Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 04.09.2001
Aktenzeichen: 27 U 61/01
Rechtsgebiete: AnfG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AnfG § 11
BGB § 401
BGB § 883 II
BGB § 880
BGB § 880 II
ZPO § 938 I
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
Die Sicherung eines Rückgewähranspruches aus § 11 AnfG wegen anfechtbarer Bestellung einer Auflassungsvormerkung kann im Wege der einstweiligen Verfügung nicht durch ein Verbot, "über die Vormerkung zu verfügen", erfolgen, weil dem Anfechtungsgegner nur untersagt werden kann, von der (rangsichernden) Vormerkung bei der Zwangsvollstreckung in das Grundstück gegenüber dem Anfechtungsgläubiger keinen Gebrauch zu machen.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

27 U 61/01 OLG Hamm

Verkündet am 4. September 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht und

Für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 10. Januar 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden der Verfügungsklägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin ( nachfolgend: Klägern ) begehrt im Wege einstweiliger Verfügung die Sicherung eines Rückgewähranspruchs aus § 11 AnfG wegen vermeintlich anfechtbarer Bestellung einer Auflassungsvormerkung.

Die V Vermietungs- und Verpachtungsgesellschaft mbH ( nachfolgend: Schuldnerin ) übernahm durch notariell beurkundete Erklärung vom 14.06.2000 die selbstschuldnerische Bürgschaft für eine ratenweise zu tilgende Schuld V gmbH & Co. KG gegenüber der Klägerin in Höhe von 1.561.389,82 DM. Gemäß § 3 der notariellen Urkunde sollte es sich um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern handeln. In § 4 der Urkunde unterwarf sich die Schuldnerin wegen der eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.

Die Schuldnerin ist Eigentümerin der im Grundbuch von S (Wohnungsgrundbuch) eingetragenen Grundstücke Flurstück 291, Blatt 441 bis 450. Es handelt sich um zehn Eigentumswohnungen. Dieser Grundbesitz ist zugunsten der Verfügungsbeklagten ( nachfolgend: Beklagten ) mit drei (Gesamt-) Grundschulden über nominal insgesamt 1.950.000 DM nebst Zinsen und Nebenleistungen belastet.

Unter dem 15.09.2000 wurden zugunsten der Beklagten Vormerkungen zur Sicherung eines durch Vertragsannahme bedingten und befristeten Anspruchs auf Übertragung des Eigentums gemäß Bewilligung der Schuldnerin vom 01.08.2000 in die Grundbücher eingetragen. Diese Vormerkungsbestellung greift die Klägerin im Wege der Gläubigeranfechtung an.

Mit Schreiben vom 28.09.2000 zeigte sie der Schuldnerin an, dass die V GmbH & Co. KG fällige Raten zur Tilgung der verbürgten Forderung nicht gezahlt habe, und forderte sie auf, den Gesamtbetrag von 261.000,-- DM bis zum 05. Oktober 2000 zu zahlen. Die Schuldnerin teilte daraufhin mit, sie stehe z. Z. am Rande der Insolvenz. Mit Anwaltsschreiben vom 18.10.2000 forderte die Klägerin die Schuldnerin zur Zahlung weiterer 87.000,-- DM auf, da die V auch die am 12.10.2000 fällig gewordene Rate nicht gezahlt habe, und drohte die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde an. Darauf antwortete die Schuldnerin, bereits bei der Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung am 14.06.2000 habe ihr Geschäftsführer darauf hingewiesen, dass bei einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Zahlungen geleistet werden könnten. Die Bürgschaftsübernahme habe nur als moralische Verpflichtung demonstrieren sollen, dass neben der V GmbH & Co. KG als direkter Schuldnerin auch sie mit dem Alleingesellschafter alles in ihren Kräften Stehende unternehmen werde, die bestehende Verbindlichkeit zu erfüllen.

Die Klägerin hat geltend gemacht, bei der Bewilligung der Auflassungsvormerkung für die Beklagte handele es sich um eine anfechtbare Rechtshandlung der Schuldnerin, durch die sie, Klägerin, als Gläubigerin benachteiligt werde. Sie sei zur Anfechtung berechtigt, da die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Schuldnerin nicht zu ihrer Befriedigung führen werde. Die Schuldnerin habe bei Bewilligung der Vormerkung mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt, dies sei der Beklagten bekannt gewesen.

Auf den Antrag der Klägerin hat das Amtsgericht Dresden durch einstweilige Verfügung vom 07.11.2000 der Beklagten verboten, von den zu ihren Gunsten im Grundbuch von S, Flurstück 291, Wohnungsgrundbuch Blatt 441 bis 450, Grundbuchamt D eingetragenen Vormerkungen zur Sicherung des durch Vertragsannahme bedingten und befristeten Anspruchs auf Übertragung des Eigentums aufgrund Bewilligung vom 01.08.2000 (UR-Nr: 391/2000, Notar Sch eingetragen am 15.09.2000, Gebrauch zu machen, insbesondere über die Vormerkung zu verfügen.

Der Auflage des Amtsgerichts Dresden entsprechend hat die Klägerin das Rechtfertigungsverfahrens nach § 926 I ZPO vor dem Landgericht Bielefeld als dem Gericht der Hauptsache betrieben.

Sie hat dort beantragt,

die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Dresden von 07.11.2000, Aktenzeichen: 111 C 10535/00, zu bestätigen.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 07.11.2000 aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie hat die Anfechtbarkeit der Vormerkungsbestellung damit verneint, eine Bürgschaft "auf erstes Anfordern" habe die Schuldnerin nicht wirksam übernehmen können, mithin sei die Forderung der Klägerin nicht fällig. Im übrigen fehle es an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung. Die Verfügungsbeklagte hat dazu behauptet, der Grundbesitz der Schuldnerin sei durch die zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschulden über seinen Wert von weniger als 2 Mio. DM hinaus belastet gewesen. Die Grundpfandrechte valutierten ausweislich der von ihr vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ihres Prokuristen B mit mehr als 2,8 Mio. DM in voller Höhe.

Im Übrigen hat sie die Auffassung vertreten, die Anfechtung der Klägerin sei treuwidrig, weil diese ihrerseits die Bürgschaft vom 14.06.2000 anfechtbar erlangt habe.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch zeugenschaftliche Vernehmung des Geschäftsführers Sch der Schuldnerin. Sodann hat es die einstweilige Verfügung vom 7.11.2000 aufgehoben mit der Begründung, die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin habe eine objektive Gläubigerbenachteiligung, nämlich einen die mit 2,8 Mio. DM valutierenden Belastungen übersteigenden Grundstückswert nicht glaubhaft gemacht.

Mit der Berufung begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung. Sie rügt, das Landgericht habe den Umfang ihrer Darlegungs- und Beweislast für die Gläubigerbenachteiligung verkannt. Es habe ohne Nachweise zur Höhe der durch die Grundschulden besicherten Forderungen der Beklagten und ohne geeigneten Beweisantritt für den angeblich darunter liegenden Grundstückswert den diesbezüglichen Tatsachenvortrag der Beklagten nicht zur Entscheidungsgrundlage machen dürfen.

Die Klägerin beantragt,

abändernd die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Dresden vom 7.11.2000 ( Az.: 111 C 10535/00 ) aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie rügt das Fehlen eines Verfügungsgrundes. Die ohnehin nicht eigens dargelegte Eilbedürftigkeit habe die Klägerin selbst durch ihre erstinstanzliche Bitte um Terminsverlegung und insbesondere durch Ausnutzen der Fristverlängerung für die Berufungsbegründung widerlegt.

Vor allem bestehe kein Anfechtungsanspruch der Klägerin.

Insoweit bestreitet die Beklagte zunächst das Bestehen einer Hauptschuld der V GmbH & Co KG, für die die titulierte Bürgschaftsforderung nur akzessorisch bestehen könne.

Unabhängig vom Nichtbestehen der verbürgten Forderung sei die Bürgschaftsforderung selbst nicht wirksam begründet worden, weil

a) die Schuldnerin zur Eingehung einer Bürgschaftsverpflichtung "auf erstes Anfordern" rechtlich nicht befähigt gewesen sei,

b) die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung - wenn sie denn überhaupt ernsthaft gewollt gewesen sei - angesichts dabei erklärter finanzieller Schwierigkeiten der Schuldnerin ihrerseits durch die Klägerin anfechtbar sei.

Letztlich fehle es jedenfalls an der Glaubhaftmachung einer objektiven Gläubigerbenachteiligung. Insoweit vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen zu der wertausschöpfenden Vorbelastung des Grundbesitzes der Schuldnerin. In der Berufungsverhandlung hat sie dazu das Original der Zweckerklärung vom 20.4.1998 zu den für sie bestellten Grundschulden vorgelegt sowie ein Verkehrswertgutachten zum 3.1.2001, das den Gesamtwert des belasteten Grundbesitzes mit 1.723.000 DM ermittelt. Die Bewilligung der Auflassungsvormerkung habe - so die Beklagte - lediglich die Möglichkeit einer freihändigen Verwertung der Eigentumswohnungen durch sie an Stelle der Zwangsversteigerung sicherstellen sollen. Die Akten 111 C 10535/00 AG Dresden sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet, weil der Klägerin der geltend gemachte Anfechtungsanspruch aus § 11 AnfG nicht zusteht.

I. Mit dem vom Amtsgericht Dresden tenorierten Verfügungsverbot hinsichtlich der Vormerkung kann die einstweilige Verfügung schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Beklagte ohnehin über die Vormerkung als solche nicht verfügen kann, diese vielmehr als streng akzessorisches Sicherungsmittel ( BGH NJW 1994, 2947 ) analog § 401 BGB dem durch sie gesicherten Anspruch folgt. Überträgt die Beklagte den Auflassungsanspruch oder macht sie ihn selbst gegenüber der Schuldnerin geltend, so sichert die Vormerkung lediglich den grundbuchlichen Rang des neuen Eigentümers gemäß § 883 II BGB. Die Auflassungsvormerkung ist nur mit dem Verlangen anzufechten, dass der Anfechtungsgegner von ihr bei einer Zwangsvollstreckung in das Grundstück gegenüber dem Anfechtungsgläubiger keinen Gebrauch machen darf (Huber, AnfG 9. Aufl., Rz. 19 zu § 11, Rz. 26 zu § 13). Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch umfasst dagegen auch nicht den Ausspruch eines Verfügungsverbotes hinsichtlich des durch die Vormerkung gesicherten Auflassungsanspruchs, weil dies zu Lasten der zivilrechtlich wirksam erworbenen Rechtsposition des Anfechtungsgegners über das zur Wahrung der Belange des Anfechtungsgläubigers Notwendige hinausginge. Hat der Schuldner an einem umfassenden Vermögensrecht (z.B. Grundeigentum) ein Teilrecht ( z.B. Wohnrecht, Auflassungsvormerkung ) anfechtbar begründet, so ist dieses in der Weise zurückzugewähren, dass der Anfechtungsgegner schuldrechtlich gehalten ist, dem Recht des Gläubigers gegen seinen Schuldner Vorrang vor dem anfechtbar bestellten Recht einzuräumen; BGH NJW 1995, 2846/8 Der Anfechtungsgegner ist verpflichtet, alle Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um eine der Einräumung eines Vorrangs gem. § 880 BGB entsprechende Wirkung zu erreichen; BGH a. a. O. S. 2849. Der Schutz des Gläubigers vor zwischenzeitlicher Übertragung des anfechtbar erlangten Rechts auf einen gutgläubigen Erwerber ist dabei durch einstweilige Verfügung ( Huber a.a.O. Rz. 49 f zu § 2 ) möglich, die auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Anfechtungsgläubigers auf Einräumung des Vorrangs seiner Zwangshypothek gemäß § 880 II BGB vor dem Recht des Anfechtungsgegners lautet. Der Rangänderungsanspruch ist durch Vormerkung sicherbar; Palandt-Bassenge, Rz. 1 zu § 880 BGB.

II. Der - auch im Lichte von § 938 I ZPO - im Sinne des Vorstehenden zu konkretisierende Antrag der Klägerin ( so BGH a. a. O. S. 2489 ), der Beklagten das Gebrauchmachen von der Vormerkung zu untersagen, hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Einräumung des Vorrangs vor der Auflassungsvormerkung aus § 11 AnfG nicht glaubhaft gemacht. Die Gläubigeranfechtung setzt eine Benachteiligung des Anfechtenden, mithin eine Verkürzung des seinem Vollstreckungszugriff zur Verfügung stehenden Schuldnervermögens voraus. Daran fehlt es in dem hier nicht von der Klägerin als Möglichkeit ausgeräumten Fall der wertausschöpfenden Belastung des Grundbesitzes bereits vor Bewilligung der Vormerkung. Die Klägerin hat eine der Befriedigung ihrer Forderung dienliche freie Spitze zwischen dem von der Beklagten mit allenfalls 2 Mio. DM eingeräumten Gesamtwert der Eigentumswohnungen und den mit mehr als 3 Mio. DM dargelegten, i. H. v. 2.842.056,86 DM durch eidesstattliche Versicherung des Prokuristen B und Vorlage der Zweckerklärung vom 20.4.1998 glaubhaft gemachten Valutierungen ihrer Grundschulden ihrerseits in keiner Weise glaubhaft gemacht. Zu Unrecht bekämpft die Berufung die zutreffend auf die Entscheidung BGH NJW-RR 1988, 827 gestützte Verteilung der insoweit bestehenden Darlegungs- und Beweislast durch die Vorinstanz. Gerade die von ihr zitierte Entscheidung BGH NJW 1999, 1395 bekräftigt diese Verteilung, a. a. O. S. 1396/7, hält sie lediglich im dort gegebenen Fall durch den unter Beweis gestellten Vortrag eines bestimmten Grundstückswertes und einer bestimmten, darunter liegenden Höhe der Grundpfandrechtsvalutierung für erfüllt. Erst die Behauptung einer Gegenleistung, die die schlüssig dargelegte Gläubigerbenachteiligung ausgleichen soll, hat danach der Anfechtungsgegner zu beweisen. Vorliegend hat die Klägerin präsente Beweismittel weder zur Glaubhaftmachung des von ihr behaupteten Wertes der belasteten Eigentumswohnungen noch zur Entkräftung der von der Beklagten dargelegten und glaubhaft gemachten Valutierung ihrer vorrangigen Grundschulden vorgelegt. Die Einräumung des Auflassungsanspruchs der Klägerin durch die Schuldnerin ist kein Indiz für eine freie Wertspitze der Eigentumswohnungen, denn sie war auch bei überschuldetem Grundbesitz sinnvoll, um der Beklagten die höheren Ertrag versprechende freihändige Verwertung außerhalb einer Zwangsvollstreckung zu ermöglichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Ende der Entscheidung

Zurück