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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.10.2007
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 388/07
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 267 |
Beschluss
Bußgeldsache
gegen B.L.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 08.03.2007 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 22. 10. 2007 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden zurückverwiesen.
Gründe:
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 05.06.2007 Folgendes ausgeführt:
" I.
Das Amtsgericht Minden hat die Betroffene mit Urteil vom 08.03.2007 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 100,00 EUR verurteilt und gegen sie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt (Bl. 81 ff d.A.). Dabei hat das Gericht zugleich angeordnet, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft (Bl. 82 d.A.). Gegen dieses in Anwesenheit der Betroffenen verkündete und ihr am 13.04.2007 (Bl 87, 87R d.A.) und ihrem Verteidiger am 17.04.2007 (Bl. 88 d.A.) zugestellte Urteil hat die Betroffene mit am 15.03.2007 bei dem Amtsgericht Minden eingegangenen Telefaxschreiben ihres Verteidigers vom 13.03.2007 Rechtsbeschwerde eingelegt (Bl. 75 d.A.) und diese mit weiterem, am 15.05.2007 bei dem Amtsgericht Minden eingegangenen Schriftsatz ihres Verteidigers vom selben Tage begründet (Bl. 91 ff d.A.).
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache einen - jedenfalls vorläufigen - Erfolg.
Die Urteilsgründe werden den sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Darlegung von Sachverständigengutachten nicht gerecht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Verknüpfungstatsachen und der daraus geschlossenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH, NJW 2000,1351; NJW 1993, 3081). Die alleinige Mitteilung des Ergebnisses kann allerdings ausreichen, wenn der Sachverständige bei der Begutachtung ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren angewendet hat und von keiner Seite Einwände gegen die Tauglichkeit der gesicherten Spur und die Zuverlässigkeit der Begutachtung erhoben worden sind (vgl. BGH NJW 1993, 3081). Bei einem anthropologischen Vergleichsgutachten handelt es sich aber nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode (vgl. BGH NJW 2000, 1350), so dass sich dessen Darstellung im Urteil nicht im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränken kann (vgl. OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 26.04.2005 - 3 Ss OWi 181/05 -).
Um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der Schlüssigkeit eines solchen Gutachtens zu ermöglichen, bedarf es daher zunächst einer Darlegung, auf welche und wie viel übereinstimmende Körpermerkmale der Sachverständige sich bei seiner Bewertung gestützt hat und auf welche Art und Weise er die Übereinstimmungen ermittelt hat. Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe bereits nicht gerecht. Zwar sind 12 Merkmale ausgeführt, hinsichtlich derer keine Unähnlichkeiten zwischen Betroffener und Messfoto festgestellt worden sein sollen. Auf welche Art und Weise der Sachverständige die Übereinstimmung ermittelt hat, ergibt sich aus den Urteilsgründen indes ebenso wenig wie spezifische Ausprägungen der von dem Tatrichter aufgezählten Gesichtsmerkmale.
Die Urteilsgründe müssen außerdem darüber Aufschluss geben, wie der Sachverständige den Aussagewert der in Betracht kommenden morphologischen Übereinstimmungen im Hinblick auf die Häufigkeit oder Seltenheit des jeweils betroffenen Merkmals beurteilt hat (vgl. BGH NStZ 1991, 596; OLG Celle, NZV 2002, 472; Thüringer OLG, VRS 110, 115). Ausführungen dazu lässt das angefochtene Urteil aber vermissen. Die Bewertung der Beweisbedeutung der Merkmale im Einzelnen bzw. in ihrer Gesamtheit durch den Sachverständigen wird nicht mitgeteilt. Darüber hinaus hätte es auch Angaben dazu bedurft, auf welchem biostatischen Vergleichsmaterial das Begutachtungsergebnis des Sachverständigen beruht (vgl. BGH, NJW 2000, 1350). Auch hierzu lässt sich aus dem amtsgerichtlichen Urteil nichts entnehmen.
Das Urteil ist daher aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Minden zurückzuverweisen.
Da das Urteil demnach bereits auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts insgesamt aufzuheben ist, kann offen bleiben, ob die von der Betroffenen außerdem erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 261 StPO durchgreift."
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.
Ergänzend merkt der Senat an, dass vorliegend zwar die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde mangels einer wirksamen Urteilszustellung bisher noch nicht in Lauf gesetzt worden ist. Das Sitzungsprotokoll vom 8.3.2007 ist nämlich von dem damals den Vorsitz führenden Amtsrichter nicht unterschrieben worden. Er hat lediglich das als Anlage zum Protokoll vom 8.3.2007 bezeichnete Blatt, das die verkündete Urteilsformel enthält, unterzeichnet, was aber nicht ausreichend ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 271 Rdnr. 13 m.w.N.). Der Senat hat aber davon abgesehen, die Akten zunächst zum Zwecke einer erneuten Urteilszustellung an das Amtsgericht zurückzugeben und statt dessen in der Sache selbst entschieden, da die Rechtsbeschwerde in vollem Umfang begründet ist, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt. Das angefochtene Urteil entspricht, worauf der Senat ergänzend hinweist, nicht nur nicht den Anforderungen, die an die Darlegung von Sachverständigengutachten zu stellen sind, sondern erweist sich auch deshalb als rechtsfehlerhaft, da es eine nachvollziehbare Beweiswürdigung auch im Übrigen vermissen lässt. Die bloße Bezugnahme auf einzelne Seiten der Akten lässt nicht erkennen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat und eröffnet daher dem Rechtsbeschwerdegericht keine Überprüfungsmöglichkeiten.
Der Senat hat das angefochtene Urteil deshalb aufgehoben und an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen. Dabei hielt der Senat es für angebracht, von der Möglichkeit einer Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden gemäß § 79 Abs. 6 OWiG (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 79 Rdnr. 48) Gebrauch zu machen.
Ende der Entscheidung
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