Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.10.2009
Aktenzeichen: 3 SsOWi 451/09
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 24a
StVG § 25
Stehen zwei Ordnungswidrigkeiten, die jeweils mit einem Fahrverbot gehandelt werden könnten, in Tatmehrheit, so in dem diese Taten gleichzeitig aburteiltenden Urteil nur auf ein Fahrverbot erkannt werden.
Tenor:

1. Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

2. Das angefochtene Urteil wird insoweit aufgehoben, dass von den zwei angeordneten dreimonatigen Fahrverboten eines entfällt.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.

3. Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung berauschender Mittel (Morphin, Kokain und Benzoylecgonin) in zwei Fällen zu Geldbußen von jeweils 750 Euro verurteilt und gegen ihn zwei Fahrverbote von jeweils drei Monaten unter Gewährung der sog. "Viermonatsfrist" verhängt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 25.09.2008 und am 28.09.2008 öffentliche Straßen mit einem PKW, wobei er unter Wirkung der o. g. berauschenden Mittel stand.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Sache war zur Fortbildung des Rechts gem. § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen. Die Frage, ob zwei in Tatmehrheit zueinander stehende Ordnungswidrigkeiten in einem Urteil (neben zwei Geldbußen auch) mit zwei (dreimonatigen) Fahrverboten geahndet werden können oder ob vielmehr in einem Urteil wegen mehrerer Taten nur auf ein einheitliches Fahrverbot erkannt werden kann, stellt eine Rechtsfrage dar, die vorliegend entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und abstraktionsfähig ist. Der Umstand, dass bereits einige Oberlandesgerichte diese Frage im letztgenannten Sinne entschieden haben, steht einer Übertragung zur Fortbildung des Rechts nicht entgegen, da diese auch dann angängig ist, wenn es erst vereinzelte obergerichtliche Entscheidungen zu der Rechtfrage gibt und die Entscheidung zur Festigung der Rechtsprechung beiträgt (vgl.: KG Berlin NZV 1992, 162; OLG Hamm NJW 1972, 1061). So verhält es sich hier. Die nachfolgend unter III. geschilderte Rechtsprechung zu der aufgezeigten Frage gilt es zu festigen, zumal bisher - soweit ersichtlich - eine Entscheidung des hiesigen Oberlandesgerichts hierzu noch nicht ergangen ist.

Bei dieser Entscheidung (Ziffer 1 des Tenors) handelt es sich um eine Entscheidung des Einzelrichters.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat auf die Sachrüge hin geringfügigen Erfolg.

1.

Die Verhängung zweier Fahrverbote von jeweils drei Monaten begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Stehen zwei Ordnungswidrigkeiten, die jeweils mit einem Fahrverbot gehandet werden könnten, in Tatmehrheit, so kann nach der bisher ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung in dem diese Ordnungswidrigkeiten gleichzeitig aburteilenden Urteil nur auf ein Fahrverbot erkannt werden (vgl.: BayObLG Beschl. v. 21.11.1995 - 1 ObOWi 595/95 - juris; OLG Brandenburg VRS 106, 212, 213; OLG Düsseldorf NZV 1998, 298; OLG Düsseldorf NZV 1998, 512, 513; Göhler-Gürtler OWiG 15. Aufl. § 20 Rdn. 6 und Göhler-Seitz a.a.O. § 66 Rdn. 24). Dies wird auf drei Argumente gestützt (OLG Brandenburg VRS 106, 212, 213):

- Parallele zum Strafrecht: Dort darf neben einer Gesamtstrafe auch nur auf ein Fahrverbot erkannt werden.

- Die Funktion des Fahrverbots als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme verlangt eine Gesamtbetrachtung aller zu ahndenden Ordnungswidrigkeiten und damit die Prüfung - und eventuelle Anordnung - nur eines Fahrverbots.

- Da das Gesetz nicht erlaubt, zwei gleichzeitig rechtskräftig gewordene Fahrverbote nacheinander zu vollstrecken, wäre es sinnlos, mehrere Fahrverbote nebeneinander anzuordnen.

Der Senat schließt sich dieser Ansicht an. Zwar vermag das Argument der Parallele zum Strafrecht wenig zu überzeugen, da dort nach den Regelungen der §§ 53 f. StGB auch eine Gesamtstrafe, also eine einheitliche Hauptsanktion, im Falle der Tatmehrheit gebildet wird, während im Ordnungswidrigkeitenrecht nach § 20 OWiG das Kumulationsprinzip gilt, so dass die beiden Sanktionssysteme insoweit gar nicht vergleichbar sind. Die weiteren Argumente der zitierten Rechtsprechung überzeugen aber. Das Fahrverbot hat Denkzettel- und Besinnungsfunktion. Wie der Rahmen von ein bis drei Monaten Dauer (§ 25 Abs. 1 StVG) zeigt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass diese Funktion in diesem Rahmen auch zu erzielen ist, ein längerfristiges Fahrverbot insoweit also nicht erforderlich ist (BayObLG a.a.O.). Grundsätzlich würden zwei in einem Erkenntnis verhängte Fahrverbote auch zeitgleich vollstreckt werden, denn sie würden beide mit der Rechtskraft der Entscheidung wirksam, was eine doppelte Anordnung sinnlos machen würde. Auch in dem Falle der Gewährung der sog. "Viermonatsfrist" (§ 25 Abs. 2a StVG) - wie hier - gilt nichts anderes. Auch hier würden die Fahrverbote mit Ablieferung des Führerscheins oder spätestens vier Monate nach Rechtskraft wirksam werden. Entsprechendes gilt gem. § 25 Abs. 5 StVG bei ausländischen Fahrerlaubnissen. Aus § 25 Abs. 2a S. 2 StVG lässt sich nichts anderes herleiten, da diese Vorschrift die Verhängung von Fahrverboten in unterschiedlichen Verfahren betrifft ("weitere Fahrverbote rechtskräftig verhängt"; i.E. auch OLG Brandenburg a.a.O.). Schließlich spricht gegen eine Kumulation von Fahrverboten auch, dass eine solche gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Der Umstand, dass dies nicht der Fall ist, während in § 20 OWiG bezüglich der Geldbußen insoweit eine ausdrückliche Regelung getroffen wurde, zeigt, dass Kumulation von Fahrverboten auch nicht möglich sein soll. Dass die Bußgeldbehörde dies alles ggf. unterlaufen könnte, indem sie für jede Ordnungswidrigkeit getrennte Bußgeldbescheide erlässt (vgl. dazu Bohnert in KK-OWiG 3. Aufl. § 20 Rdn. 7) steht dem nicht entgegen. In diesen Fällen könnte, wenn bereits ein Fahrverbot rechtskräftig verhängt war, ggf. bei der Ahndung der weiteren Ordnungswidrigkeit berücksichtigt werden, ob nicht insoweit bereits die Denkzettel- und Besinnungsfunktion durch das erste Fahrverbot erreicht wird.

Der Senat konnte das zweite Fahrverbot gem. § 79 Abs. 6 OWiG selbst in Wegfall bringen, da eine andere Entscheidung als die getroffene insoweit nicht in Betracht kam.

2.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet i. S. v. § 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 349 Abs. 2 StPO. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen aus der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft verwiesen.

Näherer Erörterung bedarf nur Folgendes:

Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Strafverfahren, dem der Besitz von Betäubungsmitteln bei den hier verfahrensgegenständlichen Taten zu Grunde lag, einer gesonderten Verfolgung und Aburteilung der vorliegenden Ordnungswidrigkeiten nicht entgegensteht. Ein Verfolgungshindernis wegen eines Verstoßes gegen das Doppelverfolgungsverbot besteht nicht. Es handelt sich um zwei sachlich-rechtliche Taten die auch grundsätzlich prozessual selbständig sind. Eine unlösbare innere Verknüpfung zweier Handlungen, die über die bloße Gleichzeitigkeit ihrer Ausführung hinausginge, liegt nicht vor, wenn der Täter mit einem Kraftfahrzeug unter Wirkung berauschender Mittel fährt und hierbei Betäubungsmittel ohne einen erkennbaren Beziehungs- bzw. Bedingungszusammenhang als Teil seines persönlichen Gewahrsams mit sich führt (BGH NStZ 2004, 694, 695; vgl. auch: Senatsbeschluss vom 14.07.2009 - 3 Ss OWi 355/09).

Die Annahme, dass der Betroffene bei den Fahrten unter der Wirkung berauschender Mittel (§ 24a StVG) stand, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die bei ihm ermittelten Konzentrationen der in der Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden Substanzen lagen (mit Ausnahme der Kokainkonzentration bei der zweiten Tat) jeweils (z. T. deutlich) über den Grenzwerten der Grenzwertkommission (vgl. dazu Hentschel/König/Dauer StVG § 24a Rdn. 21a).

Auch die Bußgeldbemessung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Da im Verkehrszentralregister bereits mehrere Entscheidungen nach §§ 316, 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. A StGB eingetragen waren, war vom Regelsatz von 750 Euro gem. Ziff. 242.2 BKatV auszugehen. Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen reichen aus und stehen der Anwendung des Regelsatzes nicht entgegen. Dem Betroffenen stehen monatlich etwa 1500 Euro, abzgl. 200 Euro Unterhaltszahlungen, zur Verfügung. Insoweit ist die Ahndung der beiden Verstöße mit dem Regelsatz von jeweils 750 Euro (wegen der Voreintragungen) ersichtlich nicht übermäßig. Der Betroffene kann die Geldbußen, auf deren Zahlung er sich mit zeitlichem Vorlauf einstellen kann, aus seinem laufenden Einkommen erbringen, ohne selbst hilfsbedürftig zu werden.

Dass der Betroffene von seiner polnischen Fahrerlaubnis - so seine unwiderlegte Einlassung - in Deutschland ohnehin keinen Gebrauch machen darf, steht einer Anordnung eines Fahrverbots nicht entgegen. Ein Fahrverbot kann auch dann angeordnet werden, wenn der Betroffene gar keine Fahrerlaubnis besitzt (vgl. Hentschel/König/Dauer a.a.O. § 25 Rdn. 11, 31), was das Amtsgericht auch zutreffend begründet hat.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO. Der geringe Teilerfolg rechtfertigt es nicht, den Betroffenen teilweise von den Kosten zu entlasten. Denn nach den Ausführungen unter II.1. ändert sich für ihn in der Sache nichts, da auch ein Fahrverbot von zweimal drei Monaten gleichzeitig zu vollstrecken und damit (wie jetzt auch) de facto ein Fahrverbot von drei Monaten gegeben gewesen wäre.

Der Senat konnte nach Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 StPO entscheiden. Die Frist wurde durch die Zustellung der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft an Rechtsanwalt E2 am 02.10.2009 in Lauf gesetzt. Rechtsanwalt E2 ist zwar nicht der vom Betroffenen gewählte Verteidiger und hat das Empfangsbekenntnis "i.V.f. RA E3" unterschrieben. Rechtsanwalt E2 hat aber auf telefonische Nachfrage des Berichterstatters erklärt, dass er insoweit vom gewählten Verteidiger unterbevollmächtigt war. Die vom Betroffenen unterschriebene Verteidigervollmacht berechtigt zur Erteilung einer Untervollmacht.

Ende der Entscheidung

Zurück