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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.11.2005
Aktenzeichen: 26 U 14/05
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, VermKatG


Vorschriften:

BGB § 276
BGB § 278
BGB § 280
BGB § 631
BGB § 635
BGB § 839
EGBGB Art. 229 § 5 S.1
VermKatG § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. November 2004 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist gewerbsmäßig mit der Errichtung von Immobilien befasst; der Beklagte ist öffentlich bestellter Vermessungsingenieur.

Im Mai 2000 erwarb die Klägerin ein noch einzumessendes Teilgrundstück aus dem Flurstück 153, G1. 16, Grundbuch von I, Bl. 725, um hierauf ein Mehrfamilienhaus und eine zu vermietende Polizeistation zu errichten. Sie beauftragte den Beklagten, die Teilungsvermessung des Grundstücks vorzunehmen, um die Teilung des Grundstücks und den Verlauf der Grenzen in das Liegenschaftskataster und somit den Eigentumserwerb in das Grundbuch eintragen zu können. Der Beklagte erhielt auf seinen Antrag hin noch im Mai 2000 von dem Katasteramt die Auszüge aus dem Liegenschaftskataster. Es handelte sich hierbei um einen sog. "Dauerriss". Ein solcher Dauerriss gibt nur Aufschluss über die aktuellen Punktnummerierungen des Liegenschaftskatasters, nicht aber über die geometrischen Bedingungen und Zusammenhänge und Qualität der bereits vorhandenen Grenzfeststellungen. Der Dauerriss war als "Koordinatenkataster" ausgewiesen. Ein solches Kataster liegt nach dem Vermessungspunkteerlass, einem Runderlass des Innenministeriums, dann vor, wenn die Genauigkeit und Zuverlässigkeit des Plans eine nach bestimmten Kriterien festgelegte Stufe von "1" bzw. "H" aufweist. Diese Voraussetzungen waren bei dem vom Katasteramt herausgegebenen Unterlagen nicht gegeben; der Dauerriss wies nur die Lagegenauigkeit "2" auf. Bei dieser Stufe der Lagegenauigkeit sind Ungenauigkeiten bis zu maximal 3 Zentimetern möglich.

Die Klägerin stellte in der Folgezeit das Bauvorhaben zunächst zurück, so dass die Teilungsvermessung noch nicht durchgeführt wurde. Im März 2001 beauftragte sie dann den Beklagten mit der Absteckung des Gebäudes, um mit den Bauarbeiten beginnen zu können. Der Beklagte nahm die Absteckung am 30.03.2001 anhand der ihm bereits im Mai 2000 von dem Katasteramt überlassenen Unterlagen vor, um die vorgeschriebenen Grenzabstände sowie die genaue Lage des Gebäudes einzuhalten bzw. festzustellen und die Baugrube für den Beginn der Bauarbeiten abzustecken. Ihm fielen bei der Grenzberechnung und -bestimmung mehrere Grenzzeichen auf, die nicht mit den Eintragungen in den Katasterunterlagen übereinstimmten. So fehlte ein Stein, anstelle dessen war dort ein Kreuz eingeschliffen. Weiterhin fand er ein Eisenrohr mit einer Kunststoffnarbe bzw. ein Meißelzeichen vor. Diese Grenzzeichen waren von einem anderen Vermessungsingenieur im Jahre 1999 anlässlich einer Absteckung einer Garage als vorübergehende Kennzeichen gesetzt worden. Wie im Laufe des Rechtsstreits unstreitig geworden ist, markieren auch diese veränderten Grenzzeichen indes den Grenzverlauf, wie er in den dem Beklagten zur Verfügung stehenden Katasterunterlagen eingetragen war.

Gleichwohl geriet die Baugrube um ca. 1,20 m zu nahe an die Nachbarsgrenze heran. Grund hierfür war, dass in den Unterlagen, die der Beklagte von dem Katasteramt erhalten hatte, ein falscher Grenzverlauf nebst Koordinaten dargestellt war. Im Rahmen der Aufstellung einer sog. automatisierten Liegenschaftskarte, die die Katasterbehörde im Jahr 1993 vorgenommen hatte, war nämlich ein Messpunkt, der eine Messlinie mit einem Abstand von 1,20 m zur tatsächlichen Grenze markierte, irrtümlich als Grenzkoordinate übernommen worden. Dies hatte zur Folge, dass die Grenze in den Vermessungsunterlagen von nun an gegenüber der tatsächlichen Grenze um ca. 1,20 m zum Nachbargrundstück hin verschoben war. Der tatsächliche Grenzverlauf ergab sich nur aus den historischen Rissen, die in dem Archive des Katasteramtes gelagert waren.

Die Klägerin begann unmittelbar nach der Absteckung mit den Bauarbeiten. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Land Nordrhein-Westfalen einen Mietvertrag über einen Teil des zu errichtenden Gebäudes abgeschlossen

Am 16.05.2001 erstellte der Beklagte nach entsprechendem Auftrag der Klägerin im Rahmen der Teilung der Grundstücke einen sog. "Fortführungsriss" und am 12.06.2001 eine Grenzniederschrift. Zu diesem Zeitpunkt war der Rohbau bereits im wesentlichen fertiggestellt. Auch hierbei bemerkte der Beklagte die Abweichung des tatsächlichen Grenzverlaufs von den Eintragungen in den Vermessungsunterlagen des Katasteramtes nicht. Diese Abweichung fiel erst dem Katasteramt aufgrund eines Abgleichs mit den historischen Unterlagen auf, nachdem der Beklagte am 04.09.2001 die Grenz- und Messungsniederschriften nebst einem Übernahmeantrag an das Katasteramt eingereicht hatte und auf eine Unstimmigkeit hinsichtlich einer anderen Koordinate in einer Größenordnung von 10 Zentimetern hingewiesen hatte. Das Katasteramt gab dem Beklagten daraufhin im November 2001 auf, die tatsächliche Grenze auf dem Grundstück zu übertragen und abzumarken. Der Beklagte hatte bereits am 17.09.2001, also in Unkenntnis der Unrichtigkeit in den Unterlagen, die Einmessung des errichteten Gebäudes für den Katasternachweis vorgenommen. Nach der Aufforderung durch das Katasteramt nahm er am 05.12.2001 eine erneute Grenzniederschrift vor, die den tatsächlichen Grenzverlauf richtig wieder gab.

Um einen drohenden Abriss des Gebäudes oder einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden, schloss die Klägerin am 23.11.2001 mit der Eigentümergemeinschaft des durch die zu nahe Grenzbebauung benachteiligten Nachbargrundstücks eine Vereinbarung, wonach diese eine Abstandsbaulast übernahm. Die Klägerin verpflichtete sich im Gegenzug, einen Betrag von 50.000,00 DM an die Gemeinschaft zu zahlen. Ein Betrag von 25.000,00 DM sollte sofort fällig, die übrigen 25.000,00 DM bei "Schadloshaltung" der Klägerin durch die "Verantwortlichen" fällig sein.

Die Klägerin nimmt nunmehr den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hat behauptet, dass der Beklagte bei ordnungsgemäßer Beachtung der Sorgfalt die falsche Messung hätte verhindern können und müssen. Der Fehler in den Unterlagen des Katasteramtes sei für ihn erkennbar gewesen. Er hätte zudem die Abweichungen der vorgefundenen Grenzzeichen von den Katasterunterlagen zum Anlass nehmen müssen, diesen Widersprüchen nachzugehen. Er hätte sich bei dem Katasteramt nach weiteren Unterlagen erkundigen müssen und anhand der historischen Vermessungsunterlagen den Fehler festgestellt. Auch der Umstand, dass die Vermessungsunterlagen entgegen der Angabe des Katasteramtes - unstreitig - nicht die Lagegenauigkeit "1" sondern lediglich die 2. Stufe der Genauigkeitsskala aufgewiesen hätten, hätte er zum Anlass nehmen müssen, nähere Nachforschungen anzustellen. Jedenfalls müsse sich der Beklagte den Fehler des Katasteramts als "Erfüllungsgehilfe" zurechnen lassen.

Die Klägerin hat ihren angeblichen Schaden wie folgt beziffert:

Neben der Ausgleichszahlung an die Nachbarseigentümergemeinschaft für die Eintragung der Baulast in Höhe von 50.000,00 DM hat sie angeblich ihr entstandene Rechtsanwaltsgebühren für den Entwurf des Baulastvertrages in Höhe von 263,00 €, Gebühren in Höhe von 600,00 DM für das durch die veränderte Lage des Gebäudes erforderlich gewordene Verwaltungsverfahren, Kosten für die veränderte Bauplanung in Höhe von 1.322,40 € sowie einen angeblich ihr entstandenen Zinsschaden in Höhe von 6.942,53 € geltend gemacht. Zu letzterem hat die Klägerin behauptet, dass infolge der fehlerhaften Messungen des Beklagten zwei Eigentumswohnungen nur mit Verzögerung hätten verkauft werden können und ihr deswegen der Kaufpreis später gezahlt worden sei. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens zu dem geltend gemachten Zinsschaden wird auf Seite 9 der Klageschrift vom 07.05.2002, Bl. 9 d. A., Bezug genommen.

Die Klägerin hat zunächst Zahlungsklage in Höhe von insgesamt 34.400,23 € erhoben. Sie hat im Verlauf des Rechtsstreits dem Umstand Rechnung getragen, dass sie die Hälfte der "Kompensationszahlung" an die Nachbarseigentümergemeinschaft noch nicht gezahlt hat und daher beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1.

an sie 21.710,00 € nebst Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz daraus seit dem 13.12.2001 zu zahlen;

2.

an I, I1, I2, I3, I4, I5 und I6, I-Straße, #### Q als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 12.782,30 € zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, dass ihn an der fehlerhaften Vermessung kein Verschulden träfe. Er habe die Fehler in den Unterlagen nicht erkennen können. Es habe für ihn auch nicht der geringste Anhaltspunkt für etwaige Unrichtigkeiten des festgehaltenen Grenzverlaufs bestanden. Er habe sich daher auf die Richtigkeit der amtlichen Unterlagen verlassen dürfen.

Das Landgericht hat nach der Einholung zweier Sachverständigengutachten nebst mündlicher Erläuterung eines der Gutachten durch den Sachverständigen mit dem am 10.11.2004 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anspruch der Klägerin aus den §§ 280, 631 BGB mangels Verschulden des Beklagten nicht bestehe. Der Beklagte habe die Unrichtigkeit der Katasterunterlagen nicht erkennen können. Er müsse sich auch nicht das Verschulden des Katasteramtes zurechnen lassen. Wegen der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe, Seite 4 - 7 des angefochtenen Urteils, Bl. 281 - 284 d. A., Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen dieses, ihr am 14.12.2004 zugestellten Urteil mit einem am 13.01.2005 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nachdem auf ihren am 21.01.2005 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründung diese bis zum 14.03.2005 verlängert wurde, mit einem am 14.03.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie macht weiterhin geltend, dass für den Beklagten aufgrund der vorhanden Abweichungen zwischen den in den Unterlagen des Katasteramtes aufgeführten Grenzzeichen und den tatsächlich vorgefundenen Anlass bestanden habe, die Unterlagen auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen und weitere Nachforschungen anzustellen. Soweit das Landgericht im Hinblick auf den Sorgfaltsmaßstab auf öffentlich-rechtliche Erlasse abgestellt habe, gehe dies fehl. Das Verschulden des Beklagten sei an dem zivilrechtlichen Sorgfaltsmaßstab zu messen.

Jedenfalls müsse sich der Beklagte das fehlerhafte Verhalten des Katasteramtes als eigenes Verschulden zurechnen lassen, da er eine privat-rechtliche Tätigkeit ausgeübt habe. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei unerheblich, dass das Katasteramt die Vermessungsunterlagen und Daten unabhängig von und bereits vor dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag erstellt habe.

Die Klägerin beantragt,

abändernd den Beklagten zu verurteilen,

1.

an sie 21.710,00 € nebst Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2001 zu zahlen;

2.

an I, I1, I2, I3, I4 und I5, I-Straße, #### Q, als Gesamtgläubiger einen Betrag von 12.782,30 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die Klage habe mit ihrer Berufung weder Rechtsfehler noch Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts aufgezeigt. Er habe seine Pflichten sorgfältig und gewissenhaft erfüllt. Für ihn hätten keinerlei Anhaltspunkte bestanden, an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Unterlagen des Katasteramtes zu zweifeln. Selbst wenn er jedoch weitere Nachforschungen beim Katasteramt angestellt hätte, hätte er die Abweichungen nicht erkennen können.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen Dr. C2. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 25.11.2005, Bl. 340 ff d.A., Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet, da die Klage unbegründet ist.

Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten zu.

Das für die Schuldverhältnisse maßgebliche Recht richtet sich nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen, Art. 229 § 5 S.1 EGBGB.

1. Baugrubenabsteckung am 30.03.2001

Soweit die Klägerin Ersatz der "Kompensationszahlung" in Höhe von 50.000,00 DM, der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 263,00 €, der Verwaltungsgebühren in Höhe von 600,00 DM sowie der Bauplanungskosten in Höhe von 1.322,40 € begehrt, ist ausschließlich die von dem Beklagten am 30.03.2001 vorgenommene Gebäudeeinmessung und Absteckung der Baugrube schadensauslösende Handlung gewesen. Die weiteren Tätigkeiten des Beklagten sind nicht kausal für diese Schäden geworden. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Fortführungsrisses am 16.05.2001 und der Grenzniederschrift am 12.06.2001 war der Rohbau des Gebäudes nach den unstreitigen Angaben des Geschäftsführers der Klägerin bereits fertiggestellt; zumindest waren zwei Stockwerke fertiggestellt. Etwaige Fehler bei der Erstellung des Fortführungsrisses können sich daher nicht mehr auf die geltend gemachten Schäden ausgewirkt haben, die darin bestehen, dass der Abriss des Gebäudes verhindert wurde. Gleiches gilt für die am 17.09.2001 von dem Beklagten vorgenommene Gebäudeeinmessung. Zu diesem Zeitpunkt war das Gebäude bereits fertiggestellt.

Hinsichtlich dieser Baugrubenabsteckung am 30.03.2001 richtet sich die Haftung des Beklagten nach § 635 BGB. Es handelt sich um eine Tätigkeit, die nach Werkvertragsrecht zu beurteilen ist (vgl. hierzu BGHZ 58, S. 225 ff. sowie OLG Düsseldorf in NJW RR 1996, S. 269 ff.).

Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus § 635 BGB zu. Der Beklagte hat die - unstreitig - falsche Vermessung nicht zu vertreten. Ihm ist der ihm obliegende Entlastungsbeweis gelungen. Nach dem gesamten Ergebnis der Beweisaufnahme und dem Inhalt der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte den Anforderungen, die an ihn im Hinblick auf die im Verkehr erforderliche und übliche Sorgfalt zu stellen sind, gerecht geworden ist. Er hat die Vermessung und Absteckung der Baugrube so sorgfältig und gewissenhaft vorgenommen, wie es von einem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur erwartet werden kann und muss.

a)

Der Sachverständige Dr. C2 hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.11.2005 anschaulich und nachvollziehbar dargelegt, dass dem Beklagten kein Vorwurf im Hinblick auf das Ergebnis der - bereits bei der Absteckung des Gebäudes erfolgten - fehlerhaften Vermessung der Grenzen und Absteckung der Baugrube vorzuwerfen ist. Der Beklagte habe diese, wie es bei Beachtung der gehörigen Sorgfalt erforderlich und üblich sei, anhand der Unterlagen des Katasteramtes vorgenommen und nicht lediglich auf die vorhandenen Grenzsteine vertraut. Hierbei habe er sich bei der Vermessung an die in den Katasterunterlagen vorhandenen Aufnahmepunkte, die als "sichere" Orientierungspunkte gälten, orientiert und so den Grenzverlauf mit in den Katasteramtsunterlagen vorhandenen Angaben verglichen. Hierbei habe er aber keinerlei Abweichungen des tatsächlichen Grenzverlaufs von den Angaben in den Unterlagen des Katasteramtes feststellen können, da diese Unterlagen mit den tatsächlich vorhandenen Grenzzeichen übereingestimmt hätten.

Der Beklagte sei daher seinen Verpflichtungen, wie sie sich aus dem Fortführungsvermessungserlass vom 23.03.2000 ergäben, nachgekommen. Insbesondere habe er, wie es in dem Erlass vorgeschrieben sei, eine vollständige Grenzuntersuchung, d. h. eine Überprüfung sämtlicher Grenzsteine an den das Grundstück umgebenden Grenzen vorgenommen. Der Beklagte habe alle Grenzsteine aufgesucht, aufgemessen und koordiniert.

Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen, die in sich schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend sind, uneingeschränkt nach eigener Wertung an. Die Überzeugungskraft des Gutachtens des Dr. C2 wird nicht dadurch gemindert, dass der vom Landgericht zunächst bestellte Sachverständige Adam zu teilweise anderen Schlussfolgerungen gekommen ist. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen Adam beruhen zum Teil wesentlich auf unrichtigen Tatsachen. Schließlich hat dieser seine Feststellung, dass der Beklagte den Fehler hätte bemerken müssen, "insbesondere auch wegen der Einwände der Nachbarn, denen nicht nachgegangen" worden seien, begründet. Diese Einwände sind aber nicht festzustellen.

Zur Überzeugung des Senats steht demnach fest, dass der Beklagte diejenigen Anforderungen erfüllt hat, die an einen sorgfältig vorgehenden Vermessungsingenieur zu stellen sind. Ihm kann kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden. Er hat sämtliche Tätigkeiten, die ihm durch den Fortführungsvermessungserlass vorgegeben waren, ausgeführt und sich anhand der Katasterunterlagen von der Richtigkeit und Vollständigkeit des Grenzverlaufs überzeugt.

b)

Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich ein Verstoß des Beklagten gegen seine Sorgfaltspflichten auch nicht daraus, dass dieser auf die Richtigkeit der Unterlagen des Katasteramtes vertraut und keine weiteren Nachforschungen in dem Archiv des Katasteramtes angestellt hat. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass es sich bei den Unterlagen des Katasteramtes um amtliche Nachweise handele, aus deren Richtigkeit und Vollständigkeit man vertrauen könne. Nur dann, wenn Zweifel an der Richtigkeit der Unterlagen bestünden, hätte daher für den Beklagten Anlass bestanden, weitere Erkundigungen bei dem Katasteramt einzuholen.

Diese Ausführungen des Sachverständigen decken sich mit der Auffassung des Senats. Bei dem Liegenschaftskataster handelt es sich um ein amtliches Verzeichnis, welches u. a. Grundlage für die Bildung und Fortschreibung von Grundbüchern ist, § 2 der Grundbuchordnung. Bereits dies zeigt anschaulich auf, welchen Stellenwert dem Liegenschaftskataster in dem - privaten und öffentlichen - Rechtsverkehr zukommt. An seinem Bestand und seine Führung werden, auch durch öffentlich-rechtliche Erlasse, strenge Anforderungen gestellt, um die Richtigkeit des Verzeichnisses als Grundlage u. a. auch des gesamten Grundstücksverkehrs zu erfüllen. Ohne einen Anhaltspunkt dafür, dass die amtlichen Unterlagen vorliegend unrichtig sein könnten, konnte der Beklagte daher ohne weiteres auf die Richtigkeit der amtlichen Angaben vertrauen. Etwas anderes von ihm zu fordern, würde die Sorgfaltspflichten, die auch an einen gewissenhaft und sorgfältig arbeitenden Vermessungsingenieur zu stellen sind, überspannen. Diese Vorgehensweise ist in der Praxis absolut unüblich, zudem mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden.

Der Hinweis der Klägerin darauf, dass die Sorgfaltspflichten des Beklagten anhand des zivilrechtlichen Sorgfaltsmaßstabes und nicht anhand öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu messen seien, verfängt nicht. Der Beklagte hat auch unter Berücksichtigung des nach § 276 BGB zu beurteilenden, auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteten Sorgfaltsmaßstabs alles Erforderliche getan, um die ihm aus dem Werkvertrag obliegenden Pflichten gewissenhaft zu erfüllen.

c)

Entgegen der Ansicht der Klägerin bestand für den Beklagten auch kein Anhaltspunkt, an der Richtigkeit der amtlichen Vermessungsunterlagen zu zweifeln.

Ein solcher Anlass ergab sich insbesondere für den Beklagten nicht daraus, dass er Grenzsteine vorgefunden hat, die von ihrer Beschaffenheit her nicht mit denjenigen übereinstimmten, welche in den Vermessungsunterlagen des Katasteramtes verzeichnet waren. Er hat auch insofern die im obliegende Sorgfaltspflicht gewissenhaft erfüllt, in dem er die Richtigkeit der Lage der - in ihrer Beschaffenheit abweichenden - Grenzsteine mit den Angaben des amtlichen Verzeichnisses verglichen hat. Da die Grenzzeichen, die der Vermessungsingenieur Q im Jahr 1999 als sog. "Tagesmarkierungen" gesetzt hatte, eben jenen Grenzverlauf wiedergaben, der in dem amtlichen Verzeichnis angegeben war, hat der Beklagte seiner Sorgfaltspflicht genügt, indem er diese Abweichungen anlässlich der Grenzniederschrift im Juni 2001 aufnahm. Zweifel an der Richtigkeit der Unterlagen des Katasteramtes bestanden für ihn nicht. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass solche Abweichungen in der Beschaffenheit der Grenzmarkierungen bzw. solche "Tagesmarkierungen" ohne Dokumentation und Eintragung in den Unterlagen des Katasteramtes nicht unüblich seien. Für sich genommen stellten solche Abweichungen keinen Anlass zu Zweifeln dar.

Unabhängig davon hätte ein solches Vorgehen nach den Darlegungen des Sachverständigen kein anderes Ergebnis hervorgebracht. Hätte der Beklagte nämlich die Abweichung der Beschaffenheit der Grenzsteine vorab bei dem Katasteramt angezeigt, wäre ihm nach den Ausführungen des Sachverständigen, dies entspricht auch der Ansicht des Senats, allenfalls der Auftrag seitens des Amtes erteilt worden, die Richtigkeit der Lage der Grenzsteine anhand der Unterlagen zu überprüfen. Die Lage der Grenzsteine stimmte indes, wie bereits ausgeführt, mit den Unterlagen des Katasteramtes überein.

d)

Ein Sorgfaltsverstoß des Beklagten liegt auch nicht darin, dass dieser die Vermessung und Absteckung anhand der Unterlagen des Katasteramtes vorgenommen hatte, obwohl die mit der in den Unterlagen genannte Lagegenauigkeit "1" tatsächlich nicht vorlag, sondern die Unterlagen und die Koordinaten lediglich die Genauigkeitsstufe "2" aufwiesen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen, an deren Richtigkeit der Senat auch insoweit nicht zweifelt, ist auch die Genauigkeitsstufe "2" eine verlässliche Grundlage für die Feststellung der Grenzpunkte, da diese Stufe eine Genauigkeit bis zu einer Abweichung von maximal 3 cm zulasse. Auch der Sachverständige hätte die Unterlagen nicht hinterfragt und weitere historische Unterlagen von dem Katasteramt angefordert, bloß weil hier eine Unstimmigkeit hinsichtlich der Einstufung der Lagegenauigkeit vorlag.

Angesichts dessen konnte der Beklagte auch bei Ausübung der üblichen Sorgfalt die ihm zur Verfügung gestellten Vermessungsunterlagen zur Grundlage seiner Koordinaten- und Grenzbestimmung verwenden. Insofern musste zusätzlich berücksichtigt werden, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen in der Verwaltungspraxis des Katasteramtes des Kreises N-M üblicherweise nur die Unterlagen, wie auch vorliegend, ausgehändigt werden, wenn einmal die Koordinaten festgesetzt sind und ein Koordinatenkataster vorliegt, und zwar auch bei einer solchen Qualität wie in dem vorliegenden Fall.

Die Klägerin kann aber nur verlangen, dass der Beklagte mit der üblichen Sorgfalt vorgeht und gewissenhaft arbeitet. Wenn der Beklagte auf Grund der Verwaltungspraxis des Kreises, wie jeder andere Vermessungsingenieur in dem Kreis auch, lediglich einen solchen Nachweis erhält wie vorliegend, solche Unterlagen eine Genauigkeit von maximal bis zu 3 cm aufweisen und keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Unterlagen bestehen, kann ihm kein Vorwurf gemacht werden, wenn er nicht gegen die Verwaltungspraxis "remonstriert" und auf der Aushändigung von weiteren, historischen Unterlagen besteht. Entscheidend ist und bleibt, dass der Beklagte sich auf die Richtigkeit der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen verlassen konnte und angesichts der Verwaltungspraxis auch musste.

e)

Der Beklagte hat sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht das Verschulden des Kreises N-M - Katasteramt - nach § 278 BGB zurechnen zu lassen. Der Kreis ist kein Erfüllungsgehilfe des Beklagten gewesen. Der Beklagte hat dem Kreis keine Aufgabe zugewiesen. Die Unterlagen wurden von dem Kreis ausschließlich aufgrund des Antragsrechts des Beklagten nach § 2 VermKatG herausgegeben.

Zudem steht die schuldhafte Handlung des Kreises in keinerlei Zusammenhang mit der Herausgabe der Unterlagen an den Beklagten im Jahr 2001. Nur hinsichtlich dieser Herausgabe der Unterlagen könnte, wenn überhaupt, von einer "Zuweisung" einer Aufgabe durch den Beklagten die Rede sein. Die schuldhafte Handlung des Kreises hat bereits im Jahr 1993 stattgefunden, als bei der Aufstellung der automatisierten Liegenschaftskarte der Messpunkt mit einem Abstand von 1,20 m zur tatsächlichen Grenze irrtümlich als Grenzkoordinate übernommen worden war. Eine erneute Überprüfung des Katasteramtes auf die Richtigkeit der Unterlagen anlässlich der Herausgabe musste dieses nicht vornehmen, nachdem die automatisierte Liegenschaftskarte einmal erstellt war.

2. Teilungsvermessung im Mai und Juni 2001

Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Schadensersatz hinsichtlich des von ihr behaupteten Zinsverlustes in Höhe von 6.942,53 € wegen der verzögerten Abwicklung der Kaufverträge über die beiden Eigentumswohnungen zu.

Für diesen Schaden ist einzig ernsthaft in Betracht kommende Anspruchsgrundlage § 839 BGB. Die zeitliche Verzögerung der Abwicklung der Kaufverträge hatte ihren Grund darin, dass der Beklagte den Fortführungsriss am 16.05.2001 und die Grenzniederschrift am 12.06.2001 - objektiv falsch - vorgenommen hat. Nur hierdurch ist es zur Verzögerung der Abwicklung gekommen.

Bei diesen Tätigkeiten ist der Beklagte als sog. "Beliehener" und damit in Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne des § 839 BGB, Art. 34 GG tätig geworden. Es handelt sich um Vermessungstätigkeiten, die einer Grenzfeststellung nach § 17 des Vermessungs- und Katastergesetzes und damit einer Katastervermessung im Sinne des § 5 Abs. 1, 2 Vermessungs- und Katastergesetz dienten. Die Haftung des Beklagten wäre nicht nach Art. 34 GG ausgeschlossen gewesen. Der Beklagte ist als öffentlich bestellter Vermessungsingenieur Gebührenbeamter im Sinne des § 1 Abs. 3 des Preußischen Gesetzes über die Haftung des Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei Ausübung öffentlicher Gewalt vom 01.08.1909, da es sich um eine Amtshandlung handelte, für welche er eine besondere Gebühr zu beziehen hatte.

Der Beklagte hat indes keine Amtspflichtverletzung im Sinne des § 839 BGB begangen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen steht fest, dass der Beklagte die Teilungsvermessung in Übereinstimmung mit den hierfür maßgeblichen Gesetzen und Verordnungen ausgeführt hat. Da sämtliche Vermessungstätigkeiten, die er bei der Teilungsvermessung durchführen musste, bereits bei der Gebäudeabsteckung vorgenommen wurden, kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10 , 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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