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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.03.2007
Aktenzeichen: 3 Ss 2/07
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 252
StPO § 267
Zu den Anforderungen an die Feststellungen bei einer Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls.
3 Ss 2/07 OLG Hamm

Verkündet am 21. März 2007

Strafsache

gegen S.D.

wegen räuberischen Diebstahls.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der X. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 26.09.2006 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 03. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, als Vorsitzenden, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht als beisitzende Richterinnen, Oberstaatsanwältin als Beamtin der Generalstaatsanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 473 Abs. 1 StPO).

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Gelsenkirchen hatte den Angeklagten am 29.05.2006 wegen räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 29.05.2006 im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass die Freiheitsstrafe auf ein Jahr und drei Monate ermäßigt wird und die weitergehende Berufung verworfen. Mit am 28.09.2006 bei dem Landgericht Essen eingegangenem Schriftsatz vom 27.09.2006 hat der Angeklagte gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt und das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 27.11.2006, beim Landgericht Essen eingegangen am 28.11.2006, mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückzuverweisen. Sie ist mit näheren Ausführungen der Ansicht, dass die Feststellungen des angefochtenen Urteils den Schuldspruch wegen räuberischen Diebstahls nicht tragen, da nicht hinreichend festgestellt sei, dass die von dem Angeklagten ausgeübte Gewalt zumindest auch dem Zweck diente, sich im Besitz des Diebesgutes zu erhalten.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die allein erhobene Sachrüge hin hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere tragen die Feststellungen des Landgerichts auch den Schuldspruch wegen räuberischen Diebstahls gem. §§ 252, 249 Abs. 1 StGB.

Zum Tatgeschehen hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:

"Am 27.08.2005, einem Samstag, nahm der Angeklagte nach Arbeitsschluss in Düsseldorf alkoholische Getränke, Bier, in nicht unerheblichem Unfang zu sich. Er fuhr mit dem Zug nach Gelsenkirchen, wobei er anlässlich eines Zwischenhalts in Duisburg weiter Bier trank. Nach seiner Auskunft am Gelsenkirchener Hauptbahnhof ging er um kurz vor 1.00 Uhr am 28.08.2005 auf dem Weg nach Hause auf der Magdalenenstraße.

Spätestens in Höhe der Zufahrt zum Haus Magdalenenstraße 41 b entschloss sich der Angeklagte, den auf dem Hof des Hauses geparkten Pkw Daimler-Chrysler der A Klasse mit dem Kennzeichen XXXXX, dessen Eigentümer der Zeuge J. ist ,aufzubrechen, Der Wagen parkte rechts an einer übermannshohen Mauer zum Nachbargrundstück. Der Abstand zwischen Fahrzeug und Mauer betrug maximal 60 cm. Hinsichtlich der genauen Örtlichkeit wird auf das Bild Blatt 18 u. der Akten Bezug genommen. Das Foto zeigt das Fahrzeug des J. in der Parkstellung zum Zeitpunkt des Aufbruchs.

Der Angeklagte zwängte sich nunmehr in den Zwischenraum zwischen Pkw und Mauer, der sowohl von der Straße als auch vom Hof schwerlich einzusehen war. Er zerbrach mittels eines unbekannten Werkzeugs die Scheibe der rechten Beifahrertür, um aus dem Fahrzeug mitnehmenswerte Gegenstände wegzunehmen. Er öffnete die Tür und entnahm aus dem Handschuhfach bzw. aus einem am Kardantunnel angebrachten Netz eine größere Anzahl von selbst gebrannten CDs, eine Taschenlampe sowie einen Fotoapparat und steckte die Gegenstände ein, um diese für sich zu behalten. Der Gesamtwert der Diebesbeute lag bei ca. 40 bis 50 Euro. Der Sachschaden am Pkw, der durch den Aufbruch entstand, betrug 2.500 Euro.

Nachdem der Angeklagte das Fahrzeug wieder verlassen hatte und noch in dem Zwischenraum zwischen Fahrzeug und Mauer stand, kam der jetzt 34 Jahre alte Zeuge S. und seine damalige Freundin und heutige Ehefrau, die Zeugin S., vorbei. Beide kamen aus dem Haus und wollten über die Einfahrt zur Straße laufen. Dabei lösten sie einen Bewegungsmelder aus. Gleichzeitig hörten sie ein lautes Knacken. Beide wunderten sich, da das Geräusch aus ihrer Sicht zu laut war, für das Geräusch eines Bewegungsmelders. Gleichzeitig äußerte die Zeugin S., dass das Knacken aus Richtung des Fahrzeugs gekommen sei. Beide blickten nunmehr auf das geparkte Fahrzeug und bemerkten dort den gebückten Angeklagten. Dieser richtete sich, nachdem der Blickkontakt hergestellt war, nunmehr auf und rannte unter Mitführung der Tatbeute an den in der Einfahrt stehenden Zeugen vorbei, um mit der Diebesbeute zu entkommen. Der Zeuge S. rannte hinter dem Angeklagten her und konnte ihn nach einigen Metern der Verfolgung von hinten mit dem Arm umfassen. Der Angeklagte versuchte mit seinem Ellenbogen S. im Gesicht zu treffen, um sich dessen Griff zu entziehen und mit der Tatbeute zu entkommen. S. wich jedoch aus, so dass der Schlag ins Leere ging. Hierbei gelang es jedoch dem Angeklagten sich loszureißen.

Der Angeklagte rannte weiter Richtung Straße, während S. ihn verfolgte. Hierbei verlor der Angeklagte eines Teil der Beute, den J. später an den Mülltonnen in der Hofeinfahrt wiederfand. Nach einer Strecke von 8 bis 10 Metern gelang es dem Zeugen neuerlich den Angeklagten einzuholen und festzuhalten. Beide gingen hierbei zu Boden. Der Angeklagte verlor seine Kappe, konnte sich jedoch neuerlich losreißen. Er setzte seine Flucht daraufhin fort, wobei er auf der Straße die restliche Diebesbeute verlor oder diese wegwarf. Der Zeuge S. blieb bei dem Vorfall unverletzt.

Der Angeklagte wurde kurz darauf im Zuge einer Nahbereichsfahndung auf Grund der Täterbeschreibung der Zeugin S. von Polizeibeamten angetroffen.

Ein spätestens um 1.18 Uhr durchgeführter Atem-Alkoholtest ergab einen Wert von 0,69 mg/l."

Bei Beweiswürdigung hat die Kammer weiter ausgeführt:

"Die Kammer folgert aus dem Umstand, dass der Angeklagte mit der Beute aus einem Versteck hinter dem Fahrzeug die Flucht antrat und trotz zweimaligen Festhaltens die Flucht mit der Tatbeute zumindest zunächst fortsetzte, dass es dem Angeklagten bei der körperlichen Auseinandersetzung mit S. zumindest auch darauf ankam, sich den Besitz der Tatbeute zu erhalten.

Die Kammer verkennt nicht, dass aus der Tatsache, dass der Angeklagte die Beute nicht wegwarf, nicht ohne weiteres auf die Gewahrsamserhaltungsabsicht geschlossen werden darf (Tröndle-Fischer, Strafgesetzbuch, 53. Aufl., § 252 Rdnr. 9 m. w. N.). Das konkrete Verhalten des Angeklagten in der hier zu untersuchenden Tatsituation rechtfertigt aber die zweifelsfrei Annahme einer Gewahrsamserhaltungsabsicht.

Es wäre für den Angeklagten zunächst ein Leichtes gewesen, sich der Beute im Schatten des Fahrzeugs zu entledigen, da er sowohl nach der ersten als auch nach der zweiten Auseinandersetzung einen Teil der Beute verlor oder sich des restlichen Teils der Beute nach der zweiten Auseinandersetzung entledigte. Der Verlust bzw. das Entledigen der Beute ist nämlich nur dadurch erklärbar, dass die Beute für den Angeklagten, der keine Tasche mitführte, problemlos möglich war.

Dem Angeklagten war auch angesichts des Blickkontakts mit dem Zeugen S. bei Fluchtantritt bewusst, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen konnte, weil der Zeuge den Angeklagten nach dem Bemerken gezielt mit den Worten angesprochen hat, was er da mache. Wenn der Angeklagte in dieser Situation im Lichte der sich anbahnenden Auseinandersetzung mit dem Zeugen, die ihm leicht zugängliche Tatbeute behält, obwohl er sich selbiger problemlos und wahrscheinlich wegen der Deckung durch das Fahrzeug sogar unbemerkt entledigen könnte, ist das nur mit einer Gewahrsamserhaltungsabsicht erklärbar. Im übrigen hat der Angeklagte auch keineswegs behauptet, kurz vor der Auseinandersetzung nur an die Flucht und nicht an die Beute gedacht zu haben. Vielmehr hat er sich, insoweit widerlegt, dahingehend eingelassen, er sei der Ansicht, er habe die Beute vor der ersten Auseinandersetzung weggeworfen."

Diese Feststellungen tragen ohne weiteres den Schuldspruch wegen räuberischen Diebstahls gem. §§ 252, 249 Abs. 1 StGB. Insbesondere hat die Strafkammer nicht verkannt, dass die Feststellung allein, der im Besitz der Beute befindliche Angeklagte habe sich der Festnahme durch Wegstoßen bzw. durch Schläge zu entziehen versucht, nicht den Schluss rechtfertigt, dies sei auch in Beuteerhaltungsabsicht im Sinne des § 252 StGB geschehen (OLG Köln, NStZ-Rr 2004, 299; Senat, Beschluss vom 13.10.1998 - 3 Ss 1095/98; OLG Hamm, 4. Strafsenat, Beschluss vom 20.03.2001 - 4 Ss 229/01; OLG Hamm, 2. Strafsenat, Beschluss vom 10.01.2005, 2 Ss 230/04; sämtlich zitiert bei: www.burhoff.de). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es dem Angeklagten nicht ohne weiteres möglich war, sich während der Auseinandersetzung bzw. während seiner Flucht der Beute zu entledigen, etwa deshalb, weil sich die Beute in der Hosentasche befand und er während der Auseinandersetzung mit der Person, die ihn festhalten will, nicht ohne weiteres die Möglichkeit hatte, an die sich in der Hosentasche befindliche Beute zu gelangen (OLG Köln, NStZ-RR 2004, 299, 300). Anders verhält es sich aber dann, wenn wie hier - was die Berufungskammer zutreffend herausgearbeitet hat - der Täter unter Mitnahme der Beute die Flucht ergreift, obwohl er die Möglichkeit hatte, sich ihrer zu entledigen. Dies rechtfertigt nämlich den Schluss, der Täter habe bei der hierbei erfolgten Gewaltanwendung auch in Beuteerhaltungsabsicht gehandelt (OLG Köln, NStZ 2005, 448, 449). Kann der Täter sich nämlich ohne Gefährdung seiner Fluchtchancen der Beute entledigen, und behält er sie gleichwohl, so rechtfertigt dies regelmäßig den Schluss, dem Angeklagten sei es bei seiner Flucht und bei der Auseinandersetzung zur Ermöglichung der Flucht zumindest auch darum gegangen, sich im Besitz der Beute zu erhalten (OLG Köln, NStZ 2005, 448, 449). Dies reicht aber für die Verwirklichung des Tatbestands des räuberischen Diebstahls gem. § 252 Abs. 1 StGB aus. Die Absicht des Täters, sich im Besitz der gestohlenen Sachen zu erhalten, muss nämlich nicht der einzige Beweggrund für die Gewaltanwendung sein; ausreichend ist vielmehr, dass die Besitzerhaltungsabsicht als weiterer Beweggrund neben die Absicht tritt, sich der Festnahme oder der Feststellung seiner Person durch Flucht zu entziehen (so schon BGH, NStZ 1984, 454; Senat, Beschluss vom 13.10.1998 - 3 Ss 1095/98 OLG Hamm).

Hier hatte das Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung zur Begründung der Beuteerhaltungsabsicht des Angeklagten gerade darauf abgestellt, dass es für ihn ein Leichtes gewesen wäre, sich der Beute angesichts der für ihn erkennbar drohenden Auseinandersetzung mit dem Zeugen S. im Schatten des Fahrzeugs unbemerkt zu entledigen und weiter ausgeführt, dass sich der Umstand, dass er die ihm leicht zugänglichen Tatbeute gleichwohl im Zuge der sich anschließenden Auseinandersetzung zunächst gleichwohl behalten hat, nur mit einer Gewahrsamserhaltungsabsicht des Angeklagten erklärbar sei. Dies lässt unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen Rechtsfehler nicht erkennen.

Das angefochtene Urteil weist auch im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die Kammer ist zugunsten des Angeklagten von einem minderschweren Fall gem. § 249 Abs. 2 StGB ausgegangen und hat auch die bei dem Angeklagten festgestellte Alkoholisierung zutreffend gewürdigt. Ohne Rechtsfehler hat sie eine weitere Strafrahmenverschiebung gem. § 21, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt und auf der Grundlage des so gefundenen Strafrahmens aus § 249 Abs. 2 StGB zutreffend die einzelnen Strafzumessungsgesichtspunkte herausgearbeitet und gegeneinander abgewogen. Auch die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung gem. § 56 Abs. 2 StGB durch die Strafkammer lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Kammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit straffreier Führung für die Annahme einer günstigen Zukunftsprognose ausreicht, diese aber gleichwohl mit zutreffender Argumentation verneint. Auch die Ablehnung besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB durch die Strafkammer lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

Ende der Entscheidung

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