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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.06.2005
Aktenzeichen: 27 U 188/04
Rechtsgebiete: AO, BGB


Vorschriften:

AO § 1 Abs. 2
AO § 46
AO § 46 Abs. 2
AO § 46 Abs. 2 Nr. 2
AO § 46 Abs. 3
BGB § 180 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 8. September 2004 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

540 ZPO)

A.

Der Kläger hat als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. J GmbH & Co. KG in erster Instanz die Feststellung begehrt, dass dem Beklagten eine abgesonderte Befriedigung seines Steuerberaterhonorars aus den ihm von der Gemeinschuldnerin privatschriftlich abgetretenen Gewerbesteuererstattungsansprüchen nicht zusteht. Der Beklagte hat im Wege der Widerklage die abgesonderte Befriedigung aus den abgetretenen Ansprüchen verlangt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage als unzulässig abgewiesen. Wegen der dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein auf Klageabweisung und auf Verurteilung gemäß der Widerklage gerichtetes Begehren weiter, während der Kläger das landgerichtliche Urteil verteidigt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben beide Parteien die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt. Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung ist unbegründet mit der Maßgabe, dass die Widerklage nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen wird.

Der Beklagte hat keinen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus den ihm von der Gemeinschuldnerin abgetretenen Gewerbesteuererstattungsansprüchen, denn die Abtretung ist nicht rechtswirksam. Sie ist gemäß § 46 Abs. 2, 3 AO nichtig, da sie der Finanzbehörde nicht auf dem amtlich vorgeschriebenen Formular angezeigt wurde.

I.

Bei der Stadt C handelt es sich, soweit sie die Gewerbesteuer erhebt, um eine "Finanzbehörde" im Sinne des § 46 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO). Dies folgt aus § 1 Abs. 2 AO, wonach die Vorschriften des Zweiten Teils der AO, zu denen auch § 46 gehört, auf die von den Gemeinden erhobenen Realsteuern entsprechend anzuwenden sind. Die Anwendung des § 46 AO auf die Gewerbesteuer entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil vom 26. April 1994 - VII R 109/93 - BFH/NW 1994, 839).

II.

Das für die Abtretung § 46 Abs. 2, 3 AO zu verwendende Formular ist durch BMF-Schreiben vom 11.11.1993 - BStBl. 1993, 923 - bekannt gemacht worden. Bereits aus dieser Quelle konnte der Beklagte, der den Beruf eines Steuerberaters ausübt, das vorgeschriebene Formular zur Kenntnis zu nehmen. Jedenfalls lag es in der Eigenverantwortung des Beklagten, die Regelung des § 46 Abs. 2, 3 AO zur Kenntnis zu nehmen und sich das vorgeschriebene Formular zu beschaffen. Das amtliche Formular war auch ohne weiteres für die hier anzuzeigende Abtretung verwendbar. Abgeändert werden musste - wenn überhaupt - allenfalls das vorgedruckte Wort "Finanzamt" durch das Wort "Finanzbehörde".

III.

Ob die Abtretung hätte wirksam werden können, wenn der Beklagte nicht das durch BMF-Schreiben amtlich vorgeschriebene Formular, sondern ein von der Stadt C abgewandeltes Formular benutzt hätte, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn unstreitig hat der Beklagte weder das amtlich vorgeschriebene Formular noch das von der Stadt C erstellte Formular benutzt. Dadurch blieb die Abtretung unwirksam (§ 46 Abs. 2 AO), denn das vom Beklagten aufgesetzte Anschreiben vom 10.04.2002 und der dem Schreiben als Anlage beigefügte privatschriftliche Abtretungsvertrag vom 06.03.2001 entsprachen inhaltlich und äußerlich nicht dem amtlich vorgeschriebenen Formular (vgl. Klein/Brockemeyer, AO, 8. Aufl, § 46 Rdnr. 12).

IV.

Der Mangel einer formgerechten Abtretungsanzeige lässt sich auch nicht mit den Grundsätzen von Treu und Glauben überbrücken (Klein/Brockemeyer, a,a,O., Rdnr. 13). Dies folgt schon daraus, dass die vorgeschriebene Form und die in dem amtlichen Formular enthaltenen Belehrungen und Warnhinweise vor allem dem Schutz des Steuerpflichtigen vor unvorteilhaften Abtretungen dienen sollen (Koch/Hoffmann, AO, 5. Aufl., § 46 Rdnr. 1).

Soweit der Beklagte Mängel in der Auskunftserteilung durch die Stadt C beklagt, führen diese jedenfalls im Verhältnis zur Gemeinschuldnerin (Zedentin) nicht dazu, dass der Schutzzweck des § 46 Abs. 2, 3 AO entfällt.

V.

Die formnichtige Abtretung konnte auch nicht durch Schreiben des Klägers vom 31.05.2002 geheilt werden. Heilbar durch nachträgliche Genehmigung des Zedenten (§ 180 Satz 2 BGB) ist nur das Fehlen seiner Unterschrift auf der (ansonsten formgemäßen) Abtretungserklärung (BFH, BStBl. 1994, 789, 790 f.). Denn die Genehmigung gemäß § 180 Satz 2 BGB bestätigt das Rechtsgeschäft nur mit dem Inhalt und in der Form, wie es ursprünglich vorgenommen wurde. Demgegenüber liegt in der Nichtverwendung des amtlich vorgeschriebenen Formulars ein Wirksamkeitshemmnis, welches durch die formlose Zustimmungserklärung des Klägers vom 31.05.2002 ebenso wenig behoben werden konnte wie durch die von vornherein vorhandene Einverständniserklärung der Gemeinschuldnerin selbst vom 06.03.2001.

Auch dass der Kläger sich zunächst verschiedene Unterlagen und Bestätigungen zur Prüfung des Anspruchs einreichen ließ, um sich einen Gesamtüberblick über den Sachverhalt zu verschaffen und den Anspruch des Beklagten erst danach endgültig zu prüfen, verletzt keinen Vertrauenstatbestand, sondern entspricht genau den Pflichten eines Insolvenzverwalters.

VI.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 91a, 708 Nr. 10, 709, 543 Abs. 2 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die hier streitentscheidende Frage, ob § 46 AO auf die Gewerbesteuer anzuwenden ist, ist bereits durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - wenngleich zu einem anderen Absatz der Vorschrift - ausreichend geklärt (Urteil vom 26. April 1994 - VII R 109/93 - BFH/NW 1994, 839). Die weitere Frage, ob der gesetzliche Zweck des Formerfordernisses angesichts der besonderen Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls angemessen erreicht wird, hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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