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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.12.2003
Aktenzeichen: 3 U 108/02
Rechtsgebiete: TierSG, BGB, Schweinepest-VO, ViehseuchenG, ZPO
Vorschriften:
TierSG § 9 | |
TierSG § 9 Abs. 3 | |
TierSG § 72 a Abs. 1 S. 1 | |
BGB § 823 | |
BGB § 823 Abs. 1 | |
BGB § 823 Abs. 2 | |
BGB § 823 Abs. 2 S. 1 | |
BGB § 830 Abs. 1 S. 2 | |
BGB § 831 | |
Schweinepest-VO § 1 Nr. 2 | |
Schweinepest-VO § 4 | |
Schweinepest-VO § 4 Nr. 2 | |
Schweinepest-VO § 6 Nr. 5 | |
Schweinepest-VO § 11 Abs. 1 Nr. 3 | |
Schweinepest-VO § 14 Abs. 1 | |
Schweinepest-VO § 18 Abs. 1 Nr. 5 | |
Schweinepest-VO § 19 | |
ViehseuchenG § 9 | |
ZPO § 138 Abs. 4 | |
ZPO § 156 Abs. 1 | |
ZPO § 156 Abs. 2 |
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12. März 2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn - unter Zurückweisung der Berufung im übrigen - teilweise abgeändert und neu gefaßt.
Die Klage mit dem Klageantrag zu 1) ist betreffend folgender landwirtschaftlicher Betriebe dem Grunde nach gerechtfertigt:
Nr. 1. - 32
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen zu 78 % das klagende Land und zu 22 % der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Das klagende Land macht Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht geltend wegen Entschädigungszahlungen, die es im Zusammenhang mit der Ende 1996/Anfang 1997 grassierenden Schweinepest erbracht hat.
Die Seuche nahm ihren Ausgang auf dem Hof C in E. Dieser Landwirt hatte ohne Erlaubnis und ohne diese zu erhitzen, Speiseabfälle an seine Schweine verfüttert, die er von dem inzwischen verstorbenen Entenmäster L4 bekommen hatte. Ende November/Anfang Dezember kam es auf dem Hof C zu einem massiven Schweinesterben. Vom Hof C wurden mehr als 100 tote Schweine zum Standort des Entenmästers L4 verbracht und dort vergraben. Im Dezember 1996 war es vermehrt zu Erkrankungen im Schweinebestand des Landwirts L8 gekommen, dessen Betrieb etwa 50 m von dem Hof C entfernt liegt. Der Schweinebestand des Landwirts L8 wurde zunächst von dem Tierarzt Dr. N4 betreut. Da die von Dr. N4 eingeleiteten Therapiemaßnahmen nicht zu Besserungen im erkrankten Bestand führten, wandte sich der Landwirt L8 am 23.12.1996 an den Beklagten. Auf dem Betrieb L8 waren bereits vermehrt Schweine verendet. Der Beklagte untersuchte die Tiere und öffnete zur Diagnose zwei Kadaver auf dem Betrieb. Er stellte die Diagnose: Glässer'sche Krankheit, Mycoplasmenpneunomie sowie Degenerationssyndrom. Trotz massiver Therapie durch den Beklagten und seine Mitarbeiter stellte sich keine durchgreifende Besserung ein. Bis zum 24.12.1996 waren über 20 Schweine verendet. Auch in den folgenden Tagen starben auf diesem Betrieb vermehrt Schweine. Nach einem beratenden Gespräch mit dem Tierarzt Dr. M4, veranlaßte der Beklagte am 02.01.1997 die serologische Untersuchung von 2 zu diagnostischen Zwecken getöteten Tieren, bei denen das Schweinepestvirus des Typs China I festgestellt wurde.
In der Zeit vom 24.12.1996 bis zum 02.01.1997 und zum Teil noch darüber hinaus kontaktierte der Beklagte die Betriebe C3, G3, Q, U, T3, C6 und S3. In den genannten Betrieben wurden in der Folgezeit das Schweinepestvirus festgestellt und die Bestände gekeult. Vom Betrieb U erfolgte am 07.01.1997 eine Ferkellieferung an den Betrieb L5, wo in der Folgezeit die Schweinepest ausbrach. Die Bestände dieses Betriebes und die Bestände der in der 1000 m-Umgebung gelegenen Betriebe wurden ebenfalls gekeult.
Im Zusammenhang mit dem Seuchengeschehen entschädigte das klagende Land im Kreis Paderborn insgesamt 78 Landwirte. Diese sind in der Klageschrift im einzelnen aufgeführt. Das klagende Land hat den Beklagten für die Entschädigung dieser 78 Betriebe mit einem Betrag von 5.407.905,89 DM (= 2.765.018,40 Euro) sowie auf Feststellung der Verpflichtung in bezug auf die Schadensersatzpflicht weiterer Landwirte in den Kreisen Paderborn, Soest, Gütersloh und Warendorf in Anspruch genommen. Das klagende Land hat behauptet, der Beklagte habe durch sein Verhalten zur Verbreitung der Schweinepest beigetragen. Bei sachgemäßem Vorgehen hätte der Beklagte bereits am 23.12.1996 die Verdachtsdiagnose Schweinepest erwägen müssen, da die Tiere an typischen Anzeichen, die auf Schweinepest hindeuteten gelitten hätten. Das klagende Land behauptet weiter, für weiter gekeulte Bestände in den Kreisen Paderborn, Soest, Gütersloh und Warendorf insgesamt 7,5 Millionen DM aufgewandt zu haben. Es seien die Schweine auf weiteren 102 Betrieben gekeult worden. Der Beklagte bestreitet, zur Verbreitung der Schweinepest beigetragen zu haben. Er bestreitet, nach dem 02.01.1997 andere Betriebe noch ohne Schutzkleidung besucht zu haben. Ein schuldhafter Diagnosefehler könne ihm nicht vorgeworfen werden. Die Blutuntersuchung am 02.01.1997 sei aus reiner Vorsicht erfolgt, aber nicht medizinisch indiziert gewesen. Für die Verbreitung der Schweinepest seien weitere mögliche Alternativursachen in Betracht zu ziehen. So hätten insbesondere die staatlichen Veterinäre die Hygienemaßnahmen bei den Blutprobeentnahmen nicht eingehalten. Den geltend gemachten Schaden hat er nach Grund und Höhe bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat dem Klageantrag zu 1) dem Grunde nach und dem Feststellungsantrag in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Beklagte bei der Behandlung der Schweine auf dem Betrieb L8 grob fehlerhaft gehandelt habe. Er habe den Verdacht auf Schweinepest differenzialdiagnostisch abklären müssen. Wegen dieses groben Behandlungsfehlers müsse sich der Beklagte die Keulung der 78 Betriebe und weiterer 102 Betriebe zurechnen lassen. Die mit dem groben Behandlungsfehler verbundene Beweislastumkehr gelte auch gegenüber allen Drittgeschädigten. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte und beantragt
das am 12.03.2002 verkündete Grund- und Teil-Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn (2 O 53/00) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Das klagende Land beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Parteien wiederholen, vertiefen und ergänzen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze mit ihren Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat den Beklagten angehört sowie die Zeugen C, O2, L8, U, Q, G3, T3, P, L10, C2, N, C6, C3, S3, Dr. C9, Dr. B, Dr. I2, Dr. C5, Dr. Q2, Dr. H, U2, N2, Dr. T8, X, Dr. H6 und Dr. L - uneidlich - insbesondere zum Tragen der Schutzkleidung vernommen. Der Sachverständige Prof. Dr. X3 hat sein Gutachten weiter schriftlich ergänzt und in den Senatsterminen mündlich erläutert. Insoweit wird auf die Berichterstattervermerke zu den Senatsterminen vom 15.01.2003 (Bl. 452 bis 456 d. A.), vom 21.07.2003 (Bl. 663 bis 693 d. A.) und vom 16.10.2003 (Bl. 848 bis 858 d. A.) verwiesen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist teilweise erfolgreich. Die Haftung des Beklagten besteht dem Grunde nach nicht für 78, sondern für 32 landwirtschaftliche Betriebe im Kreis Paderborn. Die Feststellungsklage ist unbegründet.
1)
Das klagende Land ist dem Grunde nach Forderungsinhaber gem. § 72 a Abs. 1 S. 1 TierSG geworden. Es hat Entschädigungen an die nachfolgend aufgeführten 32 Betriebe nach dem TierSG gewährt. Den 32 entschädigungsberechtigten Landwirten stehen Ansprüche gegen den Beklagten zu.
2)
Die Ansprüche der 32 Landwirte ergeben sich aus den §§ 823, 831 BGB und - soweit vertragliche Beziehungen zwischen den Landwirten und dem Beklagten bestanden haben - aus einer Pflichtverletzung des tierärztlichen Behandlungsvertrages.
a.
Sowohl deliktische als auch vertragliche Ansprüche haben die Landwirte C3, G3, Q, U, T3, C6 und S3. Auf den Betrieben dieser Landwirte ist der Beklagte als Tierarzt tätig geworden. Im Rahmen des Behandlungsvertrages schuldet der Tierarzt insbesondere die Einhaltung des tiermedizinischen Standards und hat dabei auch die wirtschaftlichen Interessen des Auftraggebers zu berücksichtigen (BGH NJW 1980, 1904; 1982, 1327; NJW-RR 1986, 899; OLG Celle, NJW-RR 1989, 539; OLG Stuttgart VersR 1996, 1029; Senat, OLG-Report 2000, 173; NJW-RR 2001, 1172).
Aufgrund der durch den Senat ergänzend duchgeführten Beweisaufnahme steht fest, daß der Beklagte gegenüber den zuvor genannten 7 Landwirten den tiermedizinischen Standard nicht eingehalten hat. In der Beurteilung des Behandlungsgeschehens macht sich der Senat die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. X3 zu eigen. Danach widersprach es dem tiermedizinischen Standard, daß der Beklagte ab dem 24.12.1996 keine Schutzkleidung getragen hat. Daß der Beklagte und seine Mitarbeiter, jedenfalls bis zum 02.01.1997, keine Schutzkleidung getragen haben, hat der Beklagte im Senatstermin vom 15.01.2003 selbst eingeräumt (Seite 6 des BE-Vermerks vom 15.01.2003, Bl. 454 R d. A.). Daß man bei dem Betreten landwirtschaftlicher Betriebe Schutzkleidung tragen mußte (so der Sachverständige, Seite 3 des BE-Vermerks vom 15.01.2003, Bl. 453 d. A. und Seite 2 des BE-Vermerks vom 16.10.2003, Bl. 860 d. A.) sei eine Selbstverständlichkeit. Im Falle des Ausbruchs oder des Verdachts des Ausbruchs der Schweinepest ist das Tragen von Schutzkleidung für Tierärzte in § 4 Nr. 2 der Schweinepest-Verordnung in der Fassung vom 21.10.1994 ausdrücklich vorgesehen. Den Verdacht auf Schweinepest mußte der Beklagte - differenzialdiagnostisch - ab dem 24.12.1996 haben. Er mußte allein wegen der Mortalitätsrate zwingend an Schweinepest denken (so der Sachverständige im Senatstermin vom 15.01.2003, Seite 3 des BE-Vermerks, Bl. 453 d. A.). Der in § 1 Nr. 2 der Schweinepestverordnung definierte Verdacht der Schweinepest lag hier deshalb vor, weil die klinische Untersuchung - wozu auch die Anamnese gehörte - den Ausbruch der Schweinepest befürchten ließ (so der Sachverständige im Senatstermin vom 16.10.2003, Bl. 859 d. A.).
Am 24.12.1996 nicht an Schweinepest zu denken und nicht den Amtstierarzt zu informieren, entsprach nicht (so der Sachverständige, Seite 3 des BE-Vermerks vom 15.01.2003, Bl. 453 d. A.) den Regeln guten tierärztlichen Standards. Im einzelnen haben der Beklagte und/oder seine Mitarbeiter das gebotene Tragen von Schutzkleidung - wie nachfolgend ausgeführt - unterlassen.
aa.
Den Hof C3 hat der Beklagte in der Zeit vom 24.12.1996 bis zum 02.01.1997 mindestens 2 mal (Heiligabend und Neujahr, so der Zeuge C3 im Senatstermin vom 21.07.2003, Bl. 464 d. A.) und weiter im Januar 1997 mehrfach aufgesucht. Unter Bezugnahme auf die Eintragungen im sogenannten Vormerkbuch (Ablichtungen Bl. 284 bis 296 d. A.) trägt der Beklagte auf Seite 7, 8 des Schriftsatzes vom 25.06.2002 (Bl. 279, 280 d. A.) selbst vor, am 24., 27., 29. und 30.12.1996 den Betrieb C3 aufgesucht und dort insbesondere am 30.12.1996 eine Sau (Bl. 280, 292 d. A.) behandelt zu haben. Daß er oder seine Mitarbeiter in der Zeit vom 24.12.1996 bis zum 02.01.1997 keine Schutzkleidung getragen haben, hat der Beklagte - wie bereits erwähnt - eingeräumt. Eine Erinnerung daran, daß der Beklagte eine besondere Schutzkleidung getragen habe, hat der Zeuge C3 erst für den Tag vor der Keulung, den 22.01.1997 (Seite 2 des BE-Vermerks vom 21.07.2003, Bl. 664 d. A.).
bb.
Auch den Betrieb G3 hat der Beklagte oder einer seiner Mitarbeiter ohne Schutzkleidung in der Zeit vom 24.12.1996 bis zum 02.01.1997, nämlich am 30.12.1996 aufgesucht. Daß der Beklagte Ende Dezember 1996/Anfang Januar 1997 auf seinem Betrieb war, hat der Zeuge G3 bestätigt (Seite 10 des BE-Vermerks vom 21.07.2003, Bl. 672 d. A.). Dies wird von dem Beklagten auch nicht in Abrede gestellt (Seite 11 de Schriftsatzes vom 30.03.2000, Bl. 53 d. A.). Im Schriftsatz vom 25.06.2002 hat der Beklagte unter Bezugnahme auf das Vormerkbuch (Bl. 280, 292 d. A.) eingeräumt, den Betrieb G3 am 30.12.1996 aufgesucht zu haben.
cc.
Zum Betrieb Q bestanden Kontakte am 24., 25., 28., 29., 30. und 31.12.1996 sowie im Januar und Februar 1997. Das hat der Zeuge Q im Senatstermin vom 21.07.2003 bestätigt (Bl. 666 d. A.). Dies entspricht auch seiner Mitteilung an die Polizei vom 25.02.1997 (Bl. 150 des Leitzordners). Im Schriftsatz des Beklagten vom 25.06.2002 werden diese Kontakte eingeräumt (Bl. 279, 280, 286, 287, 290, 291, 292).
dd.
Den Betrieb U haben der Beklagte und/oder seine Mitarbeiter am 27., 28. und 29.12.1996 sowie im Januar und Februar 1997 aufgesucht. Daß diese Kontakte bis Ende Dezember 1996 bestanden haben, hat der Zeuge U im Senatstermin vom 21.07.2003 (Seite 8 des BE-Vermerks vom 21.07.2003, Bl. 670 d. A.) bestätigt. Im Schriftsatz des Beklagten vom 25.06.2002 (Bl. 280, 289, 290, 291 d. A.) werden diese Kontakte eingeräumt.
ee.
Zum Hof T3 bestanden Kontakte am 28. und 30.12.1996 sowie im Januar und Februar 1997. Daß diese Kontakte erfolgt sind, läßt sich der polizeilichen Vernehmung des Zeugen T3 vom 04.03.1997 entnehmen (Bl. 167, 170, 185 des Leitzordners) und ist von dem Zeugen auch im Senatstermin vom 21.07.2003 (Bl. 668, 669 d. A.) bestätigt worden. Der Beklagte hat diese Kontakte im Schriftsatz vom 25.06.2002 (Bl. 280 d. A.) unter Bezugnahme auf das Vormerkbuch (Bl. 290, 292 d. A.) eingeräumt.
ff.
Kontakte zum Betrieb C6 bestanden am 27. und 30.12.1996 sowie am 29.01.1997. Am 27. und 30.12.1996 hat der Beklagte wider den tierärztlichen Standard, so der Sachverständige (Bl. 453, 849 d. A.) - ein Ferkel auf dem Hof C6 aufgeschnitten und dem Landwirt C6 geraten, dieses unter den Mist zu legen. Das ist der polizeilichen Vernehmung des Zeugen C6 vom 07.02.1997 (Bl. 111 bis 117 des Leitzordners) zu entnehmen und von diesem im Senatstermin am 21.07.2003 bestätigt worden (Bl. 677 bis 679 d. A.). Daß die Kontakte am 27. und 30.12.1996 bestanden haben, ist vom Beklagten im Schriftsatz vom 25.06.2002 eingeräumt worden (Bl. 280, 289, 292 d. A.).
gg.
Zum Betrieb S3 bestanden Kontakte am 30.12.1996 und im Januar 1997. Dies ergibt sich aus der polizeilichen Vernehmung des Zeugen S3 vom 03.03.1997 (Bl. 179 des Leitzordners) und ist von diesem Zeugen im Senatstermin am 21.07.2003 bestätigt worden (Bl. 667, 668 d. A.). Den Kontakt vom 30.12.1996 hat der Beklagte im Schriftsatz vom 25.06.2002 (Bl. 280, 292 d. A.) eingeräumt.
b.
Es ist davon auszugehen, daß die Infizierung mit dem Schweinepestvirus und die Tötung der Schweine auf den zuvor genannten 7 Betrieben darauf beruhen, daß der Beklagte und/oder seine Mitarbeiter diese Betriebe ohne Schutzkleidung in der Zeit vom 24.12.1996 bis zum 02.01.1997 aufgesucht haben. Der Beweis dafür, daß sich dieses Fehlverhalten nicht ursächlich ausgewirkt hat, obliegt dem Beklagten. Die Umkehr der Beweislast folgt daraus, daß der Senat das Fehlverhalten des Beklagten als einen groben tierärztlichen Behandlungsfehler wertet. Die Annahme eines groben Behandlungsfehlers führt - wie in der Humanmedizin - auch in der Tiermedizin grundsätzlich zu Beweiserleichterungen für den Tierhalter und in aller Regel zu einer Beweislastumkehr. Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, so ist es grundsätzlich Sache des Tierarztes nachzuweisen, daß die grob fehlerhafte Behandlung sich nicht kausal ausgewirkt hat, soweit dies nicht gänzlich oder äußerst unwahrscheinlich ist. Der Bundesgerichtshof sieht in der Humanmedizin die Folgen der Beweislastumkehr zu Lasten des Arztes als einen Ausgleich dafür, daß sich infolge des groben ärztlichen Versagens das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen gerade durch den Fehler besonders verbreitert oder verschoben hat (Steffen/Dreßler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl., Rdn. 515 m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Das bedeutet, daß nur ausnahmsweise ein grober Behandlungsfehler dann nicht zu einer Beweiserleichterung bzw. zu einer Beweislastumkehr führt, wenn feststeht, daß sich durch den Fehler das Risikospektrum nicht verändert hat. Diese für die Humanmedizin entwickelten Grundsätze sind im Rahmen der tierärztlichen Haftung gleichermaßen anwendbar (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 22.04.2002 - 3 U 1/01 - VersR 2003, 1139; Urteil vom 26.06.2002 - 3 U 217/01 -; OLG München NJW-RR 1989, 988, 989).
Auch hier hat sich das Risikospektrum - Ansteckung mit dem Schweinepestvirus - infolge des groben tierärztlichen Versagens des Beklagten verbreitert. Daß es sich um einen groben tierärztlichen Behandlungsfehler handelt, steht zur Überzeugung des Senats fest. Grob sind solche Behandlungsfehler, die sich als Verstöße gegen elementare Behandlungsregeln, gegen elementare Erkenntnisse der Tiermedizin darstellen, es sich demnach um Fälle handelt, die aus objektiv tierärztlicher Sicht nicht mehr verständlich sind, weil sie einem Tierarzt schlechterdinds nicht unterlaufen dürfen. Bei der Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler als grob einzuordnen ist, handelt es sich um eine durch den Senat vorzunehmende juristische Wertung. Diese wertende Entscheidung hat auf tatsächlichen Anhaltspunkten zu beruhen, die sich in der Regel aus der (tier-) medizinischen Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen ergeben (so für den Bereich der Humanmedizin BGHZ 138, 1, 6 = NJW 1998, 1780, 1781 = VersR 1998, 457, 458 m. w. N.).
Nach diesen Maßstäben liegt in dem unterlassenen Tragen der gebotenen Schutzkleidung bei den Kontakten zu den zuvor genannten 7 Höfen ein jeweils schweres Versäumnis, das aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich ist. Der Sachverständige Prof. Dr. X3 hat im Senatstermin vom 16.10.2003 dargelegt, daß ein Tierarzt, der im Schweinebereich tätig ist, die Vektoren kennen muß, die der Verbreitung dienen. Er habe die Pflicht dafür zu sorgen, daß sich die Schweinepest nicht weiter ausbreitet (Seite 2 des BE-Vermerks vom 16.10.2003, Bl. 849 d. A.). Der Sachverständige hat das Tragen von Schutzkleidung bei dem Verdacht auf Schweinepest - ab dem 24.12.1996 - als eine Selbstverständlichkeit bezeichnet. Das wisse jeder Tierarzt (Seite 3 des BE-Vermerks vom 15.01.2003, Bl. 453 d. A.). Durch den Verzicht auf die Schutzkleidung hat der Beklagte gegen elementare Verhaltensweisen und elementare Erkenntnisse der Tiermedizin verstoßen. Auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen wertet der Senat ein solches Verhalten als nicht mehr verständlich, weil es einem Tierarzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.
Die Beweislast trägt der Beklagte zudem auch deshalb, weil er es unterlassen hat, am 24.12.1996 den Amtstierarzt - zur Durchführung von serologischen Untersuchungen - zu informieren, gleichwohl aber bis zum 02.01.1997 weitere Betriebe ohne Schutzkleidung kontaktiert hat. In der Humanmedizin ist anerkannt, daß ein Verstoß gegen die Pflicht zur Erhebung und Sicherung medizinischer Befunde zu einer Umkehr der Beweislast zu Lasten des Arztes führt, falls die Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem positiven Ergebnis geführt hätte und sich dessen Verkennung als fundamental fehlerhaft darstellen müßte (vgl. nur BGH NJW 1999, 861 = VersR 1999, 231; Steffen/Dressler, Rdn. 554, 554 a, 554 b m. w. N.). Diese Grundsätze sind im Rahmen der tierärztlichen Haftung gleichermaßen anzuwenden (Senat, Urteil vom 26.06.2002 - 3 U 217/01 -). Bei behandlungsfehlerfreiem Vorgehen hätte der Beklagte den Amtstierarzt informiert. Dieser hätte - unabhängig vom Tag - den Bestand L8 noch am 24.12.1996 untersucht. Falls die differenzialdiagnostische Untersuchung am 24.12.1996 durchgeführt worden wäre, hätte man als Ergebnis Schweinepest festgestellt (so der Sachverständige, Seite 3 des BE-Vermerks vom 15.01.2003, Bl. 453 d. A.). Wenn die Schweinepest festgestellt worden wäre, dann wäre es erst recht unverständlich und grob fehlerhaft gewesen, daß Tragen von Schutzkleidung bei der Kontaktierung anderer Betriebe zu unterlassen.
Der Beklagte hat für keine der zuvor genannten Betriebe nachgewiesen, daß das unterlassene Tragen von Schutzkleidung sich nicht kausal ausgewirkt hat. Der Kausalzusammenhang zwischen dem Fehlverhalten des Beklagten und der Infizierung der Schweine auf den 7 Höfen ist auch nicht gänzlich oder äußerst unwahrscheinlich. Dies hat die erneute Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. X3 im Senatstermin vom 16.10.2003 ergeben. Für die zuvor genannten Kontakte ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, daß jedenfalls die Mitursächlichkeit des Verhaltens des Beklagten für die weitere Verbreitung - auch in Bezug auf die zuvor gesetzte Primärursache durch den Landwirt C - nicht auszuschließen ist. Die von den Amtsveterinären verwandten Schlingen machen den vom Beklagten gesetzten Ursachenzusammenhang schon deshalb nicht äußerst unwahrscheinlich, weil die Schlingen erst ab dem 02.01.1997 eingesetzt worden sind. Bis zu diesem Zeitpunkt aber hatte der Beklagte seinen Ursachenbeitrag - durch das Unterlassen der Tragen der Schutzkleidung in der Zeit vom 24.12.1996 bis zum 02.01.1997 - bereits gesetzt.
aa.
Auf dem Hof C3 kommen zwar andere Vektoren als Ursachen der Infizierung in Betracht. Von den in Betracht kommenden Vektoren bleiben ernsthaft aber nur das Verhalten der Amtstierärzte und das des Beklagten (so der Sachverständige auf Seite 4 des BE-Vermerks vom 16.10.2003, Bl. 851 d. A.). Nahezu ausgeschlossen ist der Ursachenbeitrag des Beklagten selbst dann nicht, wenn man unterstellen würde, daß die Amtsveterinäre die Schlingen nicht in dem gebotenen Umfang desinfiziert hätten. Das Fehlverhalten des Beklagten fällt auch in die Inkubationszeit. Diese beträgt zwischen 5 Tagen und 4 Wochen (so der Sachverständige, Seite 6 des BE-Vermerks vom 15.01.2003, Bl. 454 R d. A.). Dem eigenen Vorbringen des Beklagten ist zu entnehmen, daß er den Betrieb C3 u. a. am 27., 29. und 30.12.1996 aufgesucht und insbesondere am 30.12.1996 dort eine Sau behandelt hat (Bl. 280, 292 d. A.). Der Virusnachweis wurde durch 12 positive Blutproben am 22.01.1997 erbracht.
bb.
Auch bei dem Betrieb G3 erscheint ein Ursachenzusammenhang durch das Fehlverhalten nicht gänzlich unwahrscheinlich. Den Betrieb G3 hat der Beklagte u. a. am 30.12.1996 aufgesucht. Der Virusnachweis erfolgte am 23.01.1997 durch 29 positive Blutproben. Es kann sein, daß die Ursache hier durch die Amtstierärzte gesetzt worden ist. Wenn der Beklagte am 30.12.1996 nicht im Schweinestall gewesen sein und nur Kühe behandelt haben sollte (so der Beklagte, Bl. 280, 292 d. A.), dann wäre der Vektor der Amtstierärzte höher zu bewerten. Gänzlich unwahrscheinlich bliebe ein auf das Verhalten des Beklagten zurückzuführender Ursachenzusammenhang nicht, es verbliebe eine Wertigkeit von 10 % zu seinen Lasten (so der Sachverständige Seite 5 des BE-Vermerks vom 16.10.2003, Bl. 852 d. A.). Hinzu kommt, daß ein Tierarzt, der ohne Schutzkleidung auf solch einem Betrieb erscheint, den Landwirt über Schutzmaßnahmen aufklären muß, damit dieser, da er mit dem Tierarzt in Kontakt kommt, die Viren nicht selbst weiterträgt (so der Sachverständige a.a.O.).
cc.
Äußerst unwahrscheinlich erscheint der Ursachenzusammenhang auch nicht in Bezug auf den Betrieb Q. Kontakte bestanden hier am 24., 25., 28., 29., 30 und 31.12.1996. Der Virusnachweis erfolgte am 20.01.1997. Die Vielzahl der Kontakte sprechen für die hohe Wertigkeit zu Lasten des Beklagten. Daran ändert auch nichts, daß die Amtsveterinärin Dr. C5 ohne Schutzkleidung im Betrieb Q gewesen sein soll. Daß der Beklagte bis zum 31.12.1996 nur Kälber behandelt haben soll (so das Vorbringen des Beklagten, Bl. 279, 280 d. A.) wird dadurch relativiert, daß die Kälber - der Aussage des Zeugen Q folgend, Seite 5 des BE-Vermerks vom 21.07.2003, Bl. 667 d. A. - zum Teil auch im Schweinestall standen.
dd.
Die durch den Beklagten vom Hof U gesetzte Ursachenkette ich auch nicht äußerst unwahrscheinlich. Die bereits zuvor erwähnten Besuche vom 27., 28. und 29.12.1996 fallen noch in die Inkubationszeit (Virusnachweis am 25.01.1997): Dabei hat der Beklagte insbesondere am 27.12.1996 - dem eigenen Vorbringen des Beklagten folgend, Bl. 280 d. A. - dort eine Sau behandelt. Aus dem Umstand, daß am 21.01.1997 die Blutproben negativ gewesen sind, ist nicht zwingend zu entnehmen, daß am 27.12.1996 noch keine Schweinepest vorgelegen haben kann. Ein negativer Befund bei den untersuchten Tieren bedeutet nicht automatisch, daß das Virus nicht im Bestand gewesen ist. Nur ein positiver Befund ist beweisend (so der Sachverständige Prof. Dr. X3 auf Seite 3 der Stellungnahme vom 16.06.2003, Bl. 573 d. A.). Im Betrieb U seien ca. 350 Schweine gewesen. Davon seien am 21.01.1997 nur 15 untersucht worden. Es bestehe durchaus die Möglichkeit, daß von den nicht untersuchten Schweinen einige Blutproben positiv gewesen wären (so der Sachverständige im Senatstermin vom 16.10.2003, Bl. 853, 854 d. A.). Nur für den Fall, daß am 21.01.1997 alle Schweine negativ getestet worden wären, wüßte man, daß zu diesem Zeitpunkt noch keine Schweinepest im Betrieb gewesen ist. Eine Pflicht zu solch einer Befunderhebung oder Befundsicherung kann nicht bejaht werden. Es sei nicht vorgesehen, so der Sachverständige im Senatstermin vom 16.10.2003 (Bl. 857 d. A.), alle Tiere eines Bestandes serologisch zu untersuchen, auch finanziell sei das nicht machbar.
ee.
Äußerst unwahrscheinlich ist der Ursachenzusammenhang auch nicht beim Betrieb T3. Die Kontakte vom 28. (Kuh) und 30.12.1996 (kranke Ferkel, Bl. 280 d. A.) fallen auch nicht aus der Inkubationszeit heraus. Der Virusnachweis erfolgte zwar erst am 04.02.1997. Es bestand aber - aufgrund des zuvor erwähnten - durchaus die Möglichkeit, daß trotz der insbesondere am 24.01.1997 gezogenen 15 negativen Blutproben (bei einem Bestand von 250 Schweinen) die Blutproben anderer Schweine positiv gewesen wären.
ff.
Gleiches gilt in Bezug auf den Betrieb C6. Dort war der Beklagte am 27. und 30.12.1996. Der Virusnachweis erfolgte am 03.02.1997. Die 35 negativen Blutproben vom 04.01.1997 sind nicht beweisend.
gg.
Auch zum Betrieb S3, kann der durch den Beklagten gesetzte Ursachenbeitrag nicht als gering bewertet werden. Der Kontakt erfolgte u. a. am 30.12.1996. Daß der Beklagte an diesem Tag dort nur eine Kuh behandelt hat (Bl. 280, 292 d.
A.), läßt die Wertigkeit aus den bereits zum Betrieb G3 erwähnten Gründen nicht als äußerst unwahrscheinlich erscheinen. Der erste Virusnachweis erfolgte am 8.02.1997 mit einer positiven Blutprobe.
c.
Der Anspruch des Landwirts L5 folgt aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 9 TierSG (in der Fassung vom 29.01.1993 Bundesgesetzblatt I 116, geändert durch Gesetz vom 24.06.1994, Bundesgesetzblatt I 1416) und i. V. m. § 4 Nr. 2 der Schweinepestverordnung in der Fassung vom 21.10.1994. Die Schadensersatzpflicht des Beklagten besteht deshalb, weil er zweifach gegen Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 S. 1 BGB verstoßen hat, die auch den Schutz des Landwirts L5 bezwecken.
aa.
§ 9 TierSG ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, denn es soll andere vor Gefahren schützen, die ihnen speziell von Tierseuchen drohen. Daß die in § 9 TierSG geregelte Anzeigepflicht ein solches Schutzgesetz ist, hat bereits das Oberlandesgericht Schleswig für die inhaltsgleiche Regelung des damaligen § 9 Viehseuchengesetz im Jahre 1959 entschieden (SchlHA 1960, 140). Dem schließt sich der Senat an.
Auch § 4 der Schweinepestverordnung ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Unter Schutzgesetz versteht man jede Rechtsnorm, nicht nur Gesetze im staatsrechtlichen Sinn, sondern auch Verordnungen (Palandt/Thomas, BGB, 62 Aufl., § 823 Rdn. 140 m. w. N.). Durch § 4 der Schweinepestverordnung soll die Ausbreitung der Schweinepest zum Schutz anderer Schweinemäster, Schweineerzeuger unterbunden oder eingeschränkt werden. Mit der Schweinepestverordnung in der Fassung vom 21.10.1994 sind die Vorgaben der Richtlinie 80/217/EWG des Europäischen Rates in nationales Recht umgewandelt worden. Hierdurch sollten die Tierverluste und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Schäden der Schweinemäster eingedämmt werden.
bb.
Der Beklagte hat auch gegen beide Schutzgesetze verstoßen.
Er hat es unterlassen, gegenüber der zuständigen Behörde oder dem beamteten Tierarzt unverzüglich Anzeige zu machen, obwohl sich - aus den bereits erwähnten Gründen - am 24.12.1996 Erscheinungen zeigten, die den Ausbruch der Schweinepest befürchten ließen. Zur unverzüglichen Anzeige wäre er als Tierarzt gem. § 9 Abs. 3 TierSG am 24.12.1996, so der Sachverständige im Senatstermin vom 15.01.2003 (Bl. 453 d. A.), verpflichtet gewesen. Er hat den Schweinestall auf dem Betrieb U insbesondere am 27.12.1996 - entgegen § 4 Nr. 2 der Schweinepestverordnung - ohne besondere Schutzkleidung betreten und dort eine Sau behandelt. Der Beklagte tat dies, obwohl er seit dem 24.12.1996 differenzialdiagnostisch den Verdacht des Ausbruchs der Schweinepest haben mußte.
cc.
Die zuvor genannten Verstöße haben den Ausbruch der Schweinepest auf dem Hof L5 verursacht. Das steht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest. Der Senat geht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, daß der Betrieb L5 durch die Ferkellieferung vom Betrieb U infiziert worden ist. Der Sachverständige hat die Wahrscheinlichkeit dieses Ursachenzusammenhang im Senatstermin vom 16.10.2003 als sehr hoch bezeichnet (Bl. 856 d. A.). Auch wenn man der Aussage des Zeugen U folgt, daß der amtliche Veterenär bereits am 14.01.1997 auf dem Betrieb gewesen ist (Bl. 671 d. A.), so kann dieser Vektor hier deshalb keine Bedeutung haben, weil die Ferkellieferung bereits eine Woche zuvor (am 07.01.1997) erfolgt ist. Ein anderer Besuch durch die Amtsveterenäre ist zwischen dem 27.12.1996 und der Ferkellieferung am 07.01.1997 nicht erfolgt. Allein der Kontakt durch die Amtsveterenäre aber kommt hier als alternative Ursache (so der Sachverständige, Bl. 852, 856 d. A.) in Betracht. Andere von dem Beklagten behauptete Ursachen, wie Tiere, Viehhändler oder andere Personenkontakte kamen nur theoretisch in Betracht (so der Sachverständige Bl. 572, 855 d. A.). Daß die Ferkellieferung am 10. oder 21.12.1996 die Ursachen gesetzt haben soll, hat der Sachverständige für sehr unwahrscheinlich gehalten (Bl. 856 d. A.). Hinzu kommt ein weiterer vom Beklagten gesetzter Ursachenbeitrag. Der Betrieb U lag aufgrund der Sperrung vom 05.01.1997 im Sperrgebiet. Von einem Betrieb, der der Sperre oder dem Sperrbezirk unterliegt, hätten Schweine gem. §§ 6 Nr. 5, 11 Abs. 1 Nr. 3, 18 Abs. 1 Nr. 5, 19 der Schweinepestverordnung nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde verbracht werden dürfen. Wäre es bei der Sperre geblieben, dann hätte die Ferkellieferung am 07.01.1997 vom Betrieb U zum Betrieb L5 nicht erfolgen dürfen. Am 06.01.1997 ist die Sperre dann aufgehoben worden (Bl. 672, 856 d. A.). Der Grund für die Aufhebung der Sperre war zunächst ungeklärt. So hat der Zeuge U im Senatstermin vom 21.07.2003 angegeben, er wisse nicht, warum die Sperre aufgehoben worden sei (Seite 10 des BE-Vermerks, Bl. 672 d. A.). Damit schien der Zeuge den Eindruck zu erwecken, daß die Aufhebung der Sperre für ihn nicht nachvollziehbar sei und in den Verantwortungsbereich des Kreises Paderborn falle. Ob dieser Zeuge tatsächlich nicht den Grund für die Aufhebung der Sperrung gekannt hat, kann hier dahinstehen. Der Grund für die Aufhebung der Sperre lag in der (schriftlichen) Erklärung des Beklagten, daß er nicht auf den Betrieb U nach dem Kontakt zu dem Betrieb L8 gewesen sei (Bl. 847 d. A.). Im Senatstermin vom 16.10.2003 hat der Beklagte eingeräumt, eine solche Erklärung abgegeben zu haben (Bl. 857 d. A.). Aufgrund dieser unrichtigen Erklärung ist die Sperre dann am 06.01.1997 aufgehoben worden. Einen Tag später, am 07.01.1997 erfolgte die Ferkellieferung vom Betrieb U an den Betrieb L5. Ohne die unrichtige Erklärung des Beklagten wäre es nicht zur Aufhebung der Sperre und zur Ferkellieferung gekommen.
Darüber hinaus streitet hier zugunsten des klagenden Landes der Anscheinsbeweis. Die Anwendung der Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins bei der Kausalitätsfeststellung ist immer dann geboten, wenn das Schadensereignis nach allgemeiner Lebenserfahrung eine typische Folge der Pflichtverletzung darstellt. Diese Voraussetzung wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Regel bei der Verletzung von Schutzgesetzen im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB bejaht. Hat der vom Verletzten in Anspruch Genommene gegen ein Schutzgesetz verstoßen, das typischen Gefährdungsmöglichkeiten entgegenwirken soll, und ist im Zusammenhang mit dem Verstoß gerade derjenige schon eingetreten, der mit Hilfe des Schutzgesetzes verhindert werden sollte, so spricht grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß der Verstoß für den Schadenseintritt ursächlich gewesen ist (BGH NJW 1994, 945, 946 m. w. N.).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. § 9 TierSG und § 4 der Schweinepestverordnung dienen der Verhinderung und Verbreitung der Schweinepest. Hier ist es im Zusammenhang mit den Verstößen zum Ausbruch der Schweinepest auf den Höfen U und L5 gekommen. Ein Zusammenhang besteht hier bezüglich des Typs des in Rede stehenden Virus. Der Sachverständige hat ausführlich und überzeugend dargestellt, daß das Virus - entgegen der Annahme des Beklagten auf Seite 2, 3 des Schriftsatzes vom 16.04.2003 (Bl. 490, 491 d. A.) - hier nachgewiesen worden ist. Der Dokumentation sei zu entnehmen, daß das Virus in den Seuchenbetrieben nicht nur isoliert, sondern anschließend im Institut für Virologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover auch typisiert worden sei. Es sei immer dasselbe Virustyp China 2.1. identifiziert worden. Es gebe nicht den geringsten Anlaß zu bezweifeln, daß für den Seuchenzug ein und dasselbe Virus verantwortlich gewesen sei (Seite 2 der Stellungnahme des Sachverständigen vom 16.06.2002, Bl. 572 d. A.).
Es besteht auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Verstößen durch den Beklagten und dem Schadenseintritt. Die Daten des Kontakts vom 27.12.1996 zum Hof U, der Ferkellieferung am 06.01.1997 und der Nachweis des Virus am 21.01.1997 auf dem Betrieb L5 liegen im Rahmen der Inkubationszeiten.
Der Beweis des ersten Anscheins kann nur durch feststehende Tatsachen entkräftet werden, die die Möglichkeit eines anderen Geschehensverlaufs ernsthaft in Betracht kommen lassen. Solche alternativen Geschehensverläufe kommen hier nur theoretisch, nicht aber ernsthaft aus den bereits zuvor erwähnten Gründen in Betracht. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die Schweine auf dem Hof U oder auf dem Betrieb L5 insbesondere durch die Fahrten des Landwirts C in der Zeit vom 16. bis 18.12.1996 zum Betrieb L4 oder durch die Fahrt zum Standort C12 - die noch im Januar 1997 stattgefunden haben soll, so der Zeuge C, Bl. 669 d. A. - infiziert worden sein könnten. Die Betriebe U und L5 sind bei den zuvor genannten Fahrtrouten nicht tangiert worden und liegen weit entfernt von diesen Strecken, wie der Karte des Kreises Paderborns, die die Eintragungen über die Fahrtstrecken und Standorte enthält, zu entnehmen ist (Landkartenband). Der Umstand, daß der Beklagte viele Höfe kontaktiert hat, auf denen keine Schweinepest aufgetreten ist, spricht allenfalls dafür, daß er sich dort zur der Zeit hygienisch regelrecht verhalten hat (so der Sachverständige Seite 3 des BE-Vermerks vom 16.10.2003, Bl. 850 d. A.).
dd.
Den Beklagten trifft auch ein Verschulden. Er hat zumindest fahrlässig gehandelt, als er die Anzeige am 24.12.1996 unterlassen und in der Zeit zwischen dem 24.12.1996 bis zum 02.01.1997 den Betrieb U ohne besondere Schutzkleidung aufgesucht hat. Es kann davon ausgegangen werden, daß der Beklagte Kenntnis von den Vektoren und der Verbreitung gehabt hat, so der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten im Senatstermin vom 16.10.2003 (Seite 2 des BE-Vermerks, Bl. 849 d. A.).
d.
Die Ansprüche der 24 Landwirte
...
folgen ebenfalls aus §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. TierSG und i. V. m. § 4 Nr. 2 der Schweinepestverordnung. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zuvor dargelegten Ausführungen zum Betrieb L5 verwiesen. Dort ist bereits unter 2.c. aa. darauf hingewiesen worden, daß durch § 4 der Schweinepestverordnung insbesondere die wirtschaftlichen Schäden der Schweinemäster eingedämmt werden sollten, und zwar unabhängig von der Frage, ob es tatsächlich zu Tierverlusten kommt. Die Betriebe sind deshalb gekeult worden, weil sie sich im 1000 m-Radius zum Betrieb L5 befanden. Daß diese Betriebe sich im 1000 m-Radius befanden, hat der Beklagte mit Nichtwissen bestritten. Dieses Bestreiten ist gem. § 138 Abs. 4 ZPO nicht zulässig, da die Betriebe jeweils mit Orts- und Straßenbezeichnung angegeben sind und dem Beklagten die Gegend um den Hof L5 bekannt ist (Bl. 848 d. A.). Daß die Höfe im 1000 m-Radius um den Betrieb L5 liegen, läßt sich auch der weiteren Karte des Kreises Paderborn entnehmen. Dort ist in der Ortsmitte des Ortsteils C der Betrieb L5 eingezeichnet. Sämtliche zuvor genannten 24 Betriebe liegen im Ortsteil C. Der gesamte Ortsteil C liegt innerhalb des 1000 m-Radius um den Betrieb L5 herum.
Die Tötung im 1000 m-Radius erfolgt, so der Sachverständige im Senatstermin vom 16.10.2003 (Bl. 857 d. A.) zwangsweise. Gem. § 14 Abs. 1 Schweinepestverordnung kann die Behörde die Tötung von Schweinen im Sperrbezirk anordnen, wenn dies aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung, insbesondere zur schnelleren Beseitigung eines Infektionsherdes, erforderlich ist. Die vorbeugende Tötung im 1000m-Radius ist damit unmittelbare Folge des Schutzgesetzes. Anhaltspunkte dafür, daß die Behörde ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt haben könnte, bestehen nicht. Vielmehr ist diese Entscheidung schon deshalb gut nachvollziehbar, weil der Betrieb L5 in erheblicher Entfernung vom Betrieb U und den bereits infizierten Betrieben lag und als einziger Infektionsherd - wie in einer Insellage - ernsthaft in Betracht kam. Durch die Tötung der Schweine auf diesen Betrieben und in 1000 m-Umkreis konnte dieser Infektionsherd besonders schnell beseitigt werden.
3.
Dem klagenden Land stehen die zuvor genannten Schadensersatzansprüche dem Grunde nach zu. Die Höhe der Entschädigungen hat das klagende Land auch betreffend die zuvor genannten 32 Betriebe hinreichend substantiiert auf Seite 18 bis 38 der Klageschrift dargelegt. Der Grund für die Keulungen ist zudem auch im Schriftsatz vom 07.09.2003 (Bl. 802 bis 806 d. A.), und zwar unterteilt nach den Betrieben, auf denen der ESP-Ausbruch nachgewiesen worden ist (u. a. die eingangs erwähnten 8 Betriebe) und nach Betrieben, die wegen der Nähe zu den zuvor genannten Betrieben gekeult werden mußten (u. a. die zuletzt genannten 24 Betriebe).
Es ist davon auszugehen, daß in jedem der Betriebe ein entschädigungspflichtiger Schaden entstanden ist, gerade weil das Virus für alle Seuchenbetriebe typisiert worden ist (so die Stellungnahme des Sachverständigen, Bl. 572 d. A.) und damit jeweils den Grund für die Tötungsanordnungen in den 32 Betrieben bildet. Dabei muß der Schaden nicht in jedem Fall unumstößlich feststehen, es genügt, daß - wie hier - nach der Sachlage und bei einem regelmäßigen Verlauf der Dinge ein ziffernmäßig feststellbarer Schaden mit hoher Wahrscheinlichkeit in jedem der 32 genannten Betriebe eingetreten ist (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Auflage, § 304 Rdn. 2 m. w. N.; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 304 Rdn. 4 m. w. N.).
Auch die deliktischen Ansprüche sind nicht verjährt. Anhaltspunkte dafür, daß die Landwirte oder das klagende Land schon 3 Jahre vor Erhebung der Klage am 11.02.2000 Kenntnis vom Abweichen des tierärztlichen Standards durch den Beklagten gehabt haben, bestehen nicht. Wie in der Humanmedizin genügt es nicht, daß der Geschädigte einen Behandlungsfehler vermutet. Vielmehr liegt Kenntnis des Geschädigten erst dann vor, wenn er positiv weiß, daß der (Tier-) Arzt bei seiner Behandlung vom ärztlichen Standard abgewichen ist. Diese Kenntnis wird der Geschädigte nur durch ein fundiertes wissenschaftliches Gutachten erlangen (vgl. für den Bereich der Humanmedizin BGH NJW 1991, 2350; 1995, 777).
4.
Mit den weiter geltend gemachten Ansprüchen (betreffend die verbliebenen 46 Betriebe im Kreis Paderborn und betreffend die 102 Betriebe in den Kreisen Soest, Gütersloh und Warendorf) dringt das klagende Land nicht durch.
a.
Es bestehen weder vertragliche noch deliktische Ansprüche wegen der Keulungen in den folgenden Betrieben, die der Beklagte in der Zeit 23.12.1996 bis zum 31.03.1997 aufgesucht haben soll.
aa.
Der Landwirt C2 hat gegen den Beklagten weder einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB noch aufgrund einer Pflichtverletzung des tierärztlichen Behandlungsvertrages. Es steht nicht fest, daß der Beklagte hier gegen den tiermedizinischen Standard verstoßen hat.
Den in der Klageschrift mit Ziff. 6 bezeichneten Betrieb (C2) soll der Beklagte insgesamt 8 mal besucht haben, wie dies der Auflistung des klagenden Landes (Anlage K 1 zum Schriftsatz vom 31.01.2002, Bl. 212 d. A.) zu entnehmen ist. Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß der Beklagte diesen Betrieb in der Zeit vom 24.12.1996 bis zum 02.01.1997, in der er unstreitig keine Schutzkleidung getragen hat, kontaktiert hat. Ob der Beklagte oder seine Mitarbeiter den Betrieb nach dem 02.01.1997 ohne ausreichende Schutzkleidung betreten haben, läßt sich nicht sicher feststellen. Der Aussage des Zeugen C2 (Seite 12 des BE-Vermerks vom 21.07.2003, Bl. 674 d. A.) ist nicht sicher zu entnehmen, daß der Beklagte in der Zeit vom 24.12.1996 bis zum 02.01.1997 auf dem Hof gewesen ist. Nach der Anordnung des Sperrbezirks - an einem Sonntag Anfang Januar 1997 (05.01.1997) - habe man auf dem Hof besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Zwei Tage nach Anordnung des Sperrbezirks - also am 07.01.1997 - habe man u. a. eine Desinfektionswanne gehabt, die auch der Beklagte betreten habe.
Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 9 TierSG oder i. V. m. § 4 Nr. 2 der Schweinepestverordnung steht nicht fest. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 2 der Schweinepestverordnung (das unterlassene Tragen der besonderen Schutzkleidung) hat das klagende Land aus den zuvor genannten Gründen nicht bewiesen. Auch der bereits erwähnte Beweis des ersten Anscheins führt hier nicht zum Erfolg des klagenden Landes. Nach Auffassung des Senats ist der Beweis des ersten Anscheins durch feststehende Tatsachen erschüttert, die die Möglichkeit eines anderes Geschehensablaufs ernsthaft in Betracht kommen lassen. Als alternative Geschehensabläufe kommen hier die Blutprobenentnahmen durch die amtlichen Veterenäre am 10.01.1997 in Betracht. Daß am 10.01.1997 24 Blutproben gezogen worden sind, ist unstreitig. Daß die Blutprobenentnahme schon als solche als ernst zu nehmender Vektor in Betracht kommt, hat der Sachverständige nochmals im Senatstermin vom 16.10.2003 bestätigt. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier Referendare zum Einsatz kommen, die nicht die Sicherheit haben und so geübt sind, wie die erfahrenen Amtsveterenäre (Seite 5 des BE-Vermerks vom 16.10.2003, Bl. 852 d. A.). Bei Blutproben, die von Referendaren genommen werden, würde mehr Blut fließen, deshalb sei das Risiko der Infektionsausbreitung größer. Man sei jedoch, so der Sachverständige, bei solch einem Ausbruch auf die Referendare angewiesen (Bl. 852 d. A.). Daß am 10.01.1997 bereits Referendare zum Einsatz gekommen sind, ist der Aussage de Zeugen Dr. C9 zu entnehmen, wonach die Referendare am 08.01.1997 ihren Dienst angetreten haben (Seite 18 des BE-Vermerks vom 21.07.2003, Bl. 680 d. A.). Hinzu kommt, daß am 10.01.1997 eine Schlinge an einem Tag noch auf mehreren Betrieben genutzt worden sei, weil am Anfang noch weniger Schlingen zur Verfügung standen (so der Zeuge Dr. C9, Bl. 682 d. A.).
Daß die Referendare das Blut noch nicht so gut entnehmen konnten, hat auch die Zeugin Dr. C5 im Senatstermin vom 16.10.2003 bestätigt (Bl. 684 d. A.). Schließlich sind auch zur Blutentnahme Schlingen mit einem Stab eingesetzt worden (so der Zeuge Dr. C5, Bl. 684 d. A.; so der Zeuge Dr. H, Bl. 689 d. A.), der Stab habe vom eingesetzten Desinfektionsmittel Venovet nicht vollkommen bedeckt werden können. Auch der Stab der Schlinge komme, so der Sachverständige im Senatstermin vom 16.10.2003, Bl. 851 d. A., als ernst zu nehmender Vektor in Betracht.
bb.
Ansprüche der weiteren im Schriftsatz vom 07.09.2003 genannten 6 landwirtschaftlichen (Kontakt-) Betriebe (Bl. 802, 803 d. A.) T5 (Nr. 34 der Klageschrift), I4 (Nr. 37 der Klageschrift), C11 (Nr. 57 der Klageschrift), O (Nr. 59 der Klageschrift), H3 (Nr. 61 der Klageschrift) und K (Nr. 62 der Klageschrift) bestehen nicht. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte diese Betriebe in der Zeit vom 24.12.1996 bis zum 02.01.1997 aufgesucht haben soll, bestehen ebensowenig wie Hinweise dafür, daß der Beklagte und/oder seine Mitarbeiter diese Betriebe ab dem 02.01.1997 ohne besondere Schutzkleidung kontaktiert haben sollen. Im übrigen gilt das bereits zum Betrieb C2 Erwähnte.
cc.
Es bestehen auch keine Ansprüche des Landwirts H4.
Dieser Betrieb ist bisher vom klagenden Land nicht als Kontaktbetrieb, sondern nur als Nachbarschaftsbetrieb erwähnt worden. Darauf hat der Vorsitzende im Senatstermin vom 16.10.2003 hingewiesen (Bl. 854 d. A.). Die in der Tabelle auf Bl. 808 d. A. beschriebenen Kontakte (Anlage K 1 zum Schriftsatz vom 07.09.2003) können schon zum Teil nicht ursächlich geworden sein. So liegt der beschriebene Kontakt vom 12.12.1996 einige Zeit vor dem hier in Rede stehenden Zeitraum. Die weiter beschriebenen Kontakte, insbesondere vom 13.01. und 19.02.1997 passen zwar zeitlich zum Ursachenzusammenhang (so der Sachverständige, Seite 7 des BE-Vermerks vom 16.10.2003 (Bl. 854 d. A.)), es wird aber vom klagenden Land weder substantiiert behauptet, noch unter Beweis gestellt, daß der Beklagte nach dem 02.01.1997 auch insoweit auf Schutzmaßnahmen verzichtet haben soll.
dd.
Es besteht auch kein Anspruch des Landwirts N.
Der bereits zuvor erwähnten Tabelle des klagenden Landes (Bl. 808 d. A.) läßt sich nur entnehmen, daß der Betrieb N am 17.12.1996 und dann erst wieder ab dem 17.03.1997 durch den Beklagten kontaktiert worden ist. Diese Daten passen nicht, so der Sachverständige im Senatstermin vom 16.10.2003 zum Ursachenzusammenhang (Bl. 855 d. A.). Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte und/oder seine Mitarbeiter auf diesem Betrieb ab dem 17.03.1997 noch ohne Schutzkleidung waren, bestehen nicht.
ee.
Ebensowenig bestehen Ansprüche der 6 verbleibenen, im Schriftsatz vom 17.09.2003 als Kontaktbetriebe bezeichneten Landwirte Fullhorst (Nr. 41 der Klageschrift), L2 (Nr. 42 der Klageschrift), T4 (Nr. 46 der Klageschrift), O3 (Nr. 52 der Klageschrift); L6 (Nr. 71 der Klageschrift) und G2 (Nr. 74 der Klageschrift).
Eine Haftung des Beklagten kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil die Betriebe G4, L2, T4, O3 im 1000 m-Radius zum Betrieb H4 bzw. die Betriebe L6 und G2 im 1000 m-Radius zum Betrieb N gelegen haben. Da eine Haftung gegenüber den "Mittelpunkt-Betrieben" H4 und N aus den bereits erwähnten Gründen schon nicht besteht, besteht erst recht keine Haftung gegenüber den "Radius-Betrieben".
b.
Erst recht ist auch die Haftung gegenüber den 18 Landwirten zu verneinen, die "nur" im 1000 m-Radius liegen, zu denen aber der Beklagte überhaupt keinen Kontakt hatte, C4 (Nr. 47 der Klageschrift), M2 (Nr. 39 der Klageschrift), O4 (Nr. 40 der Klageschrift), M3 (Nr. 43 der Klageschrift), I5 (Nr. 45 der Klageschrift), I (Nr. 48 der Klageschrift), I6 (Nr. 49 der Klageschrift), I7 (Nr. 50 der Klageschrift), L7 (Nr. 51 der Klageschrift), X2 (Nr. 53 der Klageschrift), S (Nr. 44 der Klageschrift), T7 (Nr. 70 der Klageschrift), C10 (Nr. 72 der Klageschrift), C8 (Nr. 73 der Klageschrift), L3 (Nr. 75 der Klageschrift), S2 (Nr. 76 der Klageschrift), T6 GbR (Nr. 77 der Klageschrift) und C7 (Nr. 78 der Klageschrift).
Im Gegensatz zum bereits erwähnten Betrieb des Landwirts L5, der mit Ferkeln des Betriebes U beliefert worden ist, besteht kein Anspruch des Landwirts S (Nr. 35 der Klageschrift) gegen den Beklagten. Der Betrieb S ist zwar mit Ferkeln eines Kontaktbetriebes (T3) beliefert worden, allerdings zu unbedenklicher Zeit, nämlich am 20.12.1996 (so das Vorbringen des klagenden Landes auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 17.09.2003, Bl. 804 d. A.). Die verbliebenen 12 Landwirte aus dem Kreis Paderborn: E (Nr. 33 der Klageschrift), F (Nr. 55 der Klageschrift), I3 (Nr. 56 der Klageschrift), N3 (Nr. 58 der Klageschrift), L9 (Nr. 60 der Klageschrift), H2 (Nr. 63 der Klageschrift), T2 (Nr. 64 der Klageschrift), H5 (Nr. 65 der Klageschrift), I8 (Bl. 66 der Klageschrift), N (Nr. 67 der Klageschrift), M (Nr. 68 der Klageschrift) und G (Nr. 69 der Klageschrift) haben ebenfalls keine Ansprüche gegen den Beklagten. Kontakte des Beklagten zu diesen Höfen hat es nicht gegeben.
aa.
Der Beweis des ersten Anscheins bestreitet weder für diese 12 noch für die bereits erwähnten 34 Betriebe im Kreis Paderborn. Für den Betrieb C2 ist bereits unter 4. a. aa. ausgeführt, daß die amtlichen Veterenäre und insbesondere die eingesetzten Referendare als ernsthafte Alternativverursacher in Betracht kommen. Auch hier kommen die Amtsveterenäre als ernst zu nehmende Vektoren in Betracht, und zwar bezogen auf den Teil der 45 Betriebe, die von den Amtstierärzten zu Blutprobenentnahmen aufgesucht worden sind. Eine weitere ernsthafte Alternative besteht darin, daß diese Betriebe allein durch die - unstreitig - von dem Landwirt C gesetzt Ursache (dem primären Seuchenherd, so der Sachverständige auf Seite 2 des Gutachtens vom 16.06.2003, Bl. 572 d. A.) weiter infiziert worden sein könnten. Insoweit kommt den bereits erwähnten Vektoren - Tiere und andere Personenkontakte - eine andere Wertigkeit zu. Insbesondere die Tiere, wie z. B. Ratten kommen dann vermehrt als Vektoren in Betracht, wenn es sich um Nachbarschaftsbetriebe handelt. Dies sei (so der Sachverständige auf Seite 8 des BE-Vermerks vom 16.10.2003, Bl. 855 d. A.) auch der Grund dafür, daß in einem Radius von 1000 m die Tötungen durchgeführt werden. Solche Tiere kommen als Vektoren auch in Bezug auf die Betriebe ernsthaft in Betracht, bei denen die Amtsveterenäre und insbesondere ab dem 08.01.1997 die Referendare Blutproben entnommen haben. Insoweit kann es auch zu einem Zusammenwirken dieser Alternativursachen gekommen sein. Dies gilt insbesondere für die Zeit ab dem 20.01.1997, in der immer mehr Betriebe infiziert waren.
bb.
Die Grundsätze über die Umkehr der Beweislast kommen den weiteren 46 Betrieben auch nicht deshalb zugute, weil ein grober tierärztlicher Behandlungsfehler bei der Behandlung der Schweine auf den bereits erwähnten 7 Betrieben festgestellt worden ist. Wie in der Humanmedizin setzt auch in der Tiermedizin diese Beweislastsonderregel (vgl. OLG München, NJW RR 1989, 988, 989 m. w. N.) ein bestimmtes Verhältnis zwischen den Parteien voraus. Dieses Verhältnis hat jeweils die Behandlung eines lebenden Organismus zum Inhalt. Nur die Behandlung dieses Organismus ist grundsätzlich von dem Behandlungsverhältnis umfaßt. Anhaltspunkte dafür, daß die hier in Rede stehenden 46 Betriebe mit in das Behandlungsverhältnis, welches gegenüber den vorgenannten 7 Betrieben bestand, einbezogen worden sein könnten, bestehen nicht. Zu einer etwaigen Einbeziehung anderer Betriebe - mit der Folge der Anwendung der Beweislastsonderregel zum groben Behandlungsfehler - besteht auch nach Treu und Glauben bei der Übertragung von Infektionskrankheiten wie der Schweinepest kein Bedürfnis. Den anderen - nicht in die Behandlung einbezogenen - Betrieben kommen hinreichende Beweiserleichterungen durch die bereits erwähnten Anscheinsbeweise zugute. Eine darüber hinausgehende Beweiserleichterung für die weiteren 46 Betriebe kann nach Auffassung des Senats auch nicht aus den vom Landgericht auf Seite 11 des Urteils (Bl. 251 d. A.) zitierten Entscheidung (BGH NJW 1985, 2112 - richtig: 2411, 2412) abgeleitet werden. Ein Fall der Drittschadensliquidation, aus dem das Landgericht hier eine Beweislastumkehr schlußfolgert, liegt nicht vor. Den von der Rechtsprechung zur Drittschadensliquidation entwickelten Fallgruppen ist gemeinsam, daß der Schadensberechtigte atypischerweise keinen Schaden, der Dritte dagegen einen Schaden, aber keinen Anspruch hat (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., Vorbemerkung vor § 249 Rdn. 112 ff.). Es ist schon die Annahme fraglich, ob der schadensberechtigte L8 keinen Schaden hat. Dies kann dahinstehen, weil die 46 Landwirte - als Dritte - zwar einen in Betracht kommenden Anspruch haben, nämlich aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. den erwähnten Schutzgesetzen, mit diesem Anspruch aber deshalb nicht durchdringen, weil der Anscheinsbeweis insoweit - wie erwähnt - nicht für sie streitet. Der Anspruch der Dritten scheitert demnach nicht daran, wie in dem vom Oberlandesgericht Rostock entschiedenen Fall (NJW-RR 1988, 688), daß das Schutzgesetz nicht dem Schutz des Dritten dient.
cc.
Die Beweisschwierigkeiten betreffend die 46 Betriebe können auch nicht gem. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB überwunden werden. Es ist nicht von "mehreren Beteiligten" im Sinne des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB auszugehen. Weder der Landwirt C noch die Amtstierärzte sind Beteiligte im Sinne dieser Norm.
aa.
§ 830 Abs. 1 S. 2 BGB betrifft den Fall, daß sich nicht ermitteln läßt, wer von den Beteiligten den Schaden verursacht hat. Danach muß feststehen, daß jeder als möglicher Schädiger in Betracht kommt und für keinen von ihnen darf auszuschließen sein, daß der gesamte Schaden von ihm allein verursacht worden ist. Die in betracht kommenden Handlungen (oder Unterlassungen) bzw. die davon ausgehende Gefährdung muß allein geeignet sein, den gesamten Verletzungserfolg ohne den anderen Beitrag zu verursachen (BGH NJW 1994, 932, 934). Hier war nur die vom Landwirt C gesetzte Ursache allein geeignet, den gesamten Schaden herbeizuführen. Allein die durch den Landwirt C gesetzte Primärursache kann nicht hinweggedacht werden, ohne das der gesamte Schaden entfiele. Dagegen kann das Verhalten des Beklagten hinweggedacht werden, ohne daß damit die Infizierung der Schweine auf diesen 46 Betrieben sicher entfiele.
Es steht in Bezug auf die 46 Betriebe auch nicht sicher fest - aus den bereits erwähnten Gründen, - daß der Beklagte in die Schutzsphäre (vgl. BGH NJW 1989, 2943, 2944) dieser Betroffenen eingegriffen hat. Das könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der bereits erwähnte Anscheinsbeweis auch für die 46 Betriebe streiten würde. Dies ist aber - wie bereits erwähnt - nicht der Fall.
Dem Ursachenbeitrag des Beklagten kommt keine höhere Verletzungseignung in die Schutzphäre der Betroffenen zu wie den bereits erwähnten anderen Vektoren, wie den anderen Personenkontakten und den Tieren, Wind etc.
bb.
Auch bezüglich der Amtstierärzte ist nicht von "mehreren Beteiligten" im Sinne des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB auszugehen. Die in § 830 Abs. 1 S. 2 BGB enthaltene Beweisregel setzt voraus, daß beide eine unerlaubte Behandlung begangen haben (BGHZ 55, 86, 94 = VersR 1971, 321, 323; BGHZ 89, 383, 399 f. = VersR 1984, 359, 363 f.; OLG Düsseldorf, MDR 1985, 234; OLG Zweibrücken VersR 2002, 317, 318; Schulze, Die Haftung des Tierarztes, 1992, Seite 130).
Daß die Amtstierärzte gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen haben sollen, wird von dem klagenden Land gerade nicht behauptet, sondern ausdrücklich bestritten. Zudem geht der Senat auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht sicher davon aus, daß die Amtsveterenäre gegen den zu beachtenden Standard verstoßen haben. Die vernommenen Landwirte und Veterenäre haben durchweg die besondere Schutzkleidung bei den Blutentnahmen bestätigt. Die Amtsveterenäre haben auch glaubhaft bestätigt, daß die zum Einsatz gekommenen Schlingen im gebotenen Umfang desinfiziert worden sind. Gleichwohl können die Amtstierärzte, auch wenn eine Verletzung des tierärztlichen Standards nicht bewiesen ist, den Ausführungen des Sachverständigen folgend, als ernst zu nehmende Vektoren in Betracht kommen. Dies aber reicht nicht für eine Beteiligung im Sinne des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB.
c.
Es bestehen auch keine Ansprüche der folgenden 102 Landwirte aus den Kreisen Paderborn, Soest, Gütersloh und Warendorf:
...
Der Beklagte haftet aus den bereits erwähnten Gründen nicht für eine "allmähliche Weiterverbreitung der Seuche "(so daß Vorbringen des klagenden Landes auf Seite 5 des Schriftsaztes vom 15.09.2003, Bl. 806 d. A.).
Soweit ein konkreter Zusammenhang auf Seite 13 des Schriftsatzes des klagenden Landes vom 15.05.2000 (Bl. 58 d. A.) unter Bezugnahme auf das Schreiben des Kreises Gütersloh vom 11.01.2000 (Anlage K 6 zum zuvor genannten Schriftsatz) behauptet worden ist, gilt folgendes:
Die Ferkellieferung an den Betrieb T9 vom Betrieb T3 kann schon erfolgt sein, bevor der Beklagte dort am 28.12.1996 (vgl. 2.a.ee.) gewesen ist. Gegenteiliges ist vom klagenden Land nicht behauptet worden. Zudem ist die Schweinepestinfektion im Betrieb Sieweke ausweislich des zuvor zitierten Schreibens des Kreises Gütersloh vom 11.01.2000 nicht nachgewiesen worden.
Die Feststellungsklage ist demnach insgesamt unbegründet, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Beklagte für weitere - übergegangene - Schadensersatzansprüche der Landwirte in den Kreisen Paderborn, Soest, Gütersloh und Warendorf haften könnte.
5.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten vom 24. November 2003 gibt dem Senat weder nach § 156 Abs. 2 ZPO noch gemäß § 156 Abs. 1 ZPO Anlaß, die Verhandlung wiederzueröffnen.
6.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Das Urteil beschwert beide Parteien mit mehr als 20.000,-- Euro.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Eine solche revisionsgerichtliche Bedeutung kommt insbesondere auch nicht den in den Gründen erwähnten Beweislastfragen zu. Die vom Senat vorgenommene Beweislastverteilung entspricht den Grundsätzen, die vom Bundesgerichtshof und den Obergerichten für den Bereich der Human- und Tiermedizin entwickelt worden sind.
Ende der Entscheidung
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