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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 01.04.2008
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 167/08
Rechtsgebiete: HandwO, SchwarzArbG
Vorschriften:
HandwO § 117 | |
SchwarzArbG § 8 |
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Bielefeld hat die Betroffene mit den angefochtenen Urteil wegen vorsätzlicher Ausübung des Friseurhandwerks als stehendes Gewerbe ohne Eintrag in die Handwerksrolle zu einer Geldbuße von 1.500 € verurteilt.
Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen zur Sache getroffen:
"In der Zeit vom 15.10.2003 bis zum 14.03.2007 bot die Betroffene in dem Alten- und Pflegeheim "L" in der T-Straße in ####1 C Frisördienstleistungen an und führte diese auch aus. Die Tätigkeit übte die Betroffene jeden 2. Mittwoch in der Zeit zwischen 05.30 Uhr 13.30 Uhr in ihr dafür von der Heimleitung zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten aus.
Erst auf einen entsprechenden Hinweis des Ordnungsamtes der Stadt C meldete die Betroffene das Gewerbe am 06.03.2007 rückwirkend zum 15.10.2003 an.
Die Betroffene übte die Frisörtätigkeit in vorgenannten Zeitraum auch aus, obwohl sie wußte, daß sie nicht über einen Meistertitel für das Frisörhandwerk und die erforderliche Eintragung in die Handwerksrolle der Handwerkskammer P zu C verfügte.
Erst am 05.03.2007 wurde die Betroffene aufgrund einer Ausnahmebewilligung gemäß § 7 b HandwO in die Handwerksrolle eingetragen.
In dem vorgenannten Tatzeitraum erzielte die Betroffene Einkünfte in Höhe von insgesamt 10.446,00 Euro.
Im einzelnen stellte die Betroffene folgende Beträge in Rechnung:
Monat | in Rechnung gestellte Beträge (netto=brutto) |
Okt 03 | 127,00 € |
Nov 03 | 115,00 € |
Dez 03 | 223,00 € |
Jan 04 | 305,00 € |
Feb 04 | 263,00 € |
Mrz 04 | 340,00 € |
Apr 04 | 248,00 € |
Mai 04 | 262,00 € |
Jun 04 | 262,00 € |
Jul 04 | 241,00 € |
Aug 04 | 252,00 € |
Sep 04 | 359,00 € |
Okt 04 | 285,00 € |
Nov 04 | 224,00 € |
Dez 04 | 231,00 € |
Jan 05 | 327,00 € |
Feb 05 | 245,00 € |
Mrz 05 | 380,00 € |
Apr 05 | 333,00 € |
Mai 05 | 290,00 € |
Jun 05 | 339,00 € |
Jul 05 | 248,00 € |
Aug 05 | 426,00 € |
Sep 05 | 180,00 € |
Okt 05 | 265,00 € |
Nov 05 | 228,00 € |
Dez 05 | 124,00 € |
Jan 06 | 210,00 € |
Feb 06 | 67,00 € |
Mrz 06 | 368,00 € |
Apr 06 | 158,00 € |
Mai 06 | 231,00 € |
Jun 06 | 219,00 € |
Jul 06 | 230,00 € |
Aug 06 | 283,00 € |
Sep 06 | 278,00 € |
Okt 06 | 214,00 € |
Nov 06 | 284,00 € |
Dez 06 | 335,00 € |
Jan 07 | 194,00 € |
Feb 07 | 253,00 € |
SUMME: | 10.446,00 € |
Bislang hat die Betroffene diese Einnahmen nicht versteuert. Aufgrund einer entsprechenden Selbstanzeige der Betroffenen wurde gegen sie zwischenzeitlich ein Steuerstrafverfahren eingeleitet."
Das Amtsgericht hat weiter ausgeführt:
"Nach den getroffenen Feststellungen hat sich die Betroffene einer Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 HandwO schuldig gemacht. Denn sie hat entgegen § 1 Abs.1 Satz 2 HandwO das Frisör-Handwerk als stehendes Gewerbe ausgeübt, obwohl sie wusste, dass sie nicht über den erforderlichen Meistertitel und den Eintrag in die Handwerksrolle verfügte."
Das Amtsgericht hat einen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 e) SchwarzArbG mangels erheblichen Umfangs der erbrachten Dienstleistungen als nicht gegeben erachtet und sich zur Begründung ausgeführt, dass es sich lediglich um einen geringen Nebenverdienst der Betroffenen mit durchschnittlich 254,78 Euro brutto/Monat gehandelt habe, womit sie unter der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 SGB IV liege. Auch habe die Arbeitszeit nur 2 1/2 Stunden pro Woche betragen.
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld und die Betroffene erheben mit ihren Rechtsbeschwerden jeweils die Sachrüge.
II.
Die Rechtsbeschwerden sind gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statthaft und im Übrigen zulässig. Sie führen auf die erhobene allgemeine Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht Bielefeld.
1.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen und der Staatsanwaltschaft (§ 46 OWiG i.V.m. § 301 StPO) war das Urteil aufzuheben, soweit die Betroffene verurteilt worden ist.
Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung der Betroffenen wegen einer Zuwiderhandlung gegen § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO nicht. Gemäß § 46 OWiG, § 267 Abs. 1 S. 1 StPO müssen die Urteilsgründe auch bei Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gefunden werden. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, weil die Urteilsgründe dem Rechtsbeschwerdegericht bereits nicht die Prüfung erlauben, dass die Betroffene den äußeren Tatbestand der genannten Ordnungswidrigkeit erfüllt hat.
Die Feststellungen enthalten nicht die insoweit erforderliche Darlegung, welche handwerklichen Arbeiten im Einzelnen die Betroffene ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen eines stehenden Gewerbes ausgeführt hat, und zwar für jeden Auftrag, nach Art, Umfang, Zeit und Ort (vgl. Senat, Beschluss vom 18.02.2008 - 3 SsOWi 51/08; m.w.N.). Dieser Darlegungen bedarf es zur Überprüfung, ob die Leistungen dem Kernbereich des jeweiligen Handwerks zuzuordnen sind und in erheblichem Umfang vorgenommen wurden, und deshalb hierzu die Eintragung in die Handwerksrolle notwendig war. Arbeitsvorgänge, die beispielsweise auch aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebes dieser Sparte als untergeordnet und damit vom Typ her gesehen als unwesentlich erscheinen, vermögen die Annahme eines handwerksfähigen Betriebes nicht zu begründen. Das betrifft Tätigkeiten, die wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades schon nach kurzer Anlernzeit ausgeführt werden können und die allein den Randbereich des jeweiligen Handwerks erfassen (vgl. zur Abgrenzung § 1 Abs. 2 S. 2 HwO; Senat a.a.O.), wobei im vorliegenden Fall auch wertend auf das in § 2 Friseur-MstrV (BGBl. 2001 I, S. 638) zum Ausdruck gebrachte Berufsbild zurückgegriffen werden kann (vgl. Senat a.a.O.).
In dem angefochtenen Urteil wird lediglich pauschal festgestellt, dass die Betroffene Friseurdienstleistungen anbot und ausführte, eine genauere Darlegung der Tätigkeiten nach Art und Umfang mit einer Abgrenzung zwischen den für das Gewerbe wesentlichen und nebensächlichen Tätigkeiten fehlt dagegen. Es spricht zwar vieles dafür, dass mit "Friseurdienstleistungen" für das Gewerbe wesentliche Tätigkeiten gemeint sind. Das ist im vorliegenden Fall erst recht naheliegend, weil die Friseurtätigkeiten in Alterheimen - wie allgemein bekannt ist - zumeist an Personen vorgenommen werden, die gerade nicht mehr zu einem auswärtigen Friseur gehen können, so dass sie auf die "Volldienstleistung" im Heim angewiesen sind. Mit der erforderlichen Klarheit ergibt sich das allerdings weder ausdrücklich noch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilgründe.
2.
Soweit die Betroffene nicht (auch) wegen eines Verstoßes gegen § 8 Abs. 1 d) und e) SchwArbG verurteilt worden ist, war das Urteil auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft aufzuheben.
Das SchwarzArbG ist zum 01.08.2004 in Kraft getreten und damit jedenfalls auf einen Teil des Tatzeitraums anwendbar.
Zu Unrecht bewertet das Amtsgericht den "erheblichen Umfang" der Dienstleistungen nur nach ihrer wöchentlich Dauer und der Höhe der durch sie erzielten Einnahmen. Richtigerweise ist der erhebliche Umfang von Dienst- oder Werkleistungen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG nach objektiven Maßstäben zu beurteilen. Maßgeblich ist, ob die Arbeitskraft der Betroffenen für eine nicht zu kurze Zeit voll, überwiegend oder laufend in Anspruch genommen wird, sowie die Dauer, Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Arbeitsleistung und der Grad der dafür erforderlichen Vorbildung, Verwendung von Hilfsmitteln und Material sowie der eventuelle Einsatz von Hilfskräften. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob dem Betroffenen durch die Tätigkeit wirtschaftliche Vorteile in erheblichem Umfang zugeflossen sind; er kann auch Verlust gemacht haben (vgl. Senat a.a.O.; OLG Hamm Beschl. v. 27.01.2006 - 4 SsOWi 887/05).
Die getroffenen Feststellungen erlauben aufgrund ihrer Unvollständigkeit insoweit keine eigene Sachentscheidung des Senats nach § 79 Abs. 6 OWiG.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nur ein vorsätzlicher Verstoß nach § 8 Abs. 1 SchwarzArbG bußgeldbewehrt ist (vgl. § 10 OWiG).
3.
Im Hinblick auf die aufgezeigten Rechtsfehler kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es war mit den zugrunde liegenden Feststellungen insgesamt aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Bielefeld zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung an eine andere Abteilung desselben Amtsgerichts war nicht angezeigt.
III.
Der Senat weist zudem im Hinblick auf das eingeleitete Steuerstrafverfahren auf die Regelung des § 84 Abs. 1 und 2 OWiG i.V.m. § 264 StPO hin.
IV.
Bei der erneuten Entscheidung wird das Amtsgericht auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden haben.
Ende der Entscheidung
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