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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.09.2008
Aktenzeichen: 3 U 199/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 253 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 02.08.2007 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Klägerin und der Berufung der Beklagten - wie folgt abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 175.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.10.2006 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner - vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs - verpflichtet sind, der Klägerin allen materiellen Schaden und den weiteren immateriellen Schaden aus der Behandlung im Zeitraum vom 13. bis zum 17.04.2005 zu ersetzen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin 30 %, die Beklagten tragen 70 %.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin zu 20 %, die Beklagten tragen 80 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die am 15.01.1958 geborene Klägerin hat erstinstanzlich von den Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld (Vorstellung: Kapital 250.000,00 Euro, Rente 400,00 Euro monatlich) sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für alle materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden verlangt wegen unvollständiger Aufklärung und fehlerhafter Behandlung im Zusammenhang mit der laparoskopischen Hysterektomie vom 14.04.2005 im N2-Hospital H der Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 2) ist dort als Chefarzt der Abteilung für Frauenheilkunde tätig.

Eine intraoperativ verursachte Leckage des Dünndarms führte zu einer ausgedehnten Peritonitis. In der Re-Operation vom 17.04.2005 ist die Läsion erkannt und behoben worden. Postoperativ ergaben sich Zeichen eines septischen Schocks. Nach Stabilisierung der Klägerin erfolgte der Transport in die Universitätsklinik in N. Bei Eintreffen war die Klägerin reanimationspflichtig. In der Folge ergaben sich Probleme im Bereich der rechten Herzkammer und der Nieren. Es wurden die Teil-Amputation von sechs Fingern und die Amputation beider Füße oberhalb des Sprunggelenkes erforderlich. Bislang sind insgesamt 24 operative Folgeeingriffe durchgeführt worden; weitere Eingriffe sind wahrscheinlich. Die Klägerin ist in Pflegestufe II und GdB 100 eingestuft.

Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, Vernehmung der Zeugen L (Bettnachbarin), Dr. I (Ärztin des Beklagten zu 1)) und L3 (Ehemann) sowie nach Anhörung des erstinstanzlich tätigen Sachverständigen Prof. Dr. P einen groben Befunderhebungsfehler festgestellt und die Beklagten überwiegend verurteilt.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die vollständige Klageabweisung. Insbesondere wenden sie sich gegen die Annahme eines groben Behandlungsfehlers und halten das Vorgehen nach dem Privatgutachten Prof. L2 für vertretbar.

Die Beklagten beantragen,

das am 02.08.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Münster (AZ. 11 O 1102/06) abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Berufung im Hinblick auf die erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein weiteres Schmerzensgeldkapital von 50.000,00 Euro und eine zusätzliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 400,00 Euro monatlich.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Münster vom 02.08.2007 - 11 O 1102/06 - die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein weiteres, angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von zumindest 50.000,00 Euro sowie eine angemessene, monatliche Schmerzensgeldrente, mindestens 400,00 Euro, zahlbar jeweils zum 1. eines Monats im Voraus, beginnend ab Mai 2005, zu zahlen sowie den Schmerzensgeldantrag seit dem 01.06.2005 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen und die rückständigen Schmerzensgeldrentenbeträge jeweils ab dem 2. eines Monats ebenfalls mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die im Protokoll genannten Krankenunterlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Klägerin und den Beklagten zu 2) angehört und ergänzend Beweis erhoben durch ein vorbereitendes Kurzgutachten vom 11.06.2008 und durch ergänzendes mündliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T.

Wegen der Ergebnisse der Anhörungen und der Beweisaufnahme wird auf Bl. 305 ff d.A., ferner auf das Sitzungsprotokoll und den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 10.09.2008 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg, die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für alle materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden aus der fehlerhaften ärztlichen Behandlung im April 2005 gemäß den §§ 823 Abs. 1, 831, 253 Abs. 2 BGB bzw. den §§ 280 Abs. 1, 278, 253 Abs. 2 BGB. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagten es nach der laparoskopischen Hysterektomie vom 14.04.2005 grob behandlungsfehlerhaft unterlassen haben, wegen der bei der Klägerin postoperativ aufgetretenen Symptome einer Peritonitis spätestens am Nachmittag des 16.04.2005 weiterführende Diagnostik in Form einer Kontroll-Laparoskopie durchzuführen, die zu einer vorzeitigeren Revisionsoperation geführt hätte.

In der medizinischen Beurteilung des Behandlungsgeschehens folgt der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. Der Sachverständige hat sich eingehend mit dem zeitlichen Ablauf der Behandlung der Klägerin nach der Operation vom 14.04.2005 befasst und sein Gutachten unter Einbeziehung der sonstigen Begutachtungen - neben den Kommissionsgutachten und den Privatgutachten insbesondere auch die Begutachtung des erstinstanzlich tätigen Sachverständigen Prof. Dr. P - in jeder Hinsicht fundiert und sachlich überzeugend bei seiner Vernehmung vom 10.09.2008 erstattet.

Der Sachverständige, der dem Senat aus zahlreichen Verfahren in den letzten Jahren bekannt ist, verfügt als Direktor einer Frauenklinik über eine herausragende Sach- und Fachkenntnis sowie eine langjährige klinische Erfahrung. Die Ausführungen des Sachverständigen beruhten auf einer sehr gründlichen Aufarbeitung der umfangreichen Behandlungsunterlagen nebst Röntgenbildern und einer Vielzahl sonstiger Begutachtungen. Der Sachverständige hat sämtliche für die Entscheidung maßgeblichen Fragen beantwortet, so dass die Einholung weiterer Gutachten nicht erforderlich war.

A. Berufung der Beklagten:

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagten es grob behandlungsfehlerhaft unterlassen haben, spätestens am Nachmittag des 16.04.2005 eine Kontroll-Laparoskopie durchzuführen.

Soweit die Beklagten mit der Berufung ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt haben, eine Grundlage für die Annahme eines groben Behandlungsfehlers sei nicht gegeben, weil die Klägerin postoperativ weder untypisch starke Schmerzen geklagt noch unüblich hoch dosierte Schmerzmittel erhalten habe, so dass der Beklagte zu 2) im Hinblick auf das subjektive Wohlbefinden der Klägerin am 16.04.2005 auf die Besserung habe vertrauen und abwarten dürfen, sind diese Behauptungen durch die Beweisaufnahme widerlegt und das Gegenteil bewiesen.

1.

Nach den übereinstimmenden Ausführungen der Kommissionsgutachter sowie der gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. P und Prof. Dr. T waren am 15.04.2005 - bezogen auf eine laparoskopische Hysterektomie - sowohl Zeitpunkt als auch Dauer und Intensität der von der Klägerin vielfach geäußerten Schmerzen untypisch. Die Menge und auch die Häufigkeit der hiergegen verabreichten Schmerzmittel ist als "deutlich über der Norm" bzw. "deutlich über den Erfordernissen bei vergleichbaren Fällen" anzusetzen. Selbst der Privatgutachter der Beklagten, Prof. Dr. L2, hat in seinem Gutachten die Dosierung der Analgetika als "im oberen Bereich der Norm gelegen, aber nicht kritisch hoch" bezeichnet. Die Gabe von Schmerzmitteln und Beruhigungsmitteln war zudem wegen des immer wiederkehrenden Auftretens starker Schmerzzustände, die sich auf den rechten Unterbauch konzentrierten, erforderlich. Grundsätzlich ist der postoperative Schmerzpegel nach laparoskopischen Eingriffen dieser Art aber eher niedrig.

Schon dies begründete Bedenken gegen einen typischen postoperativen Verlauf. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T ergibt sich zudem aus der Dokumentation, dass auch die behandelnden Ärzte der Beklagten postoperativ den dringenden Verdacht hatten, dass es hier eine massive Abweichung von der Norm gab. Dies belegt bereits die von dem Beklagten zu 2) am Abend des 15.04.2005 vorgenommene Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes und sein Vorschlag, bei Beschwerdepersistenz zur diagnostischen Absicherung eine Kontroll-Laparoskopie vorzunehmen. Auch das Operationspersonal wurde bereits vorsorglich informiert.

2.

Jedenfalls aber aufgrund der Befundkonstellation vom 16.04.2005 - spätestens an diesem Tag lagen eindeutige Symptome vor - hätten die Beklagten zwingend zur Abklärung der intraabdominellen Komplikation eine diagnostische Kontroll-Laparoskopie durchführen müssen.

a)

Schon der am Morgen des 16.04.2005 vom Beklagten zu 2) eingeschlagene Weg des "Abwarten auf Besserung" war deshalb strikt kontraindiziert. Denn für den Fall, dass tatsächlich eine Komplikation im Bauchraum vorlag, war ausschließlich deren Verschlechterung zu erwarten. Deshalb muss, wenn es im postoperativen Verlauf einer Laparoskopie - wie hier - zu Abweichungen von der Normalität kommt, immer der erste Gedanke auf eine mögliche Verletzung von Nachbarorganen - also z.B. eine Darmperforation - gerichtet sein. Bei Vorliegen solcher Abweichungen müssen deshalb immer - so der Sachverständige Prof. Dr. T - "alle Alarmglocken angehen", und der Arzt muss stets ein sog. "Worst-Case-Szenario" bedenken, zu dem auch eine eventuelle Darmverletzung gehört. Ohne aktuelle Laborwerte (einschließlich CRP-Wert) durfte am Morgen des 16.04.2005 die Kontrolloperation nach Angabe von Prof. T nicht abgesagt werden, da gar keine ausreichende Entscheidungsgrundlage gegeben war. Das Vorgehen des Beklagten zu 2) hielt der Sachverständige für unverständlich.

b)

Spätestens aber am Nachmittag des 16.04.2005 war die Vornahme einer diagnostischen Kontroll-Laparoskopie unumgänglich. Bereits der auffallende Rückgang des Leukozytenwertes (von 9.000 am 13.04.2005 auf 5.500 am Abend des 16.04.2005) war ein typischer Indikator für eine Entzündung mit Keimen. Auch der Privatgutachter Prof. Dr. L2 hat bestätigt, dass ein starkes Absinken der Leukozyten bereits ein Hinweis für eine septische Infektion sein kann.

Insbesondere aber - und entscheidend - hatte sich das Befinden der Klägerin nicht wirklich gebessert, denn das Abdomen war weiterhin gespannt - nach erstinstanzlicher Aussage der Zeugin Dr. I sogar "aufgebläht" - und es bestand eine, wenn auch diskrete, Abwehrspannung. Gegen eine wirkliche Besserung des Zustandes spricht auch die erstinstanzliche Angabe der Zeugin Dr. I, die Klägerin habe ihr am 17.04.2005 "genauso wenig gefallen wie am Vortag". Am 17.04.2005 war der Zustand der Klägerin aber unstreitig operationsbedürftig. Ferner hat die Zeugin Dr. I angegeben, dass sie die Klägerin am Nachmittag (= 16.04.2005) für sicherlich bzw. zwingend operationsbedürftig hielt.

Der Einwand der Beklagten, mit der Besserung des subjektiven Befindens der Klägerin am 16.04.2005, insbesondere hinsichtlich der Schmerzen, habe der Beklagte zu 2) zweifelsfrei zu der Auffassung gelangen dürfen, dass seine ursprüngliche Verdachtsdiagnose eines paralytischen Ileus (Darmlähmung) korrekt gewesen bzw. eine Darmverletzung unwahrscheinlich gewesen sei, greift nicht durch.

Hiergegen sprechen bereits die Ausführungen des Privatgutachters Prof. Dr. L2. Danach ist nach laparoskopischen Operationen am inneren Genitale die Peristaltik des Darms in der Regel nur wenig beeinträchtigt, so dass es normalerweise nicht zu einer Darmparalyse - wie sonst häufig nach einer Laparotomie - kommt (Bl. 67 d.A.). Darüber hinaus hat der Sachverstände Prof. Dr. T ausgeführt, dass ein paralytischer Ileus zwar häufig ein Anzeichen für ein mechanisches Hindernis im Darmtrakt sein kann, genauso kann er aber auch ein Anzeichen für eine Körperreaktion, wie z.B. auf eine Darmperforation, sein.

Zudem haben beide gerichtlichen Sachverständigen zweifelsfrei bestätigt, dass die Indikation für eine diagnostische Kontroll-Laparoskopie am 16.04.2005 nach wie vor gegeben war. So war nicht nur eine mögliche Verletzung des Darms, sondern u.a. auch eine mögliche Verletzung des Harnleiters in Betracht zu ziehen. Dementsprechend war in jedem Fall der Eintritt einer Peritonitis mit der möglichen Folge einer Sepsis zu bedenken. Daraus ergab sich hier die zwingende Indikation für eine Kontroll-Operation.

Das Schmerzempfinden selbst sieht der Sachverständige Prof. Dr. P für die Frage der Operationsindikation als nur zweitrangig an. Zudem kann letztlich - so der Sachverständige Prof. Dr. T - durch eine entsprechende Medikamentengabe insoweit bei jedem Patienten eine klinische Besserung herbeigeführt werden. Wichtiger war nach seiner Auffassung der Befund des druckschmerzhaften Bauches. Zudem - und entscheidend - ergaben sich aus der dokumentierten "diskreten Abwehrspannung" (16.04.2005, 16.00 Uhr) die ersten peritonitischen Anzeichen, so dass die Beklagten keinesfalls eine Darmverletzung als unwahrscheinlich ansehen durften, sondern vielmehr spätestens jetzt die Indikation zur Operation eindeutig zu stellen war. Neben der Verantwortlichkeit des Beklagten zu 2) für die morgendliche Entscheidung war er auch für die fehlende Kontrolloperation am Nachmittag/Abend des 16.04.2005 mitverantwortlich, da er mit der Zeugin Dr. I telefonisch Rücksprache genommen hat, ohne die zwingend gebotene Kontrolluntersuchung zu veranlassen.

Dabei war in jedem Fall zu beachten, dass im Falle einer intraabdominellen Komplikation dem Zeitfaktor eine große Bedeutung zukommt. D.h., der Arzt muss in jedem Fall die Chance haben, frühzeitig zu intervenieren. Deshalb muss er - so der Sachverständige Prof. Dr. T - in einer solchen Situation "eher einmal zu viel als einmal zu wenig in den Bauch hineingucken".

Der Sachverständige ist in der Gesamtschau des Behandlungsgeschehens zu der Bewertung gelangt, dass die Nichtdurchführung der Kontroll-Laparoskopie am 16.04.2005 in einer solchen Situation eindeutig behandlungsfehlerhaft ist und einem Arzt schlechterdings nicht passieren darf. In diesem Zusammenhang kommt dem Einwand der Beklagten, die Klägerin habe am 16.04.2005 einem erneuten operativen Eingriff ablehnend gegenüber gestanden, keine Bedeutung zu. Denn einerseits darf sich in einer solchen Situation der Arzt nicht von der Patientin, die nicht operiert werden will, in deren "Boot holen lassen", sondern muss dieser vielmehr drastisch und eindringlich erläutern, dass ein operativer Eingriff unumgänglich ist (vgl. OLG Düsseldorf GesR 2008, 19 f.; Martin/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., S. 97 f.). Dazu wäre hier in jedem Fall erforderlich gewesen, dass der behandelnde Arzt der Klägerin unmissverständlich verdeutlicht hätte, dass sie sich in einer potenziell lebensbedrohlich entwickelnden Situation befand. Hierzu gehörte auch die Erklärung, dass sie ohne die Vornahme einer Kontroll-Laparoskopie möglicherweise sterben würde. Eine Dokumentation über ein derartiges "Aufklärungsgespräch" mit der Klägerin hat der Sachverständige Prof. Dr. T trotz gründlicher Durchsicht sämtlicher Krankenunterlagen aber nicht auffinden können. Auch nach der landgerichtlichen Beweisaufnahme ist keine solche Information feststellbar. Ferner waren hier die behandelnden Ärzte mangels Kenntnis der konkreten Datenlage objektiv gar nicht in der Lage, von der am Vortag noch als notwendig erkannte Kontroll-Laparoskopie aus kontrollierten Gründen abzusehen. Denn nach der Anhörung des Beklagten zu 2) durch den Senat steht fest, dass zu dieser Zeit weder der erforderliche Laborbefund vorgelegen hat, noch die Beklagten überhaupt den zwingend erforderlichen CRP-Wert erhoben hatten. Dementsprechend hat der Sachverständige die Absage der geplanten Kontroll-Laparoskopie ohne Vorliegen eines aussagekräftigen Laborbefundes einschließlich des CRP-Wertes als eindeutig behandlungsfehlerhaft und schlechterdings unverständlich bewertet. Bei einem solchen Vorgehen - so der Sachverständige - "sträuben sich einem die Nackenhaare".

Angesichts dieser klaren Äußerungen des Sachverständigen zur Bewertung der Gewichtigkeit des Fehlers hat auch der Senat keinen Zweifel, dass das Unterlassen der Kontroll-Laparoskopie am 16.04.2005 als grober Behandlungsfehler zu bewerten ist.

3.

Da den Beklagten ein zur Herbeiführung des bei der Klägerin eingetretenen Schadens geeigneter Befunderhebungsfehler anzulasten ist, trifft diese die Beweislast dafür, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Befunderhebungsfehler und dem eingetretenen Gesundheitsschaden gänzlich bzw. äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. BGH VersR 2005, 228). Diesen Beweis haben die Beklagten nicht geführt.

Vielmehr ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T davon auszugehen, dass bei Vornahme einer Kontroll-Laparoskopie am 16.04.2005 sicher eine Peritonitis entdeckt worden wäre. Alles andere wäre nicht nachvollziehbar. Es wäre daraufhin zwingend eine Laparotomie durchgeführt worden. In deren Rahmen wären entsprechende Maßnahmen ergriffen worden, um das Eintreten einer Sepsis zu verhindern. Dadurch wären - nach statistischen Erkenntnissen eindeutig belegt - die Chancen auf einen besseren Verlauf der Peritonitis eindeutig gegeben gewesen.

Der Sachverständige hat lediglich eingeschränkt, dass es schwierig wäre etwas im Hinblick auf mögliche Folgen bzw. deren Vermeidung anzugeben, wenn es um die Abgrenzung einer Laparoskopie am Vormittag oder am Nachmittag des 16.04.2005 gehen würde. Hier gehe es aber um eine Verzögerung des operativen Eingriffs bis zum Folgetag. Deshalb habe hier im Falle der Klägerin eine praktisch relevante Chance bestanden, dass die schweren Folgen der Peritonitis nicht eingetreten wären, wenn noch am 16.04.2005 eine diagnostische Laparoskopie erfolgt wäre.

B. Berufung der Klägerin:

1.

Der Senat erachtet für die Folgen des groben Befunderhebungsfehlers unter Abwägung aller zumessungsrelevanten Aspekte einen Schmerzensgeldkapitalbetrag in Höhe von 175.000,00 Euro für angemessen und ausreichend. Insoweit hat das Landgericht bei der Bemessung des Betrages - mit Ausnahme der behaupteten Zahnfehler und der Sehschwäche - bereits sämtliche Gesundheitsschäden und Beeinträchtigungen berücksichtigt, die seitens der Klägerin mit Schriftsatz vom 19.07.2007 (Bl. 144 d.A.) und Schreiben vom 01.09.2008 (Bl. 325 d.A.) geltend gemacht worden sind.

Entscheidungen der Rechtsprechung mit vergleichbarem Behandlungsgeschehen bzw. vergleichbaren körperlichen Beeinträchtigungen sind zwar nicht ersichtlich, der von der Klägerin herangezogene Vergleich ihrer körperlichen Situation mit den Folgen einer Querschnittslähmung ist jedoch nach Auffassung des Senats - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin in Pflegestufe II eingestuft ist und ihr Grad der Behinderung 100 % beträgt - nicht zutreffend. Es kann letztlich auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin in der Klageschrift zunächst einen Schmerzensgeldkapitalbetrag von 150.000,00 Euro zuzüglich einer monatlichen Schmerzensgeldrente in Höhe von 250,00 Euro - die kapitalisiert einem Betrag von etwa 40.000,00 Euro entspräche - für angemessen erachtet hat.

Nach einer zusammenfassenden Gesamtschau ist deshalb der Senat der Überzeugung, dass ein Schmerzensgeldkapitalbetrag von 175.000,00 Euro für die bisher eingetretenen und für die Zukunft bereits vorhersehbaren immateriellen Schäden der Klägerin angemessen ist. Dabei war maßgeblich neben der Vielzahl der Nachoperationen und der lebensbedrohlichen Lage vor allem die schwerwiegende Dauerfolge der Amputationen, die die Lebensführung der Klägerin ebenso wie die ständigen Probleme im Bauchraum nachhaltig beeinträchtigt.

2.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht den auf Zahlung einer zusätzlichen monatlichen Schmerzensgeldrente gerichteten Antrag zurückgewiesen.

Nach herrschender Ansicht ist Schmerzensgeld regelmäßig als einmalige Kapitalentschädigung festzusetzen. Zwar kann in dem Ausnahmefall eines schweren körperlichen Dauerschadens neben einem Schmerzensgeldkapital zusätzlich eine Schmerzensgeldrente zuerkannt werden, wenn schwere lebenslange Beeinträchtigungen bestehen und sich der Geschädigte der schweren Beschränkungen seiner Lebenssphäre ständig neu bewusst wird. Insoweit könnte hier eine Rente dem Umstand Rechnung tragen, dass die erheblichen körperlichen Behinderungen (Amputation beider Füße, Teilamputation der Finger) die Klägerin bei zahlreichen Verrichtungen des täglichen Lebens beeinträchtigen und ihr vor allem mit zunehmendem Alter stets schmerzlich bewusst sein werden. Andererseits ist im Hinblick auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Schmerzensgeldbemessung zu berücksichtigen, dass allein die von der Klägerin begehrte Rente von 400,00 Euro monatlich kapitalisiert einen Betrag von etwa 74.000,00 Euro erreicht. Das entspräche dann aber einem Gesamtkapital von 239.000,00 Euro bzw. - nach der Forderung der Klägerin - 289.000,00 Euro, so dass die von der Klägerin angestrebte Größenordnung von Schmerzensgeldkapital und Rente nicht mehr in Einklang mit den Bemessungsgrundsätzen bei vergleichbaren Schadensbildern steht.

3.

Das Landgericht hat Zinsen ab Rechtshängigkeit (13.10.2006) zugesprochen, die Klägerin begehrt Zinsen ab dem 01.06.2005. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt ihrem Anspruchsschreiben vom 10.05.2005 insoweit keine verzugsbegründende Wirkung zu. Denn hiermit wurde die Beklagte zu 1) lediglich aufgefordert, bis zum 31.05.2005 die uneingeschränkte Haftung dem Grunde nach anzuerkennen. Es fehlt demnach die notwendige Bezifferung des Anspruchs.

C.

Die prozessualen Nebenentscheidungen resultieren aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Das Urteil beschwert die Klägerin und die Beklagten mit jeweils mehr als 20.000,00 Euro.

Ende der Entscheidung

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