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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.01.2002
Aktenzeichen: 3 Ws 16/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 119
Zur Zulässigkeit des Bezuges nichtdeutscher Literatur während der Untersuchungshaft
Beschluss Strafsache

gegen R.K.

wegen Anstiftung zum versuchten Mord (hier: Beschwerde gegen die Ablehnung des Bezugs ausländischer Literatur).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 03.12.2001 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 2. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 29.11.2001 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22.01.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit mit diesem der Antrag des Angeklagten auf Bezug von Zeitungen und Büchern in nichtdeutscher Sprache abgelehnt worden ist.

Dem Angeklagten wird gestattet, Zeitungen und Bücher in polnischer und englischer Sprache durch Vermittlung der Anstalt zu beziehen und in anstaltsüblichem Umfang in seiner Zelle aufzubewahren.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

Der Angeklagte befindet sich in Untersuchungshaft. Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Strafkammervorsitzende den Antrag des Angeklagten auf Bezug von Zeitungen und Büchern in nichtdeutscher Sprache abgelehnt, weil eine Kontrolle nichtdeutscher Publikationen einen ganz unverhältnismäßigen Überwachungsaufwand zur Folge hätte. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde vom 03.12.2001. Der Vorsitzende der 2. Strafkammer hat mit Beschluss vom 07.12.2001 der Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung u. a. nochmals darauf verwiesen, dass die Sichtungen und Kontrollen nichtdeutscher Literatur einen ganz unverhältnismäßigen Überwachungsaufwand erfordern würde. Angesichts der möglichen Verbindungen des Angeklagten zu den noch auf freiem Fuss befindlichen Auftragnehmern des von ihm bestellten Mordes wäre eine Delegation der Überwachung auf Anstaltsbedienstete, die die entsprechenden Fremdsprachen beherrschten, nicht vertretbar.

Die Beschwerde des Angeklagten hat in der Sache Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 09.01.2002 u. a. folgendes ausgeführt:

"Die Beschwerde ist gemäss § 304 StPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Beschränkung auf die Erlaubnis, Zeitungen und Bücher - nur - in deutscher Sprache zu beziehen, ist nicht gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung des Vorsitzenden der Strafkammer hat die Kontrolle nichtdeutscher Publikationen nicht einen unverhältnismäßigen Überwachungsaufwands zur Folge. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Essen hat in seiner Stellungnahme vom 08.11.2001 ausgeführt, dass die Beschaffung im Bereich der Strafhaft durch Vermittlung der Justizvollzugsanstalt oder über den Versandhandel erfolgt und mit der von hieraus erbetenen ergänzenden Stellungnahme mitgeteilt, dass die Kontrolle des Schriftverkehrs und der Literatur in fremder Sprache in der Justizvollzugsanstalt keinen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeute. Diesen Umständen ist unter Berücksichtigung von § 45 UVollzO in Verbindung mit § 119 Abs. 3 StPO bei der Entscheidung Rechnung zu tragen.

Der Bezug nichtdeutscher Literatur durch Vermittlung der Anstalt und unmittelbar von dem Verlag oder dem Buchhandel bekundet auch nicht die Besorgnis der Einflussnahme des Angeklagten zu den noch auf freiem Fuss befindlichen Auftragnehmern des von ihm bestellten Mordes. Die von der Justizvollzugsanstalt vorzunehmende Kontrolle unterscheidet sich insofern nicht von der Kontrolle deutschsprachiger Publikationen.

Bei dieser Sachlage verletzt der angefochtene Beschluss die Bequemlichkeitsgarantie des § 119 Abs. 4 StPO und ist daher aufzuheben."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass vorliegend auch keine besonderen Umstände vorliegen, die einen Bezug nichtdeutscher Publikationen auch durch Vermittlung der Vollzugsanstalt nicht zuließen. Vielmehr hat der Strafkammervorsitzende auf telefonische Anfrage der Berichterstatterin am 18. Januar 2002 mitgeteilt, dass gegen den Bezug nichtdeutscher Zeitungen und Bücher dann keine Bedenken mehr bestünden, wenn dieser durch die Anstalt vermittelt werde. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass auch bei dieser Art der Literaturbeschaffung die Gefahr bestehe, dass der Angeklagte Einfluss auf die noch in Freiheit befindlichen Auftragnehmer des von ihm bestellten Mordes nehmen könne, ließen sich nicht feststellen.

Die angefochtene Entscheidung des Strafkammervorsitzenden war daher aufzuheben und dem Antrag des Angeklagten auf Bezug englischer und polnischer Zeitungen und Bücher in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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