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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.09.2005
Aktenzeichen: 3 Ss 364/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 312
StPO § 313
StPO § 313 Abs. 2 S. 1
StPO § 313 a
StPO § 313 a Abs. 1
StPO § 322
StPO § 322 a
StPO § 322 a Satz 2
StPO § 335 Abs. 1
StPO § 345 Abs. 1
StPO § 349 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

a) Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 6. April 2005 wird auf Kosten des Angeklagten als unzulässig verworfen.

b) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zum Übergang des Rechtsmittels der Revision wird als unzulässig verworfen.

c) Die (Sprung-) Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Halle vom 8.10.2004 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe: I. Das Amtsgericht Halle (Westf) - Strafrichter- verurteilte den Angeklagten am 8.10.2004 wegen fahrlässiger falscher eidesstattlicher Versicherung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 100,- Euro. Mit Schreiben seines Verteidigers vom 14.10.2004, eingegangen beim Amtsgericht Halle am 15.10.2004, beantragte der Angeklagte die Zulassung der Berufung und legte gleichzeitig Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil ein. Das Urteil wurde dem Verteidiger des Angeklagten am 9.11.2004 zugestellt. Mit Beschluss des Vorsitzenden der 14. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 6.4.2005 wurde die Berufung des Angeklagten als unzulässig, da offensichtlich unbegründet, verworfen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 6.4.2005, Blatt 148, 149 der GA. Bezug genommen. Unter dem 19.4.2005 legte der Angeklagte gegen den Beschluss des Landgerichts vom 6.4.2004 sofortige Beschwerde ein, beantragte gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen der Versäumung der Frist zum Übergang des Rechtsmittels der Revision und legte Sprungrevision gegen das amtsgerichtsgerichtliche Urteil ein. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl.158-160 der GA Bezug genommen. II. a) Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 6.4.2005 ist bereits unzulässig, weil die Nichtannahmeentscheidung des Berufungsgerichts einer Anfechtung entzogen ist (§ 322 a S. 2 StPO). Nach dem Inhalt des angefochtenen Beschlusses handelt es sich entgegen der Ansicht des Angeklagten nicht etwa um eine Verwerfung der Berufung gemäß § 322 StPO, sondern um eine Entscheidung gemäß § 322 a StPO. Nach dem Tenor der angegriffenen Entscheidung hat das Landgericht zwar die Berufung als unzulässig verworfen. In den Gründen heißt es jedoch hierzu: "Die Berufung war gemäß §§ 313, 322a StPO als unzulässig zu verwerfen, da sie offensichtlich unbegründet ist ." Sind die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung - wie hier - erfüllt, so spricht das Berufungsgericht die Nichtannahme der Berufung gemäß § 322 a StPO aus und verwirft sie deshalb als unzulässig, § 313 Abs. 2 S.1 StPO, wenn es nach Prüfung des Urteils unter Berücksichtigung des Akteninhaltes und des Vortrages des Berufungsführers zu dem Ergebnis kommt, dass das Urteil dem sachlichen Recht entspricht und auch keine seine Richtigkeit in Frage stellenden Verfahrensfehler ersichtlich sind ( SK-Frisch StPO, § 322 a Rn. 8, Meyer-Goßner § 313 a, Rn.9). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat das Berufungsgericht daher auch zu prüfen, ob Verfahrensfehler seitens des Amtsgerichts begangen worden sind, da der Gesetzgeber bei der Regelung des § 313 a StPO bewusst an die Vorschrift des § 349 Abs. 2 StPO angeknüpft hat ( Meyer-Goßner aaO). Gemäß § 322 a Satz 2 StPO ist die Entscheidung unanfechtbar. Dies gilt nach allgemeiner Meinung nicht nur hinsichtlich einer Annahmeentscheidung , sondern auch dann, wenn wie vorliegend die Berufung wegen offensichtlicher Unbegründetheit nicht angenommen und deshalb verworfen worden ist ( OLG Hamm, VRS 98, 145,146; OWiG Düsseldorf StV 1994, 122, OLG Schleswig SchlHA 1995, 7, MeyerGoßner, StPO, 47. Aufl., § 322 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen; SK-Frisch § 322 a Rn. 11) ). Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn zwischen den Verfahrensbeteiligten Streit darüber bestünde, ob die Voraussetzungen einer Annahmeberufung gemäß § 313 a Abs. 1 StPO vorgelegen hätten ( OLG Koblenz Nstz-RR 2000, 306, OLG Hamm NStZ 1996, 455, Meyer-Goßner § 322 a Rn.8). Dies ist jedoch ersichtlich nicht der Fall, da der Angeklagte durch das Amtsgericht Halle zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen verurteilt worden ist, so dass die Voraussetzungen der Annahmeberufung gemäß § 313 StPO unzweifelhaft gegeben sind. b) Auch der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zur Ausübung des Wahlrechts zwecks Übergangs vom Rechtsmittel der Berufung zur Revision war als unzulässig zu verwerfen. Ein solcher Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig, da es eine selbständige Frist zur Ausübung des Wahlrechts nicht gibt (vgl. Löwe/Rosenberg § 335 Rn.15, BayObLG St 1970, 158; OLG Hamm NStZ 1991, 601). Mit der Einlegung der Berufung und der Nichtausübung des Wahlrechts hat der Angeklagte deshalb keine Frist, die begrifflich Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung ist, versäumt. Die Möglichkeit der Wahl geht mit dem Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 StPO endgültig unter (BayObLG aaO). c) Schließlich war auch die Revision als unzulässig zu verwerfen. Unabhängig davon, dass die Revision verspätet eingelegt worden ist - der Übergang zur Revision war für den Angeklagten nur bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 9.12.2004 möglich (siehe oben b)) -, ist die Revision auch deshalb unzulässig, weil durch den Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 6.4.2004 über die Nichtannahme der Berufung auch eine Sperrwirkung für eine Sprungrevision eingetreten ist, § 322 a S. 2 StPO. Der Angeklagte konnte zwar das Urteil des Amtsgerichts Halle entweder mit der Berufung gemäß § 312 StPO oder mit der Revision gemäß § 335 Abs. 1 StPO anfechten. Er hat sich, wie aus dem Schriftsatz vom 14.10.2004 ergibt, eindeutig zunächst für die Berufung entschieden. Nach überwiegender Übersicht ist zwar auch nach Einführung der Vorschrift des § 313 StPO durch das RPflEntlG vom 11.1.1993 die Sprungrevision grundsätzlich uneingeschränkt zulässig ( statt vieler BGHSt 40, 395,397; OLG Hamm NJW 2003, 3286; KK-Kuckein § 335, Rn.16 mwN; aaA. Meyer-Goßner § 335 Rn.21 mwN), weshalb der Angeklagte noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist bis zum 9.12.2004 die Revision hätte wählen können (BayObLGSt 1989, 107). Unabhängig vom - hier vorliegenden - Fristablauf entfaltet aber die Nichtannahmeentscheidung des Landgerichts vom 6.4.2005 eine Sperrwirkung, da dieser Beschluss gemäß § 322 a S.2 StPO unanfechtbar und damit für das weitere Verfahren bindend ist. ( BayObLG MDR 1994, 822; OLG Koblenz , JBlRP 2000, 22, KK- Kuckein § 335, Rn.16). Dieser Auffassung steht auch nicht die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt ( OLG Frankfurt NStZ-RR 1003, 53) entgegen, da in jenem Fall der Angeklagte noch vor der Entscheidung des Landgerichts zur Revision gewechselt ist, wovon das Landgericht jedoch keine Kenntnis hatte, mit der - zutreffenden - Konsequenz, dass der Nichtannahmebeschluss gegenstandslos wurde. Auch der Einwand, die Nichtannahme der Berufung besage nur etwas über deren Unzulässigkeit und stehe der Sprungrevision im übrigen nicht entgegen (SK-Frisch § 335 Rn 28) greift nicht. Zwar stellt die Annahmeberufung eine systemwidrige Regelung dar (Meyer-Goßner § 313 Rn.2). Die Entscheidung über die Nichtannahme einer Berufung kommt von den Folgen her einer Berufungsverwerfung als unbegründet durch das Landgericht gleich, denn das Landgericht prüft nicht nur die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung, sondern in der Sache selbst. Nach der Rechtsmittelsystematik der StPO kann sich der Beschwerte aber immer nur gegen die letzte Sachentscheidung wenden. Wenn der Gesetzgeber im Rahmen des § 322 a StPO gleichwohl klarstellt, dass Entscheidungen über die Nichtannahme der Berufung nach sachlicher Prüfung in offensichtlich eindeutigen Fällen nicht anfechtbar sind, kann nicht über die Möglichkeit der Sprungrevision gegen das Ausgangsurteil der damit gewollte Entlastungseffekt der Rechtsmittelgerichte ad absurdum geführt werden. Die Kostenentscheidungen folgen aus § 473 Abs. 1 StPO.

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