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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.10.2003
Aktenzeichen: 27 U 81/03
Rechtsgebiete: HGB, InsO


Vorschriften:

HGB § 392 Abs. 2
HGB § 422
HGB § 422 Abs. 2
HGB § 457 S. 2
InsO § 47
In der Insolvenz des Kommissionärs besteht kein Aussonderungsrecht des Kommittenten an dem Erlös aus dem Kommissionsgeschäft.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

27 U 81/03

Verkündet am 07.10.2003

hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 2003 durch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 12. März 2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

A.

Der Kläger gab bei der Schuldnerin seinen Mercedes SLK zum Verkauf in Kommission. Diese verkaufte ihn an eine Frau B. und erzielte hieraus einen Erlös von entweder 33.500,00 EUR (so die Behauptung des Klägers) oder 30.500,00 EUR (so die Behauptung der Beklagten). Als die Zahlung für den Pkw bei der Schuldnerin einging, waren deren Geschäftskonten im Soll. Die Geschäftsbank hat gegen die Schuldnerin Forderungen in Höhe von 5,8 Mio. Euro.

Erst nach Einzug des Kaufpreises wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und die Beklagte zur Insolvenzverwalterin bestellt. Der Kläger begehrt von ihr die Auskehrung des Kaufpreises abzüglich einer Kommissionsprovision von 10 %. Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger insoweit - wie er meint - ein Aussonderungsrecht aufgrund einer analogen Anwendung des § 392 Abs. 2 HGB zusteht oder ob er - wie die Beklagte meint - nur normaler Insolvenzgläubiger ist.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz im einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die analoge Anwendung des § 392 Abs. 2 HGB sei nicht möglich. Damit habe der Kläger kein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen Antrag aus erster Instanz weiterverfolgt. Die Beklagte begehrt Zurückweisung der Berufung.

B.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

I.

Der Kläger hat kein Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO an einem Betrag in Höhe des vereinnahmten Kaufpreises für das in Kommission gegebene Fahrzeug. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, daß eine analoge Anwendung von § 392 Abs. 2 HGB, die als einzige Möglichkeit ein Aussonderungsrecht begründen könnte, auf den vom Verkaufskommissionär eingezogenen Erlös aus dem Verkauf des Kommissionsgutes entgegen den vom Landgericht zutreffend zitierten Stimmen in der Literatur nicht in Betracht kommt.

1.

Zwar liegt insofern eine Lücke im Gesetz vor, als weder positiv noch negativ geregelt ist, ob auch nach Einzug der Forderung an dem erlangten Erlös ein Aussonderungsrecht besteht. Ausdrücklich regelt § 392 Abs. 2 HGB nur, wann der Kommittentenschutz beginnt, nicht, wann er endet (K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl., S. 903).

2.

Diese Regelungslücke ist jedoch nicht planwidrig.

a)

Es handelt sich bei § 392 Abs. 2 HGB um eine Ausnahmevorschrift, so daß das Schweigen des Gesetzes zu der Frage, ob dieselbe Rechtsfolge auch in anderen Fällen anzuwenden ist, nicht bereits von sich aus darauf hinweist, daß es sich hierbei um eine ungewollte Nichtregelung handelt.

b)

Der Senat schließt aus, daß der historische Gesetzgeber die in jedem Normalfall der Begründung der Forderung folgende Einziehung durch den Verkaufskommissionär und das in diesem Fall ebenfalls bestehende Schutzbedürfnis des Kommittenten übersehen und die Regelung dieses Falles vergessen haben könnte.

c)

Auch ein möglicherweise im Laufe der Zeit gewandeltes dogmatisches Verständnis zu Surrogationsmöglichkeiten (vgl. Canaris, Handelsrecht, 23. Aufl., S. 557) kann nicht dazu führen, die Lücke im Gesetz heute als planwidrig anzusehen. Denn der Gesetzgeber hat erst 1998 die §§ 422 Abs. 2, 457 S. 2 HGB neu geschaffen. Er hat dabei die dort eingeführten Rechte des Dritten an durch Einziehung Erlangtem als Fortführung des in § 392 Abs. 2 HGB enthaltenen Rechtsgedankens bezeichnet (vgl. Canaris, a.a.O.). Wenn er in diesem Zusammenhang - trotz der zu dieser Zeit in der Literatur bereits lange widersprüchlich diskutierten Möglichkeit der analogen Anwendung von § 392 Abs. 2 HGB auf den Erlös (vgl. z.B. die Nachweise bei Krüger in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 392 Rn. 7 und Ganter in Münchener Kommentar, InsO, § 47 Rn. 289) - § 392 Abs. 2 HGB gerade nicht entsprechend ändert, kann das nur als bewußte Entscheidung gegen eine Erstreckung in diesen Fällen auf den Erlös aufgefaßt werden (ebenso Krüger aaO.).

d)

Denn es gibt keinerlei Hinweise auf ein diesbezügliches Versehen des Gesetzgebers während des Gesetzgebungsverfahrens. Es gibt nämlich auch sachliche Gründe für eine weiterhin erfolgende Differenzierung. Bei § 422 HGB gibt es vor Erlangung des Nachnahmebetrages zuvor gar keine Forderung des Frachtführers, es geht damit nicht um eine Surrogation. Vielmehr wird hier der Absender im frühestmöglichen Zeitpunkt - ähnlich wie bei § 392 Abs. 2 HGB - geschützt. Für einen weitergehenden Schutz kann der Kommittent selbst sorgen, indem er etwa mit dem Kommissionär einen Verkauf im fremden Namen, die Anweisung, daß der Käufer an den Kommittenten direkt zahlen muß, oder eine Vorausabtretung vereinbart.

II.

Im übrigen scheitert im vorliegenden Fall ein Aussonderungsrecht selbst dann, wenn man im Grundsatz eine analoge Anwendung des § 392 Abs. 2 HGB bejaht, daran, daß der Erlös nicht mehr unterscheidbar im Vermögen der Schuldnerin vorhanden ist. Für eine Aussonderung ist es nämlich notwendig, daß der auszusondernde Gegenstand unterscheidbar im Vermögen des Schuldners vorhanden ist, und zwar nach ganz herrschender Auffassung gegenständlich unterscheidbar oder jedenfalls (so etwa K. Schmidt, a.a.O., S. 904) mengenmäßig unterscheidbar. Das ist hier nicht der Fall.

1.

An einer gegenständlichen Unterscheidbarkeit fehlt es schon deshalb, weil der Betrag auf ein Geschäftskonto der Schuldnerin eingezahlt und die daraus resultierende Forderung der Schuldnerin gegen ihre Bank in das Kontokorrentverhältnis eingestellt worden ist.

2.

Der Betrag ist auch mengenmäßig nicht mehr unterscheidbar vorhanden.

a)

Auch diese Unterscheidbarkeit dürfte nach Auffassung des Senats in jedem Fall bereits dann zu verneinen sein, wenn sich der durch Vermischung mit dem eingezogenen Erlös beim Kommissionär vorhandene Gesamtbetrag (sei es in bar oder als Guthaben auf einem Konto) wieder um den Betrag des Erlöses vermindert hat. Denn schon dann kann nicht mehr die Rede davon sein, daß ein vorhandener Restbetrag gerade noch mengenmäßig diesem Erlös zugeordnet werden könnte. Denn dann ließen sich bereits die Fälle nicht befriedigend lösen, in denen weitere Teile des zuvor bereits vorhandenen Guthabens ihrerseits Surrogate solcher nach § 392 Abs. 2 HGB besonders geschützter Forderungen waren.

b)

Jedenfalls fehlt es an jeglicher Unterscheidbarkeit, wenn wie hier das Konto im Soll stand (vgl. hierzu für die Ersatzaussonderung Ganter aaO § 48 Rn. 36 f.). Dieser Fall liegt nicht anders, als hätte der Kommissionär mit dem erlangten Geld (auch etwa in bar) seine Schulden bei anderen Gläubigern bezahlt. In diesem Fall ist der Erlös eben gar nicht mehr vorhanden; um die Frage einer (auch nur summenmäßigen) Unterscheidbarkeit geht es nicht mehr. Ob insgesamt noch irgendwelche Insolvenzmasse vorhanden ist, spielt hierfür keine Rolle. Denn würde man dem Kommittenten hieran dann einen bevorrechtigten Anspruch in Höhe des Erlöses zubilligen, wäre dies nichts anderes als eine bevorrechtigte Masseforderung, die das Gesetz nicht kennt (ein Anspruch nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO kann nie auf eine Bereicherung vor Insolvenzeröffnung gestützt werden, vgl. Hefermehl in Münchener Kommentar, InsO, § 55 Rn. 206 f.), nicht dagegen der Fall der Aussonderung. Mit der etwa von Canaris, a.a.O., vertretenen Surrogation hätte dies nichts mehr zu tun.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Selbst wenn man die Frage, ob § 392 Abs. 2 HGB nach heutigem Verständnis entsprechend auf den vom Kommissionär erlangten Erlös anwendbar ist, für grundsätzlich hält oder zur Fortbildung des Rechts in dieser Frage eine Entscheidung des Revisionsgerichts für erforderlich ansieht, so kommt es hierauf für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an. Wie dargelegt fehlt es für einen Aussonderungsanspruch an der Unterscheidbarkeit des Erlöses in der Insolvenzmasse. Der Senat sieht nicht, daß die eine Analogie befürwortenden Stimmen im Schrifttum auch in einem solchen Fall wie hier zur Annahme eines Aussonderungsrechts gelangen würden.

Ende der Entscheidung

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