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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.03.2000
Aktenzeichen: 3 U 171/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831
BGB § 847
BGB § 278
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Standard bei Venenoperationen

Das sog. Venenstripping nach Babcock entsprach noch im Jahre 1994 dem Standard der Medizin. Der Arzt schuldet nicht stets das jeweilige neueste Therapiekonzept. Zu einem Behandlungsfehler wird das Vorgehen nach einer traditionellen Operationstechnik erst dann, wenn die neue Methode an einem für Aussagen über die Nutzen-Risiko-Bilanz ausreichend großen Patientengut medizinisch erprobt und im wesentlichen unumstritten ist, in der Praxis nicht nur an wenigen Zentren, sondern verbreitet Anwendung findet, für den jeweiligen Patienten risikoärmer oder weniger belastend ist und/oder besser Heilungschancen besteht.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 171/99 OLG Hamm 8 U 19/98 LG Siegen

Verkündet am 15. März 2000

Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Juni 1999 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 DM abwenden, falls nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten, die sie auch durch die unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen können.

Tatbestand:

Der Kläger ist von Beruf Polizeibeamter. Im Frühjahr 1994 befand er sich wegen Beschwerden im linken Bein in ambulanter Behandlung seines Hausarztes.

Am 21.04.1994 stellte sich der Kläger in der chirurgischen Ambulanz des Hauses der Beklagten zu 3) vor. Dort wurde er von dem Beklagten zu 2), dem Oberarzt der chirurgischen Abteilung, in der Gefäßsprechstunde untersucht. Nach entsprechender Untersuchung und Durchführung einer Dopplersonographie diagnostizierte der Beklagte eine Stammvarikose III. bis IV. Grades.

Am 04.05.1994 erfolgte eine Phlebographie. Diese zeigte eine Beschädigung der Venenklappe am linken Bein. Der Beklagte zu 2) erklärte, daß er keine andere Heilungsmöglichkeit als eine Operation sehe.

Der Kläger wurde am 08.06.1994 im Hause der Beklagten zu 3) stationär aufgenommen. Die Operation erfolgte durch den Beklagten zu 2) am 09.06.1994. Im Operationsbericht heißt es unter anderem:

Hautschnitt in der li. Leiste, darstellen der V. saphena, die unter Ligatur sämtlicher Seitenäste bis an die Einmündung in die V. femoralis dargestellt wird... Jetzt wird die Vene am Innenknöchel freigelegt, peripher ligiert, nach zentral angeschlungen. Queres Eröffnen der Vene, einschieben der Babcock-Sonde bis in die Leiste... dann erfolgt die Exhairese der V.saphena magna in toto...

Der Kläger wurde am 13.06.1994 aus der stationären Behandlung entlassen. Nachfolgend stellten sich Schmerzen ein, die am 12.07.1994 zu einer Revisionsoperation führten. Eine Besserung der Situation erfolgte hierdurch nicht.

Der Kläger hat behauptet, die Operation am 09.06.1994 sei fehlerhaft durchgeführt worden. Bereits nach drei Tagen habe er darauf aufmerksam gemacht, daß er heftige Schmerzen im Innenknöchel verspüre, wie Stromstöße. Über den Operationseingriff sei er nicht ausreichend aufgeklärt worden. Die zweite Operation vom 12.07.1994 sei überflüssig gewesen. Infolge der fehlerhaften Operation könne er seinen Dienst als Polizeibeamter nur noch eingeschränkt ausüben. Er leide heute unter ständigen Schmerzen und Beschwerden, die seine Lebensqualität erheblich minderten.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum vom 09.06.1994 bis 30.06.1998 nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 04.02.1997 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 300,00 DM ab Juni 1994, zahlbar jeweils zum 5. eines Monats, bis zum 30.06.1998 zu zahlen,

3. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere soweit sie nach dem 30.06.1998 entstehen - aus den Vorfällen vom 08.06. und 09.06.1994 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben jegliches Fehlverhalten in Abrede gestellt.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Nach ergänzender mündlicher Vernehmung des Sachverständigen hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, ärztliches Fehlverhalten sei nicht festzustellen gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das schriftliche Gutachten des Sachverständigen, die Beiakte, das Protokoll zur mündlichen Verhandlung und auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen die Entscheidung des Einzelrichters des Landgerichts wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er wiederholt und vertieft den erstinstanzlichen Sachvortrag und behauptet, er habe sich keinesfalls mit einem vorhandenen Krampfaderleiden bei dem Beklagten zu 2) vorgestellt. Bei der Aufnahme selbst sei nur von Prellungen die Rede gewesen.

Der Kläger beantragt,

das am 15.06.1999 verkündete Urteil abzuändern und

I.

die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung an den Kläger wie folgt zu verurteilen:

1. Ein angemessenes Schmerzensgeld für die Zeit vom 09.06.1994 bis 30.06.1999 nebst 4 % Zinsen seit dem 04.02.1997;

2. eine monatliche angemessene Schmerzensgeldrente (mindestens 300,00 DM) ab Juli 1999, zahlbar jeweils bis zum 15. eines jeden Monats nebst 4 % Zinsen vom jeweiligen Fälligkeitsdatum;

II.

festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, ihm sämtlichen materiellen und weitere immateriellen Schäden aus den Vorfällen vom 08. und 09.06.1996 zu ersetzen, soweit nicht öffentlich-rechtlicher Forderungsübergang vorliegt;

III.

hilfsweise Vollstreckungsnachlaß.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise Vollstreckungsnachlaß.

Die Beklagten wiederholen und vertiefen ebenfalls den erstinstanzlichen Sachvortrag.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch mündliche Vernehmung des Sachverständigen.

Wegen weiterer Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die beigezogenen Krankenunterlagen, das Protokoll und den Vermerk des Berichterstatters zum Senatstermin vom 15.03.2000 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Dem Kläger stehen gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und Feststellung gem. §§ 823 Abs. 1, 831, 847 BGB bzw. wegen Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages in Verbindung mit § 278 BGB nicht zu.

Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis nicht erbracht, daß die Behandlung im Hause der Beklagten zu 3) unsachgemäß erfolgte. Auch auf Grund der durch den Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, daß insbesondere die Operation vom 09.06.1994 fehlerhaft erfolgte und den für das Jahr 1994 geltend medizinischen Standard für Varizenoperationen nicht gewährleistete. Der Senat folgt dabei den insgesamt überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr., der ihm aus verschiedenen Verfahren als qualifizierter Sachverständiger bekannt ist.

Auch die Aufklärung des Klägers war sachgemäß.

1. Die Operation vom 09.06.1994 war indiziert. Daran hat der Sachverständige bei seiner Vernehmung durch den Senat keinen Zweifel gelassen und den Eingriff als uneingeschränkt indiziert gewertet. Soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten eingangs ausführt, daß bezüglich der Indikation die Meinungen zumindest ex-post auseinandergingen (Bl. 126 GA), bezieht sich dies erkennbar auf den Umfang der Operation, nicht aber auf den operativen Eingriff als solchen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der Sachverständige die Operation als relativ bezeichnet hat. Zu Recht weist er darauf hin, dass Gefäßoperationen zumindest regelhaft (nur) relativ sind. Bei seiner mündlichen Vernehmung hat er diese Relativität sogar auf alle Gefäßoperationen bezogen.

Gleichwertige Alternativen zu dem operativen Eingriff standen nicht zur Verfügung. Insbesondere kam angesichts des Beschwerdebildes eine konservative Behandlung als gleichwertige Alternative nicht in Betracht. Soweit der Gutachter des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zu den Behandlungsalternativen Stellung genommen hat, hat er ausdrücklich die Sklerosierungsbehandlung als nicht infragekommend abgelehnt und die konservative Methode als weitaus schlechtere Behandlungsalternative bezeichnet (Bl. 52 BA).

Die Operation selbst wurde sachgemäß durchgeführt und verlief nach den Ausführungen des Sachverständigen standardgemäß. Der Sachverständige hat aus der Nervenschädigung als solche keine Rückschlüsse auf ein fehlerhaftes Vorgehen gezogen. Solche Schäden sind angesichts der Nähe des Operationsgebietes zum Nervenverlauf trotz aller Sorgfalt nicht immer vermeidbar.(vgl. Bl. 159 R GA).

Zur Überzeugung des Senats war es dabei jedenfalls für das Jahr 1994 nicht fehlerhaft, die Varizenexhairese nach der sog. Babcock-Methode durchzuführen, also die Vena saphena magna in toto von der Leiste bis zum Innenknöchel zu "strippen", mithin zu entfernen.

Das sog. Venenstripping nach Babcock ist eine dem Senat bekannte Methode, die bereits seit Anfang des letzten Jahrhunderts praktiziert wurde. Sie entsprach jedenfalls dem medizinischen Standard auch noch zu dem Zeitpunkt der hier im Streit stehenden Operation im Juni 1994. Soweit der Sachverständige auf neuere Überlegungen bei der Varizenexhairese im Sinne eines differenzierteren Vorgehens seit etwa 1986 hingewiesen hat, mag dieses operative Vorgehen heute - so auch im Hause der Beklagten zwischenzeitlich gehandhabt - Standard bei Venenoperationen sein; das galt jedoch nicht gleichermaßen für 1994.

Die Methode der Wahl unterliegt grundsätzlich dem Ermessen des behandelnden Arztes, sofern die von ihm gewählte Therapie noch dem Standard der Medizin entspricht. Er schuldet nicht stets das jeweils neueste Therapiekonzept (vgl. BGHZ 102, S. 17; Steffen/Dressler; Arzthaftungsrecht 8. Aufl. 1999 Rz 161). Zu einem Behandlungsfehler wird die herkömmliche Behandlungsmethode bzw. die traditionelle Operationstechnik erst dann, wenn die neue Methode, die neue Technik an einem für Aussagen über die Nutzen-Risiko-Bilanz ausreichend großen Patientengut medizinisch erprobt und im wesentlichen unumstritten ist, in der Praxis nicht nur an wenigen Zentren, sondern verbreitet Anwendung findet, für den jeweiligen Patienten risikoärmer oder weniger belastend ist und/oder bessere Heilungschancen verspricht (BGHZ 102 S. 17; BGH NJW 1992 S. 754; Steffen/Dressler; Arzthaftungsrecht 8. Aufl. 1999 Rz 172).

Der Sachverständige hat die neuere Sicht bei Varizenoperationen im einzelnen nachgezeichnet und darauf verwiesen, daß insbesondere Hach seit 1986 auf die Vorteile etwa des Belassens des gesunden Venenanteils für spätere Bypassoperationen verwiesen hat. Unter anderem vermindert sich hierdurch auch das Risiko für Nervschädigungen im Unterschenkelbereich, wenn die erkrankte Vene nur bis unterhalb des Kniegelenks entfernt wird. Der Sachverständige selbst hat aber auf ausdrückliches Nachfragen erklärt, das Jahr 1994, in dem der Kläger operiert wurde, sei durch einen Umbruch gekennzeichnet, also dem Übergang von der traditionellen Babcock-Methode zu einem differenzierteren Vorgehen. Entsprechend hat er auch in seinem schriftlichen Gutachten erklärt, die Relativierung des Operationsausmaßes sei bereits 1994 in der Diskussion gewesen (Bl. 129 GA). Der Umbruch als solcher, die Diskussion über eine neue Methode bedeutet in des noch nicht die Abkehr von der herkömmlichen Methode in dem vorbezeichneten Sinn, dass von einer neueren, besseren Kenntnis der medizinischen Wissenschaft gesprochen werden kann, die den zu fordernden Standard so verändert, dass sich der Gebrauch der traditionellen Operationstechnik als überholt und deren weitere Nutzung sich als behandlungsfehlerhaft darstellt.

Soweit der Sachverständige vor dem Landgericht die neuere Methode als seit Beginn der 90iger Jahre herrschende Lehrmeinung bezeichnet hat, ist diese Aussage infolge der Vernehmung vor dem Senat im vorstehenden Sinn konkretisiert worden.

Zumindest indiziell wird diese Aussage des gerichtlichen Sachverständigen durch die Ausführungen der Gutachter der Gutachterkommission für ärztliche Haftpflichtfragen bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe bestätigt, die ausweislich des Bescheids vom 23.05.1995 (Bl. 29 ff. GA) auf die Alternative eines nur teilweise Entfernens der Vene nicht eingehen, was jedoch zu erwarten gewesen wäre, hätte sich diese Methode bereits uneingeschränkt durchgesetzt. Der Gutachter des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens hat zwar eher beiläufig von der operativen Beseitigung der erweiterten Venenabschnitte einerseits und der bedarfsweisen Extraktion der Vena saphena magna gesprochen (Bl. 45 BA). Insoweit mag er damit auch die differenzierende Operationsmethode angesprochen haben. Nachfolgend hat auch er als Operationsmethode jedoch ausschließlich die Gesamtextraktion der Vena saphena magna beschrieben, wenn er von einem Hautschnitt oberhalb des Knöchels und unterhalb des Leistenbandes spricht (Bl. 47 BA).

2. Der Kläger hat in die Operation vom 09.05.1994 wirksam eingewilligt. Die Aufklärung des Klägers am Vortrag der Operation nach dessen stationärer Aufnahme war sachgerecht und zeitlich adäquat.

Ausweislich des Aufklärungsbogens vom 08.06.1994 wurde der Kläger in einem Aufklärungsgespräch anhand eines üblichen Aufklärungsformulars für Operationen von Krampfadern aus dem Perimed-Verlag aufgeklärt. Das war in dem vorliegenden Fall ausreichend.

Über die Möglichkeit des Teilstrippings brauchte der Kläger nicht aufgeklärt zu werden. Verwendet der Arzt in der Übergangszeit unter Verzicht auf eine neue Methode eine herkömmliche Operationstechnik, ohne einen Behandlungsfehler zu begehen, ist also seine Methode die der Wahl, ist er dem Patient auch nicht zur Aufklärung verpflichtet (Steffen/Dressier; Arzthaftungsrecht 8. Aufl. 1999 Rz 171). Ebensowenig brauchte der Kläger über Behandlungsalternativen aufgeklärt zu werden. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn etwa die konservative Methode als echte Alternative mit gleichwertigen Chancen, aber andersartigen Risiken in Betracht zu ziehen gewesen wäre (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei Steffen/Dressler; Arzthaftungsrecht 8. Aufl. 1999 Rz 381). Das war nach dem Ausgeführten und nach Ansicht des Sachverständigen nicht der Fall. Insoweit ergibt sich keine Besonderheit aus dem Umstand, daß die Operationsindikation vorliegend - wie bei fast allen Gefäßoperationen - nur relativ war.

Der Kläger ist auch über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken ausreichend aufgeklärt worden. Aufzuklären ist über die Art und Schwere des Eingriffs. Der Patient muß erkennen, was der Eingriff für ihn und seine Lebensführung bedeutet. Dabei ist auch über seltene Risiken aufzuklären, wenn sie, sofern sie sich verwirklichen, die Lebensführung schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch sind (Steffen/Dressler; Arzthaftungsrecht 8. Aufl. 1999 Rz 333 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes). Allerdings brauchen die Risiken nicht medizinisch exakt und in allen denkbaren Erscheinungsformen dargestellt zu werden. Eine schonungslose Darstellung ist nicht gefordert. Es genügt die Verdeutlichung der Stoßrichtung, ohne verharmlosend zu sein (Steffen/Dressler; Arzthaftungsrecht 8. Aufl. 1999 Rz 329, 389, 394, 400 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes).

In diesem Sinn war die Aufklärung umfänglich genug und auch nicht verharmlosend. Unter der Rubrik "Mögliche Komplikationen" wird in dem bei dem Aufklärungsgespräch herangezogenen Formular ausdrücklich auf das Risiko von Nervschädigungen hingewiesen. Dieser Hinweis steht im Zusammenhang mit den allgemeinen Komplikationen, die nach der Darstellung im Aufklärungsbogen mit jeder Operation verbunden sind. Der Patient wird darüber in Kenntnis gesetzt, daß nicht nur Thrombosen und Embolien, sondern auch größere Schlagadern und eben Nerven verletzt werden können. Gerade aus dem Zusammenhang etwa mit dem Risiko der möglicherweise lebensgefährdend oder sogar letal verlaufenden Embolie ist für den Patienten deutlich erkennbar, daß die Verletzungen von Schlagadern oder Nerven durchaus gravierende Folgen haben können. Das gleiche kann im Einzelfall für Infektionen und Thrombosen gelten, auch wenn letztere nicht zu Embolien führen. Durch den Hinweis auf Nervschäden wird deshalb die Stoßrichtung des Eingriffs und des damit verbundenen Risikos und - mittelbar, aber deutlich genug - auch die denkbare Schwere und Nachhaltigkeit für die zukünftige Lebensführung ausreichend sichtbar. Eine Verharmlosung ist mit der Darstellung dieser Risiken nicht verbunden.

Das Risiko des Eingriffs in Bezug auf mögliche Nervenschäden wird nicht dadurch eingeschränkt oder verharmlost, dass nachfolgend von der möglichen Schädigung von benachbarten Nervenfasern und dadurch bedingten gelegentlichen Gefühlsstörungen in kleineren Hautbezirken die Rede ist. Diese Hinweise stehen offenbar im unmittelbaren Zusammenhang mit der Schnittführung selbst. Das wird dadurch ausreichend deutlich, dass im Gegensatz zu den "allgemeinen Gefahren ärztlicher Eingriffe" nun von speziellen Komplikationen gesprochen und etwa auch auf Nachblutungen hingewiesen wird. Für den Patienten ausreichend deutlich wird dabei, dass diese speziellen Komplikationen für diesen konkreten Eingriff, über den aufzuklären ist, nicht an die Stelle der allgemeinen Risiken treten, sondern als weitere Risikofaktoren hinzukommen. Kein Patient geht angesichts der Darstellung der Risiken in dem Aufklärungsbogen davon aus, dass bei einer Varizenexhairese keine Thrombosen oder Embolien auftreten können, weil in dem Formular und so auch in dem mündlichen Aufklärungsgespräch nachfolgend von speziellen Komplikationen die Rede ist. Ebensowenig kann ein verständiger Patient davon ausgehen, dass die Gefahr allgemeiner Nervenschädigungen mit all ihren Auswirkungen bei der Gefäßoperation deshalb ausgeschlossen ist, weil als spezielle Komplikation die Schädigung von benachbarten Nervenfasern besteht. Zwar ist die Verletzung des Nervus saphenus eine - seltene - Besonderheit der Venenexhairese bis zum Knöchel. Das ändert aber nichts daran, daß mit dem Hinweis des Patienten auf die Möglichkeit der (allgemeinen) Nervschädigung ihm die Stoßrichtung des Risikospektrums ohne Verharmlosungstendenz zutreffend mitgeteilt wird.

3. Unabhängig von der nach Auffassung des Senats ordnungsgemäßen Aufklärung hätte der Kläger jedenfalls einen Entscheidungskonflikt nicht hinreichend plausibel gemacht. Die Beklagten haben in der Berufungsbeantwortung ausdrücklich auf den aus ihrer Sicht fehlenden Entscheidungskonflikt hingewiesen.

Der Senat verkennt nicht, dass an die diesbezügliche Substantiierungspflicht des Patienten keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind, um Wesen und Zweck der Aufklärung nicht in Frage zu stellen. Der Sachvortrag des Klägers und der Eindruck des Senats von der Person des Klägers aufgrund der persönlichen Anhörung im Senatstermin führen jedoch zu dieser Sicht. Nach seinem eigenen Vortrag war der Kläger vor der Operation als Polizeibeamter im Außendienst und dabei in der Bekämpfung der Rauschgift- und Straßenkriminaltiät eingesetzt. Diese verantwortungsvolle Aufgabe füllte den Kläger aus (Bl. 13 GA), setzt aber eine im wesentlichen uneingeschränkte Mobilität voraus. Privat war der Kläger als Fußballtrainer mit B-Lizenz tätig. Offenbar lag ihm auch an dieser Tätigkeit sehr viel, zumal er in den Erwerb der Trainerlizenz viel Zeit und auch Geld investiert hatte. Auch diese Freizeitbeschäftigung setzt einen erheblichen Grad an Mobilität voraus.

Dem Kläger war damit in jeder Hinsicht an der Erhaltung oder Wiederherstellung seiner mehr oder weniger uneingeschränkten Beweglichkeit gelegen, die jedoch nur durch die Operation zu erreichen war. Der Beklagte zu 2 hat dem Kläger richtigerweise klargemacht, dass nur der operative Eingriff zu einem Erfolg führen konnte. Dieser Hintergrund war es letztlich auch, der den Kläger veranlaßte, sich operieren zu lassen. Operationsrisiken und auch Aufklärungsbögen der vorliegenden Art, jedenfalls solche mit dem Hinweis auf zumindest allgemeine und teilweise eben lebensbedrohende Risiken waren dem Kläger ausweislich seiner Ausführungen vor dem Senat bekannt und haben ihn in der Vergangenheit dennoch nicht gehindert, sich operieren zu lassen. Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint es dem Senat deshalb nicht glaubhaft, dass der Kläger auf die Operation verzichtet und sich nicht wie geplant am Folgetag im Hause der Beklagten zu 3) hätte operieren lassen, wäre er gesondert auf das seltene, den Beklagten zu 1 und 2 noch nicht untergekommene (Bl. 160 R GA) Risiko der Schädigung des Nervus saphena gesondert hingewiesen worden.

4. Unsachgemäßes Vorgehen im Hinblick auf die nachfolgende Revisionsoperation ist ebenfalls nicht feststellbar. Die Indikation für diesen Eingriff lag vor. Anhaltspunkte für ein diesbezügliches fehlerhaftes Vorgehen sind nicht ersichtlich. Auch darüber hinaus hat der Sachverständige keinerlei fehlerhaftes Verhalten der Beklagten gesehen.

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6. Das Urteil beschwert den Kläger mit mehr als DM 60.000,-.

Ende der Entscheidung

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