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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.09.2001
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 390/01
Rechtsgebiete: BKatV


Vorschriften:

BKatV § 2
Zum Absehen vom Fahrverbot
Beschluss

Bußgeldsache

gegen A.F.,

wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 29.01.2001 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 09. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat gegen die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 400,- DM verhängt, von der Anordnung eines Fahrverbotes gegen die Betroffene jedoch abgesehen. Zum Tatgeschehen hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Am 16.05.2000 um 09.04 Uhr befuhr die Betroffene die Werther Straße in Bielefeld oberhalb der Universität. Die Geschwindigkeit betrug 82 km/h.

Damit hat die Betroffene die dort zulässige Geschwindigkeit von 50 km/h um 32 km/h überschritten. Der Verstoß wurde festgestellt anhand einer mobilen Geschwindigkeitsüberwachung mit Traffipax Speedophot Film Nr. 2375, Bild Nr. 355.

Diese Feststellungen beruhen auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere auf dem Geständnis der Betroffenen in der Hauptverhandlung. Zweifel an der Richtigkeit des Geständnisses der Betroffenen bestehen nicht. An der Ordnungsgemäßheit der Messung bestehen ebenfalls keine Zweifel. Die Geschwindigkeitsüberwachungsanlage wurde ausweislich des Eichscheins bis zum 31.12.2000 ordnungsgemäß geeicht."

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld, die zuvor mit der Aktenübersendung an das Amtsgericht beantragt hatte, nach dem Bußgeldbescheid, mit dem u.a. ein Fahrverbot von einem Monat gegen die Betroffene verhängt worden war zu erkennen, form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet. Die Staatsanwaltschaft rügt unter Darlegung im Einzelnen, dass das Amtsgericht zu Unrecht von der Verhängung eines Fahrverbotes gegen die Betroffene abgesehen habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Rechtsbeschwerde beigetreten.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat in der Sache Erfolg.

Das angefochtene Urteil war im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben. In diesem Umfang war die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Die Rechtsbeschwerde ist ausweislich ihrer Begründung rechtswirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Staatsanwaltschaft rügt nämlich allein das Absehen von der Verhängung des Fahrverbotes. Auch die Generalstaatsanwaltschaft geht von einer Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch aus.

In der Sache hat das Rechtsmittel vollen Erfolg. Die Erwägungen, mit denen das Amtsgericht von der Verhängung eines Fahrverbotes gegen die Betroffene abgesehen hat, halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Amtsgericht hat insoweit folgende Ausführungen gemacht:

"Von der Verhängung eines Fahrverbotes gemäß § 25 Abs. 2 StVG konnte unter angemessener Erhöhung des Bußgeldes abgesehen werden, da die Betroffene während ihrer über 40-jährigen Fahrpraxis straßenverkehrsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist. Darüber hinaus hat sich die Betroffene in der Hauptverhandlung bereits durch die Verhängung der Geldbuße beeindruckt gezeigt. Unter Berücksichtigung dessen und der Tatsache, dass die Betroffene im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte auf den Führerschein angewiesen ist, erschien ein Absehen vom Fahrverbot als angemessen."

Die vom Amtsgericht herausgearbeiteten Gründe für ein Absehen von der Verhängung des bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts um 32 km/h gemäß Tabelle 1 a Buchst. c) lfd. Nr. 5.3.3 in der Regel vorgesehenen Fahrverbotes von einem Monat tragen nicht. Sie sind weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau geeignet, das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes zu rechtfertigen.

Das Absehen von der Verhängung des Fahrverbotes kann zunächst nicht damit begründet werden, dass die Betroffene während ihrer über 40-jährigen Fahrpraxis straßenverkehrsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist. Die Regelahndung nach der Bußgeldkatalogverordnung geht nämlich gerade von einem nicht vorbelasteten Betroffenen aus (OLG Hamm, NZV 1999, 394 f m.w.N.). Insoweit bestimmt § 1 Abs. 2 S. 2 BKatV ausdrücklich, dass etwaige Eintragungen des Betroffenen im Verkehrszentralregister - von bestimmten, hier gegebenen Ausnahmen abgesehen - bei der Festsetzung der Regelahndung nicht berücksichtigt worden sind.

Auch der Umstand, dass die Betroffene im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte auf den Führerschein angewiesen ist, rechtfertigt hier das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes nicht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn über den bloßen Umstand hinaus, dass die Betroffene auf ihre Fahrerlaubnis beruflich angewiesen ist, die Verhängung des Fahrverbotes zu einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung der Betroffenen führen würde, hier mithin zum Verlust des Arbeitsplatzes (vgl. OLG Hamm, NZV 1999, 391 Buchst. f); NZV 1999, 394 Buchst. f); OLG Düsseldorf, NZV 1999, 477; vgl. allgemein Deutscher, NZV 1999, 111, 113). Dass die Betroffene aber für den Fall der Verhängung des Fahrverbotes ihre Fahrerlaubnis verlieren würde, ist nicht festgestellt. Dies ist angesichts der beruflichen Umstände der Betroffenen im Übrigen auch mehr als fernliegend, zumal die Betroffene im Falle der Verhängung des Fahrverbotes aufgrund der Bestimmung des § 25 Abs. 2 Buchst. a) StVG die Möglichkeit haben wird, den Beginn der Dauer des Fahrverbotes selbst zu bestimmen und so beispielsweise das Fahrverbot dann vielleicht teilweise in ihren Jahresurlaub zu legen.

Endlich rechtfertigt auch der positive Eindruck, den die Betroffene in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht gemacht hat, die Entscheidung des Amtsgerichts nicht. Dies käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Persönlichkeit der Betroffenen mit einer hinreichenden Sicherheit ergäbe, dass die "Denkzettelmaßnahme" des Fahrverbotes nicht notwendig wäre, um sie künftig zu einem ordnungsgemäßen Verhalten im Straßenverkehr anzuhalten (OLG Zweibrücken, NZV 1999, 140, 142). Dafür ist hier aber nichts ersichtlich, zumal eine solche Bewertung im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Gebot materieller Gerechtigkeit auf den Ausnahmefall beschränkt bleiben muss (vgl. OLG Hamm, NZV 1999, 394, 395). Das Absehen von der Verhängung des Fahrverbotes kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn der Amtsrichter eine auf Tatsachen gestützte, besonders eingehende Begründung gibt, in der er im Einzelnen darlegt, welche besonderen Umstände in objektiver und subjektiver Hinsicht es gerechtfertigt erscheinen lassen, vom Regelfahrverbot abzusehen (ebda.).

Ende der Entscheidung

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