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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.02.2001
Aktenzeichen: 3 BL 12/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 121
Leitsatz

Zum wichtigen Grund im Sinn von § 121 StPO bei verzögerter Erstellung eines Sachverständigengutachtens


Beschluss Strafsache gegen S.L.,

wegen Totschlags hier: Haftprüfung gemäß § 121, 122 StPO).

Auf die Vorlage der Akten zur Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Beschuldigten sowie seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.

Die weitere Haftprüfung für die Dauer von drei Monaten wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

Der Beschuldigte befindet sich nach seiner Festnahme am 03.08.2000 seit dem 04.08.2000 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Gütersloh vom selben Tage - 12 Gs 712/00 - in Untersuchungshaft.

Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, am 03.08.2000 in Harsewinkel seinen zur Tatzeit knapp 2 Jahre alten Sohn D.L. mit Tötungsabsicht so tiefe Stich-/Schnittverletzungen im Brust- und Bauchbereich beigebracht zu haben, dass das Kind - wie von dem Beschuldigten beabsichtigt - an den Folgen dieser Verletzungen noch am Tatort im Flur der Wohnung S. Straße 5 verstarb. Der Tat war ein heftiger Streit des Beschuldigten mit seiner Ehefrau E.L., von der er getrennt lebte, über die von der Ehefrau geplante Scheidung sowie das Sorgerecht für das Kind vorausgegangen.

Der Beschuldigte ist dieser Tat dringend verdächtig aufgrund seiner geständigen Einlassung vor der Kriminalpolizei in Verbindung mit dem objektiven Spurenbild am Tatort und den Angaben seiner zeugenschaftlich vernommenen Ehefrau und weiterer Zeugen.

Gegen den Beschuldigten besteht der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO Der Beschuldigte ist eines Deliktes wider das Leben dringend verdächtig. Er ist darüber hinaus wahrscheinlich drogen- und alkoholabhängig und neigt - wie nicht zuletzt auch die Tat gezeigt hat - zu Kurzschlussreaktionen. Es spricht daher alles dafür, dass er sich angesichts der für ihn bestehenden hohen Straferwartung einerseits und seiner verzweifelten persönlichen Lage andererseits dem weiteren Strafverfahren durch Flucht in sein Heimatland oder durch Untertauchen oder auf andere Weise entziehen wird.

Mildere Maßnahmen nach § 116 StPO reichen zur Sicherung des Verfahrens nicht aus. Die Fortdauer der Untersuchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Höhe der zu erwartenden Strafe.

Die besonderen Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO liegen hier noch vor. Das Verfahren ist noch mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung gefördert worden. Die Polizei hat ihre Ermittlungen mit Schlussbericht vom 28.10.2000 abgeschlossen und die Akten unter dem 09.11.2000 der Staatsanwaltschaft Bielefeld vorgelegt. Diese hatte bereits einen Monat zuvor, nämlich am 10.10.2000, die Erstattung eines fachpsychiatrischen Gutachtens zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten in Auftrag gegeben. Die Einholung eines solchen Gutachtens bereits im Ermittlungsverfahren war hier vor dem Hintergrund der möglicherweise bestehenden Drogen- und Alkoholabhängigkeit des Beschuldigten, seiner von Zeugen bestätigten und durch Gutachten abgesicherten Intoxikation sowohl durch Alkohol als auch durch Drogen bei der Tatausführung sowie des dort bei ihm bestehenden hochgradigen Erregungszustandes, der ebenfalls von mehreren Zeugen nachvollziehbar geschildert wurde, geboten. Die Sachverständigen Prof. Dr. med. S. und Dipl.-Psych. K. hatten der Staatsanwaltschaft gegenüber auch die Vorlage des Gutachtens bis Ende Dezember 2000 zugesichert. Im Dezember erfolgte dann auch die Exploration des Beschuldigten zunächst durch den Diplom-Psychologen K. sowie am 20.12.2000 durch den Psychiater Prof. Dr. S. Am 05.01.2001 hat der Sachverständige Prof. Dr. S. der Staatsanwaltschaft dann jedoch telefonisch mitgeteilt, er könne das schriftliche Gutachten erst Ende Januar 2001 abschicken, da er im Januar kurzfristig einen Termin beim Landgericht Braunschweig wahrnehmen müsse. Die Staatsanwaltschaft wird angesichts dieser Unzuverlässigkeit des Sachverständigen überlegen müssen, ob die Beauftragung dieses Sachverständigen in Zukunft noch ratsam erscheint. Andererseits ist aber jedenfalls ein Auswahlverschulden der Ermittlungsbehörden dergestalt, dass hier von einer absehbaren oder wiederholten Unzuverlässigkeit des Sachverständigen ausgegangen werden müsste, nicht zu erkennen. Die Generalstaatsanwaltschaft weist in ihrer Stellungnahme auch zu Recht darauf hin, dass angesichts der bereits erfolgten Exploration des Beschuldigten durch den Sachverständigen Prof. Dr. S. am 20.12.2000 auch durch die kurzfristige Beauftragung eines neuen Sachverständigen keine nennenswerte Beschleunigung des Verfahrens mehr zu erreichen gewesen wäre. Ein solcher neuer Sachverständiger hätte sich naturgemäß auch zunächst in die Sache einarbeiten müssen und wäre kaum in der Lage gewesen, vor Ende Januar 2001 sein Gutachten vorzulegen. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat zwischenzeitlich - offenbar der Generalstaatsanwaltschaft - auf fernmündliche Anfrage vom 30.01.2001 mitgeteilt, sein Gutachten sei angefertigt und werde noch am selben Tage auf den Postweg gegeben. Der Beschuldigte habe die Tat sicher im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit begangen, zur Frage einer etwaigen Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB könne er erst in der Hauptverhandlung Stellung nehmen.

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat daraufhin gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm zugesagt, unverzüglich nach Eingang des Gutachtens Anklage zu erheben.

Damit haben im Ergebnis wichtige Gründe ein Urteil bislang nicht zugelassen, rechtfertigen andererseits aber die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 S. 3 StPO.

Ende der Entscheidung

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