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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 49/05
Rechtsgebiete: StVO
Vorschriften:
StVO § 12 |
Beschluss
Bußgeldsache
gegen G.J.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf den Antrag des Betroffenen vom 9. November 2004 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 9. November 2004 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 01. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des materiellen Rechts zugelassen (Entscheidung des Einzelrichters).
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Der Betroffene wird auf Kosten der Landeskasse, die auch seine notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.
Gründe:
I.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht Essen gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit ( Parken im Halteverbot) nach § 24 StVG i.V.m. §§ 12 Abs.1, 49 StVO eine Geldbuße von 15,- Euro festgesetzt.
Das Amtsgericht hat dazu folgende Feststellungen getroffen:
" Am 24.05.2004 parkte der Betroffene mit seinem PKW Toyota, amtliches Kennzeichen XXXX, mindestens von 10:49 Uhr bis 10:53 Uhr in der Hoffnungstraße in Essen. Am Ende der Hoffnungstraße befindet sich ein Platz. Dieser ist mit dem Zeichen 283 StVO (Halteverbot) mit dem Zusatzschild "Außerhalb der gekennzeichneten Flächen" ausgewiesen. Aus Sicht des weiteren Verlaufes der Hoffnungstraße befinden sich auf der rechten Seite mehrere mit weißen Markierungen gekennzeichnete Parkboxen, die alle unmittelbar so aneinander angrenzen, dass Fahrzeuge dort Tür an Tür parken können. Diese Parkboxen sind jeweils durch ununterbrochene weiße Markierungen gekennzeichnet. Im rechten Winkel zu dieser Parkboxenreihe befindet sich eine weitere Reihe mit Parkboxen.
Diese Parkboxen weisen an den Längsseiten jeweils durchgängige Markierungen auf. Die kürzere Seite der Parkboxen ist jeweils durch eine teilweise Markierung gekennzeichnet.
Der Betroffene stellte sein Fahrzeug auf der spitz zulaufenden Fläche zwischen den beiden Parkboxreihen, die sich direkt in dem rechten Winkel befindet, ab. Die jeweils äußeren Begrenzungen der Parkboxenreihen, die diese dreieckige Fläche nach außen begrenzen, berühren sich an der Spitze der Fläche nicht.
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der geständigen Einlassung des Betroffenen sowie den im Hauptverhandlungstermin in Augenschein genommenen Fotos des entsprechenden Parkplatzes.
Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Betroffene einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit, Verstoß gegen §§ 12 Abs. 1,49 StVO, schuldig gemacht.
Der Betroffene parkte im Halteverbot. Die Fläche auf der er sein Fahrzeug abstellte, war nämlich nicht besonders gekennzeichnet. Die dort vorhandenen Parkboxen sind sämtlich rechteckig und dadurch gekennzeichnet, dass jeweils außen eine durchgehende Linie ist und an der Frontseite entweder eine durchgezogene oder eine angedeutete Linie. Bei der Fläche, auf der hier der Betroffene geparkt hat, ist eine solche Begrenzung dagegen nicht vorhanden. Die Linien, von der diese Fläche umgeben ist, sind lediglich die Begrenzungslinien der angrenzenden Parkboxen. Dies wird zum einen durch die Form der Fläche, eine Dreiecksform, sowie den Umstand, dass dieses Dreieck nicht vollständig geschlossen ist, deutlich. Der Betroffene hätte daher auf dieser Fläche nicht parken dürfen. Die Beschilderung in diesem Bereich ist ebenfalls korrekt. Das Schild 283 StVO befindet sich an der Ausfahrt des Platzes in Richtung weiterer Verlauf der Hoffnungstraße. Es ist jedoch klar und eindeutig ersichtlich, dass mit dem Halteverbot der gesamte Platz erfasst sein soll."
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde vom 9. November 2004, deren Zulassung er gleich zugleich beantragt. Er macht unter anderem geltend, dass das Fahrzeug des Betroffenen - eindeutig - in einer gekennzeichneten Fläche abgestellt worden sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
1. Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zu (§ 80 I Nr. 1, II Nr. 1 OWiG).
Die Fortbildung des Rechts besteht darin, bei der Auslegung von Rechtssätzen und der rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen und zu festigen (BGHSt, 24, 15 (21) = NJW 1971, 389; OLG Düsseldorf, VRS 85 (1994), 373; OLG Hamm, DAR 1973, 139). Nicht nur die rechtsschöpferische Schließung von Lücken, sondern auch die Auslegung von Rechtssätzen kann eine Fortbildung des Rechts sein; da das Recht die Einheit von Gesetz und Rechtsprechung darstellt, ist deren Entwicklung ein Stück der Rechtsfortbildung. Der vorliegende Fall gibt dem Senat Anlass zur Stellungnahme, ob eine zwischen Parkmarkierungen liegende "Restfläche" vom Regelungsgehalt eines Halteverbotsschildes mit dem Zusatzschild (außerhalb gekennzeichneter Flächen) erfasst wird.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils tragen nicht den Schuldspruch wegen Verstoßes gegen § 12 I Nr. 6 a) StVO; Das Amtsgericht hat den Regelungsgehalt des Zusatzschildes "außerhalb gekennzeichneter Flächen" verkannt.
Gebots- und Verbotszeichen im Straßenverkehr müssen aus sich heraus deutlich - erkennbar und ohne weiteres verständlich sein; es kann von einem Kraftfahrzeugführer nicht verlangt werden, dass er aufgrund der äußeren Umstände (Ausformung der gekennzeichneten Fläche) zusätzliche Überlegungen zum möglichen Regelungsinhalt eines Verkehrsschildes anstellt. Derartige Überlegungen würden den durchschnittlichen Kraftfahrer beim heutigen schnellen Verkehrsfluss und der zunehmenden Internationalisierung des Straßenverkehrs überfordern und überdies bei verschiedenen Kraftfahrern zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen und Reaktionen führen. Wie auch sonst bei Verbotszeichen muss der Geltungsbereich des Verbotes klar erkennbar sein (BayObLG VRS 82, 228, 229). Demgemäss ist für die Zuordnung von Zusatzschildern zu Verkehrszeichen bereits anerkannt, dass diese nur Verbindlichkeit entfalten, wenn sie klar, eindeutig und widerspruchsfrei sind (vgl. BayObLG VRS 54, 306; OLG Karlsruhe VRS 59, 378; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 39 StVO Rn. 31a, 34). Entsprechendes muss auch für Parkmarkierungen, insbesondere für eine zwischen zwei gekennzeichneten Parkflächen liegende Zwischenfläche (Restfläche) in Verbindung mit einem das Parken gestattenden Zusatzschild gelten; denn auch deren Regelungsinhalt kann von Kraftfahrzeugführern nicht schnell und zuverlässig aus anderen Umständen oder aus anderen Verkehrszeichen erschlossen werden. Es fehlt hier insoweit an der notwendigen Bestimmtheit des Begriffs der gekennzeichneten Fläche, die rechtsstaatliche Voraussetzung für die Sanktionierung einer fahrlässigen Zuwiderhandlung ist, denn auch die Restfläche zwischen im rechten Winkel angelegten Parkflächen ist ebenso wie die Parkmarkierung selbst durch Linien gekennzeichnet.
Dabei ist in der Rechtssprechung anerkannt, das auf sogenannten Restflächen neben Parkmarkierungen das Parken erlaubt ist, sofern es weder belästigt, behindert oder gefährdet (Hentschel StVO § 41 Rn. 248 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtssprechung) und auch nicht durch ein Zusatzschild verboten ist. Keine der vorgenannten das Parken verbietende Fallgruppen liegen hier vor. Feststellungen zu einer Belästigung, Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch den Betroffenen anlässlich des Parkvorganges enthält das Urteil nicht.
Das Parken war aber auch nicht durch ein Zusatzschild auf dem Standplatz des Betroffenen untersagt.
Der Regelungsgehalt des Zusatzschildes "außerhalb gekennzeichneter Flächen" geht nicht weiter als sein eindeutiger Wortlaut. Für einen durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer stellt auch die zwischen zwei Parkmarkierungen befindliche Restfläche eine gekennzeichnete Fläche, wenn auch nicht notwendig Parkfläche dar. Dies gilt umso mehr als die im Urteil beschriebenen gekennzeichneten zulässigen Parkflächen in ihrer konkreten Ausgestaltung unterschiedlich sind. Einerseits handelt es sich um Parkflächen, die vollständig mit einer weißen Linie umschlossen sind, angrenzend im Rechten Winkel wiederum um Parkflächen, die nur an den Längsseiten geschlossen und zur Einfahrt teilweise offen sind, während die hier in Rede stehende Restfläche zwischen Längs- und Stirnseite an den Seiten geschlossen und zur Einfahrt offen ist.
Selbst das von der Straßenverkehrsbehörde scheinbar gemeinte Wort "Parkfläche" anstelle von "Fläche" hätte vorliegend in Anbetracht der unterschiedlichen Kennzeichnung der vor Ort befindlichen Parkmarkierungen keinen eindeutigen Inhalt. Sofern die Straßenverkehrsbehörde ein Parken auf der Restfläche hätte untersagen wollen, wäre für jeden Verkehrsteilnehmer einleuchtend die Anbringung einer Sperrfläche (Zeichen 298), eines Halteverbotes auf dem Boden der Restfläche oder ein Kreuzen der Restfläche durch ein X angebracht und verständlich gewesen.
Demgegenüber ist es einem Kraftfahrzeugführer, der den allgemeinen Verkehrsfluss bereits durch das Suchen eines - oftmals - knappen Parkraumes beeinflusst, nicht auch noch zumutbar, sich während langsamer Fahrt bei zwei vor Ort unterschiedlichen Parkmarkierungen Klarheit darüber zu verschaffen, ob eine dritte Markierung sich als Park- oder Restfläche darstellt.
Das Amtsgericht hätte diese Unklarheiten, die in den Verantwortungsbereich der Straßenbaulastbehörde fallen, nicht zu Ungunsten des Betroffenen auslegen dürfen ( Hentschel, Straßenverkehrsrecht § 39 StVO Rn.34) ; die genannte Behörde hätte kraft Amtspflicht für einen eindeutige Sinngehalt der Verkehrszeichen Sorge tragen müssen, in dem sie die Restfläche wie vorliegend dargelegt, gekennzeichnet hätte.
Aber auch aus einem weiteren rechtlichen Gesichtspunkt heraus, trägt das Urteil nicht den Schuldspruch.
Nach den Feststellungen des Urteils ist befindet sich das Halteverbotszeichen an der Ausfahrt des Platzes in Richtung weiterer Verlauf der Hoffnungsstraße. Da es sich nach den Urteilsfeststellungen um einen Parkplatz am Ende der Hoffnungsstraße handelt, befindet sich das Halteverbotszeichen bei Einfahrt auf den Parkplatz nicht im Sichtbereich der Verkehrsteilnehmer, sondern erst bei der Ausfahrt vom Parkplatz.
Zur Wirksamkeit des Verbotes (Zeichen 283 mit einschränkender Erlaubnis) ist aber erforderlich, dass der Verkehrsteilnehmer bei Einfahrt in den Parkplatz das genannte Zeichen mit dem Zusatzzeichen unschwer sehen kann (BayObLG aa0, Hentschel Straßenverkehrsrecht StVO § 41, Rn.247 mwN)).
Das angegriffene Urteil war nach Vorstehendem aufzuheben und der Betroffene freizusprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 OWiG i.V.m. § 467 StPO.
Ende der Entscheidung
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