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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 24.02.1999
Aktenzeichen: 3 U 73/98
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543
ZPO § 92
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
BGB § 823
BGB § 843
BGB § 844
BGB § 847
BGB § 1922
BGB § 844 Abs. 1
BGB § 844 Abs. 2
Grober Behandlungsfehler bei endoskopischer Magenuntersuchung

Es gehört zum Standart einer endoskopischen Untersuchung des Magens, nicht nur vorwärts zu spiegeln, sondern das Endoskop zusätzlich um etwa 180 Grad zu drehen.

Beim Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers ist die ----- der Beweislast ein Ausgleich dafür, daß das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen gerade durch den Fehler besonders verbreitet oder verschoben worden ist.

Dabei kommt es nicht entscheidend auf Statistiken, sondern auf die Chancen des Verlaufs beim jeweiligen Patienten an.


OBERLANDESGERICHT HAMM

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 73/98 OLG Hamm 11 O 32/97 LG Münster

Verkündet am 24. Februar 1999

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pelz und die Richter am Oberlandesgericht Kamps und Rüthers

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das am 22. Januar 1998 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 100.000,- DM nebst 4% Zinsen seit dem 28. März 1997 zu zahlen, abzüglich am 31. Juli 1996 gezahlter 10.000,- DM.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 5.000,- DM nebst 4% Zinsen seit dem 28. März 1997 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, der aus der fehlerhaften Behandlung seiner Ehefrau durch den Beklagten entsteht, jedoch nur vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Der Kläger trägt 1/5, der Beklagte 9/5 der Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 130.000,- DM abwenden, falls nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet. Dem Beklagten wird nachgelassen, Sicherheit auch durch die unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlich-rechtlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.

Tatbestand

Die am 10. Juni 1963 geborene, am 11. Juni 1997 verstorbene Ehefrau des Klägers wurde seit dem 3. April 1995 vom Beklagten, einem niedergelassenen Internisten, u. a. wegen Oberbauchbeschwerden behandelt. Er führte am 5. April 1995 unter der Verdachtsdiagnose einer Gastroduodenitis eine Magenspiegelung durch, wobei er keinen Anhalt für Veränderungen im Sinne eines Ulkus oder eines Magenkarzinoms fand, weshalb auch keine Gewebsproben entnommen wurden. Wegen fortbestehender Beschwerden und rezidivierendem Erbrechen verordnete der Beklagte bei mehrfachen Konsultationen in den Monaten April und Mai 1995 u.a. Infusionen mit einem den Brechreiz unterdrückenden Medikament. Eine weitergehende Diagnostik wurde erst am 9. Juni 1995 in Form einer erneuten Gastroskopie vorgenommen. Als deren Ergebnis dokumentierte der Beklagte eine geringe Restsoorösophagitis und einen Gallereflux im Magen. Eine Gewebsprobe entnahm der Beklagte wiederum nicht, da er keinen Anhalt für ein Magenulkus sah.

Nachdem die Klägerin den Arzt gewechselt hatte, wurde am 19. Juni 1995 bei einer erneuten Gastroskopie ein großer Tumor gefunden, der am 23. Juni 1995 operativ entfernt wurde. Die histologische Aufarbeitung ergab ein 8 x 3 cm ulceriertes, partiell siegelringzelliges Magenkarzinom mit Infiltration aller Wandschichten bis weit in das umgebende Fettgewebe. Das Tumorstadium wurde mit pT3 G3 N2 angegeben.

In der Folgezeit mußte die verstorbene Ehefrau des Klägers sich mehreren, teils Monate dauernden Chemotherapien und mehreren weiteren operativen Eingriffen unterziehen. Sie verstarb am 1. Juni 1997 an ihrem Krebsleiden.

Mit ihrer Klage hat sie vom Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes und den Ersatz materiellen Schadens verlangt sowie die Feststellung begehrt, daß der Beklagte ihr auch zum Ersatz allen weiteren Schadens verpflichtet sei.

Sie hat dem Beklagten vorgeworfen, das Magenkarzinom nicht schon bei der Gastroskopie im April 1995 erkannt zu haben. Dieser grobe Fehler des Beklagten sei die Ursache dafür, daß wertvolle Zeit bis Mitte Juni 1995 verstrichen sei, ihr deshalb der ganze Magen habe entfernt werden müssen und sie vermeidbare langanhaltende Schmnerzen und Beschwerden erlitten habe.

Der Beklagte hat jeden Fehler in Abrede gestellt.

Nachdem die von der Klägerin angerufene Gutachterkommission für ärztliche Haftpflichtfragen bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe durch Bescheid vom 11. Juni 1996 das Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers des Beklagten festgestellt hatte, zahlte der Haftpflichtversicherer des Beklagten an die Klägerin zur beliebigen Verrechnung einen Betrag von 10.000,- DM. Der Kläger hat als Erbe seiner verstorbenen Ehefrau den Rechtsstreit fortgesetzt.

Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. und nach der Vernehmung von im Kammertermin die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte habe zwar infolge eines groben Behandlungsfehlers das Karzinom weder bei der Gastroskopie am 5. April noch am 9. Juni 1995 erkannt, es stehe aber fest, daß eine Operation schon im April 1995 am tödlichen Ausgang der Erkrankung nichts geändert, allenfalls zu einem geringfügig geringeren Operationsumfang geführt hätte. Die dadurch zusätzlich verursachten Beschwerden und Beeinträchtigungen seien mit den vorprozessual gezahlten 10.000,- DM abgegolten.

Gegen dieses Urteil, auf das gemäß § 543 ZPO verwiesen wird, richtet sich die Berufung des Klägers.

Er behauptet, das Karzinom habe sich Anfang April 1995 noch im Frühstadium befunden und sei insbesonderen lokal noch auf Mukosa und Submukosa beschränkt gewesen. Deshalb hätte seine verstorbene Ehefrau eine Chance von 85 - 95% gehabt, die ersten 5 Jahre nach der Operation zu überleben. Diese Chance sei ihr durch die Fehldiagnose genommen worden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung

1.

den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein über den gezahlten Betrag von 10.000,- DM hinausgehendes angemessenes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2.

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 33.884,36 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3.

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus der fehlerhaften Behandlung seiner verstorbenen Ehefrau im Frühjahr 1995 resultieren, soweit derartige Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise Vollstreckungsnachlaß.

Er behauptet, der Krankheitsverlauf bei der verstorbenen Ehefrau des Klägers hätte sich auch bei einer früheren Diagnose ihres Karzinoms nicht wesentlich geändert.

Wegen des Parteivorbringens im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze verwiesen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Sachverständigen.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Vermerk des Berichterstatters Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat - bis auf einen Teil des bezifferten materiellen Schadens und des Feststellungsbegehrens - Erfolg. Der Beklagte ist gemäß den §§ 823, 843, 844, 847, 1922 BGB und wegen Schlechterfüllung des ärztlichen Behandlungsvertrages verpflichtet, dem Kläger Schadensersatz wegen der Fehlbehandlung seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau zu leisten.

1.

Die Fehldiagnose am 5. April 1995 stellt - wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - einen groben Behandlungsfehler des Beklagten dar. Es gehört zum Standard einer endoskopischen Untersuchung des Magens, nicht nur vorwärts zu spiegeln, sondern das Endoskop zusätzlich um etwa 180 Grad zu drehen, damit auch der distale Teil des Magens eingesehen werden kann, der beim Vorwärtsspiegeln nicht immer sofort besichtigt werden kann. Selbst wenn diese sogenannte Inversion zu den technisch schwierigsten Manövern einer Magenspiegelung gehört, ist sie unbedingt notwendig, um ein zutreffendes Bild des Magenzustandes zu erhalten. Nur so kann das immer lebensbedrohliche Magenkarzinom erkannt werden. Je früher es erkannt wird, desto günstiger sind die Heilungschancen. Dies haben die Sachverständigen Prof. Dr. überzeugend ausgeführt. Sie befinden sich damit in Übereinstimmung mit den Sachverständigen der Gutachterkommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe.

Der Beklagte hat entweder die Inversion gar nicht oder nicht fachgerecht durchgeführt und das Karzinom nicht erkannt, obgleich der am 5. April 1995 vorhandene Tumor sich in der Masse nicht wesentlich von dem am 9. Juni vorhandenen und am 19. Juni 1995 gefundenen unterschied. Zu diesem Zeitpunkt wird er als etwa tennisballgroß beschrieben. Einen so großen Tumor nicht zu entdecken, ist nicht mehr nachvollziehbar und unverständlich. Auch dies haben alle mit diesem Fall befaßten gerichtlichen Gutachter und die der Ärztekammer Westfalen-Lippe übereinstimmend bestätigt.

2.

Wäre das Karzinom bei der Gastroskopie am 5. April 1995 erkannt worden, wäre der erst am 23. Juni 1995 tatsächlich durchgeführte operative Eingriff schon wenige Tage später erfolgt. Er hätte jedoch denselben Umfang gehabt wie derjenige im Juni 1995. Möglicherweise wäre eine Teilresektion des Dickdarms vermeidbar gewesen. Der Sachverständige Dr. vor dem Senat noch einmal im einzelnen überzeugend dargelegt, daß auch Anfang April 1999 mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9% der Tumor nicht auf die Magenschleimhaut begrenzt war und deshalb der Umfang der Operation sich im Vergleich zu Juni 1995 nicht geändert hätte. Die Ehefrau des Klägers hätte sich auch in gleicher Weise wie später der Chemotherapie unterziehen müssen. Die mit diesen Maßnahmen verbundenen Schmerzen, Beschwerden, Beeinträchtigungen und Nachteile der Ehefrau des Klägers sind durch ihre Grunderkrankung, nicht aber durch die fehlerhafte Behandlung durch den Beklagten verursacht worden.

3.

Der Krankheitsverlauf bei der Ehefrau des Klägers vom Sommer 1996 an und ihr Tod sind jedoch als Folgen der Fehlbehandlung anzusehen. Da dem Beklagten ein grober Fehler anzulasten ist, trifft ihn die Beweislast dafür, daß dieser Fehler nicht ursächlich für die zum Tode führende Krankheitsentwicklung gewesen ist ( BGH NJW 1994, 801; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 7. Aufl., Rdn 515 ). Entgegen der Auffassung des Landgerichts hält der Senat nach der erneuten Beweisaufnahme den Beweis nicht für geführt, daß der Krankheitsverlauf auch bei einer Operation im April 1995 derselbe gewesen wäre.

Beim Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers ist die Umkehr der Beweislast ein Ausgleich dafür, daß das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen gerade durch den Fehler besonders verbreitert bzw. verschoben worden ist (Steffen/Dressler aaO). Dabei kommt es nach der Auffassung des Senats nicht entscheidend auf Statistiken, sondern auf die Chancen des Verlaufs beim jeweiligen Patienten an.

Der Sachverständige Dr. hat vor dem Senat überzeugend dargelegt, daß statistisch gesehen die Krankheitsentwicklung bei der verstorbenen Ehefrau des Klägers auch bei einer Operation im April 1995 nicht anders gewesen wäre. Sie hätte zu den 20% Patienten gehören können, die bei der vorliegenden Tumorbeschaffenheit nach 5 Jahren noch leben, und zwar unabhängig davon, ob ein oder zwei Monate früher operiert worden ist. Statistisch hatte sie eine mittlere Lebenserwartung von etwa 2 Jahren; nach fast genau diesem Zeitraum ist sie auch gestorben.

Diese Umstände sagen aber über den tatsächlichen Verlauf der Erkrankung der verstorbenen Ehefrau des Klägers nach einer Operation einige Tage nach dem 5. April 1995 nichts aus. Sie hätte statistisch ebensogut zu den 20% der Patienten gehören können, die nach 5 Jahren noch leben und nicht an den Folgen der Karzinomerkrankung sterben. Denn Statistiken über die Überlebenschance bei einer um etwa zwei Monate verzögerten Karzinomdiagnose gibt es nicht. Die Ursachen für die unterschiedlichen Lebenserwartungen der einzelnen Patienten sind unbekannt. Wann die für den Kranheitsverlauf entscheidende Metastasenaussaat bei der Ehefrau des Klägers erfolgt ist, bleibt offen. Sie kann schon vor April 1995 geschehen sein; ebensogut kann die den Kranheitsverlauf prägende Aussaat aber auch erst in dem Zeitraum zwischen April und Juni 1995 gelegen haben. Der Sachverständige Dr. hat vor dem Senat zwar erklärt, er halte es für sehr unwahrscheinlich, daß die Metastasierung in diese Zeit gefallen sei. Seine folgenden Darlegungen zeigen jedoch, daß diese Einschätzung durch sichere Erkenntnisse oder Erfahrungen nicht belegt ist, vielmehr wiederum auf dem vorliegenden statistischen Material beruht, das über den hier maßgeblichen Zeitraum keine Angaben macht. Wenn - wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat - die Aussaat der Metastasen ein andauernder Prozeß ist, ein großer Tumor, wie er hier vorlag, kontinuierlich Zellen abgibt, es ferner eine "gewisse Konkurrenz" zwischen den Zellen gibt und nur Spekulationen darüber möglich sind, welche der zu verschiedenen Zeiten ausgestreuten Zellen zur Metastasierung und zum Tode geführt haben, bleibt offen, ob nicht die den Krankheitsverlauf bestimmende Metastasenaussaat erst in dem Zeitraum nach April 1995 geschehen ist. Dies hat der Sachverständige auch dadurch bestätigt, daß er an anderer Stelle erklärt hat, es könne sein, daß bei den 20% der Patienten, die die Krankheit überleben, der zeitliche Faktor eine Rolle spiele. Die von dem Sachverständigen in diesem Zusammenhang mehrfach genannten Zeiträume von mehreren Monaten oder einem halben Jahr beziehen sich auf die bekannten Statistiken, die - wie bereits ausgeführt - für den konkreten Fall der Ehefrau des Klägers keine zuverlässige Aussage erlauben. Da sie für einen Zeitraum von etwa zwei Monaten einer zusätzlichen Metastasierung ausgesetzt war, die als Ursache des weiteren, zum Tode führenden Krankheitsverlaufs in Betracht kommt, in diesem Stadium immerhin eine Überlebensrate von 20% besteht, eine weitere Aufklärung des tatsächlichen Ablaufs bei einer Operation schon einige Tage nach der ersten Gastroskopie am 5. April 1995 aber nicht möglich ist, erscheint es gerechtfertigt, den Beklagten mit dem Nachteil der nicht weiteren Aufklärbarkeit zu belasten. Es ist daher davon auszugehen, daß die Ehefrau des Klägers nach erfolgreicher Chemotherapie überlebt hätte.

4.

Der Beklagte hat dem Kläger gemäß den §§ 847, 823, 1922 BGB ein Schmerzensgeld von noch 90.000,- DM zu zahlen.

Die Ehefrau des Klägers mußte sich - nach einem beschwerdefreien Intervall bis etwa Mitte des Jahres 1996 - ab September 1996 mehrfach stationären Behandlungen und mehreren schweren Operationen unterziehen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. und auf die zum Gegenstand der Verhandlung vor dem Senat gemachten Krankenunterlagen der verwiesen. Diese Behandlungen und Eingriffe waren mit Schmerzen und großen Beschwerden verbunden. Es traten erhebliche Wundheilungsstörungen auf, die auch nach der Entlassung aus der stationären Behandlung zeitweise täglich ambulant behandelt werden mußten. Seit der Operation am 2. Oktober 1996 mußte die Ehefrau des Klägers mit einem künstlichen Darmausgang leben.

Besonders belastend war ihre psychische Situation. Die Ärzte hatten die Ehefrau des Klägers spätestens im Oktober 1996 über die "vorliegenden Befunde vollständig informiert". Sie wußte also, daß sie tödlich erkrankt war. Mit diesem Wissen, das zunehmend zur Gewißheit über den baldigen Tod wurde, mußte die 34 Jahre junge Mutter von drei unmündigen Kindern im Alter von 5, 9 und 11 Jahren und von ihrem Ehemann Abschied nehmen.

Leid und Schmerzen der Ehefrau des Klägers sind materiell durch keine Summe zu entschädigen. Die gemäß § 847 BGB zuzusprechende billige Entschädigung in Geld muß aber der Höhe nach die schwere physische und psychische Beeinträchtigung widerspiegeln. Der Senat hält ein Schmerzensgeld von insgesamt 100.000,- DM für angemessen, auf das die gezahlten 10.000,- DM anzurechnen sind.

5.

Der bezifferte materielle Schadensersatzanspruch ist gemäß den §§ 843, 1922 BGB nur in Höhe von 5.000,- DM begründet.

Die Ehefrau des Klägers konnte infolge der Metastasierung und der dadurch hervorgerufenen körperlichen Beeinträchtigungen vom September 1996 an ihren Haushalt nicht mehr führen. Sie lebte mit ihrem Ehemann und drei unmündigen Kindern in einem Einfamilienhaus, in dem sie den Haushalt führte. Unter diesen Umständen beträgt ihr Erwerbsschaden gem. § 843 BGB mindestens 2.500,- DM monatlich.

Der Beklagte schuldet diesen Betrag allerdings nur für die Monate September und Oktober 1996, nicht für den vorhergehenden Zeitraum. Die Fehlbehandlung durch den Beklagten hatte - wie bereits oben ausgeführt - auf das Befinden der Ehefrau des Klägers vor dem Wiederaufleben der Karzinomerkrankung keine negative Auswirkung.

Für den Verdienstausfall des Klägers in Höhe von 1.384,36 DM fehlt es an einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage.

6.

Das Feststellungsbegehren des Klägers, das den Zeitraum ab 1. November 1996 umfaßt, ist zulässig und im wesentlichen begründet. Es steht fest, daß dem Kläger über den bezifferten Betrag hinaus weiterer materieller Schaden entstanden ist und noch entstehen wird.

Der Beklagte schuldet dem Kläger zunächst gem. den §§ 843, 1922 BGB Ausgleich für den weiteren Erwerbsschaden (Haushaltsführung) der Ehefrau des Klägers bis zu ihrem Tode. Sodann hat der Kläger gem. § 844 Abs.1 und 2 BGB Ansprüche auf Ersatz der Beerdigungskosten und seines Unterhaltsschadens wegen des Wegfalls der Haushaltsführung seiner verstorbenen Ehefrau.

Ein weiterer immaterieller Schaden ist nicht ersichtlich. Insoweit ist das Feststellungsbegehren nicht begründet.

6.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Das Urteil beschwert den Beklagten mit mehr als 60.000,- DM, den Kläger mit einem 60.000,- DM nicht übersteigenden Betrag.

Ende der Entscheidung

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