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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.03.2009
Aktenzeichen: 3 Ss 562/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 244 Abs. 2
StPO § 329
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1) Die Revision des Angeklagten wird verworfen.

2) Das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 11. Oktober 2007 wird im Schuldspruch dahingehend ergänzt, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt ist.

3) Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Bielefeld hat den Angeklagten mit Urteil vom 11. Oktober 2007 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zugleich hat es für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von noch 12 Monaten angeordnet.

Gegen dieses Urteil hat zunächst die Staatsanwaltschaft beschränkt auf das Strafmaß Berufung eingelegt mit dem Ziel, die Verurteilung des Angeklagten zu einer tat- und schuldangemessenen Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu erwirken.

Am 13. Februar 2008 hat daraufhin eine erste Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Bielefeld in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden. In diesem Termin hat die Kammer die Hauptverhandlung ausgesetzt, um dem Angeklagten im Rahmen einer sog. "faktischen Bewährung" die Gelegenheit zur Durchführung einer Drogentherapie zu geben. In der Zeit von März bis August 2008 hat der Angeklagte erfolglos mehrere stationäre Therapieversuche unternommen. Mit Schreiben vom 21. August 2008 hat er sich persönlich an den Kammervorsitzenden gewandt und um einen "Anhörungstermin" gebeten, woraufhin dieser Termin zur Hauptverhandlung auf den 17. September 2008 anberaumt hat.

Der Berufungsverhandlung am 17. September 2008 ist der Angeklagte unentschuldigt fern geblieben, obgleich er ordnungsgemäß und unter Hinweis auf die Folgen eines etwaigen Ausbleibens geladen worden war. Die Kammer hat daraufhin - in Abwesenheit des Angeklagten - mit seinem zum Termin erschienen Verteidiger über die Berufung der Staatsanwaltschaft verhandelt und unter Abänderung des Rechtsfolgenausspruchs des erstinstanzlichen Urteils auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zwei Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung erkannt.

Gegen das in seiner Abwesenheit verkündete, ihm am 4. Oktober 2008 zugestellte Urteil hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 24. September 2008, gleichtägig bei dem Landgericht Bielefeld eingegangen, Revision eingelegt und diese mit am 24. Oktober 2008 eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. Mit der Verfahrensrüge macht er einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht aus § 244 Abs. 2 StPO geltend und beanstandet, dass die Berufungskammer ihm die Strafaussetzung zur Bewährung versagt habe, ohne sich zuvor einen persönlichen Eindruck von ihm gemacht zu haben.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig begründete Revision des Angeklagten ist zulässig, im Ergebnis aber nicht begründet.

1)

Die auf die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO gestützte Verfahrensrüge ist bereits nicht in der gebotenen Form ausgeführt.

Gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO sind bei Erhebung der Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß begründenden Tatsachen so genau und vollständig darzulegen, dass das Revisionsgericht allein auf ihrer Grundlage das Vorhandensein - oder Fehlen - eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden. Eine Bezugnahme auf Akten, das Protokoll oder andere Schriftstücke ist unzulässig (zu vgl. BGH in NJW 1995, 2047; OLG Hamm Urteil v. 12. Februar 2008 - 3 Ss 541/07; Meyer-Goßner, StPO, Aufl. 51, § 344, Rn. 21). Schon aus diesen allgemeinen Begründungsanforderungen ergeben sich vorliegend erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der formellen Rüge, weil die Revision nicht den Inhalt der von ihr zahlreich in Bezug genommenen Urkunden mitteilt. Die Rechtsmittelbegründung beschränkt sich lediglich auf pauschale Verweisungen auf die in der Berufungsverhandlung am 17. September 2008 verlesenen ärztlichen Bescheinigungen und Berichte der Bewährungshelferin sowie auf das Sitzungsprotokoll und den Sitzungsvermerk des Kammervorsitzenden vom 13. Februar 2008, ohne mit einem Wort auf den Inhalt und die sich daraus ergebenden prognoserelevanten Umstände einzugehen. Ebenso wird nicht ausgeführt, mit welchem Ergebnis der Angeklagte in der Hauptverhandlung am 13. Februar 2008 durch die Berufungskammer unter demselben Vorsitzenden persönlich angehört worden ist. Darüber, dass die Kammer in diesem Termin bereits eine vorläufige Prognosebeurteilung angestellt und die Berufungsverhandlung ausgesetzt hat, um dem Angeklagten im Rahmen einer sogenannten "faktischen Bewährung" die Gelegenheit zur Verbesserung seiner Sozialprognose zu geben, verhält sich die Revision ebenfalls nicht. Damit gibt sie neben dem Tatsachenstoff auch den gesamten Verfahrensablauf in wesentlichen Punkten nur unvollständig und lückenhaft wieder. Inwieweit dieser Begründungsmangel für sich genommen bereits die Unzulässigkeit der Verfahrensrüge bewirkt oder - worauf die Generalstaatsanwaltschaft verweist - noch durch die schriftlichen, vom Senat auf die zugleich erhobene Sachrüge zur Kenntnis zu nehmenden Urteilsgründe ausgeglichen wird, bedarf letztlich keiner Entscheidung.

Zur Unzulässigkeit der formellen Rüge muss hier jedenfalls führen, dass die Revisionsbegründung nicht mehr den bei der Aufklärungsrüge geltenden besonderen Begründungsanforderungen entspricht. Die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO unterliegt insoweit einem strengen Maßstab. Zusätzlich zu den oben dargelegten Voraussetzungen muss der Revisionsführer ein bestimmtes Beweismittel, dessen sich das Gericht hätte bedienen müssen, eine konkrete Beweistatsache und das zu erwartende - für ihn günstige - Beweisergebnis sowie die Umstände vortragen, die das Gericht zu der vermissten Beweiserhebung hätten drängen müssen (zu vgl. Senatsbeschluss vom 6. Februar 2008 - 3 Ss 7/08; Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess, 7. Aufl., Rn. 475 ff.; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 244, Rn. 81; Herdegen in Karlsruher Kommentar, 6. Aufl., StPO, § 244, Rn 36 ff.). Die Tatsachen, die der Aufklärung durch das Gericht bedurft hätten, sind genau, bestimmt, lückenlos und als positive Behauptung vorzubringen. Pauschale Angaben sind unzulänglich und haben die Unzulässigkeit der Rüge zur Folge (zu vgl. BGHSt 30, 128, 131). Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer das von ihm konkret erwartete Ergebnis der unterbliebenen Beweiserhebung in Gestalt einer uneingeschränkten Behauptung vortragen und mitteilen, dass die nicht aufgeklärten Tatsachen sich zu seinen Gunsten ausgewirkt hätten (zu vgl. Dahs/Dahs a.a.O.).

Diesen Anforderungen wird die Rechtsmittelschrift nicht mehr gerecht. So fehlt es bereits an der Behauptung konkreter Beweistatsachen, die das Berufungsgericht als Grundlage für die Prognoseentscheidung durch eine persönliche Anhörung des Angeklagten hätte ermitteln sollen. Die Revision verweist lediglich pauschal darauf, dass die Kammer sich "einen persönlichen Eindruck" von dem Angeklagten hätte verschaffen und diesem die Gelegenheit hätte geben müssen, "seine Situation" und den "Geschehensablauf" aus seiner Sicht zu schildern. Welchen Eindruck die Kammer dabei von dem Angeklagten gewonnen und welche Umstände er dem Gericht in einer persönlichen Anhörung vorgetragen hätte, wird indes nicht mitgeteilt. Insoweit nennt die Rechtsmittelschrift bereits keine Tatsachen, die im Falle ihrer Aufklärung das Berufungsgericht überhaupt zu einer positiven Einschätzung der Sozialprognose und einer Strafaussetzung zur Bewährung bewogen hätten. Auch dem in Auszügen wiedergegebenen Schreiben des Angeklagten vom 21. August 2008 lässt sich dazu nichts Näheres entnehmen. Der Angeklagte versucht darin, den zuletzt am 6. August 2008 erfolgten Therapieabbruch zu erklären und bittet abschließend um einen "Anhörungstermin", um "seine Situation" schildern zu können. Was er dem Gericht im Einzelnen hatte mitteilen wollen, geht aus seinem Schreiben nicht hervor. Nach dem Rügevorbringen bleibt damit gänzlich offen, welches konkrete und zudem für die Sozialprognose des Angeklagten günstige Ergebnis von seiner unterbliebenen Anhörung zu erwarten gewesen wäre. Darüber, welche Umstände das Berufungsgericht dazu hätten drängen müssen, sich im Rahmen der Prognoseentscheidung (erneut) einen - auf persönlicher Beobachtung beruhenden - Eindruck von dem Angeklagten zu verschaffen, verhält sich die Rechtsmittelschrift ebenfalls nicht.

Unbeschadet dessen wäre die erhobene Aufklärungsrüge aber auch in der Sache nicht begründet gewesen. Die von der Revision angegriffene Vorgehensweise der Berufungskammer, gemäß § 329 Abs. 2 StPO in Abwesenheit des Angeklagten über das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zu verhandeln, stellt sich nicht als verfahrensfehlerhaft dar. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der durch das Abwesenheitsurteil erfolgten Erhöhung der Freiheitsstrafe und des Wegfalls der Strafaussetzung zur Bewährung. Die Berufungskammer hat - wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat - ihrer sich aus § 244 Abs. 2 StPO ergebenden Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts hinreichend Rechnung getragen. Sie hat sich in der Hauptverhandlung am 17. September 2008 durch die Verlesung zahlreicher Schriftstücke in weit überdurchschnittlichem Umfang über die Person des Angeklagten und seinen Werdegang unterrichtet. Anhand der Berichte der Bewährungshelferin und der ärztlichen Bescheinigungen der Drogenkliniken hat sie vor allem auch die aktuelle Situation des Angeklagten beleuchtet und sich einen Überblick über seine Entwicklung im Laufe des Verfahrens verschafft. Als Besonderheit kommt vorliegend hinzu, dass sich die Kammer - unter demselben Vorsitzenden - bereits anlässlich der Berufungsverhandlung am 13. Februar 2008 ein persönliches Bild von dem Angeklagten gemacht hatte, welches mit dem damaligen Sitzungsvermerk des Vorsitzenden in die Hauptverhandlung am 17. September 2008 eingeführt und den daran teilnehmenden Schöffen bekannt gegeben worden ist. Unter diesen Umständen hat für das Berufungsgericht keine Veranlassung bestanden, sich einen (erneuten) persönlichen Eindruck von dem Angeklagten zu verschaffen.

2)

Die nicht näher ausgeführte Sachrüge des Angeklagten erweist sich als unbegründet und führt damit ebenfalls nicht zum Erfolg.

Infolge der wirksamen Berufungsbeschränkung hatte sich das Landgericht in zweiter Instanz nur noch mit der Frage der Strafzumessung zu befassen. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel gemäß § 318 StPO auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die von Amts wegen zu überprüfende Wirksamkeit einer solchen Rechtsmittelbeschränkung setzt voraus, dass das angefochtene Urteil eine ausreichende Grundlage für die Kontrolle der Rechtsfolgenentscheidung bildet. Dementsprechend ist eine isolierte Anfechtung des Rechtsfolgenausspruchs dann wirkungslos, wenn das Urteil keine Gründe enthält oder die Schuldfeststellungen derart knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht einmal in groben Zügen erkennen lassen (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, Aufl. 51, § 318, Rn. 16 m.w.N.). Das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 11. Oktober 2007 trifft ausreichende tatsächliche Feststellungen zu den darin abgeurteilten Betäubungsmittel- und Verkehrsstraftaten und lässt damit insgesamt eine Überprüfung der Rechtsfolgenentscheidung zu. Lediglich im Schuldspruch war das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 11. Oktober 2007 wegen einer offensichtlichen Auslassung in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang zu ergänzen.

Auf die Sachrüge unterlag damit allein noch die Strafzumessung einschließlich der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung der Kontrolle durch das Revisionsgericht.

Die Strafzumessung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters und daher nur in begrenztem Umfang einer Kontrolle durch das Revisionsgericht zugänglich. Das Revisionsgericht darf nur dann eingreifen, wenn Rechtsfehler vorliegen, insbesondere wenn der Tatrichter von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, die Strafzumessungserwägungen lückenhaft und in sich fehlerhaft sind oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Acht lassen oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, soweit nach oben oder unten inhaltlich löst, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Strafe und Schuld besteht (zu vgl. BGHSt 17, 35 ff.; BGHSt 29, 319 ff.; BGH in NStZ 1990, 334; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 337, Rn. 34 m.w.N.).

Gemessen an diesem Beurteilungsmaßstab hält der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung durch den Senat stand.

a)

Von den Begründungsanforderungen des § 267 Abs. 3 S. 1 StPO ausgehend, sind die Strafzumessungserwägungen in dem angefochtenen Urteil allerdings insoweit lückenhaft, als das Landgericht bei den Betäubungsmittelstraftaten (Fall 2. und 3.) keine Feststellungen zur Wirkstoffkonzentration des Marihuanas getroffen hat. In den Urteilsgründen heißt es lediglich, dass es sich um sogenannte "weiche Drogen" gehandelt hat und dass "die Mengen nicht sehr erheblich" gewesen sind. Bei einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung jedoch Feststellungen zum Wirkstoffgehalt - selbst bei geringen Mengen von Betäubungsmitteln - grundsätzlich unverzichtbar (zu vgl. BGH in NStZ 1985, 273; BGH in StV 2006, 184; Körner, Betäubungsmittel-/ Arzneimittelgesetz, 6. Aufl., § 29, Rn. 2064 m.w.N.). Bei fehlenden Qualitätsangaben erschließen sich regelmäßig weder der objektive Unrechtsgehalt der Tat noch das Maß der persönlichen Schuld des Täters (zu vgl. OLG Hamm 2. Strafsenat, Beschluss vom 18. November 2004 - 2 Ss 485/2004; Beschluss vom 4. März 2004 - 2 Ss 74/04; OLG Hamm 3. Strafsenat, Beschluss vom 30. September 2003 - 3 Ss 0/03; OLG Köln 1. Strafsenat, Beschluss vom 12. Januar 1999 - Ss 2/99). Der Tatrichter hat deshalb entweder konkrete Feststellungen zur Wirkstoffkonzentration zu treffen oder von der für den Angeklagten günstigsten Qualität auszugehen, die nach den Umständen in Betracht kommt. Auch wenn das betreffende Betäubungsmittel nicht untersucht worden ist, darf die Frage nach dessen Wirkstoffgehalt nicht offen bleiben. Vielmehr muss der Tatrichter in einem solchen Fall unter Berücksichtigung anderer hinreichend feststellbarer Tatumstände wie Herkunft, Preis sowie der Beurteilung durch Tatbeteiligte und letztlich des Grundsatzes "in dubio pro reo" wenigstens angeben, von welcher Mindestqualität und von welcher Anzahl von Rauschzuständen, die mit der Menge erzeugt werden können, er ausgegangen ist (zu vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 3 StR 36/01; Beschluss vom 29. Juli 2000 - 4 StR 202/00; BayObLG 4. Strafsenat, Beschluss vom 18. Mai 1999 - 4 St RR104/99; Körner, a.a.O. m.zahlr.N.). Ohne dem fehlt es an einer wesentlichen Grundlage für die Strafzumessung.

Nach dem Gesamtinhalt des Urteils schließt der Senat indes aus, dass der aufgezeigte Begründungsmangel Einfluss auf die Strafbemessung gehabt und sich vorliegend zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, § 337 Abs. 1 StPO.

Im Fall 2. hat die Kammer für den Besitz der bei dem Angeklagten sichergestellten Rauschgiftmenge von 1,5 g Marihuana mit einer Freiheitsstrafe von einem Monat die - unter den Voraussetzungen der §§ 47 Abs. 1, 38 Abs. 2 StGB - bereits denkbar mildeste Freiheitsstrafe verhängt. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht darauf verwiesen, dass zur Einwirkung auf den Angeklagten in Anbetracht seiner einschlägigen Vorstrafe und seines Bewährungsversagens die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe unerlässlich gewesen ist.

Ebenso ist im Fall 3. ausgeschlossen, dass die Angabe der Wirkstoffkonzentration der von dem Angeklagten gewerbsmäßig gehandelten Marihuanamengen das Strafmaß zu seinen Gunsten beeinflusst hätte. Selbst die Annahme einer schlechten Rauschgiftqualität hätte den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht so weit herabgesetzt, dass eine (noch) mildere Strafe in Betracht gekommen wäre. Mit Blick auf den verwogenen Gesamtinhalt von 7,1 g Marihuanagemisch der bei dem Angeklagten aufgefunden sieben Tütchen und des von ihm selbst konsumierten Inhalts eines Tütchens ist bei dieser Tat von einer Gesamtmenge von etwa 10 g Marihuanagemisch auszugehen. Auch wenn in Anwendung des "Zweifelsgrundsatzes" zu Gunsten des Angeklagten nur ein Wirkstoffgehalt von 1,5 % unterstellt wird, der erfahrungsgemäß am untersten Rand der üblicherweise vorkommenden Qualität von Marihuana liegt (zu vgl. Körner, a.a.O., Anhang C 1, Rn. 248), errechnet sich bezogen auf die Gesamtmenge immer noch ein Wirkstoffgehalt von 150 mg THC. Im Vergleich dazu liegt die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung unter Zugrundelegung von drei Konsumeinheiten angenommene Grenze zur sog. "geringen Menge" Marihuana bei 45 mg THC (zu vgl. BGHSt 33, 8 ff.; Körner, a.a.O., § 29, Rn. 2069), so dass dieser Abgrenzungswert vorliegend um mehr als das Dreifache überschritten ist. Bei dieser Sachlage ist sowohl die Strafrahmenwahl aus als auch die Strafzumessung im engeren Sinne rechtlich nicht zu beanstanden. Mit einer Einsatzstrafe von einem Jahr hat sich die Kammer an der untersten Grenze des aus § 29 Abs. 3 BtMG entnommenen Strafrahmens orientiert, der Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren vorsieht. In der Gesamtschau mit den weiteren von der Kammer herangezogenen Strafzumessungskriterien und der im Fall 1. verhängten Einzelstrafe ist ebenso gegen die durch eine sehr maßvolle Erhöhung dieser Einsatzstrafe gebildete Gesamtstrafe von einem Jahr zwei Monaten nichts zu erinnern.

b)

Auch die Entscheidung über die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung lässt keinen revisiblen Mangel erkennen. Die Kammer hat rechtsfehlerfrei auf die einschlägigen strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten, sein Bewährungsversagen sowie darauf abgestellt, dass er in der laufenden Bewährungsangelegenheit (AG Bielefeld - 37 Ds 1193/08) weder seine Arbeitsauflage erfüllt noch den gebotenen Kontakt zu seiner Bewährungshelferin gehalten hat. Als gewichtiges, gegen eine günstige Sozialprognose sprechendes Kriterium werden zutreffend die fehlgeschlagenen Therapieversuche des Angeklagten in der Zeit von März bis August 2008 herausgestellt. Obgleich der Angeklagte in der Berufungsverhandlung vom 13. Februar 2008 ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass seine Prognose als "äußerst ungünstig" einzuschätzen sei, hat er die ihm anschließend faktisch zugebilligte "Bewährungschance" nicht genutzt und keine der begonnenen Entwöhnungsbehandlungen durchgehalten. Bei dieser Sachlage hat die Kammer zu Recht sowohl eine günstige Sozialprognose als auch das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB verneint.

c)

Der Angeklagte ist letztlich nicht dadurch beschwert, dass sich der Abschluss des Berufungsverfahrens durch die Aussetzung der Hauptverhandlung um etwa sieben Monate verzögert hat. Auch ohne entsprechende Verfahrensrüge ist ein Verstoß gegen den in Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verankerten Beschleunigungsgrundsatz vom Revisionsgericht auf die Sachrüge hin zu beachten, wenn sich - wie hier - die Verfahrensverzögerung aus den Urteilsgründen ergibt (zu vgl. BGHSt 49, 342 ff.).

Zwar hat die Kammer gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung verstoßen, indem sie die Verhandlung in dem zunächst anberaumten Hauptverhandlungstermin am 13. Februar 2008 im Rahmen einer - gesetzlich nicht vorgesehenen - sog. "Vorbewährung" ausgesetzt hat. So hat sie, obwohl ihr bereits in diesem Termin eine verfahrensbeendende Sachentscheidung möglich gewesen wäre, erst am 17. September 2008 über das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft entschieden.

Die Berufungskammer hat die Hauptverhandlung hier aber im Ergebnis zu Gunsten des Angeklagten ausgesetzt, um ihm auf diese Weise die Gelegenheit zu geben, durch eine Drogentherapie seine Sozialprognose zu verbessern. Nur deswegen hat sie - wie sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergibt (Seite 9) - in dem ursprünglichen Verhandlungstermin von einer Entscheidung abgesehen. Der nicht in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte war dementsprechend durch die Verfahrensverzögerung keinen besonderen, eine Wiedergutmachung im Sinne des Art. 13 MRK erfordernden Belastungen ausgesetzt. Hinzu kommt, dass der Kammervorsitzende mit Terminsverfügung vom 26. August 2008 umgehend terminiert und zeitnah auf den 17. September 2008 einen Hauptverhandlungstermin bestimmt hat, nachdem die stationären Therapieversuche des Angeklagten am 6. August 2008 gescheitert waren und dieser mit Schreiben vom 21. August 2008 um einen Anhörungstermin gebeten hatte. Bei dieser Sachlage kann der Senat ausschließen, dass die Kammer dem Angeklagten zur Kompensation der Verfahrensverzögerung über die bloße Feststellung dieses Rechtsverstoßes hinaus eine weitergehende Entschädigung zugebilligt hätte (vgl. hierzu: BGH 2. Strafsenat Beschluss v. 13. Juni 2008 - 2 StR 200/08; BGH 4. Strafsenat Beschluss v. 21. Februar 2008 - 4 StR 666/07). Die im zu entscheidenden Fall zur Kompensation ausreichende Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK hat der Senat hiermit nachgeholt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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