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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: 3 Ss 62/07
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 242 | |
StGB § 253 |
Beschluss
Strafsache
gegen N.E.
wegen Diebstahls u.a.
Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen-Steele vom 16.11.2006 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 06. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft bzw. auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2, Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird im Schuldausspruch nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen des Tatgeschehens vom 20.02.2006 wegen Diebstahls, wahlweise wegen Erpressung, zu einer Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden ist.
Darüber hinaus wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch nebst den diesem zugrunde liegenden Feststellungen hinsichtlich der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Essen-Steele zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Essen-Steele vom 16.11.2006 wegen Diebstahls geringwertiger Sachen in zwei Fällen sowie in einem weiteren Fall wegen Diebstahls, wahlweise wegen Erpressung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden.
Gegen das vorgenannte Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der eine Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.
II.
Die Revision ist zulässig und hat in der Sache teilweise zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der wahlweisen Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls bzw. Erpressung sowie zu einer Aufhebung im Gesamtstrafenausspruch. Gleichzeitig war im Umfang der Aufhebung die Sache an das Amtsgericht Essen-Steele zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Im Übrigen erweist sich die Revision als unbegründet.
1. Soweit der Angeklagte wegen zweier am 13.01.2006 und am 13.04.2006 begangener Diebstähle geringwertiger Sachen jeweils zu Einzelfreiheitsstrafen von drei Monaten verurteilt worden ist, hat die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit war daher die Revision entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 16.05.2007 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
2. Dagegen konnte die wahlweise Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls bzw. wegen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten keinen Bestand haben. Sie unterlag vielmehr aufgrund der erhobenen Sachrüge der Aufhebung. Es konnte infolgedessen dahingestellt bleiben, ob die in Bezug auf diese Verurteilung außerdem erhobenen Verfahrensrügen einer Verletzung der Vorschriften der §§ 261 und 265 StPO hier durchgreifen.
Der wahlweisen Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls bzw. wegen Erpressung liegen folgende Feststellungen des Amtsgerichts zugrunde:
"Am 20.02.2006 gegen 02.30 Uhr erschien er vor der Zimmertür des Zeugen S. in der Gemeinschaftsunterkunft B.Str. in H.. Er klopfte gegen die Tür und verlangte lautstark Einlass. Der Zeuge S. öffnete ihm schließlich, woraufhin der Angeklagte fragte "Wo ist die Kohle". Er forderte den Zeugen auf, ihm Geld zu geben. Ob sodann der Angeklagte sich selbst Geld aus dem Portemonnaie des Zeugen nahm, welches der Zeuge dem Angeklagten hinhielt, oder ob der Zeuge dem Angeklagten Geld aus dem Portemonnaie herausgab, konnte nicht geklärt werden. Jedenfalls nahm der Angeklagte einen Geldbetrag 80,00 Euro an sich. Das Portemonnaie verblieb bei dem Zeugen."
Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen eine (wahldeutige) Verurteilung des Angeklagten wegen Erpressung nach § 253 StGB nicht. Der Tatbestand der Erpressung setzt voraus, dass der Täter einen anderen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Vermögensverfügung nötigt, durch die dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen in Bereicherungsabsicht ein Nachteil zugefügt wird. Zu einer Gewaltanwendung des Angeklagten gegenüber dem Zeugen S. ist es nach den Urteilsfeststellungen nicht gekommen. Aber auch die Drohung mit einem empfindlichen Übel lässt sich aus den Urteilsfeststellungen nicht entnehmen. Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt, wobei die Drohung auch konkludent erfolgen kann. Übel ist jede vom Betroffenen als nachteilig empfundene Veränderung in der Außenwelt. Vorausgesetzt wird eine hinreichende Konkretisierung (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 240 Randnummern 31, 32). Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Angeklagte an der Zimmertür des Zeugen S. angeklopft und lautstark Einlass begehrt. Als der Zeuge S. ihm die Tür öffnete, forderte der Angeklagte ihn auf, ihm Geld zu geben. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist nicht ersichtlich, mit welchem empfindlichen Übel der Angeklagte dem Zeugen S. - wenn auch konkludent - gedroht haben sollte. Soweit im Rahmen der Beweiswürdigung außerdem festgestellt wird, dass der Angeklagte den Zeugen S. in einer Art zur Herausgabe des Geldes aufgefordert haben soll, die keinen Widerspruch zugelassen habe, sind auch diese Feststellungen, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer ersten Stellungnahme vom 16.02.2007 ausgeführt hatte, unzureichend und nicht geeignet, die Tatbestandsmerkmale der Gewalt oder der Drohung mit einem empfindlichen Übel zu begründen.
Die erfolgte wahlweise Verurteilung erweist sich aber vor allem noch aus einem weiteren Grunde als rechtsfehlerhaft.
Eine echte Wahlfeststellung zwischen zwei Delikten setzt voraus, dass die Tatbestände rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sind. Rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit ist gegeben, wenn die alternativ in Betracht kommenden Tatbestände in ihrem kriminellen Gehalt nahe verwandt sind, sich zumindest gegen ein ihrem Wesen nach ähnliches Rechtsgut richten, ihre Zielrichtung nicht einen anders gearteten Täterwillen voraussetzt und die gleiche sittliche Missbilligung verdienen (vgl. Schoreit in KK, StPO, 3. Aufl., § 261 Rdnr. 73). Die Tatbestände des Diebstahls und der Erpressung unterscheiden sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und schließen einander aus. Der Erpresser bereichert sich nicht nur auf Kosten eines anderen, insoweit vergleichbar mit dem Dieb, sondern er wirkt mit Gewalt oder Drohung auf die Freiheit der Willensentschließung seines Opfers ein. Diese Verletzung eines nicht auf gleicher Ebene wie das Eigentum liegenden Rechtsgutes, die ein besonderes Unwerturteil enthält, steht der Annahme einer rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit von Diebstahl und Erpressung entgegen. Nach allgemeinem Rechtsempfinden verdient der Erpresser eine schärfere Missbilligung als der Dieb. Eine wahlweise Verurteilung wegen Diebstahls und Erpressung ist daher unzulässig (vgl. BGH DRiZ 1972, 30; Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 1 Rdnr. 111).
3. Der Wegfall der für die wahlweise Verurteilung verhängten Einzelstrafe von sechs Monaten hat zur Folge, dass auch der Gesamtstrafenausspruch des angefochtenen Urteils der Aufhebung unterliegt.
Im Umfang der Aufhebung war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Essen-Steele zurückzuverweisen, da nicht auszuschließen ist, dass hinsichtlich des Tatgeschehens vom 20.02.2006 noch weitere Feststellungen getroffen werden können, die zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Erpressung oder Diebstahl oder aber auch möglicherweise wegen einer von ihm begangenen Unterschlagung führen können.
Ende der Entscheidung
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