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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.06.2005
Aktenzeichen: 27 U 21/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 288 Abs. 2
BGB § 366
BGB § 1922 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. November 2004 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 8.342,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 5. Juni 2003 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 85% und die Beklagte 15%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

540 ZPO)

A.

Der Kläger fordert als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. T GmbH von der Beklagten die Rückgewähr von Leistungen, von denen er der Meinung ist, dass die Schuldnerin sie auf kapitalersetzende Darlehen an die Beklagte sowie an den verstorbenen und von ihr beerbten Ehemann T2 erbracht habe.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Die Feststellungen sind dahin zu ergänzen, dass die Klägerin ihren verstorbenen Ehemann T2 allein beerbt hat.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter, während der Kläger das landgerichtliche Urteil verteidigt. Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet.

I.

1.

Unbegründet ist die Berufung zwar hinsichtlich der Rückzahlungen, die die Schuldnerin in Höhe von 8.342,64 EUR auf das Gesellschafterdarlehen des Ehemannes leistete. Denn für diese Darlehen hatte der Ehemann in 1999 einen Rangrücktritt erklärt, um die sonst eingetretene Überschuldung der Gesellschaft abzuwenden. Die Gesellschafterdarlehen gehörten daher spätestens ab diesem Zeitpunkt zur unentbehrlich gewordenen Kapitalgrundlage der Gesellschaft. Die Entscheidung, sie auf unbestimmte Zeit unter Rangrücktritt stehen zu lassen, hatte kapitalersetzenden Charakter, denn der Rangrücktritt hatte zur Folge, dass die Darlehensrückzahlung nur noch aus Jahresüberschüssen oder sonstigem Vermögen der Gesellschaft hätte beglichen werden dürfen (vgl. BGH, ZIP 1990, 98, 100). Zu diesen Bedingungen hätte kein außenstehender Dritter mehr der Gesellschaft ein Darlehen gegeben.

Vor dem Hintergrund des erklärten Rangrücktritts ist die Tatsache, dass die Gesellschaft auf die privaten, ebenfalls kapitalersetzenden Sicherheiten hin in den Jahren 1999 und 2000 noch weiter kreditiert wurde, ebenso irrelevant wie die Behauptung der Beklagten, es hätten noch stille Reserven in der Bewertung der Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie in dem Warenlager gelegen. Auch für einen späteren Wegfall der eigenkapitalersetzenden Funktion hat die Beklagte, die dafür darlegungs- und beweispflichtig ist (BGH, a.a.O.), nicht substanziiert vorgetragen.

Die mit der Berufungsbegründung aufgeworfene Mutmaßung der Beklagten, die streitgegenständlichen Rückzahlungen könnten auf andere Darlehen erfolgt sein als auf diejenigen, auf die sich der Rangrücktritt bezog, ist unsubstanziiert. Denn wer sich darauf berufen will, dass gemäß § 366 BGB eine Anrechung auf eine andere als die im Raume stehende Forderung stattzufinden habe, muss zumindest substanziiert darlegen, dass eine andere Forderung tatsächlich bestand.

2.

Für die ursprünglich in der Person ihres Ehemannes begründete Rückzahlungsverpflichtung haftet nach dessen Tod die Beklagte gemäß § 1922 Abs. 1 BGB, da sie aufgrund des in erster Instanz unbestrittenen klägerischen Sachvortrags als Alleinerbin anzusehen ist. Die - letztlich unspezifischen - Angaben des Sohnes der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geben, auch vor dem Hintergrund deren Verspätung (§ 530 ZPO), keine Veranlassung, dieser Frage weiter nachzugehen.

II.

Der weiter geltend gemachte Erstattungsanspruch in Höhe von 17.082,64 EUR aus zurückgeführter eigenkapitalersetzender Besicherung (§ 32b GmbHG) ist indessen unbegründet, so dass die Berufung insoweit Erfolg hat. Denn bei den Bürgschaften der Beklagten und ihres Ehemannes vom 3.1.2001 handelt es sich nicht um Gesellschaftersicherheiten, da beide bereits seit dem 1.2.2000 nicht mehr Gesellschafter waren. Gesellschafter war seither ihr Sohn T3. Eine Ausdehnung des Kapitalersatzrechtes auf nahe Angehörige findet grundsätzlich nicht statt, es sei denn, dass besondere Umstände hinzukommen (Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32a Rdnr. 25), zu denen hier jedoch nichts vorgetragen ist.

Auch aus dem Zusammenhang, dass sich die nicht (mehr) in Gesellschaftereigenschaft begebenen Bürgschaften als Folgebürgschaften zu den vorangegangenen Bürgschaften vom 14.4.2000, 8.9.1998, 28.7.1997 und 23.2.1996 darstellen, kann ein kapitalersetzender Charakter nicht abgeleitet werden. Denn in der Zeit während ihrer Gesellschafterstellung wurden die Bürgschaften von der Beklagten zuletzt am 08.09.1998 erneuert und bestätigt sowie von ihrem Ehemann zuletzt am 28.08.1997. Für diese Zeitpunkte ist jedoch eine Krise nicht substantiiert vorgetragen. Der Kläger behauptet nur, die Krise habe "zumindest" seit 1999 bestanden. Das genügt nicht, um die bereits 1997/1998 begebenen Bürgschaften als kapitalersetzend anzusehen. Auch die Darlegung einer Überschuldungssituation für die Jahre 1997 und 1998 genügt nicht als Beleg für eine Kreditunwürdigkeit zu diesem Zeitpunkt.

Eine nachträgliche Umqualifizierung in haftendes Eigenkapital durch "Stehenlassen" der Sicherheiten im Jahre 1999, für das die Krise belegt ist, kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil es hierfür an der Freiwilligkeit fehlt. Denn soweit die Bürgschaften valutiert waren, konnten sie nicht einseitig abgezogen werden. Sie konnten nach den Bürgschaftsbedingungen nur in der Weise gekündigt werden, dass sie auf die bis vier Wochen nach der Kündigung begründeten Forderungen beschränkt wurden. Dass die Bürgschaften während der Krise in 1999 noch durch weitere Valutierungen aufgefüllt worden wären, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil wurden die Bankverbindlichkeiten im Jahre 1999 ausweislich der Bilanz reduziert. Somit kann nicht festgestellt werden, dass sich die streitgegenständlichen Rückführungen auf Darlehen beziehen, für welche die Beklagte oder ihr verstorbener Ehemann während der festzustellenden Zeiten der Krise eine Sicherheit begeben, erneuert oder aufgestockt haben.

III.

Aus denselben Gründen ist auch der weiter geltend gemachte Erstattungsanspruch in Höhe von 27.895,52 € aus der Verwertung anderer Sicherheiten der Gesellschaft - hier der Globalzession - nicht zuzusprechen. Denn auch insoweit wurden die Bürgschaften entweder nicht in Gesellschaftereigenschaft oder nicht während der Krise begeben. Zudem fehlt bereits eine substanziierte Darlegung, auf welche Darlehenskonten die Zahlungseingänge verrechnet wurden, so dass nicht nachvollzogen werden kann, dass die Bürgschaften auf die Verwertung der anderen Sicherheiten hin tatsächlich frei wurden.

IV.

Zinsen sind nur in der gesetzlichen Höhe (§ 288 Abs. 1 BGB) zuzusprechen. Um eine Entgeltforderung aus einem Rechtsgeschäft im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB handelt es sich bei Insolvenzanfechtungsansprüchen nicht.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 709, 543 Abs. 2 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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