KG (im folgenden I) bestehenden Steuerberatungsvertrag einbezogen.

Der von der Beklagten nunmehr ins Feld geführte Gesichtspunkt, die Beklagte habe durch den Zeugen I1 die Übernahme der steuerlichen Beratung abgelehnt, ändert daran nichts, denn er lässt die Schutzbedürftigkeit des Klägers nicht entfallen. Unabhängig davon, dass diese Erklärung nach der Bekundung des Zeugen I1 erst nach nochmaliger Erläuterung des von der Beklagten favorisierten Modells abgegeben wurde, konnte der Kläger aus dieser Reaktion nur ableiten, dass der Abschluss eines eigenständigen Beratungsvertrages mit ihm von der Beklagten abgelehnt wurde. Daraus musste er aber keinesfalls schließen, dass er auf die vorangegangenen Erläuterungen der Beklagten nicht vertrauen durfte. Eine Einschränkung der Haftung, wie sie bei eingeschränkten Testaten angenommen werden kann, lag darin in keinem Fall.

Auch kann die Beklagte einen fehlenden Vertrauenstatbestand auf seiten des Klägers nicht unter Berufung auf die Entscheidung des BGH NJW 1995, 392 f damit begründen, sie habe anders als in dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Sachverhalt nicht ihre besondere objektive Sachkunde in den Vordergrund gestellt. Der Entscheidung des BGH ist nicht zu entnehmen, dass das besondere Herausstellen der Sachkunde notwendiges Erfordernis für eine Einbeziehung des Dritten ist. Vielmehr knüpft der BGH - wie auch der Senat in dem oben genannten Hinweis - daran an, ob jemand eine durch eine staatliche Anerkennung oder einen vergleichbaren Akt nachgewiesene Sachkunde hat und begründet lediglich im folgen-den, dass auch ein nicht öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger eine vergleichbare Qualifikation haben kann, wenn nach den für die Sparkassen geltenden Beleihungsgrundsätzen nur ein mit den örtlichen Verhältnissen besonders vertrauter und vom Vorstand bestellter und verpflichteter Sachverständiger Schätzungen des Beleihungsgegenstandes vornehmen darf. Hier weist die Beklagte schon aufgrund der beruflichen Qualifikation ihrer Geschäftsführer eine mit einer staatlichen Anerkennung verbundene Sachkunde auf, so dass es des besonderen Herausstellens der Sachkunde für die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens nicht bedarf.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Entscheidung des OLG Düsseldorf (NJWRR 1986, 730 f), in der die Einbeziehung eines Ehegatten in den auf den Abschluss einer Scheidungsfolgenvereinbarung gerichteten Anwaltsvertrag zwischen dem Anwalt und dem anderen Ehegatten verneint wurde, mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt war gerade nicht dadurch gekennzeichnet, dass der Berater, wie hier die Beklagte nach der Aussage des Zeugen D, ein Gestaltungsmodell für beide Seiten entwickelt hatte. Auch ist die Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen der Beklagten und der I für die Beklagte erkennbar gewesen. Angesichts dessen, dass die Beklagte nach der Aussage des Zeugen D gesondert dazu angehalten wurde, die Abschlussbereitschaft des Klägers durch Entwicklung eines auch seinen finanziellen Interessen dienenden Modells zu fördern, war für sie - nicht zuletzt im Hinblick auf die unzureichende Sachkunde des Zeugen L - klar ersichtlich, dass der Kläger auf die Ergebnisse ihrer Tätigkeit vertrauen würde. Dafür, dass der Kläger anstelle des Zeugen L einen anderen Berater hinzuziehen würde, hatte sie keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr sprach der Besuch des Klägers bei dem Zeugen I1 am 20.06.2001 entschieden gegen diese Möglichkeit. Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob eine Tätigkeit des Zeugen L ausschließlich für die F GmbH für die Beklagte erkennbar war.

Auch führt die Auffassung des Senats nicht dazu, dass jede Vertragsformulierung eine Beeinflussung des Geschäftsabschlusses wäre, denn die Tätigkeit der Beklagten, die nach der Aussage des Zeugen D ein Modell für beide Seiten entwickeln sollte, ging ja gerade über die bloße Formulierung des abzuschließenden Vertrages hinaus.

Soweit die Beklagte einwendet, die Miterledigung der Frage der Altersversorgung der Gesellschafter sei zwangsläufig vorzunehmen gewesen und habe mit der Problemlösung, wie sie für den Kläger im Raume stand, nichts zu tun gehabt, führt dies ebenfalls nicht dazu, eine Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Vertrages mit I zu verneinen. Ob dies so ist, kann dahinstehen, denn auch die verbleibenden Argumente allein tragen eine Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Vertrages zwischen der Beklagten und I.

Weiterhin ist der Beklagten aus den Gründen des oben genannten Hinweises der Senatsvorsitzenden auch eine schuldhafte Pflichtverletzung anzulasten. Ihr Schriftsatz vom 29.09.2006 enthält insoweit keine neue Argumentation. Maßgebend ist, dass der Hinweis der Beklagten nicht eine besondere Eilbedürftigkeit der Umsetzung des entwickelten Modells erkennen ließ.

Schließlich greift die Beklagte die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schadensentstehung mit nicht tragfähiger Argumentation an. Sie geht nämlich von dem tatsächlichen Ablauf aus, der nicht von der Erkenntnis getragen war, dass die Abwicklung eilbedürftig ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Einigung über die wesentlichen vertraglichen Bestandteile betreffend den Erwerb der Geschäftsanteile an der F GmbH und die weiteren Umsetzungshandlungen des Klägers nicht wesentlich forciert worden wären, wenn den Beteiligten bewusst gewesen wäre, dass eine Gesetzesänderung unmittelbar bevorstand, die zu einem Scheitern des für den Kläger entworfenen Gestaltungsmodells führen würde.

Auch kann die Beklagte nicht einwenden, der Kläger habe die hohe Wahrscheinlichkeit eines Schadens für den Fall, dass die beabsichtigte Gestaltung nicht bis zum 15.08.2001 hätte umgesetzt werden können, nicht dargelegt. Zum einen spricht - da der Umsetzung des steuerlichen Gestaltungsmodells keine ernsthaften Hindernisse entgegenstanden - alles dafür, dass bei entsprechender Forcierung eine Umsetzung vor dem 15.08.2001 hätte erfolgen können, auch wenn der genaue Stichtag nicht vorhersehbar war. Zum anderen hat der Kläger in seiner Alternativberechnung, auch wenn diese - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - von einem Verkauf in 2002 und nicht in 2001 ausgeht, einen solch umfangreichen Schaden errechnet, dass es jedenfalls hinreichend wahrscheinlich ist, dass im Falle der unmittelbaren Veräußerung der Geschäftsanteile des Klägers an I im Jahre 2001 jedenfalls irgendeine geringere steuerliche Belastung eingetreten wäre, was für ein Grundurteil ausreichend ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, denn es ist keine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist. Vielmehr werden die Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritte auf einen Einzelfall angewendet.

Auch erfordert weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Berufungsgerichts gemäß § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO, weil - wie die obigen Ausführungen zeigen - nicht von ober- oder höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen wird.

Warum schließlich etwaige nicht durch das Grundurteil abgeschnittene Einwendungen der Beklagten gegen den in erster Instanz mit der Klageerweiterung geltend gemachten Anspruch einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO entgegenstehen sollen, erschließt sich nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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