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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.06.2005
Aktenzeichen: 3 Ss 164/05
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 318
StGB § 56
Zur Zulässigkeit der Beschränkung der Berufung auf die Frage der Bewährung.
Beschluss

Strafsache

gegen D.M.

wegen gefährlicher Körperverletzung, (hier: Revision des Angeklagten).

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 7. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 26.01.2005 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm aufgrund der Revisionshauptverhandlung vom 08. 06. 2005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzender, Richter am Oberlandesgericht und Richterin am Oberlandesgericht als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt als Beamter der Generalstaatsanwaltschaft,

Rechtsanwalt aus Bielefeld als Verteidiger,

Rechtsanwalt aus Schloß Holte-Stukenbrock als Vertreter des Nebenklägers,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten der Revision einschließlich der dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Bielefeld hat den Angeklagten am 17.09.2004 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

Das Amtsgericht hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen:

"Am 04. Februar 2004 hielt sich der Angeklagte gegen 15.30 Uhr in dem Imbiß "F:Grill" in der F-straße 23 in XX auf. Er war erheblich alkoholisiert. Die Analyse einer ihm um 16.25 Uhr entnommenen Blutprobe ergab einen BAK-Mittelwert von 2,14 Promille. Der Angeklagte saß an einem Tisch mit seinem Bekannten, dem Zeugen W.. Am unmittelbar benachbarten Tisch befanden sich der Zeuge und Nebenkläger St. und der Zeuge Oe.. Weiter befand sich in dem Imbiß lediglich die Zeugin B., die sich als Verkäuferin hinter dem Tresen des Imbiß aufhielt.

Der Angeklagte und der Zeuge W. unterhielten sich miteinander. Aufgrund der Lautstärke ihrer Stimmen sowie der geringen räumlichen Distanz waren die Zeugen St. und Oe. in der Lage, zumindest Teile der Unterhaltung zu verfolgen. Daher waren sie in der Lage zu verfolgen, wie der Angeklagte dem Zeugen W. gegenüber erklärte, er habe einen Videofilm gesehen, in dem ein Mensch derart gegen das Ohr geschlagen und getreten wurde daß das Blut nur so gespritzt hätte. Derartiges wolle er auch einmal probieren. Kurze Zeit später äußerte er gegenüber dem W.: "Sag Feigling, sag Feigling!" Der Zeuge W. bezeichnete den Angeklagten dann als Feigling.

Nunmehr stand der Angeklagte auf. Er begab sich an den Nachbartisch, an dem von ihm aus gesehen linker Hand der Zeuge St. und dem Angeklagten gegenüber der Zeuge Oe. saßen. Er forderte den Zeugen Oe. auf, mit ihm anzustoßen. Der Zeuge kam der Aufforderung nach.

Tatsächlich war es dem Angeklagten aber nicht darauf angekommen, mit dem Zeugen Oe. anzustoßen. Er wollte lediglich möglichst nahe an den Zeugen St. herandringen, ohne daß der Zeuge St., der dem Angeklagten, wie der Angeklagte wußte, ablehnend gegenüberstand, Anlaß hatte, mißtrauisch zu werden. Dies gelang. Der Zeuge St. wurde von dem nachfolgenden Geschehen völlig überrascht.

Unmittelbar nach dem Anstoßen setzte der Angeklagte zwar noch dazu an, einen weiteren Schluck aus seinem Glas zu nehmen. Diese Bewegung führte er jedoch nicht zu Ende. Statt dessen stieß er das Glas mit dessen Oberseite voran frontal gegen den Halsbereich des Zeugen St.. Das Glas zerbrach. Dessen ungeachtet führte der Angeklagte noch mehrere - die genaue Zahl ließ sich nicht feststellen - Stöße mit dem verbleibenden Rest des Glases gegen den rechten Hals- und Wangenbereich des Zeugen St.. Der Zeuge St. erlitt aufgrund dessen zahlreiche Schnittverletzungen. Dem Zeugen gelang es nunmehr, nachdem er den ersten Schreck überwunden hatte, den Angeklagten zu überwältigen.

Der Angeklagte hat sich damit der gefährlichen Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht."

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und die Berufung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch und innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt.

Das Landgericht Bielefeld hat mit dem angefochtenen Berufungsurteil die Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Die Berufungskammer hat zu dem Nachtatverhalten des Angeklagten ergänzend folgende Feststellungen getroffen:

"Als der Angeklagte in dieser Sache nach der Tat zur Ausnüchterung in Polizeigewahrsam genommen worden war, äußerte er sich gegen 19.40 Uhr, etwa vier Stunden nach der Tat, sehr ungehalten gegenüber dem Polizeibeamten Str. und begehrte von diesem, ihm erneut Grund und Dauer der Ingewahrsamnahme mitzuteilen. Dabei trat der Angeklagte sehr aggressiv gegenüber dem Beamten, der ihm die entsprechende Auskunft gab und den er aus der weitläufigen Nachbarschaft kennt, auf, duzte ihn durchgehend und bedrohte ihn mit den Worten: "Hör mal zu, mein Freund, du weißt, dass ich bald wieder hier raus bin - man sieht sich im Leben immer zweimal!"

Auf die Schadensersatzklage des Geschädigten ließ der Angeklagte Klageabweisung beantragen, den Tathergang bestreiten und vortragen, der Geschädigte habe ihn provoziert; zu den Schnittverletzungen müsse es im Verlauf eines Handgemenges gekommen sein.

Schadensersatzleistungen hat der Angeklagte noch nicht erbracht.

Der Angeklagte hat sich in der Berufungshauptverhandlung dahin eingelassen, er könne die Tat im nachhinein nicht erklären; man habe sich halt nicht gemocht.

In seinem letzten Wort hat der Angeklagte ausgeführt, er habe ein so schlimmes Ende nicht gewollt. Er habe sich geschämt und schäme sich immer noch."

Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung hat die Berufungskammer mit folgenden Erwägungen begründet:

"Die Strafe war nicht zur Bewährung auszusetzen. Es ist nicht zu erwarten, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.

Die Erwartung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB setzt nicht eine sichere Gewähr für künftiges straffreies Leben voraus. Ausreichend ist, daß die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens größer ist als diejenige neuer Straftaten (BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 1 StR 339/04). Die Annahme, der Angeklagte werde sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen, kann nicht ausschließlich damit begründet werden, der Angeklagte sei nicht vorbestraft. Dies wird hinsichtlich der Prognosefrage den Anforderungen nicht gerecht (BGH, Urteil vom 23. September 2004 - 3 StR 214/04). Fehlen günstige Umstände, so kann die für eine Strafaussetzung erforderliche positive Prognose nicht gestellt werden. Bei der Beurteilung sind alle für die Sozialprognose erheblichen tatsächlichen Umstände umfassend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2002 - 2 StR 27/02).

Vorliegend ist dem Angeklagten bei Vornahme der gebotenen Gesamtwürdigung und Einbeziehung aller wesentlichen negativen sowie positiven Prognosekriterien in die Würdigung (§ 56 Abs. 1 Satz 2 StGB) eine positive Prognose nicht zu stellen.

Der Angeklagte hat bisher, zumindest wenn einmal von der Zeit der Arbeitslosigkeit abgesehen wird, ein relativ geordnetes und unauffälliges Leben geführt und ist auch nicht einschlägig vorbestraft. Er weiß seine Familie hinter sich. Er kann seine Fahrerlaubnis auch wiederbekommen und hat eine Stelle als Fahrer in Aussicht, durch deren Antritt der Angeklagte zu einem geordneten Lebenswandel zurückfinden könnte.

Dem steht jedoch entgegen, dass der Angeklagte mit der Tat eine für einen Ersttäter ganz ungewöhnlich hohe kriminelle Energie erkennen lassen hat. Er hat bewusst die Vorstellung aus einem Videofilm, den er gesehen hatte und in dem ein Mensch derart gegen das Ohr geschlagen und getreten wurde, dass das Blut nur so spritzte, umgesetzt. Der Angeklagte ist dabei heimtückisch vorgegangen, indem er seine wahre Absicht dadurch verdeckte, dass er einen Dritten aufforderte, mit ihm anzustoßen.

Er hat dabei mit einem abgebrochenen Stumpf eines Bierglases mehrere Stöße gegen den Hals- und Wangenbereich des Geschädigten geführt und diesem in der Nähe der Halsschlagader zahlreiche Schnittverletzungen beigebracht. Auch wenn berücksichtigt wird, dass der Angeklagte auf Grund eines Blutalkoholgehalts von 2,14 Promille nur vermindert schuldfähig war, hat der Angeklagte mit diesem Vorgehen eine hohe Hemmschwelle überwunden. Von daher ist dem Umstand, dass der Angeklagte einschlägig nicht vorbestraft ist, wenig Gewicht beizumessen. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte ein Handlungspotenzial im Sinne einer ungewöhnlich starken kriminellen Energie zu entwickeln in der Lage ist und dadurch eine erhebliche Gefahr für alle diejenigen darstellt, mit denen er aneinander gerät.

Hinzu kommt, dass der Angeklagte nach der Tat Reue oder auch nur Schuldeinsicht nicht hat erkennen lassen. Dass und in welch hohem Maße er dazu neigt, in "blindem", gegenüber den Interessen Dritter an ihrer körperlichen Unversehrtheit rücksichtslosen Hasse Aggressionen zu entwickeln, geht nicht nur aus der Tat, sondern auch aus dem Nachtatverhalten gegenüber dem Polizeibeamten Str. hervor. Es sind darüber hinaus aber auch keine Umstände hervorgetreten, die Hinweis darauf gegen könnten, dass der Angeklagte im weiteren Verlauf zu einer Änderung seiner inneren Einstellung zur Tat gefunden hätte. Vielmehr spricht sein Verhalten gegenüber dem Geschädigten insofern, als er sich nicht nur um Wiedergutmachung nicht bemüht, sondern die berechtigten Schadenersatzansprüche des Geschädigten abgelehnt hat, eher dafür, dass es dem Angeklagten bislang nicht gelungen ist, Handlungsantriebe zu entwickeln, die er künftigen Tatanreizen hemmend entgegensetzen könnte. Unter diesen Umständen wertet die Kammer die Kundgabe von Unverständnis und Bedauern seitens des Angeklagten über die eigene Tat in der Berufungshauptverhandlung als nur vorgeschobenes zweckgerichtetes Verhalten zur Erreichung der begehrten Strafaussetzung zur Bewährung.

Der Angeklagte bietet nach dem Eindruck der Kammer insgesamt keine ausreichende Gewähr dafür, dass es ohne die Strafvollstreckung nicht zu weiteren Straftaten kommen würde. Vielmehr sind die Ausgangsverhältnisse nicht als durchgreifend besser zu bewerten als vor der Tat des Angeklagten. Insbesondere verschlägt es Nichts, soweit der Angeklagte versichert, er habe sich geschämt und schäme sich immer noch. Denn tatsächlich korrespondiert sein Nachtatverhalten damit nicht noch ist nach dem Eindruck der Kammer seinen Beteuerungen ein Gewicht beizumessen, dass die aus der Schwere und dem hohen Maß an Gefährlichkeit seiner Tat herrührende Skepsis auch nur annähernd aufwiegen könnte."

Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Berufungsurteil hat der Angeklagte mit am 27.01.2005 bei dem Landgericht Bielefeld eingegangenem Schreiben seines Verteidigers Revision eingelegt und das Rechtsmittel nach Urteilszustellung an den Verteidiger am 17.02.2005 mit am 17.03.2005 bei dem Landgericht Bielefeld eingegangenem weiteren Schriftsatz des Verteidigers mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet. Die Revision wendet sich mit näheren Ausführungen gegen die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung durch die Berufungskammer.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf das Rechtsmittel hin hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

1. Das Landgericht hat zunächst zu Recht die Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung als wirksam angesehen. Die Beschränkung ist formgerecht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft erfolgt, § 303 StPO.

Die Beschränkung ist auch im Übrigen wirksam. Die Feststellungen des Amtsgerichts Bielefeld tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Insbesondere handelt es sich bei einem mit wuchtigen Stößen gegen den Halsbereich des Opfers geführten Glas noch dazu dann, wenn es infolge der Schläge zerbricht und in dieser Form weiter gegen den Hals eingesetzt wird, zweifellos um ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 224 Rdnr. 5 m.w.N.).

Die Beschränkung der Berufung bezieht sich hier auch unter Zugrundelegung der sogenannten Trennbarkeitsformel auf Beschwerdepunkte, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich selbstständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen und ohne dass es zu Widersprüchen zu dem Entscheidungsinhalt im Übrigen kommen könnte (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 318 Rdnr. 6 m.w.N.). Insoweit ist anerkannt, dass innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Strafaussetzung zur Bewährung zulässig ist, sofern nicht eine innere Abhängigkeit von der gesamten Straffrage besteht (Meyer-Goßner, a.a.O., § 318 Rdnr. 20 m.w.N.). Dies war hier nicht der Fall, da das Landgericht sich angesichts der erfolgten Verhängung einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr allein mit der Frage der Sozialprognose des Angeklagten zu befassen hatte. Die hierzu anzustellenden prognostischen Erwägungen sind aber von den Strafzumessungserwägungen zu trennen, eine Vermischung von Strafzumessungs- und Aussetzungserwägungen ist im Gegenteil unzulässig (BGH NStZ 2001, 311; BGHR § 46 Abs. 1 Begründung 19; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 56 Rdnr. 21 m.w.N.). Angesichts der erforderlichen Trennung von Strafzumessungs- und Aussetzungserwägungen ist aber die erforderliche Trennbarkeit zwischen beiden Gesichtspunkten gewährleistet.

2. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Strafaussetzung zur Bewährung verweigert hat, halten der rechtlichen Überprüfung Stand. Der Senat ist dabei von der Erwägung ausgegangen, dass die gemäß § 56 Abs. 1 StGB zu treffende Prognoseentscheidung im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters steht und vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann. Die Entscheidung des Tatrichters ist dabei im Zweifel bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren, soweit der Tatrichter nur die für die Prognoseentscheidung maßgeblichen Umstände erkannt und in rechtlich zulässiger Weise in seine Abwägung einbezogen hat (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 StGB Rdnr. 25 m.w.N.; zuletzt: BGH NStZ-RR 2005, 38).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Berufungsurteil. Die Berufungskammer hat die gebotene Gesamtwürdigung vorgenommen und dabei alle wesentlichen negativen und positiven Prognosekriterien in ihre Würdigung einbezogen. Die Kammer ist dabei von zutreffenden Maßstäben ausgegangen. Sie hat insbesondere zutreffend zugrunde gelegt, dass die Erwartung i.S.v. § 56 Abs. 1 S. 1 StGB nicht eine sichere Gewähr für künftig straffreies Leben voraussetzt, insoweit vielmehr ausreichend ist, dass die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens größer ist als diejenige neuer Straftaten (BGH, Urteil vom 10.11.2004 - 1 StR 339/04 -, S. 5 UA, BGH NStZ 1997, 594). Die Berufungskammer hat weiterhin zutreffend zugrunde gelegt, dass allein der Umstand, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, für sich genommen nicht geeignet ist, eine günstige Prognose zu begründen (BGH, Urteil vom 23.09.2004 - 3 StR 214/04 -, S. 3 UA). Vielmehr ist stets eine umfassende Würdigung aller für die Sozialprognose erheblichen tatsächlichen Umstände geboten (BGH, Beschluss vom 27.02.2002 - 2 StR 27/02 -, S. 3 UA).

Ausgehend von diesem zutreffenden rechtlichen Maßstab hat das Landgericht zunächst zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser abgesehen von der Zeit seiner Arbeitslosigkeit ein relativ geordnetes und unauffälliges Leben geführt hat und auch nicht einschlägig vorbestraft ist. Weiter hat es berücksichtigt, dass die Familie des Angeklagten hinter ihm steht, dass er seine Fahrerlaubnis wiederbekommen kann und auch eine Stelle als Fahrer in Aussicht hat, durch deren Antritt der Angeklagte zu einem geordneten Lebenswandel zurückkehren könnte. Dass das Landgericht insoweit wesentliche für eine günstige Sozialprognose sprechende Umstände übersehen haben könnte, ist nicht ersichtlich.

Demgegenüber hat das Landgericht als gegen eine Strafaussetzung zu Bewährung sprechende Umstände bewertet, dass der Angeklagte eine für einen Ersttäter ganz ungewöhnlich hohe kriminelle Energie gezeigt habe. Das Berufungsgericht hat dies in rechtlich nicht zu beanstandender Weise unter Berücksichtigung auch der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten aus der heimtückischen und besonders gefährlichen Vorgehensweise bei der Tatausführung gefolgert. Wenn das Landgericht vor diesem Hintergrund zu der Bewertung kommt, dass angesichts dieser Besonderheiten in der Tatausführung und in der Persönlichkeit des Angeklagten dem Umstand, dass er nicht einschlägig vorbestraft ist, wenig Gewicht beizumessen sei, ist dies eine vertretbare Würdigung, die das Revisionsgericht hinzunehmen hat.

Das Landgericht hat auch nicht etwa in unzulässiger Weise ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten im Rahmen der Prognoseentscheidung zu seinen Lasten gewertet. Dies wäre dann der Fall, wenn der Angeklagte die Tat bis zuletzt, d.h. bis zur Entscheidung der Berufungskammer, geleugnet und die Kammer ihm gleichwohl im Rahmen der Prognoseentscheidung entgegen gehalten hätte, dass er keine hinreichende Reue und Schuldeinsicht gezeigt und sich auch nicht zu Wiedergutmachungsleistungen zugunsten des Opfers bereiterklärt habe. So stellt sich der Fall hier indes nicht dar. Der Angeklagte hatte nämlich durch seine Berufungsbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung das Tatgeschehen eingeräumt. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgericht hatte er das oben zitierte Verteidigungsverhalten damit bereits aufgegeben. Bei dieser Sachlage war das Berufungsgericht aber nicht nur nicht gehindert, sondern geradezu aufgefordert, das Geständnis des Angeklagten, die von ihm verbal geäußerte Reue und seine behauptete Einsicht in das Unrecht der Tat zu hinterfragen und im Rahmen der Prognoseentscheidung kritisch zu würdigen. Wenn die Kammer vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kundgabe von Unverständnis und Bedauern seitens des Angeklagten über die eigene Tat in der Berufungshauptverhandlung sich nur als vorgeschobenes zweckgerichtetes Verhalten zur Erreichung der begehrten Strafaussetzung zur Bewährung darstellt, so ist auch das vom Revisionsgericht als vertretbare Wertung des Tatrichters hinzunehmen. Dasselbe gilt für das Ergebnis der Gesamtwürdigung durch die Strafkammer, nämlich dass der Angeklagte eben keine ausreichende Gewähr dafür biete, dass es ohne die Strafvollstreckung nicht zu weiteren Straftaten kommen werde. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, hier seine eigene Wertung an die Stelle der Wertung des Tatrichters zu setzen (vgl. BGH, NStZ-RR 2005, 38).

Darüber hinaus gebietet hier auch die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe, § 56 Abs. 3 StGB. Der Angeklagte hat eine durch besondere Rohheit, Rücksichtslosigkeit und Gewalttätigkeit sowie Heimtücke gekennzeichnete gefährliche Körperverletzung begangen, noch dazu in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Bereich, nämlich in einer öffentlichen Gaststätte. Derartige Straftaten sind in besonderer Weise geeignet, den Rechtsfrieden zu stören (ebenso BayObLG, NStZ-RR 2004, 42). Die gesteigerte Bedeutung, die in weiten Kreisen der Bevölkerung dem Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit beigemessen wird, hat sich nicht zuletzt dadurch geäußert, dass die Neufassung des Tatbestandes der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB durch das 6. Strafrechtsänderungsgesetz zu einer deutlichen Erhöhung der Regelstrafandrohung von drei Monaten bis zu fünf Jahren nach § 223 a StGB a.F. auf sechs Monate bis zu zehn Jahren nach § 224 StGB n.F. geführt hat. Hinzu kommt die besonders heimtückische Art des Angriffs auf ein sich zufällig in der Gaststätte aufhaltendes Opfer, getragen allein von dem durch Videofilme inspirierten Wunsch des Angeklagten, einmal zu sehen, wie es ist, wenn "das Blut nur so spritzt". Bei dieser Sachlage kann ernsthaft nicht bezweifelt werden, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung für das allgemeine Rechtsempfinden der rechtstreuen Bevölkerung schlechthin unverständlich erscheinen würde. Vielmehr wäre unter den festgestellten Umständen zur Tat und zur Täterpersönlichkeit eine Bewährungsbewilligung geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Eingriffen nachhaltig zu erschüttern (BayObLG, a.a.O., BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 15 und 16).

Zwar ist die Entscheidung, ob schon die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe i.S.v. § 56 Abs. 3 StGB gebietet, grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dies hindert das Revisionsgericht aber jedenfalls dann nicht, selbst diese Entscheidung zu treffen, wenn der Tatrichter umfassende, einer Ergänzung nicht bedürftige Feststellungen zu den Entscheidungsgrundlagen getroffen hat, die als einzige rechtsfehlerfreie Entscheidung nur die Bewährungsversagung zulassen (BayObLG, a.a.O., m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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