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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.05.2007
Aktenzeichen: 3 U 30/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGBGB


Vorschriften:

ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 538 Abs. 2 Ziff. 4
ZPO § 538 Abs. 2 S. 1 Ziff. 4
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 278
BGB § 284 Abs. 1 a.F.
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831
BGB § 847 a.F.
BGB § 852 Abs. 1 a.F.
EGBGB Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 07.12.2004 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 225.000,- Euro nebst 4% Zinsen seit dem 01.08.2003 zu zahlen.

2. Die Klage wird hinsichtlich der Klageanträge zu Ziffer 2. und Ziffer 3. dem Grunde nach für berechtigt erklärt.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der fehlerhaften ärztlichen Betreuung im Juni 1997 entstanden sind und in Zukunft noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

4. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

5. Die Sache wird hinsichtlich des Grundurteils zu Ziffer 2. dieses Tenors zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zur Anspruchshöhe sowie auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

7. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der am 24.06.1997 geborene Kläger verlangt von dem Beklagten - dem Träger des Klinikums N - die Zahlung von Schmerzensgeld, materiellem Schadensersatz und einer Mehrbedarfsrente sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für alle weiteren materiellen Schäden wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung im Zusammenhang mit seiner Geburt.

Der Kläger erlitt eine schwere sauerstoffmangelbedingte Hirnschädigung; er ist körperlich und geistig sehr schwer behindert und umfassend pflegebedürftig.

Die Mutter des Klägers wurde am 23.06.1997 in der Frauenklinik des Klinikums N in der 39 +2 Schwangerschaftswoche wegen des Verdachts eines hohen Blasensprungs stationär aufgenommen. Nach den entsprechenden Untersuchungen erfolgte die Geburtseinleitung. Gegen 18.05 Uhr zeigte sich nach der Eröffnung der Vorblase grünes Fruchtwasser; etwa gegen 20.00 Uhr setzte regelmäßige Wehentätigkeit ein. Nachdem um 21.57 Uhr ein auffälliges CTG (Dezellerationen der Herztöne) festgestellt worden war, wurden in der Zeit bis zum 24.06.1997 gegen 01.48 Uhr insgesamt sieben Mikroblutuntersuchungen durchgeführt.

Um 02.15 Uhr wurde nach frustranem Pressversuch und Erschöpfung der Kindesmutter die Vakuumextraktion eingeleitet. Um 02.20 Uhr wurde der Kläger in gutem klinischen Zustand geboren. Es wurden Apgar-Werte von 8/9/9 und ein Nabelarterien-pH-Wert von 7,23 gemessen.

Gegen 04.25 Uhr und in der Zeit zwischen 08.00 und 10.00 Uhr erfolgte jeweils eine ärztliche Untersuchung des Klägers, wobei die zweite Untersuchung durch die Oberärztin Dr. L der Kinderklinik erfolgte. In der Pflegedokumentation wurde über den nachgeburtlichen Zustand des Klägers in dem Zeitraum von 06.00 bis 14.00 Uhr festgehalten: "Kind wirkt livide; Haut weiß/graues Aussehen mit bläulicher Venenfärbung trotz Wärmebett; verfärbt sich rosiger bei Schreien."

Wegen des Verdachts auf Vorliegen einer Anpassungsstörung erfolgte um 15.35 Uhr ein pädiatrisches Konsil. Der Kläger zeigte dabei eine blassgraue Haut, eine sehr flache unregelmäßige Atmung und erlitt während der Untersuchung zwei Apnoen. Deshalb wurde er nach Sauerstoffvorlage in die Kinderklinik des Klinikums N verlegt. Im Aufnahmebefund wird ein "blaß-graues, hypertones, reifes Neugeborenes mit flacher Atmung und rezidivierenden Apnoephasen" beschrieben. Die behandelnden Ärzte hatten den dringenden Verdacht auf ein neonatales, generalisiertes Infektionsgeschehen und begannen mit einer antibiotischen Therapie. Um 16.30 Uhr kam es mehrmals hintereinander zu sehr hartnäckigen Apnoen. Gegen 17.00 Uhr und 17.25 Uhr traten weitere Apnoen mit einem Abfall der Sauerstoffsättigung bis auf 56% bzw. 46% auf.

In der Zeit ab 17.45 Uhr kam es ausweislich der Pflegedokumentation sowie der ärztlichen Einträge zunehmend zu weiteren, oft sehr ausgeprägten Apnoen - gegen 17.45 Uhr mit dem ersten Krampfanfall von etwa 1 Minute Dauer - und zu zahlreichen Sauerstoffsättigungsabfällen auf Werte zwischen 40% und 10%. Diagnostisch wurde den behandelnden Ärzten in dieser Phase bekannt, dass der Kläger eine Anämie von 12,5 g% Hb aufwies und laborchemische Entzündungszeichen negativ waren.

Um 18.00 Uhr wurden dem Kläger 10 mg Luminal (Phenobarbital) gegen die manifest werdenden Krampfanfälle verabreicht, zudem erfolgte als Atemantriebssteigerung eine Kurzinfusion mit 200 mg Theophyllin. Die um 18.30 Uhr durchgeführte Schädelsonographie zeigte ein "kaum darstellbares Ventrikelsystem" (KU I/115). Während dieser Untersuchung traten erneut hartnäckige Apnoen mit Sauerstoffsättigungsabfällen bis auf 30% und einem Herzfrequenzabfall auf 80/min auf. Um 19.28 Uhr erfolgte die Gabe von weiteren 25 mg Luminal, gegen 21.10 Uhr die Gabe weiterer 17 mg Luminal bei "anhaltenden Krämpfen mit einer Apnoe und Tachykardie". In der Zeit von 17.00 bis 21.30 Uhr werden insgesamt 11 Apnoephasen dokumentiert.

Nachdem es zwischen 21.30 und 22.00 Uhr zu gehäuften Apnoen mit Sauerstoffsättigungsabfällen bis auf 20% gekommen war, führten die behandelnden Ärzte drei Intubationsversuche durch, die wegen der Gegenwehr des Klägers (Kieferklemme) aber erfolglos verliefen. Es erfolgte - neben anderen Medikamenten - die erneute Gabe von Luminal. Während der Intubationsversuche erreichte die Sauerstoffsättigung nur 20%.

Am 25.06.1997 kam es - nach Verschlechterung der Atmung ab 00.30 Uhr und Stridor - ab 01.00 Uhr wieder zu rezidivierenden Apnoen mit massiven Sauerstoffentsättigungen; gegen 03.20 Uhr erfolgten anhaltende Apnoen mit Sauerstoffsättigungsabfällen bei niedrigem pCO2, denen die Ärzte mit einer CPAP-Beatmung begegneten. Um 04.05 Uhr kam es zu erneuten Apnoen mit einem etwa 15 Sekunden andauerndem Krampfanfall.

Gegen 04.30 Uhr wurde schließlich eine erfolgreiche Intubation durchgeführt. Danach trat kein weiterer Sauerstoffsättigungsabfall mehr auf.

Am 27.06.1997 erfolgte die Extubation, am 09.07.1997 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen. Im weiteren Verlauf entwickelte sich eine frühkindliche Epilepsie und ein cerebraler Defektschaden (multizystische Encephalopathie). Der Kläger zeigt heute eine schwere Mehrfachbehinderung mit rechtsbetonter spastischer Cerebralparese sowie eine erhebliche motorische, sensomotorische, sprachlich-expressive und sozioemotionale Retardierung.

Der Kläger hat den Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen und erstinstanzlich behauptet, infolge einer unzureichenden postpartalen Überwachung sei der Zusammenbruch seiner vitalen Parameter erst mit stundenlanger Verzögerung bemerkt worden. Er sei ein Risiko-Neugeborener gewesen, der von Geburt an einer sorgfältigen neonatologischen Beobachtung bedurft hätte. Bereits zum Zeitpunkt der Vorstellung bei den Pädiatern gegen 15.35 Uhr habe sich das neurologische Durchgangssyndrom als Ausdruck der irreversiblen hypoxischen Hirnschädigung durchgesetzt. In der Zeit nach seiner Geburt habe er immer wieder unter Sauerstoffmangelzuständen gelitten, bis es schließlich zur irreversiblen Hirnschädigung mit schwerem neurologischem Durchgangssyndrom gekommen sei.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines geburtshilflichen und eines neonatologischen Gutachtens nebst ergänzender Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. U und Prof. Dr. H abgewiesen, da ein Behandlungsfehler der mit der Geburt und der Nachsorge befassten Mitarbeiter der Beklagten weder in der Geburtsklinik noch in der Kinderklinik feststellbar sei. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs.1 Nr.1 ZPO Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt gegenüber dem Beklagten unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung seines bisherigen Sachvortrages sein Begehren weiter. Nachdem er ursprünglich vorrangig Behandlungsfehler im Rahmen der postpartalen Überwachung in der Frauenklinik des Beklagten gerügt hat, stützt er die Berufung nunmehr ausschließlich auf eine angeblich fehlerhafte ärztliche Behandlung in der Kinderklinik des Beklagten, mit der sich das Landgericht nicht ausreichend befasst habe. Er macht hierzu im Wesentlichen geltend:

In der Kinderklinik sei es über einen Zeitraum von etwa 12 Stunden immer wieder zu massiven Sauerstoffmangelzuständen gekommen, die ursächlich für seine Hirnschädigung - zumindest mitursächlich im Sinne einer Vertiefung einer bereits bestehenden Hirnschädigung - gewesen seien. Dies hätte nur durch eine frühzeitige Intubation und maschinelle Beatmung verhindert werden können. Es sei grob behandlungsfehlerhaft gewesen, angesichts des jeweils (während der Apnoen) massiven Absinkens der Herzfrequenz und der Sauerstoffsättigung keine ausreichende Sauerstoffversorgung durch maschinelle Beatmung sicherzustellen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils,

I.

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2003,

2. den Beklagten zu verurteilen, auf den im Zeitraum Juni 1997 bis September 2003 entstandenen materiellen Schaden des Klägers einen Betrag von 152.596,01 € zu zahlen, zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2003,

3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ab dem 01.10.2003 eine monatliche Mehrbedarfsrente in Höhe von 2.679,11 € zu zahlen, jeweils für 3 Monate im Voraus,

4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der fehlerhaften geburtshilflichen Betreuung am 24.06.1997 entstanden sind und in Zukunft noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht infolge sachlicher oder zeitlicher Kongruenz auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

II.

Vorsorglich, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren gemäß § 538 Abs.2 Ziff.4 ZPO an das Landgericht Bielefeld zurück zu verweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wendet sich weiterhin gegen jegliche Haftung, verteidigt das angefochtene Urteil und macht zunächst geltend, das Berufungsvorbringen betreffend die medizinische Versorgung in der Kinderklinik stelle eine Auswechslung des Sachverhalts dar und sei deshalb als neuer Vortrag nach § 531 Abs.2 Nr.3 ZPO zurückzuweisen.

Der Beklagte beruft sich nunmehr unter Hinweis auf das Privatgutachten Prof. Dr. I vom 25.01.2007 im Wesentlichen darauf, dass die cerebrale Schädigung des Klägers durch ein bereits intrauterin abgelaufenes Geschehen erfolgt sei, so dass die Apnoen und cerebralen Krampfanfälle als Folge und nicht als Ursache der Hirnschädigung anzusehen seien. In den ersten Stunden nach Aufnahme in der Kinderklinik sei es deshalb zwar zu einem Absinken der Sauerstoffsättigung bis auf 40% gekommen, nach der Verabreichung von 10 mg Phenobarbital (Barbiturat mit langer Wirkungsdauer) sei es aber zu einer guten Stabilisierung gekommen. In den weiteren Stunden sei zur Krampfbehandlung wie geplant wiederholt Phenobarbital verabreicht worden, was auch jeweils zu einer kurzfristigen Stabilisierung geführt habe.

Gegen 22.00 Uhr sei zur Vorbereitung einer wegen einer hartnäckigen Apnoe beabsichtigten Intubation (wegen ausgeprägter Kieferklemme aufgrund der Krampfsituation) 2x Hypnomidate und Phenobarbital verabreicht worden, was zu einer sehr stabilen Spontanatmung geführt habe. Die behandelnde Oberärztin habe sich deshalb nach 30-minütiger Beobachtungszeit zunächst gegen eine Intubation entschieden; danach sei der Kläger hinsichtlich der Atmung für 4 Stunden stabil gewesen. Als dann in der Nacht erneut Apnoen aufgetreten seien, habe man sich gegen 4.30 Uhr zur Intubation und Beatmung entschieden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die im Original beigezogenen Behandlungsunterlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Eltern des Klägers und den Sachverständigen Prof. Dr. H angehört und gemäß Beschluss vom 16.01.2006 (Bl.370 d.A.) weiter Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst erneuter Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. H. Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 30.03.2006 (Bl.381 d.A.), auf die Sitzungsprotokolle vom 24.10.2005 und 19.03.2007 (Bl.313, 481 d.A.) und auf die Berichterstattervermerke zu den Senatsterminen (Bl.321, 489 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für alle materiellen Schäden aus der fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Juni 1997 gemäß den §§ 823 Abs.1, 831, 847 BGB a.F. bzw. - soweit materielle Schäden in Rede stehen - auch aus der schuldhaften Verletzung des zwischen seiner Mutter und dem Beklagten bestehenden Krankenhausaufnahme- und Behandlungsvertrages, in dessen Schutzbereich der Kläger einbezogen ist, in Verbindung mit § 278 BGB.

Hinsichtlich der beziffert geltend gemachten materiellen Schäden (Anträge zu Ziffer 2 und 3) ist die Klage dem Grunde nach berechtigt und führt hinsichtlich der Anspruchshöhe zur Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges.

A.

Soweit das Landgericht unter Bezugnahme auf die Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. U und Prof. Dr. H festgestellt hat, dass hinsichtlich des Behandlungsgeschehens in der Frauenklinik des Beklagten kein relevanter ärztlicher Behandlungsfehler zu Lasten des Klägers - weder in der Geburtsphase noch im Rahmen der postpartalen Versorgung und Beobachtung - festgestellt werden kann, ist der Kläger dem mit der Berufung nicht entgegengetreten.

B.

Der Beklagte haftet aber aufgrund von Behandlungsfehlern seiner Ärzte in der Zeit nach der Verlegung des Klägers in die Kinderklinik.

1.

Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt das nunmehr ausschließlich auf das Behandlungsgeschehen in der Kinderklinik ausgerichtete Berufungsvorbringen keine Auswechslung des erstinstanzlichen Sachverhalts dar und ist deshalb auch nicht als neuer Vortrag nach § 531 Abs.2 Nr.3 ZPO zurückzuweisen.

Ob ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen neu ist, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 2004, 2825, 2827) davon ab, wie allgemein es in erster Instanz gehalten war. Wenn es einen sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert oder erstmals substanziiert, ist es neu, nicht aber dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird.

Die Voraussetzungen der zweiten Alternative sind hier gegeben. Der Kläger hat bereits mit der Klageschrift den schlüssigen Vorwurf erhoben, es sei im Zusammenhang mit seiner neonatologischen Versorgung nach der Geburt zu Behandlungsfehlern gekommen. Der Vorwurf war damit Gegenstand des erstinstanzlichen Vortrags und sogar auch der Begutachtung, die ansatzweise den Zeitraum bis in die Kinderklinik erfasste, ist aber hinsichtlich der zeitlichen Reichweite in der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht in ausreichendem Umfang überprüft worden. Dieses Vorbringen hat der Kläger mit der Berufung lediglich weiter konkretisiert.

2.

Bei der medizinischen Beurteilung des pädiatrischen Behandlungsgeschehens folgt der Senat den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. Der Sachverständige hat sich insbesondere im Gutachten vom 30.03.2006 eingehend mit dem zeitlichen Ablauf der Behandlung des Klägers nach dessen Verlegung in die Kinderklinik des Beklagten befasst und sein Gutachten unter Einbeziehung der sonstigen Begutachtungen - insbesondere des Privatgutachtens Prof. Dr. I vom 25.01.2007 - in jeder Hinsicht fundiert und sachlich überzeugend bei seiner Anhörung vom 19.03.2007 erläutert. Die Kompetenz und Erfahrung des Sachverständigen stehen dabei ebenso außer Zweifel wie dessen Objektivität. Der Sachverständige besitzt als ehemaliger Chefarzt einer Kinder- und Jugendklinik sowohl ein fundiertes theoretisches Wissen als auch eine umfassende praktische Erfahrung. Die Ausführungen des Sachverständigen beruhten auf einer gründlichen Aufarbeitung der sehr umfangreichen Behandlungsunterlagen. Der Sachverständige war zudem in der Lage, sämtliche für die Entscheidung maßgeblichen Fragen des Falls zu beantworten.

Der Einholung weiterer Zusatzgutachten bedurfte es daher nicht.

Soweit der Sachverständige in seinem Gutachten vom 30.03.2006 in der zusammenfassenden Gesamtschau das ärztliche Handeln der Pädiater als einen eindeutigen und aus objektiver Sicht nicht mehr verständlichen Verstoß gegen bewährte neonatologische Behandlungsregeln bewertet hat, steht dieses Ergebnis sachlich nicht im Widerspruch zu seinem Erstgutachten vom 12.07.2004, da sich jene Begutachtung ersichtlich auf die Frage nach Behandlungsfehlern in der Geburtsklinik beschränkte. Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens ist zu der Frage, ob der Kläger nach Verlegung und speziell innerhalb des Zeitraums vom 24.06.1997, 17.45 Uhr, bis zum 25.06.1997, 04.30 Uhr, in der Kinderklinik eine fachgerechte Behandlung mit einer umfassenden Diagnostik und entsprechend gebotenen therapeutischen Maßnahmen erfahren hat, kein hinreichender Beweis erhoben und die Frage deshalb letztlich auch nicht beantwortet worden. So hatte der Sachverständige Prof. Dr. H nach eigenen Angaben in der Anhörung vom 07.12.2004 (Bl.184) die Behandlungsunterlagen nicht auf eventuelle Behandlungsfehler in der Kinderklinik des Beklagten hin überprüft, sondern nur dahingehend, durch welche Faktoren oder Umstände das damals (2004) bekannte Schädigungsbild des Klägers "besonders wahrscheinlich gemacht wurde im kausalen Sinne".

In der nachfolgenden Anhörung vom 24.10.2005 vor dem Senat, insbesondere aber in dem schriftlichen Gutachten vom 30.03.2006 und der ergänzenden Anhörung vom 19.03.2007 hat der Sachverständige Prof. Dr. H sodann erstmals das vollständige Behandlungsgeschehen in der Kinderklinik auf mögliche Behandlungsfehler hin begutachtet.

3.

Die den Kläger behandelnden Ärzte in der Kinderklinik des Beklagten haben auf die nach der Übernahme vom 24.06.1997, 15.45 Uhr, eintretenden Verschlechterungen aufgrund zunehmender Apnoen und cerebraler Krampfanfälle vor dem Hintergrund immer stärkerer Sauerstoffsättigungsabfälle bei inzwischen festgestellter Anämie nur unzureichend und daher nicht dem Facharztstandard entsprechend reagiert. Dadurch ist es in dem Zeitraum vom 24.06.1997, 17.45 Uhr, bis zum 25.06.1997 gegen 04.30 Uhr zu verschiedenen Behandlungsfehlern gekommen:

a)

Phase 1 (von der Übernahme um 15.45 Uhr bis etwa 17.45 Uhr):

Für diesen ersten Zeitraum von der Verlegung in die Kinderklinik (15.45 Uhr) bis etwa 17.45 Uhr hat der Sachverständige Prof. Dr. H nach eingehender Auswertung der Behandlungsunterlagen in seinem Gutachten dargestellt, dass die behandelnden Ärzte unter Zugrundelegung des üblichen neonatologischen Standards insofern gewisse therapeutische Chancen verpasst haben, da man nach den bekannten Umständen (vorzeitiger Blasensprung, protrahierter Geburtsverlauf, Vakuumextraktion) durchaus differentialdiagnostisch an unterschiedliche drohende Komplikationen hätte denken können, zumal bei einem reifen Neugeborenen - wie hier der Kläger - sich die Frage nach der Ursache bzw. dem Auslöser der Apnoen hätte stellen können.

So wurde der Kläger unter der vorläufigen Diagnose "dringender Verdacht auf neonatale generalisierte Infektion" aufgenommen. Dennoch wurde die damit implizierte Pathophysiologie einer Sepsis und die damit drohenden Komplikationen nur ungenügend beachtet, weil beispielsweise die erforderliche diagnostische Evaluation des kardiopulmonalen Systems unterblieb. Zudem sind Apnoen bei reifen Neugeborenen praktisch immer ein Zeichen einer zugrunde liegenden Erkrankung oder sind Reaktion einer primären Sauerstoffuntersättigung im Gesamtorganismus oder bestimmten Körperregionen (Hypoxie). So legt ein protrahierter Geburtsverlauf prinzipiell die Möglichkeit einer subpartalen Asphyxie nahe. Für die erforderliche Orientierung, ob die Hypoxie oder aber die Apnoe primär war, ist deshalb routinemäßig ein - hier nicht durchgeführtes - Atemmonitoring parallel zur Sauerstoffsättigungsmessung vorzunehmen. Darüber hinaus waren die massiven Sauerstoffabfälle durch eine Röntgen-Thoraxaufnahme auch daraufhin abzuklären, ob sich der Kläger aufgrund sonstiger Bedingungen (Pneumothorax) an seiner Kompensationsgrenze befand.

Obwohl es bei sauerstoffpflichtigen Atemunregelmäßigkeiten dem neonatologischen Standard entspricht, die kardiopulmonalen Bedingungen hinsichtlich etwaiger prädisponierender oder auch kausaler Faktoren abzuklären, haben die Ärzte dies vorliegend versäumt und sich damit der therapeutischen Chance begeben, das Ausmaß der Sauerstoffentsättigungen abzumildern.

Letztlich ist es nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H aber noch nicht als eindeutiger Behandlungsfehler zu bewerten, wenn seitens der Ärzte in dieser frühen Phase noch an dem Verdacht eines intrauterin abgelaufenen Infektionsgeschehens festgehalten wurde. Denn es bot sich den Ärzten ein keineswegs übliches und typisches Bild einer Neugeborenenerkrankung, vielmehr lag hier der seltenere Fall eines erst im Laufe des ersten Lebenstages auffälligen Neugeborenen vor, der nach einem postpartal zunächst eher unauffälligen Verhalten zunehmende Symptomatiken zeigte.

b)

Phase 2 (von 17.45 Uhr bis etwa 22.00 Uhr):

Eine wesentliche Änderung ergab sich dann aber für den Zeitraum ab etwa 17.45 Uhr, weil nun zunehmend häufiger und oft sehr ausgeprägt Apnoen - jetzt auch erstmals mit begleitenden motorischen Krampfanfällen - mit reihenweise Sauerstoffsättigungsabfällen auf Werte zwischen 40% und 10% bei festgestellter und den Ärzten bekannter Anämie auftraten, durch die ein neugeborenes Kind mit reduziertem Volumen besonders gefährdet wird. Deshalb musste für die behandelnden Ärzte zwar auch der Grund der Anämie und dessen Erforschung von Interesse sein. Nach den Angaben von Prof. Dr. H war aber in der akuten Situation nicht die Diagnostik der Anämie entscheidend, sondern zunächst die Beachtung des Umstandes, dass der Kläger wegen des geringeren Blutvolumens für Sauerstoffsättigungsabfälle erheblich anfälliger war und die Prozentwerte der Sauerstoffsättigungsabfälle deshalb noch deutlich gravierender und gefährlicher waren, als sie - auch ohne Vorliegen einer Anämie - ohnehin schon waren. Das ärztliche Fehlverhalten in dieser Phase besteht deshalb in dem unkritischen Festhalten an der ursprünglichen Arbeitshypothese und damit in dem Versäumnis sorgfältiger Differentialdiagnostik.

Es gab in dieser Phase ganz erhebliche Sauerstoffsättigungsabfälle, die nach den entsprechenden Eintragungen in den Behandlungsunterlagen (sowohl Pflegedienst als auch Arzt) nicht nur von ganz kurzer Dauer waren. Insoweit hat der Sachverständige Prof. Dr. H ausgeführt, dass die Eintragungen "hartnäckige Krämpfe", "erholt sich langsam" und "muss kräftig bebeutelt werden" immerhin von dem Personal der Intensivstation vorgenommen worden waren, so dass ganz erhebliche, d.h. längere Zeiten des Sauerstoffsättigungsabfalls vorgelegen haben müssen.

Zu Beginn der 2. Phase ab 17.45 Uhr ist den Ärzten zudem bekannt geworden, dass beim Kläger eine Anämie vorlag; dies wurde aber weder diagnostisch (Bestimmung von Bilirubin, Nachweis fetalen Hämoglobins im mütterlichen Kreislauf, ggf. Lumbalpunktion) und erst recht nicht therapeutisch berücksichtigt. Ebenfalls unberücksichtigt blieb der völlige Ausfall sonstiger Infektionsparameter (Entzündungszeichen negativ).

Bei einem ordnungsgemäßen Vorgehen hätte aber nach Prof. Dr. H jedenfalls jetzt differentialdiagnostisch an eine hypoxisch-ischämische Encephalitis als häufigsten Grund für derartige Krämpfe gedacht werden müssen. Die insoweit wichtigste Differentialdiagnose bei einem reifen Neugeborenen mit am ersten Lebenstag auftretenden Krampfanfällen - noch dazu in Form konvulsiver Apnoen - ist die Manifestation einer hypoxisch-ischämischen Encephalopathie. Diagnostisch haben die Ärzte zwar eine Schädelsonographie durchgeführt, diese aber als ohne pathologischen Befund bewertet, obwohl der Befund "Ventrikelsystem kaum darstellbar" angesichts der Symptomatik nicht ohne weitere Befunderhebung als normal hätte hingenommen werden dürfen. Auch jetzt erfolgte aber keine weitere Annäherung an diese wichtige Differentialdiagnose.

Als weitere mögliche Differentialdiagnose wäre als Ursache für die Krämpfe eine intracranielle Blutung zu erwägen gewesen. Hinweise auf entsprechende Untersuchungen oder Überlegungen finden sich in der pflegerischen oder ärztlichen Dokumentation aber nicht.

Als ab 17.45 Uhr die Apnoen erstmals mit Krampfanfällen einhergingen, war deshalb mindestens zu erwägen, dass die Apnoen Teil einer neurologischen Symptomatik waren. Eine dauerhafte Intubation wäre daher bei optimalem Vorgehen zwischen 17.00 und 18.00 Uhr, spätestens aber gegen 19.00 Uhr erforderlich gewesen, zumal zu diesem Zeitpunkt die Anämie bekannt war.

Das unkritische Festhalten der Ärzte an dem ursprünglichen Verdacht eines Infektionsgeschehens war deshalb nach dem fachärztlichen Standard im Jahre 1997 fehlerhaft, die darauf aufbauenden Reaktionen nur unzureichend.

So war insbesondere unter Berücksichtigung der AWMF-Leitlinien "Zerebrale Anfälle beim Neugeborenen" (Reg.-Nr. 024/011) die erste Dosis des Medikaments Phenobarbital (10 mg) vollkommen unzureichend, nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. H nur "ein Klacks". Es entsprach auch schon 1997 dem medizinischen Standard, bei dem Körpergewicht des Klägers mindestens 70 mg zu verabreichen, um den gebotenen Wirkstoffspiegel aufzubauen. Auch die später verabreichten Wirkstoffmengen Phenobarbital waren folglich nur unzureichend, deshalb konnte das Medikament auch keine ausreichende Wirkung entfalten. Vielmehr ist Phenobarbital den Leitlinien entsprechend zunächst in einer Dosis von 20 mg/kg als Kurzinfusion zu verabreichen. Bei einem nur unzureichenden Effekt sollte dann schrittweise eine Erhöhung der Dosis auf insgesamt 40 mg/kg erfolgen. Denn durch die medikamentöse Behandlung sollen nicht einzelne Krämpfe bekämpft, sondern eine suffiziente Behandlung gewährleistet und so Hirnschäden verhütet werden, die insbesondere bei langandauernden oder häufig wiederkehrenden cerebralen Anfällen drohen; ferner sollen anfallsassoziierte Hypoxämien und Apnoen verhindert werden.

Auch die bei einem reifen Neugeborenen ungewöhnliche Gabe des Atemantriebssteigerungs-Medikaments Theophyllin, das eigentlich bei Atemantriebsstörungen von Frühgeborenen vorgesehen ist, kann nur als ein "hilfloser Versuch" - so der Sachverständige - der Ärzte angesehen werden, da nach den AWMF-Leitlinien "Therapie der idiopathischen Apnoe-Anfälle bei Frühgeborenen (Reg.-Nr. 024/013) mit der Gabe dieses Medikamentes sogar Gefahren für das Kind (reduzierte Durchblutung der Hirnrinde zugunsten einer besseren Hirnstammdurchblutung) verbunden waren. Das Handeln der Ärzte in dieser Phase ist daher Ausdruck ihrer Hilflosigkeit und Konzeptlosigkeit und entspricht - so der Sachverständige Prof. Dr. H - einem "Blindflug". Auch Prof. Dr. I konzediert, dass die Gabe von Theophyllin in der Behandlung von Apnoen in Folge von Krampfanfällen wirkungslos ist.

Angesichts der bekannten Umstände und insbesondere der fehlenden Infektionsnachweise in den Laborwerten war das Verhalten der Ärzte medizinisch fehlerhaft. Der Kläger hätte schon zu einem früheren Zeitpunkt, bei einem ordnungsgemäßen ärztlichen Vorgehen etwa gegen 19.00 Uhr, intubiert werden sollen, um die Sauerstoffsättigungsabfälle zu verhindern und damit den Kreislauf zwischen den Apnoen und Krampfanfällen einerseits und den Sauerstoffsättigungsabfällen andererseits zu durchbrechen.

Das Gutachten Prof. Dr. I steht dem nicht entgegen. Es gab Hinweise auf eine Sauerstoffunterversorgung, die Kenntnis von der Anämie und eine nicht den Leitlinien entsprechende Medikation. Selbst nach dem Gutachten Prof. Dr. I fanden die Hinweise auf die Sauerstoffunterversorgung aber nicht die erforderliche differentialdiagnostische Beachtung, so dass seiner Einschätzung, das Verhalten der Ärzte sei standardgerecht gewesen, nicht gefolgt werden kann. Allein das Festhalten an dem ursprünglichen Infektionsverdacht genügte hierfür nicht.

Das inkonsequente und halbherzige Verhalten der behandelnden Ärzte setzte sich trotz weiterer nachhaltiger Apnoen, Krampfanfälle und Sauerstoffsättigungsabfälle im Verlaufe des Abends fort und die von den Ärzten selbst für erforderlich gehaltene Intubation wurde aufgrund von Schwierigkeiten (Kieferklemme des Klägers) abgebrochen, ohne eine Gewähr für eine dauerhafte Stabilität des Klägers zu haben.

c)

Phase 3 (ab etwa 22.00 Uhr bis 04.30 Uhr am 25.06.1997):

Aufgrund mangelnder Konsequenz ist es in dieser Phase zu einer erneuten Verzögerung der entscheidenden therapeutischen Maßnahme - der Intubation - um weitere 6 Stunden gekommen.

Mit dem erneuten, gehäuften Auftreten von Apnoen mit Sauerstoffsättigungsabfällen bis auf 20% wurde die Indikation zur Intubation jetzt zwar gestellt, deren Umsetzung nach drei frustranen Intubationsversuchen bei Kieferklemme jedoch ergebnislos abgebrochen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H hätte schon nach dem Abklingen der Kieferklemme, spätestens aber beim Auftreten der nächsten, dem Intubationsversuch zeitlich nachfolgenden Apnoe (oder Krampfanfall) mit Sauerstoffabfall ein erneuter Intubationsversuch unternommen werden müssen, um einer weiteren Schädigungsaggravierung beim Kläger vorzubeugen.

Nachdem in der Zeit von 01.00 Uhr bis 03.00 Uhr insgesamt 13 Apnoen mit gravierenden Sauerstoffsättigungsabfällen bis auf 12% und gegen 03.20 Uhr nochmals drei Apnoen hintereinander aufgetreten waren, erfolgte daraufhin aber statt der dringend erforderlichen Intubation nur ein - auch nach Auffassung von Prof. Dr. I - untauglicher Versuch mit der CPAP-Beatmung gegen 03.20 Uhr. Diese Methode wird üblicherweise bei Frühgeborenen mit Lungenentfaltungsstörungen angewandt, hat jedoch bei konvulsiven Apnoen keinerlei therapeutischen Stellenwert. Dieses Verhalten der Ärzte ab etwa 01.00 Uhr zeigt wirkungslose Maßnahmen und das Fallenlassen der vorher bereits gestellten Indikation zur Intubation, bis diese dann letztlich wegen nicht eintretender Besserung der Apnoen gegen 04.30 Uhr erfolgte. Erst nach der Intubation des Klägers gab es keine weiteren Apnoen und Sauerstoffabfälle mehr.

Auch das Gutachten Prof. Dr. I enthält insoweit keine plausible Begründung, warum die Maßnahmen in den letzten Stunden vor der Intubation um 04.30 Uhr noch als standardgerecht anzusehen seien, obwohl Sauerstoffsättigungsabfälle bis unter 20% bei einem anämischen Neugeborenen aufgetreten waren und die Ärzte dem lediglich mit einer insoweit wirkungslosen CPAP-Beatmung begegnet waren. Weil nicht bekannt ist, wie hoch der Kohlendioxidgehalt des Blutes in dieser Phase war, kann hier im Ergebnis auch nicht gesagt werden, dass der Kläger "kürzere Phasen" des Sauerstoffsättigungsabfalls hätte tolerieren können.

4.

Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob mit den Ausführungen des Sachverständigen in der Anhörung vom 19.03.2007 schon ab etwa 20.00 Uhr das Vorgehen der Ärzte als grob behandlungsfehlerhaft zu bewerten ist, obgleich Prof. Dr. H anschaulich die erhebliche Gefahrenlage eines anämischen Neugeborenen bei mehrfachen massiven Sauerstoffsättigungsabfällen, die es hier bereits ab 17.00 Uhr gegeben hatte, und die daraus resultierenden hohen Anforderungen an die Behandlung geschildert hat. Es spricht jedoch einiges dafür, dass das Vorgehen angesichts der bis 20.00 Uhr bekannten Umstände und der unzulänglichen Dosierung des Phenobarbitals bereits eindeutig fehlerhaft und aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich war.

Jedenfalls kann und muss ab etwa 22.00 Uhr, und erst recht ab etwa 01.00 Uhr, nach Überzeugung des Senates von einem grob fehlerhaften Verhalten der Ärzte ausgegangen werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H erfüllt die Unterlassung einer frühzeitigen Intubation des Klägers die Bedingungen eines nicht nachvollziehbaren Fehlers, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, da die wichtigste Differentialdiagnose von Neugeborenenkrämpfen am ersten Tag, die hypoxisch-ischämische Encephalopathie oder die intracranielle Blutung, zum Standardwissen eines jeden Neonatologen gehört. Vor diesem Hintergrund ist es ein fundamentaler Fehler, ständig sich wiederholende, massive Sauerstoffentsättigungen bei einem solchen Kind abwartend hinzunehmen. Im Ergebnis handelte es sich dabei um eine Aneinanderreihung ärztlicher Fehlleistungen, bei dem das ärztliche Handeln - so der Sachverständige - einem medizinischen "Blindflug" glich.

Dieser Einschätzung steht das Gutachten Prof. Dr. I nicht entgegen, zumal der Sachverständige aus Sicht des Senates schon vom Ansatz her keine nachvollziehbare und überzeugende Begründung für seine Bewertung geben konnte, dass die Behandlung des Klägers trotz der häufigen und schwerwiegenden Anfälle, die immer gravierender und bedrohlicher wurden, noch standardgerecht gewesen sein soll. Die bloße Aufrechterhaltung des Infektionsverdachtes ohne sichere Belege vermag dies nicht zu rechtfertigen, da die geänderte Lage eine weitergehende Differentialdiagnostik und weitere Maßnahmen zwingend erforderte.

Auf der Basis des Sachverständigen Prof. Dr. H sieht das Gericht jedenfalls ab etwa 22.00 Uhr ein eindeutig behandlungsfehlerhaftes Vorgehen der Ärzte, das aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil die hier gegebenen Verstöße in einer neonatologischen Fachabteilung schlechterdings nicht erfolgen dürfen.

5.

Die beim Kläger eingetretene Versorgungsstörung des Gehirns, die zu der vorliegenden schweren Hirnschädigung führte und aus der eine spastische Tetraparese resultierte, ist als Folge der Fehlbehandlung der Ärzte des Beklagten anzusehen. Da dem Beklagten ein grober und zur Herbeiführung des beim Kläger eingetretenen Schadens geeigneter Behandlungsfehler anzulasten ist, trifft ihn die Beweislast dafür, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem eingetretenen Gesundheitsschaden gänzlich bzw. äußerst unwahrscheinlich ist (BGH VersR 2005, 228 ff; NJW 2004, 2011 ff).

Diesen Beweis hat der Beklagte nicht geführt. Es ist nach dem Beweisergebnis nicht bewiesen, dass es gänzlich unwahrscheinlich ist, dass die um mehrere Stunden verzögerte Intubation sich schädigend auf den Zustand des Klägers ausgewirkt hat. Selbst Prof. Dr. I hat lediglich die Ansicht vertreten, dass es durchaus in Betracht komme und sogar sehr wahrscheinlich sei, dass die cerebrale Schädigung des Klägers bereits bei Übernahme durch die Pädiater komplett eingetreten gewesen sei. Demgegenüber hat Prof. Dr. H bei der Anhörung nochmals deutlich gemacht, dass jedes Krampfereignis bis zur Intubation um 04.30 Uhr noch weitere Schädigungen hervorrufen konnte und er davon überzeugt sei, dass der Kläger durch das Fehlverhalten der Ärzte zusätzliche Schäden zu der vorhandenen Schädigung erfahren habe. Der Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Hirnschaden des Klägers kann daher nicht als gänzlich unwahrscheinlich bezeichnet werden.

Es hätte auf jeden Fall die reelle Chance des Klägers bestanden, bei einem fachgerechten Vorgehen der Ärzte des Beklagten in erheblich geringerem Umfang geschädigt zu sein.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H ist nicht einmal sicher festzustellen, dass in Bezug auf irgendeinen prozentualen Schadensanteil die Mitverursachung des Verhaltens der Beklagtenseite sicher ausgeschlossen werden kann, so dass die Haftung auf den gesamten Schaden gerichtet ist, da hierfür bereits eine Mitursächlichkeit genügt. Denn sobald positiv feststeht, dass ein einfacher Behandlungsfehler für den Schaden mitursächlich ist bzw. bei einem groben Behandlungsfehler - wie hier - die bloße Mitursächlichkeit nicht als äußerst unwahrscheinlich entkräftet ist, geht die Haftung des Schädigers auf den gesamten Schaden, wenn der Anteil einer nicht haftungsrelevanten Vorschädigung nicht abgrenzbar sicher festgestellt werden kann (vgl. BGH NJW 1997, 796; 2005, 2072).

Ein abgrenzbarer Vorschaden kann hier jedoch nicht sicher festgestellt werden. Nach den Angaben von Prof. Dr. H in Bezug auf vergleichbare Fälle kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei ordnungsgemäßer Behandlung überhaupt kein messbarer Schaden verblieben wäre.

6.

Aber selbst wenn man - zugunsten des Beklagten - lediglich von einem einfachen Behandlungsfehler ausgehen würde, würde dies an der Haftung des Beklagten nichts ändern.

Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H in seinen schriftlichen Gutachten und seinen Anhörungen steht zur Überzeugung des Senats mit der gebotenen Sicherheit fest, dass die Behandlungsfehler der Mitarbeiter des Beklagten jedenfalls auch mitursächlich für den beim Kläger eingetretenen Gesundheitsschaden geworden sind. Professor Dr. H hat überzeugend dargestellt, dass in den 36 Stunden nach Aufnahme des Klägers in der Kinderklinik eine dramatische Situationsverschlechterung erfolgte, weil die zahlreichen und zum Teil schwer zu beherrschenden Krampfanfälle mit massiven Sauerstoffmangelsituationen einhergingen, was unzweifelhaft einer weiteren Schädigung des zentralen Nervensystems Vorschub leistete. Dies hat der Sachverständige - wie bei seiner Anhörung vom 24.10.2005 - als seine sichere Überzeugung dargestellt, ohne insoweit einen theoretischen anderen Verlauf völlig ausschließen zu können.

Die bleibenden Schäden des Klägers sieht der Sachverständige Prof. Dr. H dementsprechend als das Resultat einer ersten, wann auch immer erfolgten Schädigung des zentralen Nervensystems, auf das sich die Folgen der massiven Krämpfe pfropften, was zu einer wesentlichen Aggravierung der ursprünglichen Schädigung führte. Insoweit hatte jedes Krampfereignis, das bis 04.30 Uhr eingetreten ist, das Potential, einen weiteren Schaden hervorzurufen. Je später das Krampfereignis eintrat, um so mehr waren auch schon mildere Sauerstoffsättigungsabfälle geeignet, Schäden hervorzurufen. So ist nach den Ausführungen des Sachverständigen aus zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen bekannt, dass allein die Abfolge mehrerer kurzer hypoxisch-ischämischer Ereignisse, die jeweils einzeln noch kompensierbar wären, sich in ihren Auswirkungen potenzieren. Um so gravierender ist die Aufpfropfung solcher Ereignisse auf ein bereits vorgeschädigtes Zentralnervensystem einzuschätzen. Eine kausale Zuordnung von Einzelfaktoren ist dem Sachverständigen insoweit zwar nicht möglich gewesen, die zahlreichen Behandlungsfehler sind aber zumindest mitursächlich für die beim Kläger bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen gewesen. Wenn es den Ärzten durch eine rechtzeitige Intubation frühzeitig gelungen wäre, die massiven Sauerstoffabfälle im Rahmen der Krämpfe aufzufangen, dann wäre das Ausmaß der Hirnschädigung und damit der heutige Residualzustand mit einer für das praktische Leben ausreichenden Sicherheit verringert worden.

Der Kläger zeigte bei der Aufnahme in der Kinderklinik zunächst ein geringeres Krankheitsbild als Kinder, die mit schwerer Asphyxie geboren werden; letztlich stellte sich beim Kläger eine Schwerstschädigung ein. Selbst bei der "klassischen" Asphyxie überstehen Kinder ein solches Ereignis jedoch in bis zu 50% der Fälle ohne Residualschäden. Das bedeutet, dass der Beitrag in der Kinderklinik einen deutlichen Anteil an dem Gesamtschaden hat. Bei einer groben Abschätzung hat der Sachverständige dem postpartalen Anteil mindestens 30% bis 40% des Gesamtschadens zugeordnet.

Der abweichenden Ansicht von Prof. Dr. I, wonach möglicherweise der gesamte Hirnschaden bereits vor der Übernahme des Klägers durch die Pädiatrie komplett eingetreten war, vermag nicht zu überzeugen und findet in dem dargestellten Zustand des Kindes keinen Beleg. Es spricht vielmehr alles dafür, dass die mehrfachen und schweren Anfälle und Sauerstoffsättigungsabfälle die ursprüngliche Schädigung im Zentralnervensystem immer weiter verstärkt und erweitert haben.

Angesichts der Ausführungen von Prof. Dr. H, wonach bei richtiger Behandlung des Klägers der Gesundheitsschaden sicher geringer ausgefallen wäre, ist die Ansicht von Prof. Dr. I, wonach die gesamte Hirnschädigung bzw. ZNS-Schädigung bereits vor einer eventuell fehlerhaften Behandlung komplett vorgelegen haben könnte, nur als theoretische Variante zu sehen. Insoweit bleibt auch nach den Ausführungen von Prof. Dr. I im Senatstermin vom 19.03.2007 unklar, wodurch überhaupt die schwerwiegende Hirnschädigung des Klägers verursacht worden ist, und es ist nicht plausibel, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Verlegung in die Kinderklinik komplett geschädigt gewesen und der gravierende Verlauf bis 04.30 Uhr mit den tiefgreifenden Sauerstoffsättigungsabfällen keinerlei Auswirkungen mehr gehabt haben soll. Der Senat folgt auch insoweit den Ausführungen des erfahrenen Sachverständigen Prof. Dr. H, der keinen vernünftigen Zweifel hat, dass die Fehlbehandlung jedenfalls mitursächlich für den Gesundheitsschaden geworden ist, jedoch für ihn nicht in konkreten prozentualen Werten abgrenzbar ist, in welchem konkreten Ausmaß die Vorschädigung für das Schadensbild verantwortlich ist, da der mögliche Verlauf für den Fall einer dem Facharztstandard entsprechenden Versorgung vollkommen spekulativ ist.

7.

Neben dem berechtigten Feststellungsausspruch (Klageantrag zu Ziffer 4), der hinsichtlich der weiteren (vom Grundurteil nicht erfassten) materiellen Schäden gerechtfertigt ist, schuldet der Beklagte die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (Klageantrag zu Ziffer 1) nebst Verzugszinsen seit dem 01.08.2003, da der Anspruch auf Schmerzensgeld unter Fristsetzung zum 31.07.2003 geltend gemacht worden ist.

Unter Abwägung aller zumessungsrelevanten Aspekte und unter Berücksichtigung der in den letzten Jahren in ähnlichen und vergleichbar gelagerten Fällen in der Rechtsprechung zuerkannten Schmerzensgeldbeträge hält der Senat einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 225.000,- Euro für angemessen und ausreichend. Der Betrag erscheint als Ausgleich erforderlich, wobei allerdings eine weitere Erhöhung nicht in Betracht kommt, und insbesondere auch die Schmerzensgeldentwicklung der jüngeren Vergangenheit berücksichtigt wurde.

Maßgeblich für die Bemessung der nach § 847 BGB a.F. zu gewährenden billigen Entschädigung sind die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Alle diese Umstände sind in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen und in eine angemessene Beziehung zur Entschädigung zu setzen (vgl. BGH VersR 1998, 1034). Dabei soll das Schmerzensgeld in erster Linie einen Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung darstellen, daneben auch der Genugtuung des Geschädigten für erlittenes Unrecht dienen.

Der Kläger hat durch den groben Behandlungsfehler in der Kinderklinik des Beklagten letztlich eine Hirnschädigung erlitten, die zu einer umfassenden Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) geführt hat. Der Kläger leidet an einer rechtsbetonten spastischen Tetraparese mit nur gering ausgeprägten motorischen Fähigkeiten; er ist deshalb zu seiner Fortbewegung auf den Rollstuhl angewiesen. Er ist motorisch und sensomotorisch massiv retardiert. Seine Erlebniswelt ist hierdurch erheblich eingeschränkt. Auch eine normale Nahrungsaufnahme ist ihm nicht möglich, er muss stets gefüttert werden. Zudem ist der Kläger wegen der erheblichen Sprachstörung nicht in der Lage, sprachlichen Kontakt zu seinen Mitmenschen aufzunehmen.

Der Zeitpunkt der Schädigung liegt nunmehr nahezu 10 Jahre zurück, seit dieser Zeit wird sein Lebensrhythmus durch fortlaufende Therapien und Arztbesuche bestimmt. Zwar sind im Laufe der Jahre durchaus Therapieerfolge erzielt worden, eine deutliche Besserung oder Heilung seines Zustandes ist aber nicht zu erwarten. Dementsprechend ist auch seine Lebensplanung und Lebensgestaltung erheblich beeinträchtigt.

Demgegenüber ist aber auch zu berücksichtigen, dass der Kläger - nach den Angaben seines Vaters im Senatstermin vom 24.10.2005 - durchaus in der Lage war, seit August 2001 einen heilpädagogischen Kindergarten zu besuchen, und nunmehr die Schwerbehindertenschule in C besucht. Dabei ist es ihm möglich, sprachlich mehr zu verstehen, als er selbst sprechen kann.

8.

Hinsichtlich der Klageanträge zu Ziffer 2. und 3., dem bezifferten materiellen Schaden für den Zeitraum Juni 1997 bis September 2003 und der Mehrbedarfsrente, führt die Berufung zur Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges.

Der Senat hält es für gerechtfertigt und angezeigt, von der nach § 538 Abs.2 S.1 Ziff.4 ZPO bestehenden Möglichkeit Gebrauch zu machen, den Rechtsstreit auf Antrag einer Partei an das erstinstanzliche Gericht zum Zwecke erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Sache ist hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten materiellen Schadensersatzansprüche nicht entscheidungsreif; auch in der Berufungsinstanz kann insoweit nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand nicht ohne weitergehende Beweisaufnahme abschließend entschieden werden. Vielmehr werden vor dem Hintergrund des umfassenden Bestreitens seitens des Beklagten weitergehende umfangreiche Feststellungen durch Einvernahme der benannten Zeugen sowie gegebenenfalls weitere Gutachten zu treffen sein. Deshalb erscheint die von dem berufungsführenden Kläger insoweit beantragte Zurückverweisung - auch unter Berücksichtigung der bereits jetzt mehrjährigen Verfahrensdauer - sachdienlich.

9.

Der - nur teilweise - zuerkannte Zinsanspruch in Höhe von 4% ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 288 Abs.1, 286 Abs.1, 284 Abs.1 BGB a.F.. Die Neuregelung des § 288 BGB (fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) gilt nach Art. 229 § 1, Abs.1 S.3 EGBGB nur für die Geldschulden, die seit dem 01.05.2000 fällig geworden sind. Für die am 01.05.2000 bereits fälligen Forderungen bleibt es demgegenüber bei dem Zinssatz von 4%. Die Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Leistung, hier also der Kläger die Zahlung des Schadensersatzes, verlangen kann. Das war aber bereits zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung, also im Jahr 1997, der Fall.

Auch ein Anlagezins in der geltend gemachten Höhe ist seit vielen Jahren nicht mehr realistisch.

Der weitergehende Zinsanspruch war danach zurückzuweisen.

10.

Schließlich greift auch die bereits erstinstanzlich von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede nicht durch.

Die vertraglichen Ansprüche des Klägers, die nach den Vorschriften in der vor dem 01.01.2000 geltenden Fassung der 30-jährigen Regelverjährung unterworfen waren (§§ 195, 199 BGB), waren bei Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes noch nicht verjährt und sind damit gemäß Art. 229 § 6 Abs.1 S.1 EGBGB grundsätzlich den neuen Verjährungsvorschriften unterworfen, wobei für Beginn und Hemmung bis zu diesem Zeitpunkt die alten Vorschriften fortgelten (Art. 229 § 6 Abs.1 S.2 EGBGB). Da das neue Recht zu einer Fristverkürzung führt (§ 199 Abs.1 BGB n.F.: 3 Jahre), berechnet sich diese kürzere Frist zu Lasten des Klägers (frühestens) ab dem 01.01.2002 (Art. 229 § 6 Abs.4 S.1 EGBGB), so dass die Klagezustellung am 16.10.2003 den Verjährungslauf rechtzeitig nach altem Recht unterbrechen bzw. nach neuem Recht hemmen konnte.

Für die Verjährung der deliktischen Ansprüche galt zunächst die Verjährungsregelung aus § 852 Abs.1 BGB a.F., wonach die Verjährung drei Jahre nach dem Zeitpunkt eintritt, zu welchem der Verletzte Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangte. Nach ständiger Rechtsprechung liegt die für den Verjährungsbeginn zu fordernde Kenntnis eines Patienten im Bereich der Arzthaftung für Behandlungsfehler erst dann vor, wenn der Betroffene positiv auch solche Tatsachen kennt, aus denen sich für ihn als medizinischen Laien ergibt, dass der Arzt bei seiner Behandlung vom medizinischen Standard abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich waren, und dass dies zu einer Beeinträchtigung seiner Gesundheit geführt hat (BGH NJW 1991, 2350; 2001, 885).

Dass der Kläger - bzw. hier dessen gesetzliche Vertreter - diese Kenntnis mehr als drei Jahre vor Klageeinreichung hatte, ist von dem Beklagten, der insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt, aber nicht dargelegt worden und ist auch für keinen Zeitpunkt vor Klageerhebung ersichtlich.

11.

Die prozessualen Nebenentscheidungen resultieren aus den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO. Hinsichtlich des nicht vollstreckbaren Grundurteils zu Ziffer 2 bedurfte es keiner prozessualen Nebenentscheidungen.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.

Das Urteil beschwert den Kläger und den Beklagten mit jeweils mehr als 20.000,- Euro.

Ende der Entscheidung

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