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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.03.2009
Aktenzeichen: 3 UF 118/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 286 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 2
BGB § 288
BGB §§ 1601 ff
BGB § 1603
BGB § 1603 Abs. 1
BGB § 1603 Abs. 2 S. 1
BGB § 1603 Abs. 2 S. 2
BGB § 1603 Abs. 2 S. 3
BGB § 1612 a
BGB § 1612 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13.06.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Herne-Wanne abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, Kindesunterhalt für die am 08.12.1996 geborene Tochter E E1 wie folgt zu zahlen:

- für den Zeitraum Februar 2007 bis einschließlich Januar 2008 in Höhe von insgesamt 1.376,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2008,

- für Februar 2008 194,-- €,

- für Juli 2008 55,-- €,

- für August 2008 178,-- €,

- für den Zeitraum September 2008 bis einschließlich Januar 2009 in Höhe von monatlich 39,-- € und

- ab Februar 2009 in Höhe von monatlich 178,-- €;

die weitergehende Klage wird abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für die Berufung: 2.385,-- €

Gründe:

(abgekürzt nach § 540 Abs. 1 ZPO):

I.

Die Parteien sind Eheleute, die um Kindesunterhalt streiten. Sie trennten sich Anfang 2007, indem der Beklagte aus der Ehewohnung auszog. Dabei handelte es sich um einen finanzierten, im gemeinsamen Eigentum stehenden Teil eines Zechenhauses. Die am 08.12.1996 geborene gemeinsame Tochter E blieb bei der Klägerin. Ende April 2007 verließ auch die Klägerin mit der Tochter die Ehewohnung. Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 06.02.2007 zur Auskunft über sein Einkommen auf. Wie in der Verhandlung vor dem Senat unstreitig wurde, hat der Beklagte Zahlungen auf den Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 245,-- € für den Zeitraum Oktober 2007 bis einschließlich Januar 2008 sowie für den Zeitraum März bis Juni 2008 und in Höhe von monatlich 139,-- € für Juli 2008 sowie für den Zeitraum September 2008 bis einschließlich Januar 2009 erbracht.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte verfüge über ein monatliches Einkommen von 1.291,90 € abzüglich des Netto-Arbeitgeberbeitrags von 17,28 € im Rahmen der Vermögenswirksamen Leistungen. Sie hat einen Unterhaltsanspruch der Tochter von monatlich 257,-- € betreffend den Zeitraum Februar - Juni 2007, von monatlich 254,-- € betreffend den Zeitraum Juli - Dezember 2007 sowie von monatlich 278,-- € ab Januar 2008 errechnet.

Der Beklagte hat behauptet, bis Juli 2007 ein Arbeitgeberdarlehen mit monatlich 200,-- € zurückgeführt zu haben, so dass er nur 1.093,22 € und unter Berücksichtigung eines Gewerkschaftsbeitrags von 12,-- € lediglich 1.081,22 € monatlich zur Verfügung gehabt habe. Demgegenüber habe die Klägerin im Jahre 2007 über ein monatliches Netto-Einkommen von 2.275,89 € verfügt, ferner über eine Steuererstattung von 1.788,96 € sowie über die Eigenheimzulage von 2.050,-- €, so dass sie insgesamt auf ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 2.595,80 € gekommen sei. Die Klägerin, so hat er gemeint, sei deshalb verpflichtet, den gesamten Barunterhalt für die gemeinsame Tochter zu zahlen.

Die Klägerin hat dem entgegengehalten, ihr Einkommen "nur mit viel Mühe" zu erzielen, da sie seit 2005 unter Depressionen leide, im September 2006 einen Hinterwandinfarkt erlitten habe und seither allein bis Mai 2008 weitere fünf stationäre Aufenthalte, zumeist zur Implantierung von Stents, erforderlich geworden seien. Darüber hinaus habe sich ein insulinpflichtiger Diabetes eingestellt. Sie gelte als schwerbehindert mit einem GdB von 60 v.H.

Das Familiengericht hat den Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts in Höhe von 139,-- € ab Februar 2008 verurteilt.

Gegen das ihr am 23.06.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.07.2008 Berufung eingelegt und sie mit einem am Montag, dem 25.08.2008, eingehenden Schriftsatz begründet. Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiter, allerdings für die Zeit ab Dezember 2008 in erhöhtem Umfang wegen des Wechsels E in die 3. Altersstufe. Sie meint, der Beklagte könne sich gegenüber dem Kindesunterhalt nicht auf ein erst nach der Trennung aufgenommenes Arbeitgeberdarlehen berufen. Ein Ausnahmefall, in dem der betreuende Elternteil auch den Barunterhalt zu zahlen habe, liege nicht vor. Denn es seien auch die von ihr getragenen Kosten zu berücksichtigen. Für die gemeinsame Tochter zahle sie für die Übermittagbetreuung halbjährlich ab dem Schuljahr 2007/2008 448,-- € bzw. 487,-- € sowie weitere monatlich 20,-- € für Nachhilfe. Für das leerstehende Haus, dessen Verkauf der Beklagte zunächst verweigert habe, habe sie monatlich 121,-- € aufbringen müssen. Einen Wohnvorteil habe sie in den ersten Monaten nach der Trennung nicht erzielt, denn die von ihr erbrachten Zahlungen auf die laufenden Kosten seien "weit über die Kosten einer angemessenen Miete" hinausgegangen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1.) ab Februar 2008 einen monatlichen Unterhalt von 278,-- € und ab Dezember 2008 von 325,-- €, und zwar abzüglich für den Zeitraum März bis Juni 2008 monatlich gezahlter 245,-- €, für Juli 2008 und für den Zeitraum September 2008 bis einschließlich Januar 2009 monatlich gezahlter 139,-- €, sowie

2.) einen Unterhaltsrückstand von 2.107,-- € für den Zeitraum Februar 2007 bis einschließlich Januar 2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2008

zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil und meint, die Voraussetzungen, unter denen sich ein betreuender Elternteil am Barunterhalt beteiligen müsse, lägen vor, denn sein angemessener Selbstbehalt von 1.100,-- € monatlich sei gefährdet. Ein erstes Arbeitgeber-Darlehen habe er bis Juli 2007 mit monatlich 100,-- € zurückführen müssen. Auch das im März 2007 zur Finanzierung eines gebrauchten P D aufgenommene Arbeitgeber-Darlehen, das er mit 200,-- € monatlich abtrage, sei zu berücksichtigen. Sein verfügbares Einkommen stelle sich folglich auf 1.193,-- € monatlich. Erkenne man diese Zahlungsverpflichtung nicht an, seien zumindest Fahrtkosten für eine Strecke von 3 km zum Arbeitsplatz, monatlich 34,50 €, zu berücksichtigen, so dass ihm 1.258,50 € monatlich verblieben.

Die seinerzeitige Ehewohnung ist mittlerweile veräußert worden; nach unwidersprochenen Angaben der Klägerin bestehen beiderseitige Verbindlichkeiten in Höhe von rund 54.600,-- € aus der Finanzierung sowie ein Schuldsaldo aus einem Konsumentenkredit über 18.000,-- €. Der Beklagte lebt seit dem 01.08.2008 mit einer Partnerin und deren drei Kindern zusammen, mit denen er eine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II bildet.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf den Berichterstatter-Vermerk Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat auch in der Sache teilweise Erfolg.

Der Beklagte ist der gemeinsamen Tochter der Parteien dem Grunde nach gem. §§ 1601ff, 1603 BGB zum Unterhalt verpflichtet.

Zur Ermittlung der Höhe des Unterhaltsanspruchs ist nach folgenden Zeitabschnitten zu differenzieren:

1. Februar - Juni 2007

1.1

Der Bedarf des Kindes liegt bei den verlangten 257,-- € monatlich:

Der Beklagte bezog in 2007 ein Jahres-Brutto-Einkommen von 24.595,63 €. Es errechnet sich ein monatliches Netto-Einkommen von 1.324,58 €:

 Jahres-Brutto24.595,63 €
abzgl. LSt.- 3.250,69 €
abzgl. KiSt.- 222,60 €
abzgl. KV- 1.918,48 €
abzgl. RV- 2.447,28 €
abzgl. AlV- 516,50 €
abzgl. PflV- 209,09 €
abzgl. SolZ- 136,00 €
verbleiben 15.894,99 €
monatlich mithin1.324,58 €

Abzusetzen ist der Netto-Arbeitgeber-Anteil zu den Vermögenswirksamen Leistungen. Er beläuft sich bei einer Netto-Quote von 64,6 % auf 17,19 €. Soweit in der Verhandlung seitens des Senats die Möglichkeit erwogen worden ist, die gesamten Vermögenswirksamen Leistungen des Beklagten in Höhe monatlich 40,-- € zu berücksichtigen, weil sie sich innerhalb der vom BGH akzeptierten Grenzen einer zusätzlichen Altersversorgung bewegen, ist von einer unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung gleichwohl abzusehen. Denn auch wenn jedenfalls außerhalb der erweiterten Unterhaltspflicht gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB eine Berechtigung zur zusätzlichen Altersversorgung bestehen sollte (bejahend Palandt/Brudermüller, BGB, 68. Aufl, § 1603 Rn. 19), setzt dies voraus, dass die erbrachten Zahlungen dem Zweck der Altersversorgung dienen. Davon ist hier nicht auszugehen. Denn der Beklagte hat selbst nicht behauptet, seine Sparleistungen dienten diesem Zweck.

Sein Einkommen ist ferner um den unstreitigen Gewerkschaftsbeitrag in Höhe von monatlich 12,-- € zu bereinigen. Einen höheren Beitrag hat der Beklagte nicht nachgewiesen.

Zahlungen des Beklagten auf die beiden Arbeitgeber-Darlehen bzw. Vorschüsse sind hingegen nicht zu berücksichtigen. Es fehlt bereits an konkreten Angaben dazu, in welcher Höhe und unter welchen Rückzahlungsbedingungen diese Darlehen jeweils in Anspruch genommen worden sind. Insbesondere braucht sich die Tochter nicht die Eingehung einer Verbindlichkeit zur Anschaffung eines Pkw entgegenhalten zu lassen, wenn - wie hier - nichts dafür ersichtlich ist, dass das Fahrzeug etwa zur Aufrechterhaltung der Berufstätigkeit unabdingbar war. Abzusetzen sind deshalb nur die Fahrtkosten für die regelmäßigen Wege zum Arbeitsplatz. Bei einer Entfernung von 3 km ergeben sich nach den Sätzen der bis zum 31.12.2007 geltenden Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm (Zif. 10.2.2) 24,-- € monatlich. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Beklagte tatsächlich ein Kraftfahrzeug nutzt, weil Kosten in diesem Umfang auch bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel anfallen.

Damit gelangt man mithin zu einem bereinigten Einkommen des Beklagten in Höhe von 1.271,39 € monatlich:

 monatliches Netto-Einkommen1.324,58 €
abzgl. Netto-Arbeitgeber-Anteil VwL - 17,19 €
abzgl. Gewerkschaftsbeitrag - 12,00 €
abzgl. Fahrtkosten - 24,00 €
verbleiben 1.271,39 €

Einschlägig ist damit die 1. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle Stand 01.07.2005. Doch ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte lediglich einer Person unterhaltspflichtig ist, während die Tabellenbeträge auf den Fall zugeschnitten sind, dass drei Personen Unterhalt geschuldet wird. Der Tabellenunterhalt ist deshalb zunächst der 3. Einkommensgruppe zu entnehmen. Es ergibt sich ein Betrag von 282,-- €. Allerdings ist in diesem Fall der Bedarfskontrollbetrag, der in der 3. Einkommensgruppe bei 1.000,-- € liegt, nicht gewahrt, so dass wiederum eine Herabstufung in die 2. Einkommensgruppe erfolgen muss. Der Unterhaltsbetrag stellt sich dann auf 265,-- €. Unter Anrechnung des anteiligen Kindergeldes ergibt sich ein Zahlbetrag von 257,-- € monatlich.

Kürzungen dieses Unterhaltsbetrages im Hinblick darauf, dass die Tochter bis April 2007 noch in der den Parteien gemeinsam gehörenden Immobilie gelebt hat, sind nicht vorzunehmen. Voraussetzung dafür wäre, dass sich der Beklagte an den Kosten für die Wohnung beteiligt hätte. Das wird jedenfalls für den Zeitraum ab Februar 2007 nicht konkret geltend gemacht. Soweit er im Februar 2007 eine Zahlung in Höhe von 257,-- € leistete, erfolgte sie auf die Verbindlichkeiten aus dem Konsumentenkredit.

1.2

Doch schuldet der Beklagten im vorliegenden Fall nur denjenigen Unterhalt, den er unter Wahrung seines angemessenen Selbstbehalts in Höhe von monatlich 1.100,-- € zahlen kann.

Nach § 1603 Abs. 1 BGB besteht eine Unterhaltspflicht auch gegenüber Kindern nur, soweit der angemessene Unterhalt des Pflichtigen selbst nicht berührt wird. Damit ist der sogenannte angemessene Eigenbedarf gemeint, der auch gegenüber minderjährigen Kindern in der Regel bei 1.100,-- € liegt (Wendl/Staudigl/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 2 Rn. 272, 274a). Dabei verbleibt es, wenn die gesteigerte Unterhaltspflicht gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 und 2 nicht eingreift, weil "ein anderer leistungsfähiger Verwandter vorhanden ist" (§ 1603 Abs. 2 S. 3 BGB). Als solcher kommt auch der betreuende Elternteil in Betracht (BGH, Urteil vom 31.10.2007 - Az. XII ZR 112/05 - FamRZ 2008, S. 137).

So liegt es hier. Das Erwerbseinkommen der Klägerin stellte sich in 2007 auf durchschnittlich monatlich 2.263,90 € netto:

 Jahres-Brutto49.822,53 €
abzgl. LSt.- 11.892,00 €
abzgl. SolZ- 599,48 €
abzgl. KiSt.- 981,04 €
abzgl. KV- 2.408,22 €
abzgl. RV- 4.902,63 €
abzgl. AlV- 1.034,73 €
abzgl. PflV- 262,43 €
abzgl. freiw. KV (nach Abzug AG-Zuschuss)- 518,70 €
abzgl. freiw. PV (nach Abzug AG-Zuschuss)- 56,52 €
verbleiben 27.166,78 €
monatlich mithin2.263,90 €

Dem Erwerbseinkommen hinzuzurechnen sind die der Klägerin in 2007 zugeflossene Steuererstattung sowie die Eigenheimzulage. Insgesamt geht es um einen Betrag von 3.839,-- €. Gegenzurechnen sind die Zahlungen, die die Klägerin auf eheprägende und sonstige Verbindlichkeiten geleistet hat, und die entsprechend ihrer Darstellung im Schriftsatz vom 2.2.2009 allenfalls mit 2.110,91 € anzusetzen sind. Weitere Zahlungsverpflichtungen im Zusammenhang mit den Immobilienkrediten sind nicht erfüllt worden. Selbst wenn man etwaige Zahlungen der Klägerin auf die laufenden Kosten der leerstehenden Wohnung mit monatlich 121,-- € sowie die im zweiten Halbjahr angefallenen Kosten für die Betreuung und Förderung der Tochter mit rund 600,-- € ansetzt, wird der Betrag von 3.839,-- € nicht aufgezehrt.

Damit stehen den Einkünften des Beklagten in Höhe von 1.271,39 € jedenfalls solche der Klägerin in Höhe von 2.263,90 € gegenüber. Zahlt der Beklagte den vollen Tabellenunterhalt von 257,-- €, verbleiben ihm nur rund 1.014,-- €. Zahlt die Klägerin diesen Unterhalt, verfügte sie noch über rund 2.006,-- € und damit über mehr als 900,-- € oberhalb des angemessenen Selbstbedarfs und über rund 730,-- € mehr als der Beklagte. Ferner übersteigt das Einkommen der Klägerin dasjenige des Beklagten nach Abzug des vollen Tabellenkindesunterhalts auf seiner Seite um mehr als das Doppelte. Damit besteht ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Elternteilen (s. Wendl/Staudigl/Klinkhammer, a.a.O., § 2 Rn. 274 a; Zif. 12.3 Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm zum Unterhaltsrecht).

Dieses Ungleichgewicht ist auch nicht durch eine Erhöhung des angemessenen Selbstbehalts der Klägerin - etwa um den monetarisierten Naturalunterhalt - korrigierbar (BGH, Urteil vom 7.11.1990 - Az. XII ZR 123/89 - FamRZ 1991, S. 182, 184). Konkreter Betreuungsmehrbedarf der Tochter ist bereits berücksichtigt. Ob der Klägerin wegen ihrer krankheitsbedingten Belastungen unter dem Aspekt der Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit ein Bonus anzurechnen ist, der ihr Einkommen herabsetzt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Mangels näherer Darlegungen zu den beruflichen Anforderungen der Klägerin ist bereits nicht feststellbar, inwieweit sich die Erkrankungen erschwerend auf die Erwerbstätigkeit selbst auswirken. Die Belastung der Klägerin mit ihren Erkrankungen als solchen sowie die zweifellos damit verbundenen Sorgen und Einschränkungen an Lebensfreude bieten für sich keinen ausreichenden Anlass zur fiktiven Kürzung der Erwerbseinkünfte, jedenfalls vermögen sie keinen Bonus in solcher Höhe zu begründen, der das vorhandene finanzielle Ungleichgewicht in erheblichem Maße verringerte.

Überdies ist zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin nur mit einem Anteil von etwa einem Drittel am Barunterhalt für ihre Tochter zu beteiligen hat. Denn das Bestehen eines erheblichen finanziellen Ungleichgewichts hindert die Inanspruchnahme des barunterhaltspflichtigen Elternteils nur insoweit, als damit der eigene angemessene Unterhalt gefährdet wäre (BGH, Urteil vom 31.10.2007, a.a.O.). Der Beklagte schuldet folglich Kindesunterhalt, soweit er oberhalb des angemessenen Eigenbedarfs von 1.100,-- € dazu in der Lage ist. Das ist hier in Höhe von (1.271,39 € - 1.100,-- € =) 171,39 €, gerundet 172,-- €, der Fall. Dies sind rund 65 % des Tabellenunterhalts.

Für den Zeitraum Februar bis Juni 2007 ergibt sich ein mithin ein Gesamtbetrag von (5 x 172,-- € =) 860,-- €. Zahlungen auf den Kindesunterhalt hat der Beklagte in dieser Zeit nicht erbracht.

2. Zeitraum Juli - Dezember 2007

Der Bedarf der Tochter nach der Düsseldorfer Tabelle verringert sich für die Zeit ab Juli 2007 auf monatlich 262,-- €; dies entspricht einem Zahlbetrag von 254,-- €.

Die Zahlungsverpflichtung des Beklagten beschränkt sich aus den vorgenannten Gründen weiterhin auf 172,-- € monatlich.

Da unstreitig geworden ist, dass für September 2007 keine Zahlungen erfolgt sind, stehen Zahlungen für die Monate Juli - September 2007 offen, also in Höhe von insgesamt 516,-- €. Für die Monate Oktober - Dezember 2007 hat der Beklagte den geschuldeten Unterhalt vollständig gezahlt.

Die Klägerin kann die Verzinsung des rückständigen Unterhalts in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus §§ 286 Abs. 1 und 2, 288 BGB verlangen.

3. Zeitraum Januar - Juli 2008

3.1

Der Bedarf der Tochter der Parteien stellt sich im Zeitraum Januar - November 2007 nach der Neufassung bzw. Einfügung der §§ 1612 a und b BGB sowie nach der Neufassung der Düsseldorfer Tabelle auf monatlich 262,-- € (Zahlbetrag).

Was das Erwerbseinkommen des Beklagten angeht, so ergibt sich aus der Verdienstabrechnung für Dezember 2008 ein durchschnittliches monatliches Netto-Einkommen von 1.356,01 €:

 Jahres-Brutto25.110,63 €
abzgl. LSt.- 3.363,46 €
abzgl. KiSt.- 232,49 €
abzgl. KV- 1.958,60 €
abzgl. RV- 2.498,47 €
abzgl. AlV- 414,33 €
abzgl. PflV- 229,23 €
abzgl. SolZ- 141,89 €
verbleiben 16.272,16 €
monatlich mithin1.356,01 €

Bei einer Netto-Quote von nunmehr 64,8 % errechnet sich der Netto-Arbeitgeber-Anteil zu den Vermögenswirksamen Leistungen mit 17,23 €. Weiterhin ist der unstreitige monatliche Gewerkschaftsbeitrag von 12,-- € zu berücksichtigen. Ferner sind Fahrtkosten für eine Strecke von 3 km (einfache Entfernung) gemäß Zif. 10.2.2 der Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm in der ab dem 01.01.2008 geltenden Höhe zu berücksichtigen, also von 33,00 €. Es verbleibt ein bereinigtes Einkommen von 1.293,78 €:

 monatliches Netto-Einkommen 1.356,01 €
abzgl. Netto-Arbeitgeber-Anteil VwL - 17,23 €
abzgl. Gewerkschaftsbeitrag - 12,00 €
abzgl. Fahrtkosten - 33,00 €
verbleiben 1.293,78 €

Ein Einkommen von 1.293,78 € unterfällt der 1. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle. Wegen der Minderzahl der Unterhaltsberechtigten ist jetzt von vornherein nur noch eine Heraufstufung in die 2. Einkommensgruppe gerechtfertigt. Der Unterhalt stellt sich dann auf 339,-- € monatlich, das entspricht einem Zahlbetrag von 262,-- €.

3.2

Der Beklagte schuldet weiterhin gem. § 1603 Abs. 1, 2 S. 3 BGB nur Unterhalt unter Wahrung seines angemessenen Eigenbedarfs von 1.100,-- €, also nunmehr in Höhe von monatlich gerundet 194,-- €. Denn es ist nicht ersichtlich, dass sich das Einkommen der Klägerin in 2008 erheblich reduziert hat. Die an sie gerichtete Auflage, die Verdienstabrechnung für den Monat Dezember 2008 vorzulegen, blieb unerfüllt. Eingereicht wurde hingegen ein Einkommensteuerbescheid vom 28.07.2008, der eine Erstattung von 973,72 € ausweist. Welche Verbindlichkeiten die Klägerin in 2008 konkret erfüllt hat, ist ihrem Vortrag gleichfalls nicht zu entnehmen. Die Kosten für die Betreuung und Förderung E rechtfertigen im Übrigen keine wesentliche Herabsetzung des Erwerbseinkommens, weil sie betragsmäßig im Wesentlichen der Steuererstattung entsprechen. Es bleibt folglich bei einem wesentlichen Ungleichgewicht der beiderseitigen bereinigten Einkünfte.

3.3

Für den Zeitraum Januar sowie März bis Juni 2008 hat der Beklagte monatlich 245,-- € gezahlt, so dass insoweit keine Unterhaltsforderung mehr besteht. Offen ist der Unterhalt für Februar 2008 in Höhe von 194,-- €, ferner für Juli 2008, jedoch hier unter Berücksichtigung einer Zahlung von 139,-- €, mithin in Höhe von 55,-- €.

Für den Gesamtzeitraum bis einschließlich Januar 2008 sind folglich Unterhaltsforderungen in Höhe von 860,-- € (Februar bis Juni 2007) und von weiteren 516,-- € (Juli - September 2007) offen; dies sind zusammen 1.376,-- €.

4. Zeitraum ab August 2008

Durch den Umzug des Beklagten in die L Straße hat sich seine Fahrtstrecke zum Arbeitsplatz unwidersprochen auf 4,5 Kilometer erhöht. Statt der bisherigen Fahrtkosten von 33,-- € monatlich sind nunmehr 49,50 € monatlich anzusetzen, dies entspricht einer Erhöhung um 16,50 €.

Der Umzug innerhalb der Gemeinde kann dem Beklagten auch nicht unterhaltsrechtlich vorgeworfen werden. Im Übrigen tritt durch die Haushaltsgemeinschaft mit seiner Partnerin keine Ersparnis ein, weil sie nicht leistungsfähig ist, die ihr und ihren Kindern zustehenden Sozialleistungen vielmehr unter Berücksichtigung der jetzt bestehenden Bedarfsgemeinschaft mit dem Beklagten neu berechnet worden sind.

Damit stellt sich das bereinigte Einkommen des Beklagten für die Zeit ab August 2008 nunmehr auf (1.293,78 € - 16,50 € =) 1.277,28 €.

Da das erhebliche Ungleichgewicht im beiderseitigen Einkommen der Parteien fortbesteht, beschränkt sich der von ihm geschuldete Unterhalt weiterhin auf den Betrag oberhalb des angemessenen Eigenbedarfs, hier also auf 178,-- €.

An diesem Umstand ändert sich auch nichts dadurch, dass die Tochter mit dem 01.12.2008 in die 3. Altersstufe gelangt ist, so dass sich der Tabellenunterhalt in der 2. Einkommensgruppe nunmehr auf 307,-- € monatlich und ab dem 01.01.2009 aufgrund der Neufassung der Düsseldorfer Tabelle auf einen Zahlbetrag von nunmehr 314,-- € monatlich beläuft.

Für die Zeit ab Januar 2009 ergibt sich bislang kein Anlass für eine Neuberechnung des geschuldeten Unterhalts. Denn Veränderungen in den Einkommensverhältnissen der Parteien sind nicht bekannt geworden.

Soweit der Beklagte geltend macht, E befinde sich gegenwärtig bereits seit 3 Wochen in seiner Obhut, steht dies dem Fortbestand seiner Barunterhaltspflicht nicht entgegen. Denn offensichtlich handelt es sich um einen vorübergehenden Aufenthalt des Kindes in seinem Haushalt, der durch die neuerliche stationäre Behandlung der Klägerin bedingt ist.

Abzusetzen sind die Zahlungen des Beklagten in Höhe von monatlich 139,-- € für den Zeitraum September 2008 bis einschließlich Januar 2009. Offen stehen damit für August 2008 178,-- €, für die Folgemonate jeweils 39,-- € und für Februar 2009 weitere 178,-- €.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 2, 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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