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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: 27 U 211/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 286
BGB § 847
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7. Mai 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 276,56 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 13.11.1998 zu zahlen. Die Beklagten zu 1) und 3) werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin weitere 1.500 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 20.10.1998 zu zahlen. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen 90,5 % die Klägerin, 8 % die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner und weitere 1,5 % alle Beklagten als Gesamtschuldner. Die Klägerin trägt ferner 90,5 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 3) sowie 95 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Im Übrigen tragen die Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des jeweiligen Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht dieser vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 9.5.1992 gegen 13 Uhr auf der I-Straße in C geltend. Die Beklagte zu 1), die mit einem bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten Pkw des Beklagten zu 2) aus einer Grundstückseinfahrt kam, kollidierte dabei mit dem auf der I-Straße fahrenden Pkw des Ehemanns der Klägerin.

Die Parteien streiten im wesentlichen darum, ob die Klägerin, die als Beifahrerin im Fahrzeug ihres Ehemannes saß, durch das Unfallereignis eine Zerrung der Halswirbelsäule mit krankhaften Folgewirkungen davontrug oder nicht.

Die Klägerin hat behauptet, ihr Ehemann, der zunächst mit etwa 50 km/h gefahren sei, habe trotz einer Vollbremsung die Kollision mit dem plötzlich auf die Straße auffahrenden Pkw der Beklagten nicht mehr vermeiden können, ihr Fahrzeug habe sich nach dem Abbremsen noch mit 30 - 35 km/h bewegt. Sie sei am Unfalltag ambulant im Krankenhaus behandelt worden, wo eine Zerrung der HWS festgestellt und ihr eine SchanzŽsche Krawatte verordnet worden sei. Sie hat zunächst vorgetragen, noch heute infolge des Unfalls tägliche Kopfschmerzen und Schwindelgefühle zu haben, unter Gefühllosigkeit im rechten Arm, Panikattacken, ständig latenter Aggressivität sowie unter Konzentrations-, Seh- und Durchblutungsstörungen und einer Wesensveränderung zu leiden. Außerdem bestehe die Gefahr künftig erforderlich werdender operativer Eingriffe an der HWS.

Neben einem Betrag von 540,90 DM für Eigenanteile an Medikamenten und Krankengymnastikkosten begehrt die Klägerin deshalb - nachdem die Beklagte zu 3) bereits ein Schmerzensgeld von 5.000 DM gezahlt hat - ein weiteres Schmerzensgeld von wenigstens 10.000 DM, eine Schmerzensgeldrente von monatlich 150 DM und die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz sämtlicher materieller und immaterieller Schäden aus dem Unfallereignis verpflichtet seien.

Die Beklagten haben eingewandt, dass die Beklagte zu 1) das von ihr gefahrene Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits zum Stehen gebracht habe, und dass die von der Klägerin angeführten Beschwerden nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könnten.

Die Kammer hat ein interdisziplinäres Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. y und Prof. Dr. D eingeholt. Die Klägerin hat den medizinischen Teil dieses Gutachtens mit näheren Ausführungen angegriffen und zusätzlich die Einholung eines neurootologischen Gutachtens beantragt.

Das Landgericht hat nach ergänzender Anhörung des SV Prof. D die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass die von ihr geschilderten Beschwerden mit dem Unfallereignis im Zusammenhang stünden. Aus dem vorliegenden Gutachten ergäben sich hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte, und die Einholung eines neurootologischen Gutachtens sei entbehrlich, weil es derzeit unter Medizinern noch umstritten sei, ob die Neurootologie überhaupt als medizinische Wissenschaft anzuerkennen sei. Die Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet beginne erst, weshalb selbst aus einem etwaigen für die Klägerin günstigen Ergebnis eines solchen Gutachtens im Falle der Einholung nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit auf das Vorliegen unfallbedingter Verletzungen geschlossen werden könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihre erstinstanzlich abgewiesenen Anträge weiterverfolgt.

Sie greift zunächst die Ermittlung der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung des BMW durch den Sachverständigen y an. Diese Änderung habe nicht wie vom Sachverständigen ermittelt bei 9 - 12 km/h, sondern bei mindestens 12 - 15 km/h gelegen. Der Sachverständige sei nämlich zu Unrecht von einem Anstoßwinkel von nahezu 90 ° ausgegangen. Tatsächlich habe sich der Pkw, in dem sie saß, jedoch in leichter Schrägstellung befunden, weil ihr Ehemann noch versucht habe, nach links auszuweichen. Der Stoßimpuls sei zudem so groß gewesen, dass sich die Vorderräder nicht mehr in Geradeausstellung lenken ließen, weshalb der Pkw abgeschleppt werden musste.

Gehe man aber von einer Geschwindigkeitsänderung von 12 -15 km/h und einem nicht zu vernachlässigenden seitlichen Stoßimpuls aus, so habe ihre unfallbedingte biomechanische Belastung so hoch gelegen, dass mit Verletzungsfolgen zu rechnen gewesen sei. Außerdem habe sie im Unfallzeitpunkt in einem Prospekt gelesen, so dass ihre Wirbelsäule vor dem Unfall leicht gestreckt gewesen sei.

Schließlich habe der Sachverständige D die bei einer Röntgenuntersuchung durch Prof. Dr. I festgestellte kleine, spitze zipflige Einengung des Zwischenwirbellochs C II/ C III auf der rechten Seite nicht hinreichend berücksichtigt. Des Weiteren habe eine im Februar 2001 angefertigte MRT-Aufnahme eine Vernarbung des linken Flügelbandes ergeben. Auch diese sei die Folge eines Traumas und auf den Unfall vom 9.5.1992 zurückzuführen.

Die Klägerin wiederholt den Antrag auf Einholung eines neurootologischen Zusatzgutachtens - die diesbezügliche Unterlassung durch das Landgericht sei verfahrensfehlerhaft.

Zur Höhe, zum Zinsanspruch und zum Feststellungsbegehren bezieht sie sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagten zu 1) und 3) zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch weitere 10.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20.10.1998 zu zahlen,

2. die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner darüber hinaus zu verurteilen, an sie eine monatliche Schmerzensgeldrente von 150 DM seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 540,90 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie

4. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 3) verpflichtet sind, ihr sämtlichen materiellen und die Beklagten zu 1) und 3) auch sämtlichen immateriellen Schaden, letzterer soweit er nach Rechtskraft des Urteils entsteht, aus dem Unfallereignis auf der I-Straße in Höhe der Einfahrt TÜV vom 5.9.1992 gegen 13.00 Uhr zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten den Feststellungsantrag für unzulässig, soweit er sich nicht auf zukünftigen Schaden bezieht.

Sie meinen, die Klägerin versuche ins Blaue hinein, die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung auf mindestens 12 - 15 km/h zu erhöhen. Es werde bestritten, dass sich die Vorderräder des Fahrzeugs des Ehemanns der Klägerin nicht mehr in Geradeausstellung lenken ließen. Dies würde zudem eher für einen Frontalstoß als für eine seitliche Kollision sprechen.

Deshalb verbleibe es für die medizinische Betrachtung bei dem Ergebnis des unfallanalytischen Gutachtens und damit auch bei dem gesicherten Ergebnis, dass die vorgetragenen Beschwerden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf eine unfallbedingte Verletzung der Wirbelsäule zurückzuführen seien. Eine Vernarbung des linken Flügelbandes als Unfallfolge werde bestritten.

Die Ablehnung eines neurootologischen Zusatzgutachtens durch das Landgericht sei zurecht erfolgt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Der Senat hat über den Kausalzusammenhang zwischen den von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden und dem Unfall Beweis erhoben durch die ergänzende Vernehmung der Sachverständigen Dipl.-Ing. y und Prof. Dr. D. Er hat ferner Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen fachpsychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. E2 und dessen mündliche Erläuterung durch den Sachverständigen. Insoweit wird wegen des Beweisthemas auf den Beweisbeschluss vom 14.5.2002 (Bl. 337 GA) Bezug genommen.

Wegen der Beweisergebnisse wird verwiesen auf das eingeholte schriftliche Gutachten vom 24.9.2002 (Bl. 357 ff. GA) und die Vermerke des Berichterstatters über den Inhalt der mündlichen Verhandlungen vom 16.4.2002 (Bl. 325 a ff. GA) und vom 14.1.2003 (Bl. 419 ff. GA).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Auf Grundlage der ergänzenden Anhörung der Sachverständigen y und D sowie des eingeholten fachpsychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. E2 vermag der Senat keine Körperverletzung der Klägerin, wohl aber einen psychischen Schaden festzustellen, der auf den Unfall zurückzuführen ist, wobei allerdings lediglich ein Teil der von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden bewiesen ist und auch diese bewiesenen Beschwerden nur für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum den Beklagten zuzurechnen sind. Dies führt zur Verurteilung der Beklagten in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Hierzu ist im Einzelnen folgendes auszuführen:

A. Für die Kausalitätsbetrachtung ist in tatsächlicher Hinsicht zugrunde zu legen, dass die durch den Unfall bewirkte Geschwindigkeitsänderung zwischen 9 und 12 km/h gelegen hat. Dies ist aufgrund des technischen Teils des interdisziplinären Gutachtens der Sachverständigen Dipl.-Ing. y und Prof. Dr. D zur Überzeugung des Senats bewiesen.

Die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. y diesem Punkt sind schlüssig und überzeugend. Er hat in dem schriftlichen Gutachten aus den Schäden an den Fahrzeugen die Kollisionsstellung rekonstruiert und hieraus die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung ermittelt. Die dagegen von der Berufung vorgebrachten Angriffe vermögen das so gefundene Ergebnis nicht zu erschüttern.

Der Sachverständige hat nämlich bei seiner Anhörung vor dem Senat klargestellt, dass einige Winkelgrade in der relativen Stellung der Fahrzeuge zueinander an dem Ergebnis nichts zu ändern vermögen, weil nach dem Schadensbild allenfalls Queranteile von maximal 20 % in Betracht kommen, die zu vernachlässigen sind. Aus einer etwaigen Einschränkung der Lenkfähigkeit des Fahrzeugs nach dem Unfall könne ebenfalls nichts anderes geschlossen werden, weil diese Folge nur auf einem Zurückdrücken des Stoßfängers gegen den Reifen beruhen könne, was ebenfalls mit Queranteilen bei der Belastung nichts zu tun habe.

B. Auf dieser Grundlage folgt aus dem orthopädischen Teil des schriftlichen interdisziplinären Gutachtens der Sachverständigen Dipl.-Ing. y und Prof. Dr. D sowie den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. D vor dem Senat, dass sich weder ein HWS-Schleudertrauma noch eine Verletzung des Flügelbandes der Klägerin als Primärverletzung feststellen lässt, so dass nur die Möglichkeit einer psychosomatisch vermittelten Reaktion als mit dem Unfall im Zusammenhang stehende Ursache der Beschwerden der Klägerin verbleibt.

I. Zunächst ist klarzustellen, dass alleine aus dem Umstand, dass der Klägerin nach dem Unfall eine SchanzŽsche Krawatte verordnet worden ist, noch nicht auf das tatsächliche Vorliegen einer Verletzung geschlossen werden kann, weil objektive Befunde hierzu nicht vorliegen. Der Sachverständige Prof. D hat die am Unfalltage erstellten Aufnahmen der Halswirbelsäule ausgewertet und Zeichen einer knöchernen Verletzung nicht feststellen können (S. 33 des Gutachtens). Weder klinisch noch röntgenologisch seien Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen im Bereich der Halswirbelsäule nachzuweisen (S. 34 des Gutachtens).

II. Der Sachverständige Prof. Dr. D hat sodann weiter ausgeführt, dass eine Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule hier schon deshalb nicht angenommen werden könne, weil die einwirkende biomechanische Belastung unterhalb der physiologischen Belastungsschwelle gelegen habe (S. 40 des Gutachtens). Er hat schon eine Verletzungsmöglichkeit der Halswirbelsäule - auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin angegebenen Kopfvorneigung im Unfallzeitpunkt - bei einer Geschwindigkeitsänderung von 9 km/h ausgeschlossen, bei einer Geschwindigkeitsänderung von 12 km/h für sehr unwahrscheinlich gehalten (Gutachten S. 49). Eine BWS/LWS-Verletzung sowie eine Schädelprellung hat er aus orthopädischer Sicht sogar für die obere Grenze der Geschwindigkeitsänderung von 12 km/h mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen (Gutachten S. 51 und 53). Der Senat vermag sich danach vom Vorliegen einer unfallbedingten Verletzung der Klägerin nicht zu überzeugen, § 286 ZPO. Die Angriffe der Berufung führen zu keiner anderen Beurteilung:

1. Zu der im Gutachten von Prof. I erwähnten Einengung eines Zwischenwirbellochs hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass es sich um eine altersentsprechende Erscheinung handele, die keinen Hinweis darauf gebe, dass es sich um eine Unfallfolge handele. Diese Bewertung des Sachverständigen wird wesentlich dadurch gestützt, dass auch Prof. I selbst in seinem Gutachten Bl. 20 ff. GA zu dem Schlussergebnis gelangt ist, dass Unfallfolgen nicht feststellbar seien.

2. Zur angeblichen Verletzung des Flügelbandes hat der Sachverständige einerseits ausgeführt, dass er - obwohl in der Betrachtung solcher spezifischer MRT-Aufnahmen erfahrener als mancher Radiologe - eine Vernarbung des Flügelbandes schon nicht erkennen könne. Bereits dass lässt die Feststellung einer entsprechenden Unfallverletzung fraglich erscheinen.

Entscheidend ist aber vor allem, dass der Sachverständige andererseits unter Hinweis auf eine Erhebung in holländischen Krankenhäusern, eine eigene Studie und die allgemeinen Belastungen der Halswirbelsäule, wie sie z.B. beim Autoscooter fahren auftreten, ausgeführt hat, dass eine Verletzung des Flügelbandes extremst selten und stets lebensbedrohlich ist, dass es von daher schon sehr unwahrscheinlich sei, dass die Klägerin eine solche Verletzung erlitten habe, dass aber, wenn die Klägerin so konstituiert sei, dass sie sich bei einer Geschwindigkeitsänderung von 9 - 12 km/h eine Verletzung des Flügelbandes zuziehe, diese Verletzung auch bei jeder anderen alltäglichen Gelegenheit zugezogen haben könne.

Aus diesen Gründen vermag sich der Senat auch vom Vorliegen einer unfallbedingten Verletzung des Flügelbands als Ursache der Beschwerden der Klägerin nicht zu überzeugen.

3. Die Einholung eines weiteren neurootologischen Zusatzgutachtens zu den vorstehenden Punkten ist nicht veranlasst, weil hiervon zusätzliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse nicht zu erwarten sind.

Das hat bereits das Landgericht auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. D mit im Kern zutreffender Begründung ausgeführt. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach ergänzender Befragung des Sachverständigen auch zu diesem Komplex an.

Der Sachverständige hat schon in erster Instanz deutlich gemacht, dass es sich bei der Neurootologie bestenfalls um einen medizinischen Wissenschaftszweig handelt, der noch in den Kinderschuhen und am Beginn der Forschungen steckt. Es fehle an aussagekräftigen empirischen Untersuchungen. Bei seiner Vernehmung vor dem Senat hat er ergänzend ausgeführt, dass die Einschätzung, nach der die Ergebnisse dieses "medizinischen Wissenschaftszweiges" schon deshalb keine verlässliche Beurteilungsgrundlage darstellten, weil die Messmethoden nicht standardisiert und validiert sind, auf den einschlägigen Fachkongressen auch von Neurologen und HNO-Ärzten ganz überwiegend geteilt werde. Es bestehen danach auch keine Zweifel an der notwendigen Fachkompetenz des Sachverständigen zur Beurteilung der Eignung eines neurootologischen Gutachtens zur weiteren Aufklärung im vorliegenden Fall.

Unter diesen Umständen handelt es sich bei dem beantragten neurootologischen Gutachten um ein ungeeignetes Beweismittel. Steht nämlich aufgrund der Darlegungen des bisher tätigen Sachverständigen fest, dass die Erstattung eines neurootologischen Gutachtens weitere Erkenntnisse nicht erwarten lässt, so ist das eingeholte Gutachten ausreichend und die Ablehnung der Einholung weiterer Gutachten keine unzulässige vorweggenommenen Beweiswürdigung (vgl. BGH NJW 1998, 813). So liegt der Fall wie dargelegt hier.

C. Dagegen hat das fachpsychiatrische Gutachten des Sachverständigen Dr. E den Beweis erbracht, dass bei der Klägerin in den Jahren 1992 - 2001 eine zeitweise mit Schwindelzuständen verbundene Kopfschmerzsymptomatik bestanden hat, die als psychisch vermittelter Schaden aus dem Unfallereigniss anzusehen ist. Diese Beschwerden haben auch Krankheitswert (vgl. zu diesem Erfordernis BGH NJW 1996, 2425, 2426). Weitere Beschwerden wie Angstzustände, Depressionen oder gar eine Persönlichkeitsveränderung hat der Sachverständige indes nicht zu bestätigen vermocht.

Allerdings können auch die festgestellten Beschwerden dem Schädiger und damit den Beklagten nicht zugerechnet werden, wenn und soweit das schädigende Ereignis ganz geringfügig ist (Bagatelle), nicht gerade eine spezielle Schadensanlage des Verletzten trifft und deshalb die psychische Reaktion im konkreten Fall wegen eines groben Missverhältnisses zum Anlass nicht mehr verständlich ist (vgl. BGH NJW 1997, 1640, 1641). Das ist hier jedenfalls insoweit der Fall, wie die Beschwerden nach ihrem zwischenzeitlichen Abklingen im Zeitpunkt der Untersuchung durch den psychiatrischen Sachverständigen nunmehr nach dem - nach Auffassung des Sachverständigen glaubhaften - Vorbringen der Klägerin erneut aufgetreten sind.

1. Eine Bagatellursache in vorstehendem Sinne liegt hier vor, weil das Unfallereignis, das keine konkret nachweisbaren organischen Schäden bei der Klägerin hinterließ, lediglich zu einem Anstoß mit einer derart geringen relativen Geschwindigkeitsänderung führte, wie sie z.B. beim Autoscooter fahren ständig und milllionenfach geschieht, ohne dass sich hieraus im Normalfall irgendwelche nachhaltigen Folgen ergeben, weil der menschliche Körper dafür disponiert ist, derartige Belastungen im Alltagsleben folgenlos auszuhalten. Einer der auch vom Sachverständigen Prof. Dr. D angesprochenen Ausnahmefälle, in denen unabhängig vom Ausmaß der Geschwindigkeitsänderung eine Bagatelle verneint werden muss, z.B. weil der Ablauf des Unfallgeschehens beim Betroffenen die Angst vor einer weitaus schwereren Kollision hervorgerufen hat oder durch einen heftigen Knall ein schwereres Unfallgeschehen vermittelt worden ist, liegt hier nicht vor.

2. Eine spezielle Schadensanlage der Klägerin ist durch das Unfallgeschehen nicht getroffen worden. Die entsprechende Feststellung des Sachverständigen Dr. E2 ist von keiner der Parteien in Zweifel gezogen worden.

3. Für den Zeitraum von 1992 - 2001 hat der Sachverständige auf der Grundlage der eingehenden Untersuchung der Klägerin gemeint, dass die bei ihr aufgetretene Symptomatik zwar mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Unfall als Anpassungsstörung im Sinne einer Unfallfehlverarbeitung zu werten sei, dass diese aber noch nicht außer Verhältnis zum Anlass stehe. Dem schließt sich der Senat aufgrund einer eigenen Wertung der vom medizinischen Sachverständigen ermittelten und mitgeteilten Befundtatsachen an.

Denn der Sachverständige hat insoweit schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass sich die Beschwerdesymptomatik, die ohne das Unfallereignis nicht bestehen würde, insbesondere deshalb so lange aufrechterhalten hat, weil ärztliche Behandlungsstrategien zu lange einen organischen bzw. neurologischen Ansatz verfolgt haben, obwohl eine psychische und vegetative Reaktion vorgelegen hat; mögliche Therapiemaßnahmen auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet seien nicht ausgeschöpft worden. Dies kann indessen nicht der Klägerin angelastet werden, die als medizinischer Laie nur den Ratschlägen der sie behandelnden Ärzte gefolgt ist. Dass durch diesen nicht optimalen Behandlungsansatz eine Fixierung der Klägerin auf den Beschwerdekomplex eingetreten ist, mag eine Fehlverarbeitung darstellen, für die der Schädiger aber grundsätzlich einzustehen hat. Für einen gewissen, auch längeren Zeitraum ist dies noch nicht schlechterdings unverständlich.

Andererseits hat der Sachverständige aber bereits in seinem schriftlichen Gutachten hervorgehoben, dass im Zeitpunkt der Untersuchung beinahe eine Beschwerdefreiheit vorgelegen habe und dass eine etwaige darüber hinaus gehende weitere Symptomatik, die in dem Wunsch nach Anerkennung eines "Dauerschadens" angedeutet werde, dann doch in einem groben Missverhältnis zum Anlass stehe.

Der Senat schließt sich auch dieser Wertung an und sieht deshalb die bei der Klägerin nach ihrem Vorbringen nunmehr erneut auftretenden Beschwerden als in einem groben Missverhältnis zu dem Bagatellunfall stehend an. Es ist in der Tat schlechterdings nicht mehr verständlich, wenn die Klägerin mehr als 10 Jahre nach diesem Unfallgeschehen, nachdem sie ihre langwierigen Beschwerden unter einer Osteopathie einmal so in den Griff bekommen hatte, dass eine entscheidende Besserung eingetreten war, nunmehr wieder in ihr Krankheitsbild zurückfällt.

Dieser Rückfall kann unter Zurechnungsgesichtspunkten nicht mehr mit dem lange zurück liegenden Unfallgeschehen in Verbindung gebracht werden. Der Sachverständige hat klar ausgeführt, dass schon in dem fortlaufenden, kontinuierlichen Prozess der Beschwerdesymptomatik andere Faktoren gegenüber dem Unfallereignis eine immer größer werdende Rolle spielten. Die zwischenzeitliche Beschwerdefreiheit und der anschließende Rückfall stellen insoweit aber eine deutliche Zäsur dar.

Der Senat ist aufgrund der gesamten Schilderung der Unfallverarbeitung der Klägerin durch den Sachverständigen, in der er auch mehrfach ihren Wunsch "nach Anerkennung eines Dauerschadens" angesprochen hat, der aber aus psychiatrischer Sicht nicht zu befürworten war, der Ansicht, dass dieses erneute Auftreten der psychischen Störung nach einer solchen Zäsur nur noch als unangemessene Erlebnisverarbeitung bewertet werden kann, die schlechterdings nicht mehr verständlich ist und außer Verhältnis zum zugrunde liegenden Unfallereignis steht.

Hierbei verkennt der Senat nicht, dass der Sachverständige die im Schlusssatz seines schriftlichen Gutachtens vorgenommene Bewertung im Rahmen seiner mündlichen Anhörung nicht mehr bestätigt hat, nachdem bei der Klägerin tatsächlich neue Beschwerden aufgetreten sind. Er hat sich von dieser Bewertung aber auch nicht etwa gelöst und nunmehr einen anderen Standpunkt eingenommen, sondern sich jetzt darauf zurückgezogen, er könne "so nicht sagen", ob ein Missverhältnis zum Anlass bestehe. Immerhin hat er in diesem Zusammenhang die Einschätzung abgegeben, dass der Grund für das erneute Auftreten der Symptome schon in dem Wunsch nach Anerkennung eines Dauerschadens liegen könne. Nur könne er dies nicht sicher sagen.

Der Senat sieht demgegenüber keinen Grund, von der Wertung, die auch der Sachverständige im schriftlichen Gutachten vorgenommen hatte, abzurücken. Neue Tatsachenerkenntnisse hinsichtlich der umfassend begutachteten Persönlichkeit der Klägerin und den Mechanismen ihrer Unfallverarbeitung haben sich nämlich auch im Rahmen der mündlichen Anhörung nicht ergeben. Die Wertung, ob ein grobes Missverhältnis zum Anlass vorliegt, muss zwar auf der Grundlage der vom Sachverständigen vermittelten, fallbezogenen fachmedizinischen Kenntnisse erfolgen, ist aber letzten Endes normativer und nicht medizinischer Art und muss deshalb ohnehin durch den Senat erfolgen.

D. Aus der vorstehenden Würdigung ergibt sich für die einzelnen von der Klägerin mit der Klage verfolgten Ansprüche Folgendes:

1. Der Klägerin steht gemäß § 847 BGB für die psychisch vermittelten Unfallfolgen bis 2001, die noch nicht außer Verhältnis zum Unfallereignis als Anlass stehen, gegen die Beklagten zu 1) und 3) ein Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld zu, der durch die bisher gezahlten 5.000 DM noch nicht vollständig erfüllt ist. In Abwägung aller Umstände, insbesondere der doch erheblichen Dauer der von der Klägerin erlittenen Schmerzzustände, der Lauferei von einem Arzt zum anderen und der zumindest in der Anfangszeit begründeten Sorge nach einem noch nicht entdeckten organischen Schaden einerseits, dem relativ harmlosen Unfallgeschehen und seiner Fehlverarbeitung durch die Klägerin andererseits erscheint dem Senat jedoch ein Schmerzensgeldbetrag von noch weiteren 1.500 EUR zur Abgeltung angemessen und ausreichend zu sein.

2. Eine Schmerzensgeldrente kommt nicht in Betracht, da nach den vorstehenden Ausführungen unter Haftungsgesichtspunkten von einem abgeschlossenen Vorgang auszugehen und ein irgendwie gearteter Dauerschaden zu verneinen ist.

3. Die eingeklagten Heilbehandlungskosten haben die Beklagten der Klägerin zu erstatten, weil es sich hierbei um Aufwendungen für die Therapierung von Unfallfolgen handelte, die noch in adäquat kausalem Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen standen und den Beklagten gemäß den oben stehenden Ausführungen zurechenbar sind.

4. Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Auch insoweit gilt, dass es sich haftungsrechtlich um einen abgeschlossenen Sachverhalt handelt. Zukunftsschäden, für die die Beklagten einstehen müssten, sind nicht mehr zu erwarten. Das gilt nicht nur hinsichtlich des in der Klageschrift angeführten Eingriffs an der Halswirbelsäule, da eine organische Primärverletzung nicht festzustellen ist, sondern auch hinsichtlich etwaiger weiterer psychisch vermittelter Beschwerden, die aus den dargelegten Gründen den Beklagten nicht mehr zurechenbar sind.

E. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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