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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.03.2006
Aktenzeichen: 3 U 131/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, VVG


Vorschriften:

ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 287 Abs. 1
ZPO § 540
BGB § 249
BGB § 254 Abs. 2
BGB § 254 Abs. 2 Satz 2
BGB § 280
BGB § 284
BGB § 286
BGB § 288
VVG § 67
VVG § 178 d Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 24.05.2005 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hagen - unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen - abgeändert und neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.070,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 495,22 € seit dem 09.03.2005 und aus weiteren 5.575,08 € seit dem 24.01.2006 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger unter Anrechnung der ersparten Beiträge für eine privatärztliche Zusatzversorgung sämtliche Mehrkosten zu erstatten, die diesem durch eine Chefarztbehandlung, eine stationäre Zweibettzimmerunterbringung und durch privatärztlich notwendige Untersuchungen und Behandlungen entstehen, soweit solche Mehrkosten durch eine privatärztliche Zusatzversorgung des Klägers erstattungsfähig wären und soweit die Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger übergegangen sind.

Die weitergehende Feststellungs- und Zahlungsklage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 37 % und die Beklagte 63 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 28 % und die Beklagte 72 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der am 16.11.1988 geborene, aufgrund fehlerhafter nachgeburtlicher Versorgung im Krankenhaus der Beklagten erheblich körperbehinderte Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung ihm aufgrund privatärztlicher Behandlung entstandener Kosten sowie die Feststellung, dass ihm die Beklagte zur Erstattung der durch privatärztliche Behandlung entstehenden Mehrkosten verpflichtet ist.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst gemäß § 540 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagte nicht grundsätzlich für verpflichtet gehalten, die Mehrkosten einer privatärztlichen Behandlung des Klägers auszugleichen. Vielmehr hat es eine derartige Erstattungspflicht der Beklagten nur angenommen, soweit nach den Umständen des Einzelfalles feststeht, dass das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung nur unzureichende Möglichkeiten zur Schadensbeseitigung bietet oder die Inanspruchnahme der kassenärztlichen Leistungen aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise dem Kläger nicht zumutbar sei. Diese Voraussetzung sah es bei einer Mehrzahl der von dem Kläger erstattet verlangten Rechnungen als erfüllt an.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen.

Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Ferner hat er die Klage um den Zahlungsantrag zu 6) (Zahlung weiterer 5.575,08 Euro nebst Zinsen) erweitert. Er wiederholt und vertieft seine Rechtsansicht, dass die Beklagte schon deshalb die Kosten seiner privatärztlichen Versorgung auszugleichen habe, weil sie gegenüber seinen Eltern versäumt habe, auf die Notwendigkeit eines Versicherungsabschlusses bei der privaten Krankenkasse innerhalb von zwei Monaten hinzuweisen, um einer Risikoprüfung zu entgehen. Eine Entschädigung wie ein Privatpatient sei auch deshalb geboten, weil nach seiner Behauptung eine private Zusatzversorgung dem Lebensstandard seiner Familie entspreche, zudem - unstreitig - die Kosten der privatärztlichen Behandlung von der Haftpflichtversicherung der Beklagten zunächst über mehrere Jahre ausgeglichen worden seien. Ferner vertieft er seine Behauptung, dass seine privatärztliche Versorgung angesichts seines Krankheitsbildes, welches besonderes Fachwissen, eine Behandlung durch ihm vertraute Chefärzte, den Einsatz moderner und teurer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, eine freie Arztwahl und eine regelmäßige Vereinbarung von Behandlungsterminen erfordere, medizinisch notwendig sei. Ebenso sei die Unterbringung auf einem 2-Bett-Zimmer zur Förderung seiner Genesung geboten. Mit der Klageerweiterung macht er die privatärztlichen Kosten seiner Behandlung durch Prof. Dr. I3 in L2 in Höhe von 5.575,08 € geltend und behauptet, dass die Konsultation von Prof. Dr. I3 aufgrund der Schwierigkeit der bei ihm am 21.07.2004 vorgenommenen Wirbelsäulenoperation erforderlich gewesen sei. Als Kassenpatient wäre er von diesem Arzt nicht operiert worden. Auch die übrigen schon in erster Instanz geltend gemachten materiellen Positionen hält er für erstattungsfähig. Die Leistungen von Prof. Dr. S und Prof. Dr. U, welche das Landgericht nicht als erstattungsfähig ansah, seien in unmittelbarem Zusammenhang mit der vorstationären Behandlung durch Prof. Dr. L entstanden und müssten daher in gleicher Weise wie die Behandlungskosten von Prof. Dr. L erstattet werden. Für die Zeit der Krankenhausaufenthalte stehe ihm Krankenhaustagegeld zu, weil dieses von einer privaten Zusatzversicherung bezahlt worden wäre. Die Fahrtkosten für die Fahrt zur Operation durch Prof. Dr. I3 in L2 seien ihm unter der Prämisse zuzusprechen, dass kein Übergang des Anspruchs auf Dritte erfolgt ist. Spesen seien ihm auch für den Aufenthalt in L2 zu zahlen. Gegenüber der Berufung der Beklagten verteidigt er hingegen das angefochtene Urteil.

Der Kläger beantragt,

das am 24.05.2005 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hagen teilweise abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn über die zugesprochenen 312,11 € hinaus weitere 1.668,19 €, somit insgesamt 1.980,30 €, zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (08.01.2003) zu zahlen - hilfsweise nur in dem Umfang, in dem kein Übergang auf öffentlich-rechtliche Versicherungsträger erfolgt ist,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche Mehrkosten zu erstatten, die durch eine Chefarztbehandlung und eine stationäre Zweibettzimmerunterbringung entstehen unter Anrechnung der ersparten Beiträge für die privatärztliche Zusatzversorgung und soweit die Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Versicherungsträger übergegangen sind,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm die Mehrkosten zu erstatten, die durch privatärztlich notwendige Untersuchungen und Behandlungen entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Versicherungsträger übergegangen sind,

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn über die ausgeurteilten 1.276,54 € weitere 377,00 €, somit insgesamt 1.653,54 €, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (09.03.2005) zu zahlen - hilfsweise nur in dem Umfang, in dem kein Übergang auf öffentlich-rechtliche Versicherungsträger erfolgt ist,

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche Nebenkosten (wie z.B. Fahrtkosten, Unterbringungskosten, Spesen etc.) zu erstatten, die ihm im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung auf Grund des Schadensfalles vom 18.11.1998 entstanden sind und noch entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Versicherungsträger übergegangen sind.

Ferner beantragt er klageerweiternd,

6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 5.575,08 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen,

die weitergehende Klage abzuweisen, schließlich unter Abänderung des o.g. Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt noch,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertieft zunächst ihre Rechtsansicht, dass die Feststellungsanträge des Klägers aufgrund des rechtskräftigen Feststellungsausspruches des Senats im Urteil vom 29.11.1993 im Rechtsstreit Landgericht Hagen, Aktenzeichen 18 O 413/90 = Senat, Aktenzeichen 3 U 228/92, unzulässig seien. Zudem erhalte der Kläger auch durch die kassenärztliche Versorgung die medizinisch notwendige Behandlung, ohne dass insofern ein Ausnahmefall, der eine privatärztliche Behandlung erfordere, gegeben sei.

Der Senat hat die Eltern des Klägers angehört und die Akten des Landgerichts Hagen, Aktenzeichen 18 O 413/90 = Senat, Aktenzeichen 3 U 228/92, beigezogen. Wegen der Ergebnisse der Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin zum 15.03.2006, wegen der Einzelheiten des Parteivortrages im Berufungsverfahren auf die in der Berufung gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufungen der Parteien sind zulässig. In der Sache hat die Berufung der Beklagten nur geringen Erfolg, während die Berufung des Klägers zu einem erheblichen Teil begründet ist.

1.

Die gestellten Feststellungsanträge des Klägers sind nur teilweise zulässig. Während für seine Feststellungsanträge zu Ziff. 2) und 3) ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO besteht, fehlt es für den Feststellungsantrag zu Ziff. 5). Hinsichtlich dieses Feststellungsantrages hat daher die Berufung der Beklagten (allein) Erfolg.

Das Bestehen eines Feststellungsinteresses setzt ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung seines Rechtes voraus. Dies ist der Fall, wenn dem Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass die Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., § 256 Rdn. 7 m.w.N.).

Ein derartiges Interesse des Klägers besteht hinsichtlich der Feststellungsanträge zu 2) und 3). Zwar steht bereits aufgrund des Senatsurteils vom 29.11.1993 (Aktenzeichen 3 U 228/92) fest, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm augrund der fehlerhaften Behandlung am 18.11.1988 künftig entsteht. Dies steht jedoch einem rechtlichen Interesse des Klägers an der Feststellung einer weiter konkretisierten Einstandsverpflichtung der Beklagten nicht entgegen. Denn ungeachtet des rechtskräftigen Feststellungsausspruches im Vorprozess bestreitet die Beklagte den Umfang ihrer Schadensersatzverpflichtung dahingehend, dass sie sich nicht für verpflichtet hält, dem Kläger die Mehrkosten für die privatärztliche Behandlung im stationären wie im ambulanten Bereich zu erstatten. Durch eine Bescheidung der insofern gestellten Feststellungsanträge zu 2) und 3) wird Klarheit über die strittige Verpflichtung der Beklagten im Hinblick auf genau beschriebene einzelne Schadenspositionen geschaffen, welche durch den bisherigen allgemeinen Feststellungsausspruch nicht geschaffen werden konnte (vgl. BGH, NJW 1999, S. 3774).

Diese Erwägungen treffen hingegen auf den weiter gestellten Feststellungsantrag zu 5) nicht zu. Die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Nebenkosten der medizinischen Behandlung wie etwa Fahrtkosten, Unterbringungskosten oder Spesen, zu erstatten, hängt im Rahmen des § 249 BGB davon ab, ob die vom Kläger jeweils getätigten Aufwendungen zur Schadensbeseitigung konkret erforderlich sind. Die Frage der Erforderlichkeit ist daher bei jeder Aufwendung im Einzelfall individuell zu prüfen. An dieser Prüfungsnotwendigkeit ändert sich nichts durch den nunmehr beantragten zusätzlichen Feststellungsausspruch. Das Feststellungsinteresse des Klägers geht damit nicht über den Inhalt des Feststellungsausspruches hinaus, der bereits in dem rechtskräftigen Urteil des Senats vom 29.11.1993 enthalten ist. Durch den Ausspruch der zusätzlich begehrten Feststellung würde sich die Rechtslage für ihn gegenüber der bereits durch das Senatsurteil vom 29.11.1993 geschaffenen nicht verbessern.

2.

Die Feststellungsbegehren des Klägers zu Ziff. 2) und 3) sind begründet. Der Kläger kann die uneingeschränkte Feststellung verlangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm die Mehrkosten für eine privatärztliche Behandlung im Krankenhaus und im ambulanten Bereich sowie für eine stationäre Zweibettzimmerbelegung im Krankenhaus zu ersetzen. Auf die Frage, ob nach den Umständen des Einzelfalles das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung nur unzureichende Möglichkeiten zur Schadensbeseitigung bietet oder die Inanspruchnahme der kassenärztlichen Leistungen aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise dem Kläger nicht zumutbar ist, kommt es nicht an.

Der von der Beklagten zu leistende Schadensersatz erfasst gemäß § 249 BGB auch die Zusatzkosten für privatärztliche Behandlung. Zwar tritt der Senat der Auffassung des Landgerichts bei, dass diese Verpflichtung nicht auf der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht aus dem auch zu seinen Gunsten abgeschlossenen Krankenhausaufnahmevertrag beruhen kann, nach seiner Geburt seine Eltern auf die Notwendigkeit zum Abschluss einer privaten Zusatzversorgung binnen 2 Monaten hinzuweisen, um gemäß § 178 d Abs. 1 VVG eine Gesundheitsprüfung durch die Versicherung zu vermeiden. Eine derartige Nebenpflicht des Krankenhauses besteht nicht, weil dieses medizinische Betreuung, aber keine rechtliche Beratung schuldet. Ebenso wenig ist in der Übernahme privatärztlicher Behandlungskosten in den ersten Lebensjahren des Klägers mit hinreichender Deutlichkeit ein Wille erkennbar, derartige Mehrkosten auch in Zukunft zu übernehmen. Die Verpflichtung der Beklagten beruht vielmehr auf dem allgemeinen Grundsatz des § 249 BGB, dass der Schädiger bei Verletzung eines Menschen den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen hat.

Zwar entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass ein gesetzlich Versicherter, wozu der Kläger zählt, grundsätzlich nur dann einen Anspruch auf Erstattung der Kosten privatärztlicher Behandlung hat, wenn die gesetzliche Versorgung zur Behandlung des zugefügten Schadens nicht ausreicht oder aus besonderen Gründen die Inanspruchnahme der gesetzlichen Leistung dem Geschädigten nicht zumutbar ist (vgl. etwa BGH, NJW 2004, S. 3324; Wussow/Dressler, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 52 Tz. 6). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur für gesetzlich Versicherte, bei denen anzunehmen ist, dass sie die Behandlung, wenn kein Schädiger dafür aufkommen müsste, auch nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Versicherung durchführen lassen würden. Im Falle des Klägers liegt jedoch die Besonderheit vor, dass er bzw. seine Eltern zumindest mitursächlich aufgrund des von der Beklagten zu verantwortenden Behandlungsfehlers daran gehindert wurden, in die private Kranken-Zusatzversorgung aufgenommen zu werden. Diese Entwicklung, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ohne das schädigende Ereignis eingetreten wäre, kann bei der Frage des zu leistenden Schadensersatzes nicht unberücksichtigt bleiben. Wie der Senat bereits in einem Urteil vom 17.10.1994 (Aktenzeichen 3 U 11/94, NJW 1995, S. 786) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VersR 1989, S. 54) ausgesprochen hat, muss vielmehr der Geschädigte in den Verhältnissen entschädigt werden, in denen er angetroffen wurde (Grundsatz der sog. "subjektbezogenen Schadensbetrachtung"). Daraus folgt, dass ein Geschädigter, der einen Anspruch auf privatärztliche Leistungen besitzt, diese Leistungen auch zur Schadensbeseitigung in Anspruch nehmen darf. Es ist dem Verletzten nicht zuzumuten, sich zur Entlastung des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherung in anderer kostensparender Weise behandeln zu lassen, wenn er diese Behandlung sonst nicht gewählt hätte (vgl. BGH, VersR 1970, S. 129; OLG Düsseldorf, VersR 1966, S. 194; Wussow-Dressler, a.a.O.). Für den Kläger, der nur aufgrund seiner schadensursächlichen Behinderung nicht in die private Versicherung aufgenommen wurde, gilt dies in gleicher Weise.

Vorliegend besteht kein vernünftiger Zweifel daran und ist es daher jedenfalls überwiegend wahrscheinlich im Sinne des § 287 Abs. 1 ZPO, dass der Kläger, wäre er nach seiner Geburt gesund geblieben, jedenfalls ab Juni/Juli 1990 privat zusatzversichert worden wäre. Zu diesem Zeitpunkt haben seine Eltern einen Antrag auf Aufnahme des Klägers bei der C Krankenversicherung a.G. gestellt. Dieser Antrag wurde allein aufgrund der durch den Behandlungsfehler bedingten Behinderung des Klägers abgelehnt. Sonstige Gründe zur Ablehnung des Antrages sind weder von der Beklagten vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich. Die Eltern des Klägers sind durchgängig seit 1976 bzw. 1983 privat zusatzversichert, wie sie durch Vorlage von Bescheinigungen ihrer Krankenkasse nachgewiesen haben. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass eine private Zusatz-Krankenversorgung des Klägers dem Lebensstandard der Familie nicht entsprechen würde. Vielmehr haben die Eltern trotz bestehender Ungewissheit über die Erstattung auch in der Vergangenheit für den Kläger regelmäßig privatärztliche Leistungen in Anspruch genommen und die dafür erforderlichen Kosten aus eigenen Mitteln aufgebracht.

Der Überzeugung des Senates steht das Schreiben der Mutter des Klägers vom 01.01.1989 nicht entgegen, in welchem sie einen sie behandelnden Arzt um Abrechnung seiner Leistungen bat, weil sie eine Kündigung ihrer Versicherung beabsichtige. Insofern hat der Kläger plausibel dargelegt, dass seine Mutter nicht beabsichtigt habe, endgültig aus der privaten Zusatzversicherung auszuscheiden, sie vielmehr lediglich einen Wechsel in eine andere private Krankenkasse erwogen habe. Dieser Vortrag wird durch den Umstand gestützt, dass es tatsächlich zu keinem Zeitpunkt zu einer Kündigung der privaten Krankenkasse der Mutter des Klägers gekommen ist. Auch sonstige Umstände, die Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Willens zum Abschluss einer privaten Zusatzversicherung für den Kläger wecken könnten, sind nicht vorhanden. Selbst wenn, wie die Beklagte vorgetragen hat, der Vater des Klägers für eine gewisse Zeit arbeitslos gewesen sein sollte, folgt daraus nicht zwingend, dass damit der Abschluss einer privaten Zusatzversorgung dem Lebensstandard der Familie nicht mehr entsprochen habe. Auch der Vater des Klägers hat zu keinem Zeitpunkt seine Privatversorgung gekündigt.

Kann daher der Kläger verlangen, von der Beklagten so gestellt zu werden, als wenn er eine private Krankenzusatzversorgung abgeschlossen hätte, so musste der Feststellungsantrag jedoch in zweierlei Hinsicht eingeschränkt werden. Zum einen war eine Klarstellung dahin erforderlich, dass der Kläger nur solche Mehrkosten ersetzt verlangen kann, die von einer privaten Krankenkasse auch im Rahmen der üblichen vertraglichen Gestaltung übernommen worden wären. Ferner war klarzustellen, dass nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs der Kläger die Mehrkosten der privatärztlichen Behandlung insofern nicht verlangen kann, wie er durch den unterbliebenen Abschluss der Krankenversicherung Versicherungsbeiträge erspart hat, um insofern nicht besser zu stehen, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Der Kläger hat diesen Gesichtspunkt bei seinen Berufungsanträgen nur gegenüber den Mehrkosten für die Chefarztbehandlung im Krankenhaus und die stationäre Zweibettzimmerunterbringung (Feststellungsantrag zu Ziff. 2.) berücksichtigt, nicht aber gegenüber den Mehrkosten durch (ambulante) privatärztlich notwendige Untersuchungen und Behandlungen (Antrag zu Ziff. 3).

Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Mehrkosten für die privatärztliche Behandlung wird schließlich nicht aufgrund eines Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB gemindert. Es kann bereits dahinstehen, ob überhaupt ein vorwerfbares und von dem Kläger zu vertretendes Verschulden seiner Eltern darin liegt, dass sie die Aufnahme des Klägers in die private Zusatzversorgung nicht innerhalb der Frist des § 178 d Abs. 1 VVG bei der Krankenkasse beantragten. Jedenfalls hat sich dadurch die Rechtsposition der Beklagten nicht verschlechtert. Denn in dem Fall, dass der Kläger in die private Krankenversorgung aufgenommen worden wäre, würde bei einer Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen zur Behandlung des durch die fehlerhafte Krankenhausbehandlung aufgetretenen Leidens des Klägers sein entsprechender Ersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß § 67 VVG auf die Krankenversicherung übergehen. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass dadurch ihrer Haftpflichtversicherung die Möglichkeit des Abschlusses eines Generalvergleichs mit der privaten Krankenkasse genommen wäre, ist schon mehr als zweifelhaft, ob dieser Gesichtspunkt überhaupt im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB Berücksichtigung finden kann. Im übrigen aber ist die Behauptung hinsichtlich der Umstände des angeblich möglichen Vergleichsschlusses schon nicht hinreichend substanziiert, jedenfalls aber auch deshalb unerheblich, weil nicht konkret dargelegt ist, aus welchen Gründen ein solcher Vergleichsabschluss für die Beklagte bzw. ihre Haftpflichtversicherung wirtschaftlich günstiger sein sollte. Vielmehr ist anzunehmen, dass die private Haftpflichtversicherung nur einer solchen Vergleichslösung zugestimmt hätte, bei welcher ihr zu prognostizierendes Risiko aus der Versicherung in vollem Umfang abgedeckt worden wäre.

3.

Aufgrund der Einstandspflicht der Beklagten für die Mehrkosten privatärztlicher Behandlungen sind dem Kläger folgende Rechnungen zu erstatten, hinsichtlich derer nicht zweifelhaft ist, dass es sich um Kosten handelt, die von einer privaten Krankenkasse übernommen worden wären:

1. Rechnung Prof. Dr. L vom 21.01.2002 312,11 €

2. Laborkosten Prof. Dr. S vom 11.03.2002 45,46 €

3. Rechnung Prof. Dr. U vom 28.11.2001 191,11 €

4. Rechnung Prof. Dr. L vom 11.03.2003 104,56 €

5. Rechnung Prof. Dr. L vom 18.08.2003 213,60 €

6. Rechnung Prof. Dr. N vom 23.12.2003 91,88 €

7. Rechnung Prof. Dr. N vom 30.06.2004 112,86 €

8. Rechnung Prof. Dr. I3 vom 23.06.2004 79,64 €

9. Rechnung Prof. Dr. I3 vom 30.08.2004 5.575,08 €

Gesamtsumme 6.726,30 €.

Dieser Betrag erhöht sich um den bereits vom Landgericht dem Kläger zuerkannten "sonstigen Aufwand" in Höhe von 674,-- Euro, nämlich um 200,00 € für Spesen und 474,00 € für den Hotelaufenthalt des zweiten Elternteiles in L2. Gegenüber der Zuerkennung dieser Schadenspositionen fehlt es hier bereits an einem Berufungsangriff der Beklagten. Soweit das Landgericht die Höhe der Spesen gemäß § 287 Abs. 1 ZPO geschätzt hat, besteht für den Senat keine Veranlassung, von dieser Schätzung abzuweichen.

Die übrigen vom Kläger geltend gemachten materiellen Schadenspositionen zum "sonstigen Aufwand" sind nicht gerechtfertigt. So kann er nicht die Zahlung eines Tagegeldes (1.431,62 Euro) für den Krankenhausaufenthalt im Zusammenhang mit der Operation vom 26.06.2001 verlangen. Wie der Vater des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst dargelegt hat, zahlt die Krankenkasse den geltend gemachten Betrag von 70,00 DM/Tag nur dann aus, wenn ein Versicherter bei einer stationären Krankenhausbehandlung keine Privatleistung in Anspruch nimmt. Unstreitig hat der Kläger jedoch privatärztliche Leistungen im Zusammenhang mit dem Krankenhausaufenthalt in Anspruch genommen und verlangt diese Leistungen auch von der Beklagten ersetzt.

Zu Recht hat das Landgericht auch die geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von 192,00 € für die Fahrt zur Behandlung in L2 nicht zugesprochen, weil der Kläger seine Aktivlegitimation nicht schlüssig dargelegt hat. Da der Kläger nicht ausräumen kann, dass es sich hier bereits um eine gesetzliche Krankenkassenleistung handelt, für welche die private Krankenkasse nicht aufzukommen hat, ist das Vorliegen eines eigenen Schadens nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar. Die Verurteilung zu einer Leistung vorbehaltlich eines Überganges des Anspruchs auf die gesetzliche Krankenkasse ist nicht möglich.

Von dem daher erstattungsfähigen Betrag von 7.400,30 € ist aus dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs ein Betrag von 1.330,00 € abzuziehen. Der Senat schätzt gemäß § 287 Abs. 1 ZPO, dass der Kläger in dieser Höhe Krankenkassenbeiträge insgesamt erspart hat. Da die zeitlich letzte Arztrechnung aus August 2004 resultiert, geht der Senat davon aus, dass bis zu diesem Zeitpunkt über insgesamt 190 Monate Krankenkassenbeiträge hätten entrichtet werden müssen. Die Höhe des durchschnittlichen monatlichen Krankenkassenbeitrages schätzt der Senat mit 7,00 €. Dies berücksichtigt, dass im Versicherungsantrag vom 27.06.1990 der Beitrag für die stationäre und ambulante allgemeinärztliche Versorgung beim Kläger mit 10,46 DM bemessen wurde. Unter Berücksichtigung der regelmäßigen Tariferhöhungen der Krankenkassen erschien ein Durchschnittsbetrag von 7,00 € angemessen.

Der Zahlungsanspruch des Klägers errechnet sich deshalb mit insgesamt 6.070,30 Euro.

4.

Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 284, 288 BGB (a.F.) bzw. §§ 280, 286, 288 BGB.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO war nicht geboten. Die Entscheidung des Senats betrifft einen Einzelfall, der keine grundsätzliche Bedeutung besitzt. Von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofs ist der Senat nicht abgewichen.

Das Urteil beschwert beide Parteien mit weniger als 20.000,00 €.

Ende der Entscheidung

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