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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: 27 W 41/06
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 3
InsO § 201
InsO § 302
Der Streitwert einer Klage auf Feststellung, dass eine zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung auf vorsätzlich unerlaubter Handlung beruht, entspricht dem Betrag der Forderung, wenn mit der begehrten Feststellung der Ausschluss der Forderung von der Restschuldbefreiung erstrebt wird und eine Insolvenzquote nicht zu erwarten ist.
Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und der Streitwert für Klage und Widerklage zusammen auf 26.170,07 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer erstreben die Heraufsetzung des erstinstanzlich auf 20.238,00 € festgesetzten Streitwerts auf 33.327,07 €.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten u. a. wegen nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung eine Forderung über 26.170,07 €. Über das Vermögen des Beklagten wurde am 19. November 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin meldete diese Forderung mit dem Bemerken zur Insolvenztabelle an, daß ihr eine vorsätzlich unerlaubte Handlung gem. § 266 a StGB zugrunde liege. Die Forderung wurde der Höhe nach festgestellt. Gegen den Zusatz erhob der Beklagte Widerspruch.

In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß die genannte Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Hilfswiderklage, mit der der Beklagte die Feststellung begehrt hat, die streitige Forderung sei in Höhe von 14.306,98 € verjährt, abgewiesen. Den Streitwert hat es in dem angefochtenen am 17. Mai 2006 verkündeten Beschluß je mit rund der Hälfte der streitigen Beträge bemessen, d. h. mit 13.085,00 € für die Klage und mit 7.153,00 € für die Widerklage, also zusammen mit 20.238,00 €. Dagegen haben die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Mai 2006 - beim Landgericht eingegangen am 6. Juni 2006 - Beschwerde eingelegt. Sie sind der Auffassung, der Streitwert der Klage bestimme sich nach dem vollen Wert der Forderung von 26.170,07 €, wohingehend der Wert der Widerklage zutreffend mit der Hälfte des von dem Beklagten genannten Betrags bemessen worden sei. Sie tragen unwidersprochen vor, daß sie in dem Insolvenzverfahren voraussichtlich keine Quote zu erwarten haben.

Der Beklagte hält die Streitwertfestsetzung des Landgerichts wegen der schlechten Vollstreckungsaussichten bei ihm für richtig. Er verweist darauf, daß er eine Pension von rund 1.500 € monatlich erhalte und deshalb für die Vollstreckung von Forderungen, die von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, wegen seiner Unterhaltsverpflichtungen monatlich nur 150 € zur Verfügung stünden.

Die Klägerin hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ist gemäß §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 RVG zulässig und teilweise begründet.

1) Das Interesse der Klägerin an der Feststellung, daß ihre zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung von 26.170,07 € auf vorsätzlich unerlaubter Handlung beruhe, ist gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu bewerten. Es entspricht hier der Höhe der Forderung.

Denn die begehrte Feststellung hat für die Klägerin zweifache Bedeutung: Zum einen bleibt die aufgrund der Eintragung in die Tabelle gemäß § 201 Abs. 2 S. 2, 1, Abs. 1 InsO bestehende Vollstreckungsmöglichkeit gegen den beklagten Insolvenzschuldner persönlich erhalten, weil derartige Forderungen gemäß § 302 Nr. 1 InsO von der Erteilung der Restschuldbefreiung unberührt bleiben, zum andern wird - sofern die Vollstreckung weiterhin erlaubt ist - eine Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen gemäß § 850 f Abs. 2 ZPO ermöglicht. Das Interesse der Klägerin besteht also primär darin zu verhindern, daß der Beklagte nach Abschluß der Wohlverhaltensperiode von der - bereits titulierten - Schuld befreit wird. Dieses Interesse, den titulierten Anspruch materiell zu erhalten, wird unabhängig von den konkreten Befriedigungschancen durch dessen Höhe bestimmt. Dies zeigt der Vergleich zur Zahlungsklage, für deren Bewertung die verlangte Leistung, nicht hingegen deren Realisierbarkeit in der Zwangsvollstreckung maßgeblich ist. Auch verbietet sich hier ein Abschlag dafür, daß die Klägerin ihr Recht im Weg der Feststellungsklage verfolgt. Denn diese erklärt sich nicht wie sonst bei der positiven Feststellungsklage daraus, daß eine Leistungsklage - noch nicht - erhoben werden kann, sondern aus der Besonderheit des Insolvenzverfahrens, in dem ohne Klageverfahren ein Titel geschaffen wird, sofern der Schuldner den zur Tabelle festgestellten Forderungen und den angemeldeten Zusätzen nicht widerspricht. Mit der begehrten Feststellung erhält die Klägerin einen vollstreckbaren Titel auch für die Zeit nach Ablauf der Wohlverhaltensphase, ohne daß es eines weiteren Verfahrens bedürfte. Der zweite Aspekt, die Vollstreckungschancen durch die Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen zu verbessern, hat daneben für die Wertfestsetzung kein Gewicht, weil - wie dargestellt - die Vollstreckungsmöglichkeiten für die Bewertung keine Rolle spielen.

Auch ist das Interesse der Klägerin mit dem vollen Wert ihres Anspruchs zu bewerten. Zwar beschränkt sich das Interesse des Gläubigers, trotz erteilter Restschuldbefreiung gegen den Schuldner persönlich vollstrecken zu können, der Höhe nach auf die Forderung, wie sie bei Abschluß des Insolvenzverfahrens noch besteht, d. h. abzusetzen sind diejenigen Beträge, die der Gläubiger zwischenzeitlich realisieren wird. Jedoch kann die Klägerin, wie ihr der Insolvenzverwalter Q in seinem Schreiben vom 6. Juli 2006 mitgeteilt hat, voraussichtlich keine Quote erwarten, so daß sie wegen ihrer gesamten Forderung gegenüber dem Beklagten persönlich Befriedigung suchen muß.

2) Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Beschwerdeführer hat die Hilfswiderklage neben der Klage keinen eigenen Wert. Zwar hat das Landgericht über die Eventualwiderklage entschieden, so daß grundsätzlich gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 GKG ein Zusammenrechnen in Betracht käme, jedoch hat die Widerklage keinen eigenen Streitgegenstand. Vielmehr deckt sie sich in Höhe des zur Entscheidung gestellten Teilbetrags von 14.306,98 € mit der Klage, da sich die Parteien insoweit um denselben materiellrechtlichen Anspruch auf Sozialversicherungsbeiträge streiten von dem die Klägerin meint, der Beklagte werde von diesem nicht durch Restschuldbefreiung befreit werden, während dieser meint, der Anspruch sei bereits heute wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar.

3) Eine Kostenentscheidung ist wegen § 68 Abs. 3 GKG nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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