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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.02.2009
Aktenzeichen: 27 U 121/08
Rechtsgebiete: BGB, GenG
Vorschriften:
BGB § 312 Abs. 1 Nr. 3 | |
GenG § 65 Abs. 2 Satz 4 a.F. | |
GenG § 73 |
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 24. Juni 2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Hinsichtlich Absatz 2 des Tenors des angefochtenen Urteils ist dieses wirkungslos.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Auf die zulässige Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie (nunmehr) dasjenige beantragt, was das Landgericht (insoweit noch unter Verstoß gegen § 308 ZPO) als Urteilstenor bereits ausgesprochen hat, ist das angefochtene Urteil in der Sache zu bestätigen.
I.
Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob auf den Beitritt der Klägerin zur beklagten Genossenschaft, ähnlich wie bei der Beteiligung an einer Publikumsgesellschaft, die Haustürwiderrufsvorschriften anwendbar sind (BGHZ 133, 254), sowie daran anknüpfend, ob durch die im angefochtenen Urteil festgestellte Art und Weise, wie die Klägerin zum Vertragsabschluss bestimmt wurde, eine Haustürsituation gemäß § 312 Abs. 1 Nr. 3 BGB begründet wurde, ferner ob die Klägerin ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt wurde (§§ 355 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 BGB, 312 Abs. 2 BGB) und welche Rechtsfolgen daraus ggf. erwüchsen (vgl. den Vorlagebeschluss des BGH, ZIP 2008, 1018).
II.
Denn jedenfalls hat die Beklagte die Klägerin mit fehlerhaften Prospektangaben dazu bestimmt, ihr beizutreten, und ist dieser deshalb wegen vorvertraglichen Verschuldens zu Schadenersatz verpflichtet.
Der Prospektfehler liegt in Folgendem: Unter "Chancen und Risiken" (Ziff. 2 des Prospektes) ist angeführt: "Die gesetzlichen Rahmenbedingungen können sich verändern. Aufgrund des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 14.02.02 ist dies jedoch nicht zu erwarten, da die neuen Regelungen des § 17 ab 2002 anzuwenden sind. Darüber hinaus besteht Bestandsschutz, wie bisher auch bei früheren Entscheidungen. Auch für 2003 besteht derzeit (April 2003) Bestandsschutz, da die geplanten Gesetzesänderungen nicht in Kraft getreten sind.".
Die doppelte Erwähnung des Begriffs "Bestandsschutz" im Zusammenhang mit der Eigenheimförderung erweckt den Eindruck, dass die der Beklagten einmal erteilte Anerkennung als Wohnungsbaugenossenschaft im Sinne der Eigenheimförderung für die Zukunft unter allen rechtlichen Aspekten unangreifbar und unaufhebbar und deshalb der steuerliche Erfolg des Konzeptes absolut gesichert sei. Dieser vermittelte Eindruck war jedoch unzutreffend, da die Anerkennung, sofern sich später noch herausstellte, dass die Anerkennungsvoraussetzungen nicht vorlagen, nachträglich durch die Finanzverwaltung aufgehoben werden konnte, was später auch geschah, und wogegen die Beklagte beim Finanzgericht Münster (15 K 1875/06 F) Klage erhoben hat.
Auf den (noch offenen) Ausgang des Verfahrens vor dem Finanzgericht kommt es allerdings für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an. Denn der Prospektfehler realisiert sich bereits in der seit Jahren völlig ungewissen Rechtslage, aufgrund derer die Klägerin ihre Zahlungen eingestellt hat, was wiederum dazu führen kann, dass nun andere Bewilligungsvoraussetzungen für die Eigenheimzulage fehlen und der umworbene Hauptzweck des Vertrages - Erlangung der Eigenheimzulage - selbst dann endgültig vereitelt wurde, wenn das Finanzgericht der dort anhängigen Klage stattgäbe.
In der Verwendung des fehlerhaften Prospektes liegt ein vorvertragliches Verschulden, welches die Beklagte dazu verpflichtet, die Klägerin so zu stellen, wie sie stünde, als habe sie ihren Beitritt nicht erklärt. Nach den Regeln der sog. faktischen Gesellschaft kommt allerdings keine vollständige Rückabwicklung der Mitgliedschaft in Betracht, sondern nur eine Beendigung für die Zukunft, und zwar - wie dem Genossenschaftsrecht immanent ist (§§ 65 Abs. 2, 3 , 76a Abs. 2, 68 Abs. 1 Satz 2 GenG) - zum Ende des Geschäftsjahres.
Grundsätzliche Bedenken gegen die Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Regeln über die Prospekthaftung und über vorvertragliches Verschulden auch auf den Beitritt zu einer Genossenschaft bestehen jedenfalls dann nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall aus der Gesamtdiktion des Prospektes gefolgert werden kann - eine in Wahrheit auf Kapitalbeteiligung angelegte Verbindung lediglich in das äußere Gewand einer Genossenschaft gekleidet ist. Dass es sich bei der hier vorliegenden Beteiligung der Klägerin ihrem inneren Kern nach nicht um eine genossenschaftliche Betätigung, sondern um eine rein kapitalistische Teilhabe nach dem Muster einer Publikumsgesellschaft handelt, folgt aus dem Gesamtgeschäftsmodell, welches nicht in erster Linie mit der konkreten Aussicht auf einen Einzug in eine genossenschaftlich errichtete Wohnung, sondern mit hoher Renditeerwartung wirbt.
III.
Außerdem wurde für die Klägerin ein Grund zur außerordentlichen Kündigung dadurch begründet, dass die Beklagte ihr mit Schreiben vom 18. April 2005 ausdrücklich vorgeschlagen hatte: "Bis zur Klärung der Angelegenheit sollte nach unserer Ansicht keine Zahlung geleistet werden". Selbst wenn die Beklagte - wie ihr Vorstandsmitglied in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat - diesen Hinweis so verstanden wissen wollte, dass damit nur Zahlungen an das Finanzamt und nicht Zahlungen an sie selbst gemeint waren, hat die Klägerin den Hinweis doch offensichtlich anders verstanden und jedenfalls so umgesetzt, dass sie die Zahlungen insgesamt (also auch an die Beklagte) einstellte. Dieses hat - wie die Beklagte selbst in ihrem Schriftsatz vom 26.1.2009 ausführt - möglicherweise zur Folge, dass die Eigenheimzulage endgültig von ihr nicht mehr erreicht werden kann.
Nachdem das ganze Geschäftsmodell der Beklagten darauf baute, dass die Anleger ihre Beiträge nahezu ausnahmslos über die Eigenheimzulage erbringen sollten, hätte sie die Klägerin auf die nachteiligen Folgen der Einstellung ihrer Zahlungen an sie, die Beklagte, - nachdem das Schreiben vom 18. April 2005 womöglich missverstanden worden war - gesondert hinweisen müssen.
Dabei kommt es auf ein Verschulden der Beklagten nicht an, sondern als Kündigungsgrund im Sinne des § 65 Abs. 2 Satz 4 GenG a.F. genügt es, dass dem Genossen nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, die hier satzungsgemäß auf zwei Jahre festgelegt war und frühestens auf den Ablauf des fünften Jahres nach Beitritt ausgeübt werden konnte, in der Genossenschaft zu verbleiben. Diese Zumutbarkeitsgrenze ist überschritten, wenn die Beklagte selbst eine Einstellung der Zahlungen vorschlägt oder ihr Schreiben zumindest in diese Richtung (miss-)interpretiert werden kann, aufgrund derer der Hauptzweck des Beitritts - das Erlangen der Eigenheimzulage - unerreichbar oder zumindest ungewiss wird. Unter diesen Voraussetzungen haben die Interessen der Beklagten, deren Belange grundsätzlich mit zu berücksichtigen sind (vgl. Beuthin, GenG, § 65 Rdnr. 11) zurückzustehen.
Rechtsfolge einer berechtigten außerordentlichen Kündigung ist die Beendigung der Mitgliedschaft zum Geschäftsjahresende, wie ausgeurteilt, und anschließende Auseinandersetzung gemäß § 73 GenG.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713, 543 Abs. 2 ZPO.
Die (Teil-)Klagerücknahme gibt keine Veranlassung zu einer Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
Ende der Entscheidung
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