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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.12.2006
Aktenzeichen: 27 U 98/06
Rechtsgebiete: GSB, InsO


Vorschriften:

GSB § 1
InsO § 35
InsO § 129
1. Die Verwendungspflicht des § 1 Abs. 1 GSB gilt nicht im eröffneten Insolvenzverfahren; vielmehr endet oder ruht sie mit der Eröffnung. Der Baugläubiger ist einfacher Insolvenzgläubiger.

2. Rechtshandlungen, die Baugeld betreffen, können deshalb die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger benachteiligen.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 31. März 2006 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.579,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.3.2005 zu zahlen.

Wegen der weitergehenden Zinsforderung bleibt die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Gründe:

A.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem auf den am 26.7.2004 beim AG Bochum eingegangenen Antrag am 15.3.2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der C GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin), die als Bauträgerin für eine Vielzahl von Erwerbern Reihenhäuser in der G-Straße in H errichtete. Die Insolvenzschuldnerin schloss für dieses Bauvorhaben mit der Beklagten Werkverträge über Boden- und Baumüllentsorgung und die Lieferung und den Einbau von Schotter. Wegen ihrer hieraus resultierenden Werklohnforderungen erlangte die Beklagte einen Vollstreckungsbescheid gegen die Insolvenzschuldnerin, auf dessen Grundlage die Beklagte einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bezüglich des Geschäftskontos der Insolvenzschuldnerin bei der Sparkasse C2 - dieser zugestellt am 26.6.2004 - erwirkte. Die Sparkasse zahlte hierauf am 5.7.2004 3.473,01 € und am 6.10.2004 weitere 8.107,84 € an die Beklagte. Die Rückzahlung dieser Beträge macht der Kläger im Wege der Insolvenzanfechtung geltend.

Die Beklagte behauptet, es habe sich bei dem ausgezahlten Guthaben auf dem Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin um Baugeld im Sinne des § 1 des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen (GSB) gehandelt, das - so meint sie - ihr als Baugläubigerin zugestanden habe. Deshalb fehle es an einer Gläubigerbenachteiligung durch Zahlung der Beträge an sie.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz im Einzelnen und der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Zahlung von Baugeld an einen Baugläubiger stelle keine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit dar, sondern nur eine Benachteiligung der übrigen Baugläubiger, was aber kein Anfechtungsgrund sei. Der für eine Gläubigerbenachteiligung darlegungs- und beweispflichtige Kläger habe nicht dargelegt, dass es sich nicht um Baugelder im Sinne von § 1 Abs. 3 GSB gehandelt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Beklagte begehrt dagegen Zurückweisung der Berufung.

Wegen des ergänzenden Sachvortrags zweiter Instanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung ist auch im Wesentlichen begründet. Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung begründet (I.). Lediglich ein Teil der Zinsforderung ist unbegründet (II.).

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 11.580,85 € (der Kläger macht jedoch nur 11.579,85 € geltend; auf diesen Betrag ist die Verurteilung deshalb gem. § 308 Abs. 1 ZPO beschränkt) gem. §§ 143 Abs. 1 S. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

1.

Die Forderungspfändung der Beklagten und die hierauf von der Sparkasse C2 an die Beklagte geleisteten Zahlungen waren Rechtshandlungen, die die Insolvenzgläubiger der Insolvenzschuldnerin benachteiligten, § 129 Abs. 1 InsO. Denn ohne die Pfändung und die Auszahlungen aus dem Kontoguthaben der Insolvenzschuldnerin hätten diese Beträge bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Verteilung an alle Insolvenzgläubiger zur Verfügung gestanden; deren Quote ist nunmehr gemindert.

a)

Entgegen der Ansicht der Berufung reicht es zur Darlegung einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO allerdings nicht aus, dass der Empfänger Leistungen erhalten hat. Vielmehr muss der Insolvenzverwalter auch darlegen und notfalls beweisen, inwieweit die weggegebenen Vermögenswerte zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung gestanden hätten. Er muss deshalb etwa das Bestehen von Aussonderungsrechten zu Gunsten des Empfängers ausräumen. Zutreffend ist daher die Ansicht des Landgerichts, dass der Kläger - obwohl es ihm oblag, wenn hiervon eine Gläubigerbenachteiligung abhing (dazu sogleich unter b)) - nicht dargelegt habe, dass es sich bei den Beträgen nicht um Baugelder im Sinne von § 1 Abs. 3 GSB gehandelt habe. Soweit er hierfür das Fehlen bestimmter Tatsachen darlegen und beweisen muss, setzt das zwar in aller Regel voraus, dass der Gegner im Rahmen sekundärer Behauptungs- und Darlegungslast deren Vorhandensein behaupten muss. Das hat die Beklagte jedoch in ausreichend substanziierter Weise getan. Den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hierzu tritt der Senat bei und verweist auf sie. Deshalb ist für die rechtliche Prüfung davon auszugehen, dass es sich um Baugeld handelte und die Beklagte sog. Baugläubigerin war.

b)

Der Senat vermag sich jedoch nicht der Ansicht des Landgerichts anzuschließen, dass es deshalb an einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger fehle. Denn die Verwendungspflicht des § 1 Abs. 1 GSB gilt nicht im eröffneten Insolvenzverfahren; vielmehr endet oder ruht sie mindestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ob davon eine Ausnahme zu machen ist, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung der Verträge mit den Baugeldgläubigern nach § 103 Abs. 1 InsO wählt, kann dabei offen bleiben (zu dieser Differenzierung scheint BGH NZI 2001, 533, 536 im Anschluss an Hagenloch, Handbuch zum Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen, Rn. 84f., zu neigen). Letzteres war hier schon deshalb nicht möglich, weil die Beklagte den Vertrag mit der Insolvenzschuldnerin zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits vollständig erfüllt hatte. Damit hätten die von der Beklagten erlangten Beträge ohne die Pfändung (und darauf beruhende Auszahlung) zur Verteilung an alle Insolvenzgläubiger zur Verfügung gestanden.

Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 35 InsO in Verbindung mit §§ 38, 87 InsO. Auch das Baugeld gehört zum Vermögen eines Schuldners, der Baugeldempfänger ist. Der Baugläubiger, zu dessen Befriedigung es dienen sollte, ist (einfacher) Insolvenzgläubiger (a.A. ohne nähere Begründung nur mit Bezugnahme auf weitere Nachweise zur Rechtslage nach der KO MüKo zur InsO/Kirchhof, § 129 Rn. 106).

aa)

Dem Wortlaut sowohl der Insolvenzordnung als auch des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen kann an keiner Stelle entnommen werden, dass Baugeld in der Insolvenz des Baugeldempfängers entweder nicht zur Insolvenzmasse gehöre oder hieraus zu befriedigende Ansprüche irgendeinen Vorrang vor anderen Insolvenzforderungen haben sollten.

bb)

Solches folgt auch nicht aus dem erkennbaren Sinn und Zweck der Regelungen, insbesondere nicht der Gesamtkonzeption der Insolvenzvorschriften. Anders als noch die KO und die GesO kennt die InsO keine vielfältige Rangordnung verschiedener Forderungen mit einer Vielzahl vorweg zu befriedigender Gläubiger (mit dieser Begründung hat das LG Dresden, ZIP 2002, 91, 93f., ausdrücklich für die GesO angenommen, dass die Verwendungspflicht weiter bestehe; a.A. von Gleichenstein, EWiR 2002, 717f.). Vielmehr liegt ihr der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zu Grunde. Bevorzugt behandelt werden nur noch Aus- und Absonderungsberechtigte sowie Massegläubiger.

Anders als bei echten Treuhandverhältnissen oder sonstigen Aus- oder Absonderungsrechten begründet die Verwendungspflicht des § 1 Abs. 1 GSB keine rechtliche Zuordnung eines bestimmten Vermögensbestandteils zu einer anderen Person, einem bestimmten Gläubiger. Denn einerseits unterliegen die Geldbeträge, die ein Baugeldempfänger in der Form des § 1 Abs. 3 GSB erhält, unabhängig davon, ob sie getrennt vom sonstigen Vermögen verwahrt oder mit diesem vermischt werden, der Verwendungspflicht. Andererseits hat auch kein konkreter Baugläubiger Anspruch auf diese Beträge, sondern es werden vielmehr nur alle Baugläubiger in ihrer Gesamtheit geschützt. Der Baugeldempfänger ist frei darin, welchen Baugläubiger er in welcher Höhe und in welcher Reihenfolge er mehrere Baugläubiger befriedigt (Drasdo, NJW-Spezial 2006, 97; BGH NJW-RR 1989, 1045, 1046; 1990, 914; NJW 2001, 2484, 2485). Das bedeutet, dass die Baugeldeigenschaft dem Baugeld nur als unselbstständige Verhaltenspflicht anhaftet (Hagenloch, Handbuch zum Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen, Rn. 62ff., 78). Darin in Verbindung mit der Strafbewehrung erschöpft sich die Schutzwirkung des GSB. Es ordnet gerade keine echte Treuhand an. Ist das Baugeld ausgezahlt und nicht auf einem besonderen Treuhandkonto verbucht, ist es deshalb der Pfändung durch andere Gläubiger ausgesetzt (BGH NJW 1988, 263, 265; Stammkötter, Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen, 2. A., Rn. 262). Die Baugeldeigenschaft ist kein die Veräußerung hinderndes Recht i.S.d. § 771 ZPO (Hagenloch, Rn. 78; Stammkötter, Rn. 268). Eine solche Pfändung durch Personen, die nicht Baugläubiger sind, ist zwar nicht im Sinne des Schutzanliegens des Gesetzes zur Sicherung der Bauforderungen. Der Gesetzgeber hat aber keine Sicherungsmöglichkeiten vorgesehen, die anderen Gläubigern des Baugeldempfängers einen Zugriff auf das Baugeld verwehren können. Es ist vielmehr nach dem Gesetz grundsätzlich allein Sache des Baugeldempfängers, dafür zu sorgen, dass das Baugeld seiner Zweckbestimmung zugeführt wird (BGH aaO.).

Würde man den Insolvenzverwalter demgegenüber für verpflichtet halten, die Verwendungspflicht des § 1 Abs. 1 GSB weiter zu beachten, führte dies dazu, dass der Schutz der Baugläubiger im Verfahren der Gesamtvollstreckung, die das Insolvenzverfahren darstellt, größer wäre als zuvor gegenüber Einzelvollstreckungen anderer Gläubiger. Das wäre systemfremd. Insolvenzfest sind nur bestimmte individuelle Rechte einzelner Gläubiger, die in gleichem Umfang auch zuvor bereits bestanden. Dagegen entspricht es nicht der Systematik der InsO, durch die Insolvenzeröffnung neue stärkere Rechte zu schaffen, die eine vorrangige Befriedigung ermöglichen. Im Übrigen gäbe es auch keine gesetzliche Regel dafür, wie der Insolvenzverwalter vorhandenes Baugeld, das insgesamt nicht ausreicht, alle Baugläubiger zu befriedigen, zu verteilen hätte. Wie dargelegt schreibt § 1 Abs. 1 GSB hierzu nichts vor. Wenn der Insolvenzverwalter lediglich diese Pflicht weiter zu beachten hätte, könnte das dazu führen, dass einzelne von ihm nicht bedachte Baugläubiger sogar schlechter stünden als bei einer Teilnahme als Insolvenzgläubiger an der allgemeinen Verteilung der Masse unter Einschluss des Baugeldes. Die Pflicht zur Durchführung eines quasi gesonderten Insolvenzverfahrens hinsichtlich des Baugeldes bezüglich der Baugläubiger mit der Pflicht gleichmäßiger Verteilung ist andererseits der InsO ebenfalls nicht zu entnehmen. Es würde ihrem Grundgedanken gerade zuwider laufen, weil es praktisch die Wiedereinführung von Rangklassen hinsichtlich eines Teils der Masse bedeutete.

cc)

Auch die Ausgestaltung des Anfechtungsrechtes der InsO zeigt, dass die Anerkennung einer solchen privilegierten Gläubigergruppe in der Insolvenz mit der Systematik der InsO nicht widerspruchsfrei möglich ist. Denn mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der einfachen Insolvenzgläubiger, deren Kreis im Vergleich zur KO ausgeweitet wurde, korrespondiert die Möglichkeit, vor Insolvenzeröffnung zu ihrem Nachteil durchgeführte Rechtshandlungen anzufechten, um diesem Gleichbehandlungsgrundsatz auch bereits in der sogenannten Krise (ab drei Monate vor Stellung des Insolvenzantrags) möglichst weitgehend Geltung zu verschaffen. Ein Wettlauf der Gläubiger um die letzten Befriedigungsmöglichkeiten soll so verhindert und notfalls rückgängig gemacht werden.

Nähme man nun an, Verfügungen über Baugeld benachteiligten die Insolvenzgläubiger im Allgemeinen nicht, weil dieses Geld nur den Baugläubigern zustehe, käme eine Anfechtung solcher Rechtshandlungen nicht in Betracht (vgl. Kirchhof aaO.). Das hätte zur Folge, dass der Insolvenzverwalter Baugläubiger nach Eröffnung des Verfahrens zwar möglicherweise gleichmäßig (s.o. unter bb)) aus dem Baugeld zu befriedigen hätte, in der Krise erreichte Befriedigungen oder Sicherungen von einzelnen Baugläubigern aber unter keinen Umständen rückgängig gemacht werden könnten (so ausdrücklich Kirchhof aaO.). Selbst gegen § 1 Abs. 1 GSB verstoßende Verfügungen zugunsten von Nicht-Baugläubigern vor Insolvenzeröffnung könnten nicht rückgängig gemacht werden (Kirchhof aaO.). Die eigentlich dem Schutz der Baugläubiger dienende Vorschrift der § 1 Abs. 1 GSB würde sich dann in diesen Fällen sogar für alle Baugläubiger nachteilig auswirken.

Diese Wertungswidersprüche zeigen, dass die Vorschriften der InsO insgesamt in der Insolvenz Vorrang vor § 1 Abs. 1 GSB genießen müssen, um schlüssige Ergebnisse zu bekommen (ebenso Hagenloch, Rn. 85; Stammkötter, Rn. 275-285, 288).

dd)

Aus dem Umstand, dass die Zuwiderhandlung gegen die Verwendungspflicht des § 1 Abs. 1 GSB gem. § 5 GSB strafbar ist, folgt ebenfalls nicht, dass sie vom Insolvenzverwalter beachtet werden müsste. Das ist nicht anders zu beurteilen als in den Fällen der Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung durch den Arbeitgeber, was gem. § 266a StGB strafbar ist. Nach ständiger Rechtsprechung macht diese Strafdrohung die Erfüllung der betroffenen Ansprüche nicht anfechtungsfest; der Insolvenzverwalter selbst unterliegt nicht mehr der Abführungspflicht, sondern kann entsprechende Beträge in der Masse behalten oder sie zur Masse ziehen.

In der Tatsache, dass § 5 GSB im Gegensatz zu § 266a StGB gerade auf den Fall einer Insolvenz zugeschnitten ist, liegt ebenfalls kein Unterschied, der zu einem anderen Ergebnis führen würde. Die Vorschrift läuft bei der hier vorgenommenen Auslegung keineswegs leer. Denn die dort vorausgesetzte Benachteiligung im Zeitpunkt der Zahlungseinstellung oder Insolvenzeröffnung wird durch die Gewährung von Anfechtungsmöglichkeiten nicht unmöglich. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass nur unter den besonderen weiteren Voraussetzungen der Anfechtungsvorschriften ein Nachteil durch die Zuwiderhandlung im Wege der Rückgewähr nach § 143 InsO evtl. wieder ausgeglichen werden kann. In der Regel wird eine Zuwiderhandlung nicht ohne Weiteres anfechtbar sein.

2.

Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO liegen vor:

Die Beklagte ist Insolvenzgläubigerin. Die Pfändung mit den darauf beruhenden Zahlungen waren Rechtshandlungen, die der Beklagten Befriedigung für ihre Forderung gewährte, die sie nicht in dieser Art zu beanspruchen hatte. Denn eine durch Zwangsvollstreckung in der Krise erlangte Befriedigung ist in diesem Sinne nach ständiger Rechtsprechung eine inkongruente Deckung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verdrängt in diesem Stadium bereits die sonstige allgemeine Befugnis, mit staatlicher Hilfe seine Ansprüche zwangsweise durchzusetzen.

Die Handlung wurde auch im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen. Diese Frist begann am 26.6.2004 (0.00 Uhr), § 139 Abs. 1 InsO. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es auf den Eingang des Insolvenzantrages bei Gericht (AG) an und nicht auf den Eingang bei der Insolvenzabteilung.

Deshalb liegen nicht nur die Zahlungen sondern auch die Pfändung innerhalb dieser Frist. Auch sie ist anfechtbar und kann deshalb eine Gläubigerbenachteiligung durch die Zahlungen nicht ausschließen. Die Pfändung galt erst (frühestens) mit Zustellung an die Drittschuldnerin als vorgenommen (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. A., § 140 Rn. 9), also am 26.6.2004.

Darüber hinaus bedurfte es im Übrigen eines Guthabens auf dem Konto, das - wie in zweiter Instanz unstreitig ist - erst am 30.6.2004 (Bl. 67 d.A.) für die erste Zahlung und dann erst wieder am 4.10.2004 (Bl. 69 d.A.) für die zweite Zahlung entstand. Diese Zeitpunkte liegen erst recht innerhalb des Monatszeitraums.

II.

Der geforderte Zinsanspruch ist jedoch erst ab Insolvenzeröffnung gem. § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. §§ 819 Abs.1, 818 Abs. 4, 291, 288 BGB begründet. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 16. 5. 2006 - 27 U 190/05 - NZI 2006, 642 (die im Urteil zugelassene Revision wird beim BGH unter dem Az. IX ZR 116/06 geführt) entschieden, dass aus § 291 BGB folge, dass die Verzinsung mit der Fälligkeit des Anfechtungsanspruchs beginne. Da der Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters frühestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehe (vgl. BGHZ 130, 38 = NJW 1995, 2783, für das Konkursverfahren) und erst dann auch fällig werden könne, sei die nach § 143 Abs. 1 InsO zurückzugewährende Geldleistung ab diesem Zeitpunkt zu verzinsen. Hieran hält der Senat fest.

Das OLG Karlsruhe (ZIP 2004, 2064ff.) hat zu diesem Problem ausgeführt: "Der Anspruch auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen beruht ebenso wie die Ansprüche auf Herausgabe gezogener Nutzungen und auf Ersatz für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen auf § 143 I S. 2 InsO, welcher auf die §§ 819 I, 818 IV, 291 bzw. 292, 987 BGB verweist. Diese Vorschriften setzen jeweils einen bestehenden Herausgabeanspruch voraus, so dass die Verzinsung, Pflicht zur Nutzungsherausgabe usw. erst mit Entstehung des primären Herausgabeanspruchs einsetzt (Palandt/Heinrichs, § 291 Rn. 5; Palandt/Sprau, § 819 Rn. 6; Palandt/Bassenge, vor § 987 Rn. 3, 10, § 987 Rn. 1). Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch entsteht aber originär erst mit und deshalb "nach" der Insolvenzeröffnung (BGHZ 113, 98, 105; Kreft in HK-InsO, § 129 Rn. 79). Für die davor liegende Zeit bestehen somit mangels eines in diesem Zeitraum bestehenden Hauptanspruches gem. § 143 I S. 1 InsO auch keine Nebenansprüche gem. § 143 I S. 2 InsO. ... Die Verzinsung eines Anspruchs für den Zeitraum vor seiner Entstehung ist systemwidrig. ... Zwar ordnet § 819 I BGB bei anfänglicher Bösgläubigkeit die verschärfte Haftung ab Empfang der Leistung an. Dies gilt aber nach zutreffender Ansicht (Palandt/Sprau, § 819 Rn. 6) nur, wenn der Bereicherungsanspruch schon ab Empfang besteht; andernfalls tritt die verschärfe Haftung erst mit Entstehen des Bereicherungsanspruchs ein." Dem schließt sich der Senat an (zustimmend auch Müller-Feyen, EWiR 2005, 33f.)

Die Zinshöhe beträgt gem. §§ 143 Abs. 1 S. 2 InsO, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz. Nach diesen Vorschriften schuldet der Anfechtungsgegner, sofern der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch auf eine Geldsumme geht, ab dem Zeitpunkt seiner Entstehung Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe (OLG Karlsruhe aaO.).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 ZPO) der Rechtssache für beide Parteien zuzulassen. Die Frage der Verwendungspflicht von Baugeld in der Insolvenz und die daraus resultierenden Probleme der Anfechtbarkeit sind bisher in der Rechtsprechung zur Insolvenzordnung ungeklärt; in der Literatur werden - wie dargelegt - verschiedene Auffassungen vertreten. Die Frage der Verzinsungspflicht eines Rückgewähranspruchs stellt sich in einer Vielzahl von Fällen; sie ist vom BGH bisher - soweit ersichtlich - lediglich ohne nähere Begründung mit Verweis auf die Rechtslage nach der KO (NJW 2006, 1870 und NZI 2005, 679) behandelt worden, und zwar abweichend von der vorliegenden Entscheidung und der Entscheidung des OLG Karlsruhe, so dass auch der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung vorliegt.

Ende der Entscheidung

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