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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.11.2008
Aktenzeichen: 3 Ss 469/08
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 238
Der Tatbestand der Nachstellung gemäß § 238 StGB ist nur erfüllt, wenn die Tat als Taterfolg zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers führt. Insoweit ist die bloße Feststellung des Tatgerichts, das Opfer sei "mit seinen Nerven am Ende" gewesen und habe Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz beantragt, nicht aus.
Beschluss

Strafsache

gegen pp.

wegen Nachstellung

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 11.007.2008 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 11. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 11.07.2008 wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Detmold zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Detmold hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen Nachstellung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5,- € verurteilt.

Zum Tatgeschehen hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Der Angeklagte und der Zeugen X führten bis Mai 2007 eine gemeinsame Beziehung. Im Mai 2007 verließ der Zeuge X den Angeklagten und zog zu dem Zeugen Y. Der Angeklagte kam über die Trennung zu dem Zeugen X nicht hinweg.

Der Angeklagte ging dazu über, die Zeugen X und Y zu tyrannisieren. Der Angeklagte erschien vor der Wohnung der Zeugen. Er hinterlegte Briefe, in denen er Drohungen aussprach. Darüber hinaus rief er die Zeugen in unregelmäßigen Abständen an. Ferner verfolgte er die Zeugen mit seinem weißen Golf. An einem unbestimmten Tag stieg der Angeklagte an einer roten Ampel aus und riss die Tür des Wagens des Zeugen X und beschimpfte diesen. Ferner sprach er auf dem zum Haus der Zeugen x und Y gehörenden Parkplatz in der A.Straße in Detmold den Zeugen X. an und drohte ihm. Wann im einzelnen diese Bedrohungen stattfanden, ließ sich nicht mehr klären.

Ende September/Anfang Oktober 2007 eskalierte die Situation. Am 27.09.2007 randalierte der Angeklagte zwischen 17.00 und 19.00 Uhr vor dem Haus der Zeugen, dem er laut schrie und gegen die Tür trommelte. Er hinterließ einen Brief, in dem es unter anderem wie folgt heißt; "sehe ich mich veranlasst die Sachen in Angriff zu nehmen, Sie wissen welche und dass mit mir nicht zu spaßen ist.. ich werde mich freuen, wenn es nicht dazu kommt.. ich hoffe, dass es ihnen und ihrer Familie gut geht.."

Am Abend des 30.09. erschien der Angeklagte erneut vor dem Haus der Zeugen und schrie herum. Auch dort hinterließ er einen Brief in dem es heißt; "Ab Montag dem 01. 10. 2007 befinden Sie sich im freien Fall nach unten, aber dass Sie es nicht sofort spüren in der Reihenfolge. Ich habe in den letzten Wochen genug Informationen gesammelt. Die Reihenfolge wird so sein

1) Ihre Eltern-Familie

2) Ihr Umfeld Arbeit-Wohnung und so weiter 3) als letztes Sie

Dann sind Sie ganz unten ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende..."

Der Zeuge X, der mit seinen Nerven aufgrund der Verhaltensweise des Angeklagten am Ende war, beantragte daraufhin am 01.10.2007 Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz und fügte die Briefe vom 27.09.2007 und 30.09.2007 sowie einen weiteren, undatierten Brief der Antragsschrift bei.

Mit Beschluss vorn 02.10.2007 untersagte das Amtsgericht Detmold im Wege der einstweiligen Verfügung dem Angeklagten, sich auch (auf, Senat) 300 Meter dem Zeugen X zu nähern, Ihm wurde ferner untersagt, mit dem Zeugen X Kontakt aufzunehmen. (.")

Auf den Widerspruch hin fand am 24.90.2007 eine mündliche Verhandlung statt, in, der der Angeklagte seinen Widerspruch zurücknahm. (...)

Der Angeklagte hat sich daher der Nachstellung in zwei Fällen schuldig gemacht."

II.

Die Revision des Angeklagten hat mir der Sachrüge Erfolg. Die Feststellungen des Amtsgerichts zum Taterfolg tragen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen Nachstellung in zwei Fällen.

Der Tatbestand der Nachstellung gem. § 238 StGB ist nur erfüllt, wenn die Tat als Taterfolg zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers führt, § 238 Abs. 1, 2.Hs, StGB.

Nach den Gesetzesmaterialien ist dies denn der Fall, wenn im konkreten Kontext ins Gewicht fallende, gravierende und ernst zu nehmende Beeinträchtigungen vorliegen, die über durchschnittliche, regelmäßig hinzunehmende und zumutbare Beeinträchtigungen erheblich und objektivierbar hinausgehen ( BT-Drucksache 16/3641, S. 14 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 29.11.2006). Vom Tatbestand erfasst werden nur schwerwiegende und unzumutbare Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung. Ausgeschieden werden dagegen weniger gewichtige Maßnahmen der Eigenvorsorge , wie beispielsweise die Benutzung eines Anrufbeantworters und die Einrichtung einer sogenannten Fangschaltung zum Zwecke der Beweissicherung. Weitergehende Schutzvorkehrungen des Opfers, wie etwa das Verlassen der Wohnung nur noch in Begleitung Dritter und ein Wechsel des Arbeitsplatzes oder der Wohnung, sind nach den Gesetzesmaterialien als schwerwiegend anzusehen (BT-Drucksache 161575, S. 8 - Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 08.02.2006; ebenso auch AG Löbau, BeckRS 2008 21682 -- Urteil vom 17.04.2008; Mosbacher, NStZ 2007, 685, 667; Valerius, JuS 2007, 399, 323).

Eine derartig schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Geschädigten hat das Amtsgericht hier nicht festgestelIt. Seine Feststellungen erschöpfen sich vielmehr darin , der Geschädigte sei "mit seinen Nerven am Ende" gewesen und habe Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz beantragt. Ersteres ist aber eine rein subjektive Einschätzung, die nicht weiter objektiviert worden ist, und das Beantragen. von Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz berührt die Lebensgestaltung, des Geschädigten für sich genommen ebenfalls nicht.

Dazu wird das Amtsgericht neue und weitergehende Feststellungen treffen müssen.

Ende der Entscheidung

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