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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.02.2009
Aktenzeichen: 27 U 90/08
Rechtsgebiete: InsO, BGB, ZPO


Vorschriften:

InsO § 60 Abs. 1
InsO § 60a
BGB § 278
ZPO § 825
ZPO § 825 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. April 2008 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B GmbH & Co. KG. Die Klägerin verlangt von ihm in seiner Eigenschaft als Verwalteter der Insolvenzmasse Schadenersatz wegen schuldhafter Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten.

Der Klägerin standen im Insolvenzverfahren Absonderungsrechte an einem Autokran zu. Der Beklagte beauftragte das P GmbH & Co. KG mit der Versteigerung des Krans, was diesem zu einem Veräußerungspreis von 77.720 EUR gelang. Der Inhaber des Auktionshauses, Herr P2, nahm den Versteigerungserlös ein und veruntreute ihn.

Die Klägerin meint, in der Beauftragung des nicht gegen Vertrauensschäden versicherten Auktionators sowie in der Übertragung der Geldeinziehungsbefugnis an ihn läge eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten. Eine weitere Pflichtverletzung liege darin, dass der Beklagte anschließend keine Ersatzansprüche gegen Rechtsanwalt T verfolgt habe, auf dessen Anderkonto sich der Versteigerungserlös befunden habe, und der seine Treuhandpflichten gegenüber dem Beklagten verletzt habe, indem er den Geldbetrag nicht an ihn als Erlösberechtigten, sondern auf Weisung des P2 unmittelbar an diesen ausgezahlt habe.

Nach fiktivem Abzug der Versteigerungs-, Feststellungs- und Verwertungskosten von dem erzielten Versteigerungserlös hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 53.305,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30.09.2003 zu zahlen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, während die Beklagte das landgerichtliche Urteil verteidigt. Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadenersatz wegen einer vom Beklagten begangenen insolvenzspezifischen Pflichtverletzung (§ 60 Abs. 1 InsO), für den grundsätzlich auch die vom Insolvenzverwalter verwaltete Masse haftete, nicht zu.

Eine Pflichtverletzung des Beklagten kann nicht festgestellt werden.

I.

Der Beklagte durfte die Durchführung der Versteigerung des Krans auf den Auktionator übertragen, da diese Tätigkeit nicht aus dem vom Insolvenzverwalter höchstpersönlich zu erledigenden Pflichtenkreis entstammt, für den eine Delegation unzulässig wäre.

Der Insolvenzverwalter darf eine Sache, die er im Besitz hat, freihändig verwerten (§ 166 Abs. 1 InsO). Zu den möglichen Verwertungsarten gehört auch die durch das Gesetz ausdrücklich vorgesehene Versteigerung durch eine andere Person (§ 825 Abs. 2 ZPO), freilich ohne dass es hier einer besonderen - für das Einzelzwangsvollstreckungsverfahren vorgesehenen - Gestattung durch ein Gericht bedarf (vgl. Uhlenbruck, InsO, § 166 Rdnr. 10).

Mit dem Versteigerungsauftrag ist grundsätzlich auch die Einziehung des Versteigerungserlöses auf den Auktionator zu übertragen (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, § 825 Rdnr. 24).

II.

Der Beklagte haftet auch nicht für fremdes Verschulden des Auktionators oder des Rechtsanwalts T gemäß §§ 60 Abs. 1 InsO, 278 BGB. Denn wenn ein Insolvenzverwalter sich zur Erfüllung seiner Aufgaben anderer Selbständiger bedient, beschränkt sich seine Haftung auf Auswahlverschulden. Diese vom Bundesgerichtshof für Steuerberater entwickelte Rechtsprechgung (BGHZ 74, 316, 320) gilt grundsätzlich auch für die Beauftragung von Rechtsanwälten und Auktionatoren.

Ein Auswahlverschulden läge aber nur vor, wenn im Vorhinein bereits Zweifel an der ordnungsgemäßen Erfüllung des Auftrags durch den Selbstständigen bestanden oder bestehen mussten. Dafür ist nichts vorgetragen.

III.

Der Beklagte musste auch nicht das Veruntreuungsrisiko begrenzen. Insbesondere ist ein Insolvenzverwalter nicht gehalten, generell nur solche Auktionatoren auswählen, deren Tätigkeit über eine Vertrauensschadensversicherung abgesichert ist. Einer solchen Absicherung bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn es sich bei dem Auktionator - wie hier - im Zeitpunkt der Beauftragung um ein anerkanntes, eingesessenes Unternehmen mit gutem Ruf handelt.

1.

Dieses lässt sich zum einen daraus folgern, dass nicht einmal für den Insolvenzverwalter selbst eine Pflicht zum Abschluss einer Vertrauensschadensversicherung besteht.

Derzeit besteht über eine Versicherungspflicht des Insolvenzverwalters keine gesetzliche Regelungen.

Zwar hat der in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Entwurf eines künftig einzufügenden § 60a InsO (vgl. BT-Drs. 16/7251) zum Ziel, künftig eine allgemeine Versicherungspflicht für Insoolvenzverwalter einzuführen. Jedoch nimmt auch dieser Gesetzentwurf die wissentliche Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters sowie Veruntreuungen durch Personal, Angehörige oder Sozien ausdrücklich von der Versicherungspflicht aus. Dieses entspricht den Empfehlungen der sog. "Uhlenbruck-Kommission", die sich gegen die Einführung einer Verpflichtung zum Abschluss einer Vertrauensschadenshaftpflichtversicherung ausgesprochen hatte (ZIP 2007, 1432 unter Ziff. B II.10 und D II). In diesem Zusammenhang weist Frind (ZInsO 2006, 1035, 1038) auf die exorbitant hohen Versicherungsprämien hin, die den Wert einer solchen Versicherung insgesamt in Frage stellten.

Entspricht es aber (bisher) nicht einmal allgemeiner Überzeugung, dass für den Insolvenzverwalter selbst eine Vertrauensschadenshaftpflichtversicherung gefordert werden soll oder auch nur wirtschaftlich vertretbar ist, kann ebenfalls nicht verlangt werden, dass der Insolvenzverwalter seinerseits nur Aufträge an solche Dritte erteilt, die über einen entsprechenden Schutz verfügen. Bestünde eine solche Pflicht, könnte sie im übrigen nicht auf Auktionatoren beschränkt werden, sondern müsste gleichermaßen für alle übrigen, eine Vertrauensstellung bekleidenden Beauftragten gelten, was weder der Rechtspraxis entspricht noch vom Gesetz gefordert wird.

2.

Im Übrigen ist das Recht zur Versteigerung durch einen Dritten aus den Grundsätzen des § 825 Abs. 2 ZPO abgeleitet. Weder die Kommentierung zu § 825 ZPO noch die Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) sehen jedoch vor, dass der Gerichtsvollzieher nur solche Versteigerer beauftragen dürfe, die über eine Vertrauensschadenshaftpflichtversicherung abgesichert sind. Die Frage wird - soweit ersichtlich - überhaupt nicht erörtert (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, § 825 Rdnr. 24; MünchKomm/Gruber, ZPO, § 825 Rdnr. 18; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 825 Rdnr. 11). Dass aber der Insolvenzverwalter als Gesamtvollstrecker bei der Beauftragung eines Auktionators eine größere Vorsicht walten lassen müsse als dem Gerichtsvollzieher in der Einzelvollstreckung auferlegt ist, wäre rechtsdogmatisch nicht begründbar.

IV.

Auch in dem Unterlassen einer Weiterverfolgung von Ersatzansprüchen gegenüber Rechtsanwalt T liegt kein Verschulden, da solche Ersatzansprüche tatsächlich nicht bestanden.

Vertragsbeziehungen zwischen dem Beklagten und Rechtsanwalt T bestanden nicht. Das Sammelanderkonto war für die P GmbH & Co. KG zur Verfügung gestellt und nur ihr gegenüber bestand die treuhänderische Bindung (s. Anlage K 15).

Eine Schutzwirkung für Dritte wurde damit nicht begründet, zumal Rechtsanwalt T regelmäßig nicht wissen konnte, wem die Gelder in welcher Höhe wirtschaftlich zustanden. Rechtsanwalt T musste sich nicht einmal aufdrängen, dass mit der Barentnahme durch Herrn H veruntreut werde, da er nicht ausschließen konnte, dass die P GmbH & Co. KG die wirtschaftlich Berechtigten des betreffenden Geldeingangs evtl. bereits aus anderen Mitteln ausbezahlt hatte.

V.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 543 Abs. 2 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Ende der Entscheidung

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