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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 01.09.2009
Aktenzeichen: 26 U 73/08
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 6
BGB § 282 a.F.
BGB § 286
BGB § 288
BGB § 634 Abs. 2 a.F.
BGB § 635 a.F.
EGBGB Art. 229 § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 27.02.2008 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger insgesamt 6.081,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2004 zu zahlen.

Von den Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger 69% und die Beklagte 31%. Von den Kosten der zweiten Instanz tragen der Kläger 84% und die Beklagte 16%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO). Für die in zweiter Instanz vorgetragenen Ergänzungen nimmt der Senat auf die im Berufungsrechtszug eingereichten Schriftsätze der Parteien Bezug.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. S sowie durch dessen mündliche Anhörung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 16.04.2009 sowie auf den Berichterstattervermerk vom 01.09.2009 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zum Teil begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Der Kläger kann von der Beklagten aus § 635 BGB a.F. über den bereits vom Landgericht zugesprochenen Betrag hinaus weitere 2.499,08 € und damit insgesamt 6.081,92 € verlangen.

Nach Art. 229 § 5 EGBGB ist auf das Vertragsverhältnis der Parteien das bis zum 31.12.2001 geltende Recht anzuwenden, da das Schuldverhältnis im September 1999 und damit vor dem 01.01.2002 begründet worden ist.

1. Das Landgericht hat dem Kläger bereits rechtskräftig Schadensersatz in Höhe von 3.488,37 € wegen einer unzureichenden Anschlusshöhe des Dachrandes sowie einer unzureichenden Kiesabdeckung zugesprochen.

2. Der Kläger kann von der Beklagten darüber hinaus aufgrund eines zusätzlichen Mangels der Werkleistung die Zahlung von weiteren 2.074,51 € verlangen. Der zusätzliche Mangel besteht darin, dass die Beklagte an dem Haus des Klägers kein fachgerechtes Warmdach erstellt hat.

Die Parteien waren sich unstreitig darüber einig, dass versucht werden sollte, die wiederkehrenden (Dichtigkeits-) Probleme mit dem Flachdach des Hauses nach Maßgabe des von der Fa. U unterbreiteten Vorschlages vom 23.08.1999 zu lösen. Das Angebot der Beklagten sollte nach deren Vorgaben erstellt werden.

Der Kläger ist dabei davon ausgegangen, dass von der Fa. U vorgeschlagen worden war, das vorhandene Kaltdach in ein Warmdach umzufunktionieren, während die Beklagte angenommen hat, dass das Dach am Haus des Klägers schon immer ein Warmdach gewesen ist. Vor diesem Hintergrund war Gegenstand des Angebotes vom 31.08.1999 und des auf dieser Basis geschlossenen Vertrages, dass die von der Beklagten angebotenen "Dichtungsarbeiten" zu einem fachgerechten Warmdach führen sollten. Den danach vereinbarten Sollzustand hat die Beklagte mit ihren Arbeiten indes nicht erreicht.

In der technischen Bewertung folgt der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. S, der das Dach am Haus des Klägers begutachtet und die Werkleistung der Beklagten anschließend überzeugend beurteilt hat.

Danach haben die Arbeiten der Beklagten am Haus des Klägers auch nach der durchgeführten Sanierung nicht zu einem funktionierenden Warmdach geführt. Zum einen sind die Stöße und Anschlüsse an der vorhandenen Dämmung nicht verklebt, so dass es an einer ausreichenden Dampfsperre fehlt. Die Dämmschicht ist zum anderen aber auch belüftet und damit unzureichend.

Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung war nach § 634 II BGB a.F. entbehrlich. Die Beklagte hat spätestens mit ihrem Antrag auf Abweisung der Klage jede Nachbesserung abgelehnt (vgl. Palandt-Sprau, 58. Auflage, § 634 Rdn. 4).

Das Verschulden der Beklagten wird vermutet, § 282 BGB a.F. analog.

Der Höhe nach beläuft sich der (weitere) Schadensersatzanspruch wegen des nicht fachgerechten Warmdaches auf 2.074,51 €. Im übrigen muss sich der Kläger sog. "Sowieso-Kosten" anrechnen lassen.

Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung hat der Besteller die Kosten für diejenigen Leistungen zu tragen, die der Unternehmer zwar nicht angeboten hat, die er aber, weil zur vereinbarten bzw. ordnungsgemäßen Ausführung erforderlich, zusätzlich doch erbringen muss, und zwar nach dem Preisstand im Zeitpunkt der Auftragsvergabe (vgl. Palandt-Sprau, 67. Auflage, § 635 Rdn.7). Eine solche Fallgestaltung liegt hier vor.

Auch wenn von der Beklagten nach den vertraglichen Abreden ein funktionierendes Warmdach geschuldet war, so betreffen doch sowohl das nach Einheitspreisen erstellte Angebot vom 31.08.1999 als auch die Rechnung vom 01.10.1999 nach den - wie dargestellt überzeugenden - Ausführungen des Sachverständigen S lediglich die Erneuerung des vorhandenen Dachaufbaus mit Einbau einer zusätzlichen Wärmedämmung. Die gleichzeitige Umwandlung des vorhandenen (funktionsuntüchtigen) Kaltdaches in ein Warmdach ist daraus aus technischer Sicht nicht erkennbar. Damit aber war das Angebot der Beklagten unvollständig und hat den vereinbarten Auftragsumfang nicht vollständig wiedergegeben.

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger die Kosten selbst zu tragen, die ihm im Jahr 1999 entstanden wären, wenn er die notwendigen Arbeiten zur Erstellung eines fachgerechten Warmdaches schon damals zusätzlich in Auftrag gegeben hätte. Die Mehrkosten daraus, dass diese Arbeiten erst jetzt durchgeführt werden (können), hat demgegenüber die Beklagte zu tragen. Diese Mehrkosten belaufen sich nach den Ausführungen des Sachverständigen auf 2.074,51 €, wobei der Umfang der notwendigen Arbeiten unverändert geblieben ist.

Für den Umbau des vorhandenen Kaltdaches in ein funktionstüchtiges Warmdach ist zunächst eine Dampfsperre im Umfang von 173 m2 zu liefern und einzubauen. Nach den Berechnungen des Sachverständigen wären dafür im Jahr 1999 Kosten in Höhe von 986,10 € angefallen, während dafür nunmehr ein Betrag in Höhe von 1.098,55 € aufzuwenden ist.

An der Dampfsperre ist anschließend mit komprimierbarem Dichtungsband und Presslatte über 57,20 m hinweg ein luftdichter Randabschluss zu erstellen, wofür im Jahr 1999 ein Betrag von 203,06 € aufzuwenden gewesen wäre. Heute fallen dafür demgegenüber 225,94 € an.

Für die Erstellung eines funktionierenden Warmdaches ist schließlich noch die vorhandene Deckenbekleidung aus oberflächenfertigen Holzpaneelen im Umfang von wiederum 173 m2 zu erneuern. Im Jahr 1999 wären dafür Kosten in Höhe von 11.331,50 € angefallen, während dafür nunmehr 12.623,81 € aufzubringen sind.

Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger für ein fachgerecht erstelltes Warmdach im Jahr 1999 einen Betrag in Höhe von (986,10 € + 203,60 € + 11.331,50 € =) 12.520,66 € netto oder - unter Berücksichtigung des damals geltenden Umsatzsteuersatzes von 16% - 14.523,97 € brutto aufwenden müssen. Heute belaufen sich diese Kosten demgegenüber auf (1.098,55 € + 225,94 € + 12.623,81 € =) 13.948,30 € netto bzw. 16.598,48 € brutto aufwenden. Die von der Beklagten zu tragenden Mehrkosten belaufen sich demnach auf (16.598,48 € - 14.523,97 € =) 2.074,51 €.

Neben den Mehrkosten für die Erstellung eines funktionierenden Warmdaches kann der Kläger von der Beklagten in voller Höhe Ersatz der Kosten für den von ihm beauftragen Sachverständigen K verlangen. Die (damalige) Werkleistung der Beklagten wies mehrere Mängel auf, so dass der Kläger die Einschaltung des Sachverständigen K zu Recht für erforderlich gehalten hat (vgl. Palandt-Sprau, 58. Auflage, § 635 Rdn. 7). Dessen Kosten sind daher insgesamt von der Beklagten zu tragen, zumal sich seine Tätigkeit auf die Begutachtung der von der Beklagten durchgeführten Arbeiten beschränkte. Von den Gesamtkosten des Sachverständigen hat das Landgericht dem Kläger allerdings schon einen Teilbetrag von 94,47 € rechtskräftig zugesprochen, so dass er von der Beklagten nunmehr noch die Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von (519,04 € - 94,47 € =) 424,57 € verlangen kann.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann der Kläger von der Beklagten daher (noch) den Ersatz der heute anfallenden Mehrkosten für die Erstellung eines funktionierenden Warmdaches (2.074,51 €) sowie die noch nicht zu ihren Gunsten ausgeurteilten Sachverständigenkosten (424,57 €) verlangen, was in der Summe einen Betrag von 2.499,08 € ergibt. Insgesamt und unter Berücksichtigung der bereits vom Landgericht ausgeurteilten Summe von 3.582,84 € ergibt sich damit ein Betrag in Höhe von 6.081,92 €, den der Kläger von der Beklagten verlangen kann.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist schließlich nicht verjährt. Die ursprüngliche Verjährungsfrist von 5 Jahren nach der Abnahme am 22.09.1999 (§ 638 I BGB a.F.) endete am 22.09.2004. Das Übergangsrecht des Art 229 § 6 BGB hat diese Frist unverändert gelassen und zugleich bestimmt, dass die Frage der Verjährung weiterhin nach alten Recht zu beurteilen ist, das gegenüber dem neuen Recht zu einer kürzeren Verjährungsfrist führt. Danach aber haben die Parteien mit dem Schreiben der Beklagten vom 17.06.2004 die Verjährungsfrist - zulässig (§§ 638 II, 225 BGB a.F.) - bis zum 01.06.2005 verlängert. Jedenfalls die am 16.02.2005 eingereichte und am 23.02.2005 zugestellte Anspruchsbegründung war demnach rechtzeitig und hat die laufende Verjährungsfrist unterbrochen.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB. Die Beklagte befindet sich hier allerdings erst seit ihrer endgültigen Leistungsverweigerung am 11.11.2004 in Verzug, da der vorherigen Zahlungsaufforderung des Klägers vom 26.10.2004 wegen der erheblichen Zuvielforderung (noch) keine verzugsbegründende Wirkung zukommt (vgl. Palandt-Grüneberg, 68. Auflage, § 286 Rdn. 20).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Rechtsfortbildung noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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