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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 3 Ss 344/07
Rechtsgebiete: StGB, StPO, GG


Vorschriften:

StGB § 46
StGB § 47 Abs. 1
StPO § 354 Abs. 1a
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
Zur Verhältnismäßigkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe bei geringfügigen Delikten.
Tenor:

Der Angeklagte wird wegen Beförderungserschleichung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Jedoch werden die Berufungsgebühr und die Revisionsgebühr jeweils um 1/3 ermäßigt. In diesem Umfang trägt auch die Landeskasse sowohl die im Berufungsverfahren als auch die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 06.09.2006 wegen Beförderungserschleichung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden. Die hiergegen gerichtete und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Essen mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

Das angefochtene Urteil war hinsichtlich der Höhe der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 354 Abs. 1 a S. 2 StPO in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang abzuändern. Die durch das Landgericht für die von dem Angeklagten begangene Beförderungserschleichung verhängte Freiheitsstrafe von fünf Monaten verstößt nämlich angesichts der Geringwertigkeit der erschlichenen Leistung gegen das Gebot des schuldangemessenen Strafens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.

Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass die Strafkammer hier die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB als unerlässlich angesehen hat.

Angesichts des nur sehr geringen Wertes der Fahrkarte, deren Erwerb der Angeklagte unterlassen hatte, ist das Maß des von ihm verschuldeten Unrechts zwar nur als sehr gering anzusehen. Bei einer solchen Fallgestaltung kann, wenn nicht besondere schulderhöhende Umstände hinzutreten, die Verhängung einer Freiheitsstrafe, deren Mindestmaß nach § 38 Abs. 2 StGB einen Monat beträgt, angesichts des erheblich unterdurchschnittlichen Schuldgehaltes der Straftat nicht mehr als gerechter Schuldausgleich angesehen werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17.08.2006 - 3 Ss 216/06 - und vom 20.03.2003 - 3 Ss 78/03 -, veröffentlicht in www.burhoff.de, betreffend den Diebstahl geringwertiger Sachen m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich aus dem Gebot der schuldangemessenen Strafe aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ergibt, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 StGB erst ab einer bestimmten Schadenshöhe in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.06.1994 - 2 BvR 710/94 -, veröffentlicht in www.juris.de), worauf der Senat bereits in seinem Beschluss vom 17.08.2006 zur Klarstellung hingewiesen hat. Maßgeblich sind vielmehr letztlich die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles.

Im vorliegenden Verfahren ist der Angeklagte aber in erheblichem Maße strafrechtlich vorbelastet. Er ist u.a. neun Mal wegen Diebstahls, acht Mal wegen Betruges sowie vier Mal wegen Erschleichens von Leistungen strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er hat darüber hinaus bereits mehrere Jahre Strafhaft verbüßen müssen und stand zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Beförderungserschleichung wegen einer Tat, die ebenfalls im Zusammenhang mit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel begangen worden ist, unter Bewährung. Er war nämlich durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 15.02.2006 wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer dreimonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden, da er am 31.05.2005 ein Verkehrsmittel der W AG ohne gültigen Fahrausweis benutzt und bei der Fahrkartenkontrolle einen zuvor von ihm verfälschten Fahrausweis vorgelegt hatte. Die von dem Angeklagten begangenen Straftaten sind auch nach dessen Einschätzung Folge einer verfestigten ablehnenden Grundhaltung des Angeklagten gegenüber der staatlichen Rechtsordnung.

Angesichts dessen liegen in Bezug auf den Angeklagten erhebliche schulderhöhende Umstände vor, die im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung trotz des nur sehr geringen Wertes der von dem Angeklagten erschlichenen Leistung zur Folge haben, dass hier die Verhängung von Freiheitsstrafe nicht gegen das Gebot des schuldangemessenen Strafens verstößt.

Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB sind vorliegend, da sich der Angeklagte bisher weder durch die gegen ihn verhängten Strafen noch durch die Verbüßung mehrerer Jahre Strafhaft von der Begehung von Straftaten hat abhalten lassen, unzweifelhaft gegeben.

Die durch die Strafkammer verhängte Freiheitsstrafe von fünf Monaten kann jedoch angesichts der Umstände, dass der Wert der von dem Angeklagten erschlichenen Leistung erheblich unter der Geringfügigkeitsgrenze lag und auch die von dem Angeklagten aufgewandte kriminelle Energie als im untersten Bereich liegend einzustufen ist, da sich die Tathandlung des Angeklagten darin erschöpfte, ein öffentliches Verkehrsmittel ohne gültigen Fahrausweis zu benutzen, ohne dass zusätzliche Täuschungsmanöver oder Manipulationen erfolgten, auch unter Berücksichtigung des Vorlebens des Angeklagten nicht mehr als gerechter Schuldausgleich angesehen werden. Vielmehr überschreitet sie die Grenze der schuldangemessenen Strafe. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte aufgrund der Verurteilung im vorliegenden Verfahren mit dem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 15.02.2006 rechnen muss. Bei einer zutreffenden Gewichtung des nur sehr geringen Maßes des von dem Angeklagten verschuldeten Unrechts im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung kommt vorliegend allerdings angesichts des Vorlebens des Angeklagten, der bereits vielfach und schwerwiegend strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und den bisher keine strafrechtliche Sanktion, nicht einmal die Verbüßung von Freiheitsstrafe, zu beeindrucken vermocht hat, und der die hier in Rede stehende Straftat nur wenige Wochen nach seiner letzten Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe begangen hat, die Verhängung lediglich der Mindestfreiheitsstrafe von einem Monat nicht mehr in Betracht. Vielmehr hält der Senat unter Berücksichtigung der oben dargelegten Umstände in Übereinstimmung mit dem Vorschlag der Generalstaatsanwaltschaft hier eine Freiheitsstrafe von zwei Monaten für tat- und schuldangemessen.

Der Senat hat daher gemäß § 354 Abs. 1 a S. 2 StPO die mit dem angefochtenen Urteil gegen den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ermäßigt. Im Übrigen war die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen, da die Überprüfung des angefochtenen Urteils weitere Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten nicht ergeben hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 465 Abs. 1, 473 Abs. 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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