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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.02.2007
Aktenzeichen: 3 U 155/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 31
BGB § 89
BGB § 278
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 291
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831
BGB § 847
ZPO § 256 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.05.2006 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 75.000, Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.02.2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 3) verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen materiellen Schaden aus der stationären Behandlung ab dem 07.08.2001 zu ersetzen, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 5 % und die Beklagten zu 95 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Der Kläger, ein am 16.10.1967 geborener gelernter Diplom-Verwaltungswirt, begehrt von den Beklagten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (Vorstellung mindestens 75.000,-- Euro), einer Schmerzensgeldrente ab Zustellung der Klage (Vorstellung mindestens 150,-- Euro monatlich) sowie die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich der materiellen Schäden aus der Behandlung vom 07. bis 31.08.2001 im Krankenhaus C, dessen Trägerin die Beklagte zu 1) ist.

Im August 2000 war der Kläger mit dem Verdacht auf einen Parotistumor in die HNO-Klinik des Universitätsklinikums N aufgenommen und dann am 07.09.2000 operiert worden (Parotidektomie mit Exstirpation einer unbekannten Struktur). In der Folgezeit wechselte der Kläger zum Krankenhaus C, da es bei der Bewertung der in N entnommenen Struktur zu Verwirrungen gekommen war. Über die C Klinik erfolgte schließlich die Bewertung des histologisch gewonnenen Materials über ein Referenzzentrum. Am 26.10.2000 erfolgte in C eine Tumorresektion. Das abschließende Ergebnis der Histologie ergab im Frühjahr des Folgejahres ein Chondrosarkom.

Während eines stationären Aufenthaltes im Mai 2001 erfolgte in C die Exstirpation der tumorösen Raumforderung. Histologisch ergab sich ein Chondrosarkom-Rezidiv.

Im Juli 2001 bestand aufgrund einer zunehmenden Schwellung erneut ein Rezidivverdacht. Ein MRT vom 26.07.2001 bestätigte diesen Verdacht und dem Kläger wurde eine schnelle Revision empfohlen. Daraufhin erfolgte im Rahmen eines stationären Aufenthaltes vom 30.07. bis 03.08.2001 ein sogenanntes abgekürztes Tumorstaging mit verschiedenen Untersuchungen zur abschließenden Festlegung der Therapie unter Einbeziehung der onkologischen Tumorkonferenz des Krankenhauses. Am Ende dieses Krankenhausaufenthaltes wurde eine Wiederaufnahme des Klägers zur Operation für den 06.08.2001 vereinbart, wobei wegen der Urlaubsabwesenheit des Beklagten zu 2), mit dem der Kläger einen Arztzusatzvertrag abgeschlossen hat, die Operation durch den Beklagten zu 3) erfolgen sollte.

Am Aufnahmetag (06.08.2001) wurde ein Computertomogramm gefertigt, das eine sich bis in die Schädelbasis ausbreitende Raumforderung erkennen ließ. Nach einem Gespräch mit dem Zeugen Dr. Dr. G2 unterzeichnete der Kläger eine Einverständniserklärung. Wegen des Inhalts dieser Erklärung wird auf Bl. 263 GA sowie die Leseabschrift zu den handschriftlichen Eintragungen Bl. 266 GA Bezug genommen.

Am 07.08.2001 erfolgte in der Zeit von ca. 9.00 bis 15.00 Uhr eine radikale Entfernung eines erneuten Rezidivs eines Chondrosarkoms Grad I durch den Beklagten zu 3), wobei es im Verlauf der Operation zu einer schwer zu stillenden Blutung im Bereich der Schädelbasis mit mehrfacher Kompression kam. Die Rückverlegung des Klägers auf die Normalstation erfolgte gegen 19.00 Uhr. In der Nacht vom 07. zum 08.08.2001 gegen 22.00 Uhr oder etwas später kam es beim Kläger zu einer motorischen Aphasie. Die behandelnden MKG-Chirurgen veranlassten ein neurologisches Konsil das gegen 1.00 Uhr erfolgte und den Verdacht auf einen embolischen Infarkt ergab.

Ein daraufhin am 08.08.2001 durchgeführtes CT zeigte eine beginnende Demarkierung einer frischen postischämischen Läsion und ein MRT vom gleichen Tage ergab einen langstreckig thrombotischen Verschluss der linken Arteria carotis interna (= Aci) mit einem zusätzlich umschriebenem embolischen Infarkt eines linksseitigen Mediastes.

In der folgenden Nacht zum 09.08.2001 kam es bei weiterhin bestehender Aphasie um ca. 3.15 Uhr zur Feststellung einer Parese der oberen und unteren Extremitäten rechts. Ein umgehend veranlasstes weiteres neurologisches Konsil um 3.45 Uhr ergab den Verdacht auf eine erneute embolische Ischämie nebst weiteren Differenzialdiagnosen.

Nachdem in der Nacht für 5.00 Uhr noch von der Nachtschwester notiert wurde "fraglich leichte Fascialisparese rechts, Mundwinkel hängt leicht", erfolgte um 8.00 Uhr ein weiteres CT, das neben der bekannten Läsion ein neues perifokales Ödem (neue Läsion) im ventralen Mediastromgebiet links zeigte. Die am 09.08.2001 von 15.00 bis 16.00 Uhr durchgeführte Angiographie ergab bei einem offenen Hauptstamm der Ace einen vollständigen Verschluss der linken Aci sowie einen zusätzlichen Verschluss der A. maxillaris sowie - entsprechend dem CT-Befund - den Verschluss mehrerer Mediaäste.

Daraufhin wurde der Kläger um 16.30 Uhr auf die neurologische Intensivstation verlegt, wo ihm niedrig dosiert Heparin iv gegeben wurde. Die Dosierung wurde bis zur Verlegung des Klägers auf die neurologische Normalstation am 16.08.2001 auf zuletzt 30000 Einheiten pro Tag erhöht. Auf der neurologischen Normalstation verblieb der Kläger bis zur Verlegung in die Reha-Klinik I2 am 31.08.2001. Nach seinem Aufenthalt in I2 bis Ende November 2001 war der Kläger ab Dezember 2001 für mehrere Wochen bis Januar 2002 zur intensiven Sprachtherapie im Klinikum B. Der Kläger ist bis heute wegen seiner Sprachbehinderung in Therapie.

Aufgrund der rechtsseitigen Hemiparese ist der rechte Arm funktionell nicht mehr einsetzbar und die Gehfähigkeit etwas behindert. Der Kläger, der früher beim Landschaftsverband tätig war, befindet sich seit September 2004 im Ruhestand.

Im Herbst 2002 ist beim Kläger wegen einer erneuten Raumforderung im Bereich des linken Unterkieferastes eine weitere radikale Tumoroperation in der MKG-Klinik des Universitätsklinikums N erfolgt. Daneben musste der Kläger u. a. wegen zweier epileptischer Anfälle im September 2002 und März 2003 stationär in Krankenhäusern behandelt werden.

Der Kläger hat die Beklagten unter Berufung auf verschiedene Behandlungsfehler bei der Operation vom 07.08.2001 und der postoperativen Versorgung bis zur Verlegung auf die neurologische Intensivstation sowie einer unzureichenden Aufklärung in Anspruch genommen. Unter Berufung auf die Angaben des Beklagten zu 3) in dessen Arztbrief vom 10.08.2001 an Prof. Dr. H, wonach "die Wahrscheinlichkeit einer Unterbindung der Arteria carotis interna nunmehr als extrem wahrscheinlich angenommen werden muss" hat der Kläger geltend gemacht, dass der Beklagte zu 3) bei der Operation fehlerhaft das falsche Blutgefäß unterbunden habe, wodurch der Infarkt verursacht worden sei. Ferner hat er die postoperativen neurologischen Kontrollen und Maßnahmen beanstandet sowie die zu späte Verlegung auf die Intensivstation; die neurologischen Defizite seien nur mit erheblicher Verzögerung erkannt und nicht ausreichend behandelt worden.

Die Beklagten haben jeglichen Behandlungsfehler in Abrede gestellt. Der eingetretene Mediainfarkt sei eine schicksalhafte Komplikation der äußerst schwierigen Operation des aggressiv wachsenden Tumors. Die unter dem 10.08.2001 geäußerte Vermutung habe der Beklagte zu 3) alsbald gegenüber der Familie des Klägers revidiert.

Der ohnehin stark vorinformierte Kläger sei auch ausreichend aufgeklärt worden, auch über die Frage eventueller Behandlungsalternativen.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines schriftlichen mund-, kiefer-, gesichtschirurgischen Gutachtens des Sachverständigen PD Dr. C und dessen mündlicher Anhörung vom 17.05.2006 durch das angefochtene Urteil abgewiesen, da der Kläger Behandlungsfehler der Beklagten nicht bewiesen habe, auch nicht im postoperativen Verlauf, ohne sich allerdings näher mit der neurologischen Behandlung zu befassen. Ferner hat das Landgericht ausgeführt, dass der Kläger auch eine fehlerhafte Aufklärung vor der Operation vom 07.08.2001 nicht bewiesen habe, da es keine Behandlungsalternative gegeben habe und er nach der Einverständniserklärung über die Größe sowie die möglichen Behandlungskomplikationen ausreichend informiert worden sei. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit der dagegen eingelegten Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seine erstinstanzlich erhobenen Vorwürfe. Bereits eine präoperativ erforderliche Carotisangiographie sei nicht erfolgt und der Beklagte zu 3) habe durch eine intraoperative Verwechselung der Blutgefäße den späteren Schlaganfall verursacht. Ferner sei die postoperative Verlaufskontrolle nicht in Ordnung gewesen, da der Infarkt zu spät erkannt und therapiert worden sei. Insbesondere sei durch das Langericht keine ausreichende Begutachtung der neurologischen Behandlung erfolgt, da sich die Angaben des Sachverständigen nur auf das Verhalten der MKG-Chirurgen beziehen würden, nicht aber auf die vor der Verlegung auf die Intensivstation erfolgten Maßnahmen der konsiliarisch tätigen Neurologen.

Außerdem beanstandet der Kläger die Behandlung des Landgerichts zur Aufklärungsfrage, da sich das Gericht nicht hinreichend mit der Risikoaufklärung befasst habe. Über das Risiko des eingetretenen Schlaganfalls sei er nicht aufgeklärt worden und im Übrigen sei auch die sonstige Aufklärung erst am Vortag der Operation nach 17.00 Uhr erfolgt. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte er zunächst die Operation nicht durchführen lassen, sondern zuvor eine weitere ärztliche Meinung eingeholt.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagten zu 1) bis 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01.02.2005 zu zahlen.

2.

Die Beklagten zu 1) bis 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn eine angemessene, monatlich zum 3. Werktag eines jeden Monats zahlbare Schmerzensgeldrente ab Klagezustellung nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

3.

Festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 3) verpflichtet sind, ihm sämtlichen materiellen Schaden aus der fehlerhaften stationären Behandlung ab dem 07.08.2001 zu ersetzen, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Die Beklagten beantragen

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen im Ergebnis die landgerichtliche Entscheidung. Neben fehlender Kausalität berufen sie sich darauf, dass kein Behandlungsfehler vor oder innerhalb der Operation gegeben sei, da eine vorherige Carotis-Angiographie nicht geboten gewesen sei, die operative Behandlung des Tumors indiziert und sachgerecht gewesen sei und die Durchführung korrekt erfolgt wäre. Insbesondere sei - entgegen einer anfänglichen Vermutung des Beklagten zu 3) - aus verschiedenen Aspekten keine Ligatur der Aci gegeben, zumal eine Verwechselung der Gefäße ohnehin quasi ausgeschlossen sei. Nach dem OP-Bericht habe der Beklagte zu 3) die Ace identifiziert und im Endbereich - wie vorgesehen - unterbunden, wobei bereits nach der zeitlichen Abfolge bei einer fehlerhaften Ligatur der Aci statt der Ace keine derartige Blutung wie nach dem OP-Bericht hätte vorliegen können.

Zur postoperativen Versorgung beruft sich die Beklagtenseite darauf, dass man im postoperativen Verlauf an alles gedacht habe und auch die Verabreichung von Heparin nicht zu spät erfolgt sei.

Eine aufklärungspflichtige Behandlungsalternative habe es im Operationszeitpunkt nicht gegeben, da die im Gutachten von Prof. I angesprochenen Überlegungen zu anderen Behandlungen erst später aufgekommen seien. Zur Risikoaufklärung beruft sich die Beklagtenseite erneut unter Hinweis auf die Darstellung des Beklagten zu 3) (Bl. 91 bis 96 GA) auf eine Aufklärung über die Risiken von Schlaganfall und sogar Tod bei der Operation in Gesprächen des Beklagten zu 3) mit dem Kläger vom 31.07. und 06.08.2001, wobei es jedoch um den Zusammenhang mit der Halswunde für den Zugang und dem möglichen Abbinden der Aci gegangen sei. Ferner stellen die Beklagten eine grundsätzliche Aufklärungsverpflichtung bezüglich des Infarktriskos in diesem Zusammenhang in Frage und vertreten die Ansicht, dass die Aufklärung von Dr. G2 bei Unterzeichnung der Einwilligungsaufklärung ausreichend gewesen sei.

Schließlich berufen sich die Beklagten im Berufungsverfahren auf eine hypothetische Einwilligung und machen ferner eine Vorinformation des Klägers aus den vorherigen Operationen geltend.

Zur Anspruchshöhe wenden die Beklagten ein, dass noch unklar sei, welche Folgen letztlich durch die Behandlung von August 2001 beim Kläger herbeigeführt worden seien, ob etwa ein Zusammenhang mit den späteren epileptischen Anfällen bestehen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die vorliegenden Behandlungsunterlagen, das Sitzungsprotokoll und den Vermerk des Berichterstatters zum Senatstermin vom 18.12.2006 über die Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 3), die zeugenschaftliche Vernehmung von Dr. Dr. G2 sowie der Eltern des Klägers und die ergänzende Anhörung des Sachverständigen PD Dr. C Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist im Wesentlichen begründet.

Wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht in Bezug auf das eingetretene Risiko eines Schlaganfalls haften die Beklagten dem Kläger aufgrund der ohne rechtfertigende Einwilligung erfolgten Operation vom 07.08.2001 gem. §§ 823 Abs. 1, 831, 31, 89 BGB i. V. m. § 847 BGB in der bis zum 31.07.2002 geltenden Fassung (Art. 229 § 8 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB). Im Hinblick auf materielle Schäden, die im Rahmen des Feststellungsausspruchs zum Tragen kommen, besteht außerdem eine vertragliche Haftung i. V. m. § 278 BGB der Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) wegen des mit ihm bestehenden Arztzusatzvertrages. In der medizinischen Bewertung der Fragen zum mund-, kiefer-, gesichtschirurgischen Sachverhalt folgt der Senat den Feststellungen des Sachverständigen PD Dr. C, der sein schriftliches Gutachten im Senatstermin ergänzend erläutert hat.

1.

Haftung wegen Behandlungsfehlers:

Nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme kann allerdings - wie nachstehend dargestellt - nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 3) oder die sonstigen Ärzte aus der Klinik für MKG-Chirurgie der Beklagten zu 1) einen Behandlungsfehler zu Lasten des Klägers bis zur Verlegung auf die neurologische Intensivstation am Nachmittag des 09.08.2001 begangen hätten.

Der Sachverständige Dr. C hat im Senatstermin - in Übereinsitmmung mit seinen früheren Angaben - nochmals nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Behandlung des Klägers durch die Ärzte der MKG-Chirurgie im Knappschaftskrankenhaus C keinen Behandlungsfehler erkennen lasse, insbesondere es die adäquate und richtige Reaktion gewesen sei, dass die chirurgischen Behandler nach Auftreten der ersten neurologischen Auffälligkeit die Spezialisten der Neurologie zur Begutachtung hinzugezogen und ihre Maßnahmen an den Therapieempfehlungen der Neurologen ausgerichtet hätten, da die Einschätzung und Beurteilung der neurologischen Parameter mehr in den Bereich der Neurologen als in den Bereich der MKG-Chirurgen falle.

Eine abschließende Beurteilung der neurologischen Behandlung hat der Sachverständige nach seinen Angaben jedoch nicht abgeben wollen, wenngleich er aus seiner Sicht als MKG-Chirurg auch keine Fehler in diesem Bereich ausmachen konnte. Seine Angaben im Protokoll des Landgerichts hätten insoweit keine gutachterliche Bewertung zu den tätigen Neurologen darstellen sollen. Vielmehr habe er mit diesen Ausführungen nur darstellen wollen, dass die Hinzuziehung der Neurologen und die organisierten Untersuchungen durch die operierenden Chirurgen aus seiner gutachterilchen Sicht die richtige und adäquate Vorgehensweise der MKG-Chirurgen dargestellt habe.

Vor diesem Hintergrund ist eine abschließende Bewertung der Frage etwaiger Behandlungsfehler zur Zeit nicht möglich, da hierzu eine zusätzliche Begutachtung der neurologischen Behandlungen durch die konsiliarisch tätigen Ärzte, für deren etwaige Fehler die Beklagte zu 1) einzustehen hätte, durch einen neurologischen Sachverständigen erforderlich wäre. Dies ist nach Auffassung des Senats jedoch aufgrund der Haftung der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflichtverletzung hier nicht erforderlich.

Zum Behandlungsbereich der MKG-Chirurgen hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass eine präoperative Carotisangiographie aus medizinischer Sicht wegen der 3 Voroperationen ohne besondere Verdachtsmomente und der mit der Maßnahme verbundenen Gefahren nicht erforderlich gewesen und die Entscheidung über eine solche Maßnahme vom Operateur zu treffen sei.

Die Operation vom 07.08.2001 sei auf jeden Fall indiziert gewesen, wobei die Maßnahme gegen ein Tumorrezidiv mit deutlichem Wachstum schon als relativ dringlich zu bezeichnen gewesen sei, wenn auch nicht als Notfall. Eine erfolgversprechende Alternative zu der Operation sei beim Beklagten nicht vorhanden gewesen. Auch unter Berücksichtigung immer wieder in der Tumortherapie vorhandener Diskussionen über die jeweiligen Behandlungsverfahren sei die radikale Operation im August 2001 Methode der Wahl gewesen.

Behandlungsfehler bei der Operationsdurchführung - insbesondere eine Gefäßverletzung durch den Beklagten zu 3) aufgrund einer Verwechselung - seien nicht feststellbar. Aufgrund der eindeutigen Identifikation der jeweiligen Blutgefäße nach dem Operationsbericht sei von einer Unterbindung der Endäste der Arteria carotis externa auszugehen, was sich auch aus der späteren Blutung und den postoperativen Untersuchungsergebnissen ergeben würde.

Der Sachverständige Dr. C stimmt dabei mit der Einschätzung von Prof. Dr. I in dessen Gutachten vom 21.01.2004 überein, wonach eine behandlungsfehlerhafte Ligatur der Aci nicht erfolgt sei. Auch der Senat folgt dieser Beurteilung.

Schließlich hat der Sachverständige Dr. C ausgeführt, dass in Bezug auf die postoperative Versorgung des Klägers durch die Ärzte der MKG-Chirurgie kein Behandlungsfehler festzustellen sei, da diese Ärzte durch die jeweils umgehende Einschaltung und Hinzuziehung der neurologischen Fachleute ordnungsgemäß und richtig gehandelt hätten.

2.

Haftung aus Aufklärungsmängeln:

Die Beklagten haften dem Kläger jedoch für alle seinen Gesundheitszustand betreffenden nachteiligen Folgen der Operation vom 07.08.2001 auf materiellen und immateriellen Schadensersatz, da der Eingriff mangels ordnungsgemäßer Aufklärung über das Risiko eines Schlaganfalls nicht durch eine wirksame Einwilligung gedeckt und damit rechtswidrig war. Weder der Beklagte zu 2) als Chefarzt der Klinik für MKG-Chirurgie noch der Beklagte zu 3) als verantwortlicher Operateur haben durch die gebotenen Maßnahmen dafür Sorge getragen, dass der Kläger vor dem schwierigen Eingriff vom 07.08.2001 ausreichend über die maßgeblichen Eingriffsrisiken aufgeklärt worden ist.

Auch wenn man davon ausgeht, dass es zu der radikalen Tumoroperation keine wirkliche Behandlungsalternative gab - und insofern ein Aufklärungsdefizit vom Landgericht zu Recht verneint worden ist -, bedurfte es gleichwohl einer vollständigen und zutreffenden Aufklärung über die Risiken des vorgesehenen Eingriffs. Hierzu gehörte bei der anstehenden Operation des Klägers auch das Risiko eines Schlaganfalls mit seinen in der Regel schwerwiegenden Auswirkungen für die weitere Lebensführung.

a)

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem Schlaganfallsrisiko vorliegend um ein aufklärungspflichtiges Eingriffsrisiko, das dem Patienten vor der Operation ausdrücklich zu benennen ist, wenngleich das Selbstbestimmungsrecht des Patienten keine Aufklärung über jedes denkbare Risiko erfordert, sondern nur eine Aufklärung im Großen und Ganzen (z. B. BGH NJW 1990, 2929; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl., Rdn. 394 m. w. N.). Allerdings ist es auch anerkannt, dass der Patient auf seltene und sogar extrem seltene Risiken hingewiesen werden muss, wenn diese Risiken, sollten sie sich verwirklichen, die Lebensführung des Patienten schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch, für den Laien aber überraschend sind.

Ob vor diesem Hintergrund bei einer Chondrosarkomoperation in der MKG-Chirurgie generell über das Risiko eines Schlaganfalls aufzuklären ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Dagegen könnte jedenfalls sprechen, dass nach den Angaben des Sachverständigen Dr. C das beim Kläger eingetretene Ereignis als außerordentlich seltenes Geschehen zu bezeichnen ist und es sich für ihn um eine Rarität handelt. Auch wurde in der Klinik der Beklagten zu 1) nach der Aussage des Zeugen Dr. G2 offenkundig das Risiko eines Schlaganfalls generell nicht für aufklärungspflichtig bei einem solchen Eingriff angesehen.

Für den vorliegenden Sachverhalt ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach den präoperativen Befunden ein ausgedehnter Eingriff bis in den Bereich der linken Schädelbasis erfolgen musste (nach der Beschreibung des CT-Befundes vom 06.08.2001 in dem Gutachten von Prof. Dr. I hatte sich die Raumforderung bis in die Schädelbais ausgebreitet), wobei im Falle von Sarkomoperationen ohnehin stets ein Sicherheitsabstand bei der Tumorentfernung einzuhalten ist.

Der Sachverständige Prof. Dr. I, dessen Ausführungen Dr. C als grundsätzlich richtig und zutreffend bezeichnet hat, hat in seinem Gutachten nachvollziehbar dargestellt, dass es beim Kläger erforderlich war, Gewebe oberhalb der tastbaren Arteria carotis aus der Region der Schädelbasis zu entnehmen. Weiter führt er aus, dass zur Stillung einer möglichen Blutung lediglich eine Kompression des Gefäßes möglich war und "eine solche Manipulation im Bereich der Halsgefäße grundsätzlich immer zur Ablösung von Plaque und damit zu einem embolischen Geschehen mit anschließendem Mediainfarkt führen kann". Ferner hat Prof. Dr. I in seinem Gutachten ausdrücklich noch darauf hingewiesen, dass in der Literatur auch Berichte zum Auftreten von Infarkten/Hemiparesen bei Chordomoperationen an der Schädelbasis existieren, ohne dass besondere Gründe erkennbar waren, wobei die Häufigkeit solcher Geschehnisse von 1,6 bis 3,3 % reichte. Bei einem Chordom handelt es sich ebenfalls um einen (selten malignen) Tumor an der Schädelbasis.

Da hier die erforderliche radikale Operation beim Kläger gerade in dem anatomisch schwierigen Gebiet der Schädelbasis erfolgen sollte und für dieses Gebiet die von Prof. I genannten Infarktrisiken zutrafen, musste der Kläger auch über das aus Sicht von Dr. C sehr seltene Risiko eines Schlaganfalls aufgeklärt werden. Es handelte sich hier um ein eingriffsspezifisches Risiko, dessen Eintritt die weitere Lebensführung in aller Regel besonders nachhaltig belastet und mit dem ein medizinischer Laie nicht rechnen musste.

b)

Die für die Eingriffsaufklärung beweispflichtigen Beklagten haben nicht bewiesen, dass der Kläger über das Infarktrisko der Operation aufgeklärt worden ist.

Die Vernehmung des Zeugen Dr. G2 zur Aufklärung im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Einveständniserklärung vom 06.08.2001 hat eine solche Aufklärung nicht ergeben. Nach den Angaben des Zeugen hat er den Kläger lediglich in Bezug auf die handschriftlich niedergelegten Punkte aufgeklärt, zu denen das Schlaganfallsrisiko gerade nicht gehörte. Dies ist auch plausibel, da aus Sicht des Zeugen - wie auch nach dem Vortrag der Beklagten - die Gefahr eines Schlaganfalls kein aufklärungspflichtiges Eingriffsrisiko darstellt.

Die Beklagten können sich auch nicht auf eine Aufklärung durch den Beklagten zu 3) berufen. Insofern kann offen bleiben, ob es als Risikoaufklärung hinreichend und ordnungsgemäß wäre, wenn der Beklagte zu 3) - wie von ihm angegeben - in dem Zusammenhang mit der Erörterung von Zugangsfragen sowie der Unterbindung von Blutgefäßen im Halsbereich die Gefahr eines anämischen Schlaganfalls und sogar die Gefahr des Todeseintrittes erörtert hätte, und zwar im Rahmen eines Vorgesprächs vom 03.08.2001.

Nach dem Ergebnis der Parteianhörung des Klägers und des Beklagten zu 3) sowie der Vernehmung der Zeugin X und unter Berücksichtigung des gesamten Prozessstoffes ist nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 3) überhaupt das Risiko eines Schlaganfalles - wenn auch in anderem Kontext - genannt hat. Der Senat sieht insofern nicht einmal einen Anbeweis oder eine gewisse Anfangswahrscheinlichkeit für diese Behauptung als feststellbar an, so dass eine Parteivernehmung des Beklagten zu 3) nicht gerechtfertigt war.

Aus dem vom Beklagten zu 3) vorgelegten "chronologischen Ablauf ..." (GA/91 ff.) ist weder unter dem 03.08.2001 noch unter dem 06.08.2001 eine Dokumentation über etwaige Risikoerörterungen oder Gespräche über schwerwiegende Gefahren zu entnehmen. Wenn über das aus Sicht der Beklagten generell nicht aufklärungsbedürftige Risiko eines Schlaganfalles in Bezug auf den bevorstehenden Eingriff ausdrücklich gesprochen worden wäre, dann ist es nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte zu 3) als Operateur nicht selbst eine solche Aufklärung angemessen dokumentiert oder nicht jedenfalls den mit der Aufklärung betrauten Arzt Dr. G2 zu einer entsprechenden Aufklärungsdokumentation im Zusammenhang mit der Einverständniserklärung veranlasst hat. Ferner bestehen auch Bedenken an der Zuverlässigkeit der generellen Erinnerung des Beklagten zu 3) an den genauen Inhalt der damaligen Gespräche, soweit es über die dokumentierten Punkte hinaus geht, da er sich nicht mehr konkret an die genauen Zeitpunkte zu erinnern vermochte.

Nach der Anhörung des Klägers, der Vernehmung des Zeugen Dr. G2 und der sehr präzisen Aussage der Zeugin X geht der Senat vielmehr davon aus, dass über ein Schlaganfallsrisiko des operativen Eingriffs konkret nicht gesprochen worden ist und der Aspekt der Unterbindung von Blutgefäßen am Hals erstmals am Montag, dem 06.08.2001, nach dem Aufklärungsgespräch mit Dr. G2 in einem späteren Gespräch mit dem Beklagten zu 3) überhaupt zur Sprache gekommen ist. Es ist ferner plausibel und glaubhaft, dass dabei - nachdem die Risikoaufklärung ohne jeglichen Hinweis auf die Gefahr eines Infarkts erfolgt war - dieser Aspekt nur am Rande angesprochen worden und auf Nachfrage nach Gefahren nur beruhigend von Routine die Rede gewesen ist.

Die Zeugin hat insofern offen angegeben, dass die angesprochene Manipulation an der Halsschlagader für sie als medizinischen Laien zunächst sehr gefährlich bis möglicherweise tödlich geklungen habe, sie allerdings dann vom Beklagten beruhigt worden sei, dass das lediglich Routine sei und man sich keine weiteren Sorgen zu machen bräuchte. Angesichts des ersichtlich vorsichtigen und auf Absicherung bedachten Verhaltens der Familie X, bei der alle wichtigen medizinischen Entscheidungen bezüglich der Erkrankung des Klägers unter Beteiligung jedenfalls der Zeugin X erfolgten, ist es glaubhaft und nachvollziehbar, dass in dem Fall, dass ernsthaft auch von Gefahren eines Schlaganfalls die Rede gewesen wäre, die Zeugin jedenfalls noch vor der Operation versucht hätte, diesen Gesichtspunkt mit anderen Ärzten näher abzuklären, etwa mit Dr. G.

c)

Gegenüber der mangelnden Aufklärung über das Schlaganfallrisiko kann sich die Beklagtenseite auch nicht auf eine Vorinformation des Klägers berufen, die eine Aufklärung entbehrlich machen könnte. Es ist schon nicht ersichtlich, dass bei dem Kläger zuvor eine konkret vergleichbare Operation im Bereich der Schädelbasis vorgenommen worden wäre, bei der eine entsprechende Aufklärung über das Infarktrisiko zu erwarten gewesen wäre. Die beiden Voroperationen von Oktober 2000 und von Mai 2001 haben außerdem ebenfalls im Knappschaftskrankenhaus C stattgefunden, so dass die Beklagten eine etwaige Voraufklärung konkret hätten darlegen können und müssen.

d)

Schließlich steht der von den Beklagten jetzt in der Berufungsinstanz erhobene Einwand der hypothetischen Einwilligung einer Haftung nicht entgegen.

Da das Landgericht auf die Frage der Risikoaufklärung im Termin nicht näher eingegangen ist und die Beteiligten hierzu nicht angehört hat, brauchten die Beklagten nicht mit einer Verurteilung durch das Landgericht aus diesem Aspekt zu rechnen und hatten keinen Anlass, vorsorglich den Einwand der hypothetischen Einwilligung zu erheben. Aus diesem Gesichtspunkt hält der Senat den Ausschluss des entsprechenden Einwandes aus Rechtsgründen nicht für berechtigt.

Die Haftung der Beklagten ist jedoch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Vornahme des Eingriffes vom 07.08.2001 ohnehin eingewilligt hätte, so dass der Verstoß gegen die Eingriffsaufklärung überhaupt nicht relevant geworden wäre. Die Feststellung einer entsprechenden hypothetischen Einwilligung ist nicht möglich und der Kläger hat - unter Mitberücksichtigung der Angaben seiner Mutter - auch plausibel dargelegt, weshalb er aus seiner Sicht bei Kenntnis der aufklärungspflichtigen Umstände zum Risiko eines Schlaganfalls vor einem Entscheidungskonflikt gestanden hätte, ob er die ihm empfohlene Operation vom 07.08.2001 gleichwohl durchführen oder ablehnen solle.

Aus den Angaben des Klägers sowie seiner Mutter ergibt sich nachvollziehbar, dass die Familie X im Hinblick auf die Erkrankung des Klägers sehr engagiert und besonders besorgt und vorsichtig war. Sie hat Kontakt zu verschiedenen Ärzten und Krankenhäusern unterhalten und sich immer um eine bestmögliche Versorgung und Behandlung bemüht. So hat die Mutter des Klägers, die wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungen des Klägers in der Krankheitsfrage hatte, noch während der Voruntersuchungen vom 30.07. bis 03.08.2001 Kontakt zu Dr. G zu Fragen der Operationsdurchführung aufgenommen. Von der Familie X wurden auch intensive Gespräche mit den Behandlern zu den Fragen der Therapiemöglichkeiten und Behandlungsdurchführung geführt. Neben dem ausführlichen Gespräch vom 03.08.2001 und dem Aufklärungsgespräch durch den Zeugen Dr. G2 erfolgte am Tag vor der Operation nochmals ein Gespräch mit dem Beklagten zu 3) als Operateur. Auch nach den Angaben des Beklagten zu 3) haben speziell die Eltern des Klägers die ihnen kritisch erscheinenden Aspekte hinterfragt und besprochen.

Bei einer solchen Einstellung ist es nicht von der Hand zu weisen, dass der Kläger und seine Familie bei ordnungsgemäßer Aufklärung über das Risiko eines Schlaganfalles und der damit eventuell verbundenen gravierenden Folgen in einen echten Entscheidungskonflikt in Bezug auf die geplante Operation geraten wären und möglicherweise weiteren Klärungsbedarf gesehen hätten. Insofern kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte zu 3) die Operation als Urlaubsvertreter von Prof. Dr. X2 machen sollte und der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 3) nicht das gleiche Vertrauen wie zu Prof. X2 hatte. Es ist deshalb nicht unplausibel, dass die Familie X bei einer Aufklärung über ein weiteres gravierendes Risiko die Frage der Dringlichkeit der Operation nochmals überdacht, u. U. weiteren fachlichen Rat eingeholt und evtl. auch ein Zuwarten auf die Rückkehr von Prof. Dr. X2 erwogen hätte.

Dem steht aus Sicht des Senats nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung auch nicht entgegen, dass es sich laut Dr. C um eine relativ dringliche Maßnahme mit einem begrenzten Zeitfenster handelte, bei der letztlich keine wirkliche Alternative zu der radikalen Tumoroperation bestand. Allein die Schwere der Tumorerkrankung und die relative Dringlichkeit der indizierten Operation sowie der Umstand, dass ein vernünftiger Patient den aus mezinischer Sicht gebotenen und letztlich alternativlosen Eingriff wohl auch bei einer Aufklärung über das vorhandene Infarktrisiko nicht abgelehnt hätte, reicht für sich zur Feststellung einer hypothetischen Einwilligung nicht aus (Steffen/Pauge, a.a.O., Rdn. 441; Müller, Macht und Grenzen ärztlichen Handelns, GesR 2004, 257, 262; Gehrlein, Neuere Rechtsprechung zur Arzt- Berufshaftung, VersR 2004, 1488, 1497).

3.

Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände hält der Senat einen Schmerzensgeld- Kapitalbetrag in Höhe von 75.000,-- Euro als Ausgleich für die vom Kläger erlittenen immateriellen Schäden für angemessen und erforderlich, aber auch für ausreichend. Bei der Bemessung hat der Senat insbesondere darauf abgestellt, dass der Kläger eine armbetonte rechtsseitige Hemiparese mit einer zum weitgehenden Funktionsverlust führenden dauerhaften Schädigung des rechten Armes erlitten hat. Daneben besteht noch eine Gehbehinderung, die allerdings inzwischen nicht mehr ganz so schwerwiegend ist. Weitere Fortschritte in Bezug auf die jetzt noch vorhandenen Einschränkungen der rechten Extremitäten sind aber nicht mehr zu erwarten.

Neben der damit verbundenen Behinderung in der gesamten Lebensführung und im beruflichen Bereich des bei der Operation erst knapp 34 Jahre alten Klägers wiegt besonders schwer die bei ihm durch das Infarktgeschehen eingetretene und trotz mehrjähriger Sprachtherapie immer noch gravierende Sprachbehinderung, die den Kläger in nachvollziehbarer Weise besonders stark und nachhaltig belastet und einschränkt. Hiervon hat der Senat im Termin einen unmittelbaren Eindruck erhalten, da sich die erhebliche negative Auswirkung in der Kommunikationsmöglichkeit des Klägers deutlich offenbarte. Mit diesen beiden gesundheitlichen Schäden sind beim Kläger nachteilige Auswirkungen im beruflichen Bereich sowie in der privaten Lebensführung vebunden. Ob und ggfls. wann und in welchem Bereich der seit September 2004 im Ruhestand befindliche Kläger wieder arbeiten kann, ist derzeit offen. Diese Ungewissheit über die weitere Lebensgestaltung stellt - unabhängig vom materiellen Erwerbsschaden - eine deutliche Belastung dar.

Darüber hinaus sind die erheblichen Zeiten zu bedenken, die der Kläger seit der Operation für Rehabilitationsmaßnahmen und Sprachtherapien aufgewandt hat. Im Rahmen der abschließenden Gesamtabwägung hat der Senat aber auch die aus den mehrfachen Operationen der Chondrosarkome resultierenden Auswirkungen in Rechnung gestellt, für die die Beklagten nicht verantwortlich sind. Den beiden bislang aufgetretenen epileptischen Anfällen, die jeweils im Zusammenhang mit besonderen Medikationen eingetreten sind und deren kausale Zuordnung zu der Operation vom 07.08.2001 nach Aussage des Sachverständigen eher nicht gegeben ist, hat der Senat hingegen für die Bemessung des Schmerzensgeldes keine Bedeutung beigemessen. Selbst im Falle eines kausalen Zusammenhangs würde sich hieraus keine Erhöhung des zuerkannten Betrages ergeben.

4.

Neben dem Schmerzensgeld- Kapitalbetrag war dem Kläger nicht noch eine Schmerzensgeldrente zuzuerkennen. Das Schmerzensgeld ist im Normalfall als Kapitalbetrag zuzusprechen, mit dem der angemessene Ausgleich der erlittenen Nachteile hergestellt wird. Die Zuerkennung einer zusätzlichen Schmerzensgeldrente kommt daneben nur in Ausnahmefällen bei schwersten Dauerschäden in Betracht. Ein derartiger Sonderfall ist hier nicht gegeben.

Die Berufung ist in diesem Umfang zurückzuweisen, da das Landgericht insoweit die Klage zu Recht abgewiesen hat.

5.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

6.

Der Feststellungsantrag ist begründet, § 256 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat aus der Aufklärungspflichtverletzung ebenfalls einen Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden aus der mangels Einwilligung rechtswidrigen Operation vom 07.08.2001.

7.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 97, 100 Abs. 4, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war - auch unter Berücksichtigung des Gesuches vom 21.01.2007 - nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.

Ende der Entscheidung

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