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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.11.2004
Aktenzeichen: 27 W 44/04
Rechtsgebiete: InsO, GmbHG, ZPO


Vorschriften:

InsO § 22 Abs. 2 S. 2
InsO §§ 129 ff.
InsO §§ 130 bis 146
GmbHG § 32 a
GmbHG § 32 b
ZPO § 116
ZPO § 116 Nr. 1
1.

Das Insolvenzgericht hat bei der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen der Prüfung, ob eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist, auch zu entscheiden, ob Forderungen aus Insolvenzanfechtung in Betracht kommen und aufgrund ihrer Realisierbarkeit zur Masse gerechnet werden können.

2.

Das Vorgehen des Insolvenzgerichts, stattdessen einen sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter einzusetzen und diesen zu ermächtigen, "Anfechtungen bezüglich anfechtbarer Rechtshandlungen zu erklären" sowie Forderungen gegen die Anfechtungsgegner ggf. auch gerichtlich einzuziehen, und vor der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung den Ausgang eines entsprechenden vom vorläufigen Verwalter geführten Rechtsstreits abzuwarten, ist gesetzwidrig, weil dem vorläufigen Insolvenzverwalter kein Anfechtungsrechts zusteht und auch durch eine Ermächtigung des Insolvenzgerichts nicht verschafft werden kann.


Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers vom 21.07.2004 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Detmold vom 13. Juli 2004 wird zurückgewiesen.

Gründe: I. Der Antragsteller begehrt in seiner Eigenschaft als vorläufiger, sog. "schwacher", Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin sowie dessen neu gegründete GmbH. Das Insolvenzgericht hat ihn durch Beschluss vom 30.10.2003 dazu ermächtigt, Forderungen gegen die Antragsgegner "einzuziehen, ggfs. auch gerichtlich", sowie "Anfechtungen bezüglich anfechtbarer Rechtshandlungen zu erklären". Das Insolvenzverfahren ist bislang nicht eröffnet worden, weil eine die Verfahrenskosten deckende Masse nicht vorhanden ist. Nach dem Vorbringen des Klägers veräußerte die Schuldnerin, für die der Antragsgegner zu 2) handelte, ihr gesamtes Anlage- und Vorratsvermögen an die Antragsgegnerin zu 1). Weiteres Vermögen war nicht vorhanden. Die für die Veräußerung in Rechnung gestellten Beträge wurden nicht an die Schuldnerin geleistet, weil diese ihrerseits eine Globalzession zugunsten des Antragsgegners zu 2) vorgenommen hatte. Der Antragsteller vertritt die Ansicht, der Antragsgegner zu 2) könne keine Rechte aus der Abtretung geltend machen, weil eine von diesem der Sparkasse M gegebene Bürgschaft als kapitalersetzendes Darlehen i.S.v. §§ 135 InsO, 32 a, 32 b GmbHG gewertet werden müsse. Es greife die Anfechtungsvorschrift des § 135 InsO ein. Er, der Antragsteller, sei schon jetzt dazu befugt, die Anfechtung zu erklären, weil offenkundig sei, dass der Antragsgegner zu 2) unter Ausnutzung seiner alleinherrschenden Stellung versucht habe, sich vorrangig vor den anderen Gläubigern zu bereichern. Aufgrund des kollusiven Handelns liege auch eine deliktische Haftung mit der Folge vor, dass beide Antragsgegner als Gesamtschuldner für den Rechnungsbetrag hafteten. Derzeit sei keine Masse vorhanden; die beabsichtigte Klage werde aber zu einer Anreicherung der Masse und deshalb zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen. Das Verfahren könne nur eröffnet werden, wenn die mit dem vorliegenden Klageentwurf geltend gemachte Forderung eingeklagt und realisiert werde. Das Landgericht hat den Antrag wegen Fehlens der Voraussetzungen gemäß § 116 Nr. 1 ZPO zurückgewiesen. Auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses wird insoweit Bezug genommen. Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verweist der Antragssteller darauf, dass die Ansprüche gegen die Antragsgegner ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht durchgesetzt werden könnten. Im Übrigen macht er geltend, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die beantragte Prozesskostenhilfe gegeben seien. II. Die Beschwerde ist im Ergebnis nicht begründet. Es fehlt an den notwendigen Verhältnissen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe i.S.v. § 116 ZPO; des Weiteren hat die Klage unter den gegenwärtigen Umständen auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. 1) Grundsätzlich nimmt der endgültige Insolvenzverwalter mit der Anfechtung von Rechtshandlungen nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO eine ihm mit seinem Amt übertragene Aufgabe wahr. Selbst wenn der aus einer Anfechtung zu erzielende Erlös wegen der vorweg zu befriedigenden Verfahrenskosten und der sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht zu einer Verteilung an die Insolvenzgläubiger führt, besteht das Amt des Insolvenzverwalters mit den darauf folgenden Pflichten fort, solange die Kosten des Verfahrens gedeckt sind. Dabei ist der Verwalter auch an Prozessen, die er im Interesse der Masse führt, nicht selbst "wirtschaftlich beteiligt", wenn er selbst mit seinem Vergütungsanspruch der rangbeste Gläubiger nach Verbrauch der baren Masse ist. Denn der Verwalter nimmt die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe der Abwicklung eines geordneten Insolvenzverfahrens wahr. Unter diesen Voraussetzungen ist ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen (vgl. BGH ZIP 2003, 2036). 2) Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben. Der Antragsteller ist lediglich vorläufiger (schwacher) Insolvenzverwalter, und die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches erst zu einer Übertragung der geordneten Abwicklung des Verfahrens an ihn führen könnte, liegen nach seinen eigenen Angaben nicht vor, weil eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse (§ 26 Abs. 1 S. 1 InsO) nicht vorhanden ist. Der Antragsteller verfolgt mit der beabsichtigten Klage das Ziel, diese Voraussetzungen noch zu schaffen. Die Vorgehensweise des Insolvenzgerichts, die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur evtl. Realisierung der behaupteten Forderung im Prozess - und damit möglicherweise über Jahre - in der Schwebe zu halten und gleichzeitig den vorläufigen Verwalter zur Insolvenzanfechtung zu ermächtigen, entspricht indessen nicht dem Gesetz, weil damit die dem endgültigen Insolvenzverwalter obliegenden Aufgaben ins Insolvenzantragsverfahren verlagert würden. Richtigerweise hätte das Insolvenzgericht mit sachverständiger Hilfe im Antragsverfahren überprüfen müssen, ob die Forderung aufgrund ihrer Realisierbarkeit zur Masse gerechnet werden kann (vgl. Uhlenbruck, § 26 InsO, Rdnr. 10 ff.). Ist dies der Fall, so liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung des Verfahrens vor, andernfalls muss der Antrag abgewiesen werden. Eine derartige Prüfung ist im vorliegenden Fall bislang nicht durchgeführt worden. Sie kann auch nicht dadurch ersetzt werden, dass der Ausgang eines vom vorläufigen Insolvenzverwalter geführten Rechtsstreits abgewartet wird. Denn zum einen ist der wirtschaftliche Erfolg einer derartigen Klage selbst dann vollständig offen, wenn der (vorläufige) Insolvenzverwalter obsiegt, weil sich die Durchsetzbarkeit des Titels ohne vorherige Prüfung gegenwärtig nicht vorhersagen lässt. Zum andern ist der vorläufige Insolvenzverwalter aus den nachstehend zu 3) genannten Gründen in seinen Möglichkeiten der gerichtlichen Geltendmachung beschränkt. Unter diesen Umständen kann im vorliegenden Fall nicht von einer zukünftigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgegangen werden, zumal die hierfür erforderlichen Voraussetzungen zum heutigen Zeitpunkt unstreitig nicht vorliegen. Wird das Insolvenzverfahren indessen nicht eröffnet, so fehlt es für eine Klage des vorläufigen Verwalters am Rechtsschutzbedürfnis. 3) Der Antragsteller ist als nur vorläufiger Insolvenzverwalter rechtlich nicht dazu imstande, Insolvenzanfechtungen zu erklären. Dem vorläufigen Insolvenzverwalter steht kein Anfechtungsrecht zu; nur der endgültige Verwalter kann Klage, Einrede oder Gegeneinrede erheben, den Anfechtungsgegner in Verzug setzen, auf den Anfechtungsanspruch verzichten, ihn erlassen oder sich über ihn vergleichen (BGHZ 86, 190; 109, 240; 130, 38). Hieran ändert auch die vom Insolvenzgericht durch Beschluss vom 30.10.2003 ausgesprochene Ermächtigung nichts. Ob diese sich nur auf Anfechtungen nach dem AnfG oder auch auf solche gem. §§ 129 ff. InsO richten soll, ergibt sich aus ihrer Formulierung nicht. Im letzteren Fall wäre die Ermächtigung jedoch wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot aus § 22 Abs. 2 S. 2 InsO nichtig. 4) Aus den Gründen zu Ziff. 2 kann im Ergebnis auf sich beruhen, ob die beabsichtigte Klage in der Sache Erfolgsaussichten hätte, soweit sie mit §§ 32 a, 32 b GmbHG oder deliktischen Ansprüchen wegen vorsätzlicher Schädigung begründet wird. Nur ergänzend merkt der Senat an, dass es auch für solche Ansprüche gegenwärtig an schlüssigem Vortrag fehlt. Zum einen behauptet der Antragsteller selbst keine "Rückzahlung" i.S.v. § 32 b GmbHG, zum andern ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand unklar, aus welchem Grunde sich eine evtl. deliktische Haftung auf Zahlung des Rechnungsbetrags erstrecken sollte. Auch im Übrigen ist der hierzu erfolgte Vortrag mangels Substanziierung nicht geeignet, Ansprüche auf den genannten Grundlagen in verständlicher und nachvollziehbarer Weise zu begründen. 5) Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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