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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.11.2006
Aktenzeichen: 3 UF 75/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1628
BGB § 1671
BGB § 1671 Abs. 2
BGB § 1671 Abs. 2 Ziff. 2
BGB § 1696
BGB § 1696 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bochum vom 9. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden dem Antragsgegner auferlegt.

Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die elterliche Sorge (e.S.) betreffend den am 20.06.1995 geborenen Sohn Z (jetzt 11 Jahre).

Die Parteien haben am 07.06.1995 geheiratet. Die Trennung erfolgte, als die Antragstellerin (nachfolgend ASt.) im September 1995 aus der ehelichen Wohnung mit dem Kind auszog. Mit Urteil des AG Bochum vom 28.11.1996 ist die Ehe der Parteien seit dem 07.01.1997 rechtskräftig geschieden und die e.S. für den gemeinsamen Sohn auf die ASt. übertragen worden.

Bis zur Ausreise des gebürtig aus Marokko stammenden Antragsgegners (nachfolgend AGg.) im Jahre 1998 hatten sich die Parteien wieder soweit versöhnt, dass regelmäßige Umgangskontakte stattfanden.

Im Jahre 2000 hat der AGg. dann ein Verfahren zur Änderung der e.S. eingeleitet (57 F 451/00 AG Bochum). Zu diesem Zeitpunkt beabsichtigte er wieder nach Deutschland zu kommen. Da immer ein guter Kontakt zum Kind bestanden hat, hat die ASt. in dem genannten Verfahren einer gemeinsamen e.S. zugestimmt.

Im Jahre 2005 kam es zu einem Verfahren hinsichtlich des Schulbesuchs von Z. Die ASt. hatte das Kind nämlich im November 2004 eigenmächtig von der Rudolf-Steiner-Schule (Waldorfschule) abgemeldet, weil sie sich nicht mehr in der Lage sah, die finanziellen Aufwendungen, an denen sich der AGg. nicht beteiligt hat, Unterhaltszahlungen erfolgten nicht, weiter zu tragen. Der AGg. verfolgte die Rückgängigmachung dieser Entscheidung.

Das Familiengericht hat in dem vorgenannten Verfahren der ASt. das Recht zur Entscheidung über die Schulwahl einschließlich des Rechts zur Abmeldung bei der Schule übertragen. Die hiergegen vom AGg. eingelegte Beschwerde ist zurückgenommen worden, nachdem der Senat Prozesskostenhilfe verweigert hatte.

Nachfolgend traten immer mehr Probleme in der Kommunikation der Parteien auf. Die Umgangskontakte wurden über den Sohn und die neue Ehefrau des AGg. geregelt.

Anlass für das vorliegende Verfahren war dann ein Vorfall am 09.09.2005. An diesem Besuchswochenende hatte Z seine Fahrkarte vergessen, weshalb er mit dem AGg. nochmals zur Wohnung der ASt. ging. Der AGg. meinte dann, dass die Schuhe, die Z. trage, nicht passten und abgelaufen seien. Er hat diese Schuhe dann dem Kind abgenommen und es auf Strümpfen in die Wohnung der ASt. mit der Auflage geschickt, mit ordentlichen Schuhen zurückzukommen. Der weitere Verlauf ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig rief der AGg. aber die Polizei, die auch erschien. Nach Darstellung des Kindes war es so, dass die ASt. vom AGg. die Herausgabe der Schuhe verlangte, da er zuvor schon einmal ein Paar Schuhe weggeworfen hatte. Erst dann wollte sie das Kind zum Besuchswochenende gehen lassen.

Die ASt. hat behauptet, es komme zwischen ihr und dem AGg. immer zu Streitigkeiten um finanzielle Fragen, z.B. in welchem Umfange Kleidung zu bezahlen ist, und um die religiöse Ausbildung, da der AGg. dem Kind das Betreten einer christlichen Kirche unter der Drohung des Kontaktabbruchs verboten habe. Die Umgangskontakte könne sie nicht mit dem AGg. besprechen, sondern nur mit dem Kind oder der Ehefrau des AGg.

Die ASt. hat beantragt,

wie erkannt.

Der AGg. hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat behauptet, er können mit der ASt. noch kommunizieren. Zudem ändere eine Änderung der e.S. nichts an den Kommunikationsschwierigkeiten.

Das Familiengericht hat in dem angegriffenen Beschluss die e.S. auf die ASt. antragsgemäß übertragen und zur Begründung ausgeführt, die Parteien seien auch auf einer unteren Ebene nicht in der Lage, sich über die Belange des Kindes ohne Streit zu verständigen. Es bestehe auch keine Perspektive, dass sich das Verhältnis der Parteien bessere, wie das Verfahren hinsichtlich der Schule und die Streitereien beim Umgang zeigten. Bei Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge bestehe bei einer zukünftig erforderlichen Einigung der Parteien die Gefahr, dass erneut ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werden müsse, unter dem das Kind dann leide. Der Einwand des Verfahrenspflegers, Z. sei es egal, wer die e.S. innehabe und wichtige Entscheidungen ständen nicht an, überzeuge nicht, denn nur durch die Übertragung der e.S. werde das Kind vor erneuten Belastungen bei Krisensituationen bewahrt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der AGg. mit seiner Beschwerde, mit der die Beibehaltung der gemeinsamen e.S. erstrebt. Er macht geltend, im Zeitpunkt der Entscheidung des Familiengerichts habe keine wichtige Entscheidung angestanden. Die Schwierigkeiten beim Umgang beträfen nicht die e.S. und § 1628 BGB sei gegenüber der Regelung gem. § 1671 II BGB vorrangig.

Die ASt. verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Der Senat hat die Beteiligten und das Kind angehört, wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk vom 07.11.2006 Bezug genommen. Die Akten 57 F 35/05 AG Bochum = 3 UF 143/05 OLG Hamm, 57 F 452/00 AG Bochum und 57 F 46/06 AG Bochum lagen zur Information vor.

II.

Die zulässige Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg. Das Familiengericht hat zu Recht die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind der Parteien wieder auf die ASt. übertragen. Denn dem Antrag der ASt. auf Übertragung der elterlichen Sorge war stattzugeben, weil die Aufhebung und Übertragung auf die ASt. dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dies ergibt sich aus nachfolgenden rechtlichen Erwägungen und Beurteilungen des Senats.

1.

Da eine Entscheidung zur elterlichen Sorge von den Parteien im Verfahren 57 F 451/00 AG Bochum getroffen worden ist, richtet sich die Änderung dieser Entscheidung nach §§ 1696 I, 1671 II Ziff. 2 BGB.

Bei der vom Senat zu treffenden Entscheidung richtet sich der Abänderungsmaßstab nach § 1671 BGB.

Zwar sieht § 1696 I BGB als Abänderungsmaßstab an sich vor, dass die Änderung aus triftigen, das Kindeswohl nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sein muss. Demgegenüber verlangt § 1671 II Ziff. 2 BGB lediglich, dass die Aufhebung und Übertragung der elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dieser Widerspruch ist mit dem BGH dahin zu lösen, dass eine einen eigenen Maßstab enthaltende Norm als lex specialis dem § 1696 BGB vorgeht (BGH FamRZ 2005, 1469, 1470; Palandt-Diederichsen, § 1696 Rz. 7; MK-Finger, 4. Aufl. 2002, § 1680 Rz. 18).

2.

Entgegen der Auffassung kommt eine Beibehaltung der gemeinsamen e.S. aufgrund der Kommunikations- und Kooperationsprobleme der Parteien vorliegend nicht in Betracht.

Nach BGH FamRZ 1999, 1646 schließt nicht jede Spannung oder Streitigkeit das gemeinsame Sorgerecht aus, sondern es ist maßgeblich darauf abzustellen, welche Auswirkungen die mangelnde Einigungsfähigkeit der Eltern bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben. Dabei sind Konflikte in wesentlichen Bereichen der e.S. wie z.B. Umgangsrecht und Vermögenssorge erforderlich.

Solche Konflikte über wesentliche Bereiche der e.S. bestehen zwischen den Parteien, wie sowohl der Akteninhalt als auch die persönliche Anhörung der Parteien im Senatstermin gezeigt hat.

Zwar streiten die Parteien vorliegend nicht um die Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechts, da der Aufenthalt des Kindes bei der ASt. verbleiben soll. Hochstreitig ist aber die Frage des Schulbesuches zwischen den Parteien gewesen und aktuell bestehen im Hinblick auf den Umgang des AGg. mit dem Kind gravierende Meinungsunterschiede, die, wie insbesondere die Anhörung des AGg. im Senatstermin gezeigt hat, jegliche Kommunikation und Kooperation der Kindeseltern bezüglich des Kindes ausschließen.

Dabei ist dem AGg. zwar dahin Recht zu geben, dass die Regelung hinsichtlich der Grundschule bereits entschieden ist und aktuell keine Rolle mehr spielt, da sich das Kind auf dem Gymnasium befindet. Andererseits indiziert die Verhaltensweise des AGg. in diesem Verfahren sein späteres Verhalten, wenn erneut eine wichtige Frage zur Entscheidung ansteht.

Unabhängig davon zeigt der Vorfall im September 2005, der Anlass zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens war, dass zwischen den Parteien eine sinnvolle Kommunikation hinsichtlich des Umgangs und der Ausgestaltung des Umgangs nicht möglich ist. Die Vorgehensweise des AGg., Schuhe des Kindes, die er nicht für angemessen erachtet, wegzuwerfen, obwohl er selbst keinerlei Unterhalt für das Kind zahlt, zeigt, dass mit dem AGg. eine sinnvolle Kommunikation nicht möglich ist. Auf der einen Seite will er sein Kind bestmöglichst versorgt sehen, einen finanziellen Beitrag dazu leistet er durch Unterhaltszahlungen aber nicht.

Dass es sich bei diesen Streitigkeiten nicht um einen Einzelfall handelte, räumen die Parteien selbst ein und hat sich auch aufgrund der Anhörung der Parteien im Senatstermin für den Senat eindeutig gezeigt.

Der Einwand des AGg., dem Kind sei die Frage der elterlichen Sorge egal und es stünden derzeit keine wichtige Entscheidungen an, greift in diesem Zusammenhang nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht durch. Denn dem Kind ist die Frage der elterlichen Sorge insoweit nicht egal, als es auf jeden Fall bei der ASt. weiterhin leben will. Zum anderen können im Bereich der Gesundheitsfürsorge kurzfristig wichtige Entscheidungen zu treffen sein, weshalb eine ausreichende Kommunikation und Kooperation zwischen den Parteien erforderlich ist. Entsprechendes gilt hinsichtlich des Umgangsrechts.

Dementsprechend und unter dem Eindruck der persönlichen Anhörung der Parteien hat auch der Verfahrenspfleger von seiner erstinstanzlich vertretenen Auffassung Abstand genommen und eine gemeinsame e.S. nicht mit dem Kindeswohl vereinbar angesehen.

Entgegen der Auffassung des AGg. ändert der Hinweis auf § 1628 BGB vorliegend die obige rechtliche Bewertung nicht. Denn die Probleme hinsichtlich des Umgangs lassen sich nicht nach dieser Norm regeln, die eine Entscheidungsübertragung auf das Gericht nur bei Konflikten über einzelne Angelegenheiten (Schulbesuch, Impfung) oder auf eine bestimmte Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge (Fernsehkonsum, u.ä.) vorsieht.

Darüber hinaus kann es dem Kindeswohl nicht zuträglich sein, wenn das Gericht bei allen möglichen Fragen nach § 1628 BGB angerufen werden müsste, wie es bei der Situation der Parteien, wie sie sich dem Senat im Rahmen der Anhörung dargestellt hat, anzunehmen ist.

3.

Da die Beibehaltung der gemeinsamen e.S. nicht in Betracht kam, war diese auf die ASt. zu übertragen, da sie zweifellos die notwendige Erziehungsfähigkeit besitzt und die Kindeswohlkriterien Kontinuität und Bindungstoleranz für sie sprechen.

Dies wird auch vom AGg. so gesehen, da er hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit und der übrigen Kindeswohlkriterien keinerlei Defizite bei der ASt. behauptet hat und - im Gegenteil - im Senatstermin sich ausdrücklich für den weiteren Verbleib des Kindes bei der ASt. ausgesprochen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a FGG.

Ende der Entscheidung

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