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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.08.2005
Aktenzeichen: 3 Ss 283/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Zu den Anforderungen an die Begründung der Rechtsfolgenentscheidung im Jugendrecht.
Beschluss

Strafsache

gegen P.D.

wegen Diebstahls u.a.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Bottrop vom 22. April 2005 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18. 08. 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeklagten sowie seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bottrop zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte des Diebstahls in zwei Fällen, des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung schuldig ist.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Bottrop hat den Angeklagten durch das angefochtene Urteil des gemeinschaftlichen Diebstahls in zwei Fällen, wobei es sich in einem Fall um einen Diebstahl geringwertiger Sachen handele, des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung schuldig gesprochen. Der Angeklagte ist unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17.02.2003 - 53 Js 366/02 StA Essen - in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Essen vom 14.05.2003 - 34 (18/03) - zu einer Einheitsjugendstrafe von 10 Monaten verurteilt worden. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, insbesondere die mangelnde Strafaussetzung zur Bewährung.

II.

Die Revision hat mit der erhobenen Sachrüge zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und im Umfang der Aufhebung zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bottrop; hinsichtlich des Schuldspruchs hatte lediglich die tenorierte Abänderung zu erfolgen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 26. Juli 2005 zu dem Rechtsmittel des Angeklagten u.a. Folgendes ausgeführt:

"Die auf die Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt einen Rechtsfehler im Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen noch die Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls in zwei Fällen, des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung.

Soweit das Amtsgericht den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in zwei Fällen, wobei es sich in einem Fall um einen Diebstahl geringwertiger Sachen handelt, des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung verurteilt hat, ist der Schuldspruch zu berichtigen, da die mittäterschaftliche Begehungsweise und die Geringwertigkeit der Sache nicht in die Urteilsformel aufgenommen werden (zu vgl. Meyer/Goßner, StPO, 48. Aufl., § 260 Rdnr. 24 m.w.N.).

Allerdings kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen - bislang - nämlich die Annahme schädlicher Neigungen i.S. von § 17 abs. 2 JGG nicht. Die Feststellungen sind lückenhaft und lassen maßgebliche Umstände unberücksichtigt.

Schädliche Neigungen liegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn bei dem jugendlichen bzw. heranwachsenden Täter erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel gegeben sind, die ohne eine längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen und nicht nur "gemeinlästig" sind oder den Charakter von Bagatelldelikten haben (zu vgl. Eisenberg, JGG, 10. Aufl., § 17 Rdn. 18 m.w.N.). Häufig werden schädliche Neigungen nicht schon in einer ersten Straftat zum Ausdruck kommen, sondern die Folge einer längeren Entwicklung sein, in deren Verlauf es immer wieder zu Straftaten gekommen ist, was dann auf Anlage- oder Erziehungsmängel schließen lässt. Davon ist offenbar auch das Amtsgericht ausgegangen, das die Verhängung der Jugendstrafe insbesondere mit früheren Straftaten des Angeklagten begründet hat.

Die dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind aber lückenhaft. Sie ermöglichen dem Revisionsgericht nicht die Überprüfung, ob die Entscheidung des Amtsgerichts: Verhängung von Jugendstrafe, frei von Rechtsfehlern ist. Zu beanstanden ist insbesondere, dass das Amtsgericht zu den früheren Taten des Angeklagten keinerlei konkrete Feststellungen trifft, sondern lediglich die Vorverurteilungen mitteilt. Auch nicht mitgeteilt worden sind die zugrunde liegenden Zumessungserwägungen. Das lässt darauf schließen, dass das Gericht nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, die Gesamtheit der Straftaten einheitlich bewertet, sondern lediglich die früher erkannte Einheitsjugendstrafe numerisch berücksichtigt hat. Bei der Bildung einer Einheitsjugendstrafe aber sind dann, wenn in der einzubeziehenden Entscheidung bereits frühere Entscheidungen einbezogen waren, sämtliche Entscheidungen erneut einzubeziehen und die früher begangenen Straftaten im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen. Erforderlich ist deshalb eine neue, selbständige, von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung für die früher und jetzt abgeurteilten Taten (zu vgl. BGHSt, Beschluss vom 21.04.1998 - 1 StR 165/98 -)."

Zur konkreten Bemessung der Jugendstrafe hat die Generalstaatsanwaltschaft weiter Folgendes ausgeführt:

"Abgesehen davon, ist auch die konkrete Bemessung der Jugendstrafe nicht rechtsfehlerfrei. Unter Berücksichtigung des § 54 Abs. 1 JGG sind an die Begründung der Rechtsfolgenentscheidung gem. § 267 Abs. 3 S. 1 StPO im Jugendrecht besondere Anforderungen zu stellen (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07.12.1999 - 2 Ss 1237/99 - m.w.N.). Dazu gehört u.a. eine gründliche Auseinandersetzung mit der Biografie des Angeklagten, eine Bewertung seiner Tat im Zusammenhang mit seinen Lebensverhältnissen sowie eine eingehende Begründung für die Erforderlichkeit der verhängten Rechtsfolge (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.05.2005 - 4 Ss 162/05 - m.w.N.). Auch diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Zwar ist keine erschöpfende Darstellung sämtlicher für die Strafzumessung relevanten Umstände, sondern lediglich eine Darlegung der bestimmten Zumessungserwägungen erforderlich (zu vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 46 Rdn. 106 m.w.N.). Zu diesen bestimmenden Umständen gehört aber zumindest auch die Erörterung der Lebensumstände des Angeklagten sowie die vollzogene Untersuchungshaft.

Entsprechendes gilt auch für die vom Jugendschöffengericht getroffene Bewährungsentscheidung. Es ist nicht erkennbar, dass sich das Amtsgericht, wie es § 21 Abs. 1 S. 2 JGG fordert, in diesem Zusammenhang noch einmal mit der Persönlichkeit des Angeklagten, seinem Vorleben, den Tatumständen usw. ausreichend auseinandergesetzt hat."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Die dargestellten Begründungsmängel führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zur Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung im genannten Umfang an das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Bottrop, welches auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird.

Ende der Entscheidung

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