Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.10.2004
Aktenzeichen: 3 Ss OWi 527/04
Rechtsgebiete: BKatV


Vorschriften:

BKatV § 4
Zum Absehen vom Fahrverbot.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen M.M.

wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen das Urteil des Amtsgerichts Lübbecke vom 17.05.2004 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18. 10. 2004 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Lübbecke zurückverwiesen.

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 09.09.2004 zu der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld, der sie sich angeschlossen hat, Folgendes ausgeführt:

"I.

Das Amtsgericht Lübbecke hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 220,00 EUR festgesetzt. Es hat insoweit festgestellt, dass der Betroffene am 07.05.2003 gegen 12.49 Uhr als Führer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen xxxxxxx die Fehlenbecker Straße außerhalb der geschlossenen Ortschaft Espelklamp-Isenstedt mit einer Geschwindigkeit von mindestens 93 km/h befahren und damit die dort durch Verkehrszeichen angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h um mindestens 43 km/h überschritten hat. Von der Verhängung des Regelfahrverbotes, wie im zugrunde liegenden Bußgeldbescheid angeordnet, hat es wegen vermeintlichen Vorliegens einer Härte ganz außergewöhnlicher Art gegen Erhöhung der Geldbuße abgesehen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und frist- und formgerecht angebrachte und begründete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld wendet sich mit ihrem Rechtsmittel gegen den Rechtsfolgenausspruch und die insoweit getroffenen Feststellungen.

II.

Dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Bielefeld trete ich bei. Zur Vermeidung von Wiederholungen nehme ich zunächst auf die Ausführungen in der Rechtsmittelbegründung der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 26.05.2004 Bezug.

Ergänzend bemerke ich:

Zwar unterliegt es in erster Linie tatrichterlicher Würdigung, ob Gründe vorliegen, die ausnahmsweise Anlass geben könnten, von der Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 1 BKatV abzusehen (OLG Hamm, NZV 1997, 185; OLG Karlsruhe, VRS 1988, 476). Dem Tatrichter steht aber kein rechtlich ungebundenes freies Ermessen zu (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). § 4 BKAtV konkretisiert im Sinne der Entscheidungsnorm des § 26 a Abs. 2 StVG die Anordnungsvoraussetzungen eines Fahrverbotes nach § 25 StVG als Regelmaßnahme (vgl. BGHSt 38, 125, 132) und gewährleistet damit die Gleichbehandlung der Betroffenen, wodurch auch ein Gebot der Gerechtigkeit erfüllt wird (BGH NStZ 92, 286, 288). Der Richter muss deshalb nach übereinstimmender Rechtsprechung der Obergerichte die Grundentscheidung des Verordnungsgebers für Verkehrsverstöße der vorliegenden Art respektieren und für seine abweichende Entscheidung eine eingehende, auf Tatsachen gestützte Begründung geben. Diese darf sich insbesondere nicht in einer unkritischen Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen erschöpfen (zu vgl. z.B. OLG Hamm, 3. Senat, Beschluss vom 24.05.1998 - 3 Ss OWi 160/98 -). Der Entscheidungsspielraum des erkennenden Richters wird durch die gesetzlich niedergelegten oder von der höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Rechtsprechung herausgearbeiteten Rechtsfolgenzumessungskriterien eingeengt und unterliegt auch hinsichtlich der Angemessenheit der Rechtsfolgen in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Beschwerdegericht.

Diesen Maßstäben genügt das angefochtene Urteil nicht. Einen Ausnahmefall für ein Absehen vom Fahrverbot können zwar Härten ganz besonderer Art wie z.B. drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verlust der sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage begründen (zu vgl. OLG Hamm, VRS 90, 210). Rechtsfehlerhaft ist aber, den eher pauschal vorgetragenen Angaben des Betroffenen zu folgen, die durch das Schreiben des Steuerberaters der Firma seiner Arbeitgeberin nicht hinreichend bestätigt werden. Darin wird der Betroffene schon nicht als einziger Angestellter der Firma seiner Ehefrau bezeichnet. Auch Hinweise auf eine mögliche existenzielle Gefährdung dieser Firma sind diesem Schreiben nicht zu entnehmen. Zudem ist nicht geprüft worden, ob die Ehefrau des Betroffenen nicht selbst als Fahrerin eintreten kann.

Im Übrigen sind wirtschaftliche Nachteile durch die Einstellung eines Fahrers als selbstverschuldet in Kauf zu nehmen.

Soweit das Amtsgericht ergänzend ausgeführt hat, auch die Örtlichkeiten des Verkehrsverstoßes erforderten nicht ein Regelfahrverbot, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h ist gerade wegen einer Wohnbebauung angeordnet worden. Tatzeit war 12.49 Uhr, so dass der Betroffene auch nicht von einer völlig unbelebten Straße ausgehen durfte.

Letztlich vermag an dieser Betrachtung auch nicht die Argumentation des erkennenden Gerichts zu ändern, die Geschwindigkeitsüberschreitung liege noch am unteren Rand des Bereiches, der ein Regelfahrverbot vorsieht. Die Grenze ist überschritten. Genügende konkrete Anhaltspunkte, von diesem abzuweichen, liegen nicht vor und werden auch nicht durch den bisherigen Zeitablauf geschaffen.

Die Dauer des Verfahrens ist nicht auf evtl. Fehlverhalten der Justizbehörden zurückzuführen."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.

Ende der Entscheidung

Zurück