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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.08.2007
Aktenzeichen: 3 Ss 266/07
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 46 a Nr. 1
§ 46 a Nr. 1 StGB (Täter-Opfer-Ausgleich) erfordert, dass der Wille zur Aussöhnung in dem Prozessverhalten des Angeklagten deutlich wird. Der Angeklagte muss prinzipiell akzeptieren, dass er für das am Opfer begangene Unrecht einzustehen hat; dazu gehört auch, dass er die Opferrolle respektiert und dem Opfer im Prozeß mit Respekt begegnet.
Tenor:

Die Revisionen werden auf Kosten der Angeklagten als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Bielefeld hat die Angeklagten am 07.02.2006 wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Unter Verwerfung der gegen dieses Urteil gerichteten Berufungen im übrigen hat die VI. kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld den Rechtsfolgenausspruch durch Urteil vom 31.01.2007 dahin abgeändert, dass die Angeklagten jeweils zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt werden.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Angeklagten, mit der sie unter näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechtes rügen.

II.

Die Revisionen sind zulässig. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat jedoch keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Die Revisionen waren als offensichtlich unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die von dem Angeklagten T in zulässiger Weise erhobene Rüge der Verletzung des § 24 StPO i.V.m. § 338 Nr. 3 StPO ist nicht begründet. Die Ablehnung des Vorsitzenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit war nicht begründet. Denn die Erteilung des rechtlichen Hinweises war weder abwegig noch willkürlich noch mutwillig verspätet. Eine Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten ist weder konkret dargelegt noch sonst ersichtlich. Im Übrigen ist eine Entscheidung über eine nach § 164 StGB strafbare Handlung nicht ergangen, so dass die Angeklagten nicht beschwert sind.

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts hin gebotene Überprüfung des Urteils deckt Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht auf. Die Feststellungen des Tatrichters sind ebenso wie die erschöpfende Beweiswürdigung vollständig und widerspruchsfrei und lassen Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze nicht erkennen und tragen die Verurteilung wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung.

Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Voraussetzungen einer Strafrahmenverschiebung nach § 46 a StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB als nicht gegeben angesehen, sondern die erfolgten Leistungen und sonstigen Ausgleichsbemühungen der Angeklagten gemäß § 46 Abs. 2 StGB lediglich im Rahmen der Strafzumessung zugunsten der Angeklagten gewertet.

Nach § 46 a Nr. 1 StGB kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern, wenn der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht hat oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt. Die Vorschrift will einen Anreiz für Ausgleichsbemühungen seitens des Täters schaffen, dem Opfer durch sein persönliches Einstehen für die Folgen der Tat bzw. durch immaterielle Leistungen Genugtuung zu verschaffen (BGHSt 48, 134, 137 f m. w. N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt dies grundsätzlich ein Bemühen des Täters um einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt sein muss (BGH, NStZ 2006, 275, 276 m.w.N.). Andererseits will § 46 a StGB mit den Anforderungen an einen friedensstiftenden Ausgleich auch in dem aus generalpräventiver Sicht erforderlichen Umfang sicherstellen, dass nicht jede Form des Schadensausgleichs ausnahmslos und ohne Rücksicht auf den Einzelfall dem Täter zugute kommt. Insbesondere darf die Vorschrift nicht als Instrument zur einseitigen Privilegierung reuiger Täter ("Freikauf") missverstanden werden (BGHSt 48, 134, 137 f m. w. N.).

Auf einen derartigen "Freikauf" liefe die Anerkennung einer Strafrahmenverschiebung zugunsten der Angeklagten hinaus.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils haben die Angeklagten dem Opfer kurz vor der Berufungshauptverhandlung ein Schmerzensgeld von 2.000 € gezahlt und zugleich durch einen Verteidiger telefonisch eine Entschuldigung ausrichten lassen, die das Opfer akzeptiert hat. In der darauf folgenden Berufungshauptverhandlung haben die Angeklagten ausweislich der Ausführungen in dem angefochtenen Urteil jedoch nicht die Gelegenheit wahrgenommen, sich persönlich bei dem Opfer der Gewalttat zu entschuldigen, obwohl dieser an zwei Verhandlungstagen umfangreich vernommen wurde. Vielmehr haben sie nach den Urteilsgründen "eine inquisitorische und wenig vermittelnde Befragung des Zeugen durch ihre Verteidiger (...) zugelassen und zumindest hingenommen, dass der Zeuge als notorischer - möglicherweise krankhafter - Lügner dargestellt wurde." Zudem haben sie durch ihre Verteidiger die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Wahrnehmungsfähigkeit des Opfers und eine erneute Vernehmung des Opfers in Anwesenheit des Sachverständigen veranlasst.

Unter solchen Umständen stellt sich der kommunikative Prozess im Vorfeld der Berufungshauptverhandlung lediglich als "routiniert vorgetragenes Lippenbekenntnis" (so BGHSt 48, 134, 140) dar, das von Anfang an nicht auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen gerichtet war. Denn das Verhalten der Angeklagten im Prozess steht einem friedenstiftenden Ausgleich mit dem Opfer entgegen. Nach dem Wortlaut des § 46 a StGB ist ein bestimmtes Prozessverhalten zwar nicht ausdrücklich gefordert. Da es aber beim Täter-Opfer-Ausgleich um eine strafrechtliche Konfliktskontrolle geht, muss der Angeklagte prinzipiell akzeptieren, dass er für das am Opfer begangene Unrecht einzustehen hat; dazu gehört auch, dass er die Opferrolle respektiert (BGHSt 48, 134, 141) und dem Opfer mit Respekt begegnet. Dabei muss deutlich werden, dass das Verhalten des Täters im Verfahren "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" ist, um die friedensstiftende Wirkung der Schadenswiedergutmachung zu entfalten (BGHSt 48, 134, 141 m.w.N.).

In dem Prozessverhalten der Angeklagten lässt sich ein Wille zur Aussöhnung jedoch nicht ansatzweise erkennen. Bei Gesamtwürdigung des Verhaltens der Angeklagten wird vielmehr deutlich, dass diese sich durch ihr Verhalten vor der Berufungshauptverhandlung von der Verantwortung zu Lasten des Opfers "freikaufen" wollten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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