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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.04.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 179/07
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 14
Zur Gebührenbemessung unter Anwendung der Kriterien des § 14 RVG.
Beschluss

Strafsache

gegen S.T.

wegen Vergewaltigung u. a. (hier: sofortige Beschwerde des Verteidigers gegen die Festsetzung der aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen).

Auf die Beschwerde des Verteidigers des ehemaligen Angeklagten S:T. gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Essen vom 28. Dezember 2006 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17. 04. 2007 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gem. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S. 2 RVG).

Gründe:

I.

Durch Antrag vom 31.08.2006 beantragte der Verteidiger des durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Essen vom 27.06.2006 vom Vorwurf der Vergewaltigung und der versuchten Nötigung freigesprochenen früheren Angeklagten die Festsetzung seiner Gebühren gegen die Landeskasse. Im Einzelnen hat der Verteidiger folgende Gebühren geltend gemacht:

 Geb.Nr. Satz Bezeichnung Gebühr
4100 Grundgebühr 300,00
4106 Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug vor dem Amtsgericht 250,00
4114 Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag nach Nr. 4112 (470,00 € pro Tag) 23.06.06 470,00
 Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag nach Nr. 4112 (270,00 € pro Tag) 27.06.06 270,00
7002 Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen 20,00
7000 222 Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten (Ablichtungen) 50,80
Zwischensumme  1.360,80
7008 16,00 % Umsatzsteuer von 1.360,80 € 217,73
Summe  1.578,53

Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Essen trat der Kostenfestsetzung mit Schriftsatz vom 23.10.2006 unter näheren Ausführungen entgegen, soweit die Festsetzung von mehr als 1.055,37 € beantragt wurde. Die anwaltliche Gebührenbestimmung sei unbillig, weil die in der Kostenrechnung benannten Gebühren um 20 % oder mehr über der tatsächlich angemessenen Gebühr lägen. Bei der Strafkammer sei ein Termin bis zu 5 Stunden als durchschnittlich anzusehen (Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, Vorbemerkung 4 Rdnr. 61). Unter Berücksichtigung aller Kriterien des § 14 RVG sei für den ersten Termin eine Erhöhung der Mittelgebühr um 20 % angemessen wie ausreichend. Dies gelte auch für die Grundgebühr, bei der eine Erhöhung der Mittelgebühr um ebenfalls 20 % angemessen erscheine. Bei der Gebühr für den zweiten Termin sei zu berücksichtigen, dass die Terminsdauer deutlich unterdurchschnittlich gewesen sei und auf die Vernehmung sämtlicher zu diesem Termin geladener Zeugen habe verzichtet werden können. Deshalb sei eine Reduzierung der Mittelgebühr um 40 % angemessen. Als Verfahrensgebühr gem. Nr. 4112 VVRVG sei die Mittelgebühr angemessen, da besondere Schwierigkeiten nicht ersichtlich seien. Die geltend gemachten Kopiekosten und die Auslagenpauschale wurden nicht beanstandet. Danach ergebe sich folgende Berechnung:

Berechnung:

 Grundgeb. 198,00 EURO
Verfahrensgeb. 155,00 EURO
Terminsgeb. (1. Termin) 324,00 EURO
Terminsgeb. (2. Termin) 162,00 EURO
Auslagenpauschale 20,00 EURO
Kopiekosten - maximal 50,00 EURO
Summe 909,80 EURO
16 % MWSt. 145,57 EURO
Gesamtbetrag - maximal 1055,37 EURO

Dementsprechend setzte die Rechtspflegerin des Landgerichts durch den angefochtenen Beschluss vom 28.12.2006 die dem Betroffenen nach dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Essen vom 27.06.2006 gem. § 467 StPO aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 1.055,37 € fest. Die anwaltliche Bestimmung der Gebühren sei dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig sei. Von einer Unbilligkeit sei auszugehen, wenn die anwaltlich bestimmte Gebühr um 20 % oder mehr über der tatsächlich angemessenen Gebühr liege. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Betroffene Betreiber eines Imbisses sei und mit seinen Einkünften auch seine Frau und seine vier Kinder versorge, sei eine Erhöhung der Gebühren aufgrund der Einkommensverhältnisse nicht vorzunehmen. Auch eine besondere Schwierigkeit des Verfahrens sei nicht ersichtlich, obwohl der Anklagevorwurf ein schwerwiegender sei.

Festgesetzt wurde durch den angefochtenen Beschluss:

gem. Nr. 4100 VV RVG die Grundgebühr mit 198,00 € (20 % über der Mittelgebühr von 165,00 €),

nach 4112 VV RVG die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr von 155,00 €,

gem. 4114 VV RVG die Terminsgebühr für den ersten Hauptverhandlungstermin von 324,00 € (Erhöhung der Mittelgebühr um 20 %),

gem. 4114 VV RVG für den zweiten Hauptverhandlungstermin 162,00 € unter Reduzierung der Mittelgebühr um 40 %,

ferner die unbeanstandet gebliebenen Auslagenpauschale von 20,00 € und Kopierkosten von 50,80 €,

zuzüglich 16 % MWSt auf die sich ergebende Summe von 909,80 €,

beträgt der Gesamtbetrag 1.055,37 €.

Gegen diesen Beschluss, der dem Beschwerdeführer am 12.01.2007 zugestellt worden ist, wendet sich dieser mit seiner sofortigen Beschwerde, die am 16.01.2007 bei dem Landgericht Essen eingegangen ist unter näheren Ausführungen. Insbesondere beanstandet er bei der festgesetzten Grundgebühr, dass unberücksichtigt geblieben sei, dass bereits die Mandatübernahme unter schwierigen Umständen erfolgt sei und umfangreiche Aktennotizen abgefasst worden seien; im Übrigen seien im folgenden in einer Vielzahl von Telefonaten mit dem Vorsitzenden und anderen Verfahrensbeteiligten die Außervollzugsetzung des Haftbefehls erreicht worden und Auseinandersetzungen mit vorherigen Verteidigern zu führen gewesen. Es sei im Übrigen zu einer Vielzahl von Sachverhaltserörterungen gekommen, jeweils mit einem Dolmetscher, wobei das Erschwernis bestanden habe, dass die Akteneinsicht erst spät erfolgt sei. Hinsichtlich der Terminsgebühren seien die Absetzungen unzulässig und unsachgemäß. Maßgeblich sei insbesondere, dass sämtliche Gespräche im Beisein des erwähnten Dolmetschers zu führen gewesen seien, was ebenfalls ein Erschwernis dargestellt habe.

Nach einer ergänzenden Stellungnahme des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Essen vom 21.02.2007, der beantragt hatte, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen, hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Essen durch Beschluss vom 26.02.2007 der sofortigen Beschwerde zum Teil abgeholfen und die Verfahrensgebühr nach 4112 VVRVG auf netto 186,00 € festgesetzt und im Übrigen der sofortigen Beschwerde nicht abgeholten und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Die Festsetzung weiterer Gebühren kommt vorliegend nicht in Betracht.

Die Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts ist dann nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht bindend, wenn sie unbillig ist. Das ist nach auch für das RVG inzwischen herrschender Meinung dann der Fall, wenn die von dem Rechtsanwalt bestimmte Gebühr die als angemessen anzusehende Gebühr um mehr als 20 % übersteigt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01.03.2007 (Az.: (2) 4 Ausl. A 34/05 (220/06), veröffentlicht unter www.burhoff.de mit zahlr. w. N.). Zutreffend hat die Rechtspflegerin des Landgerichts vorliegend alle maßgeblichen Umstände erwogen und - insbesondere nach der teilweisen Abhilfe durch den Beschluss vom 26.02.2007 - die weitergehende Festsetzung als unbillig überhöht erachtet und die Gebühren festgesetzt.

Hinsichtlich der Grundgebühr und der Verfahrensgebühr hat die Rechtspflegerin die jeweiligen Mittelgebühren um 20 % erhöht. Hierdurch wird den über- wie unterdurchschnittlichen Abwägungskriterien hinreichend Rechnung getragen, insbesondere dem Umstand, dass die Kommunikation mit dem Angeklagten, bei der ein Dolmetscher erforderlich war, von vornherein erschwert war, sowie auch dem Umstand, dass der gegen den Angeklagten gerichtete Vorwurf schwerwiegend war. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Verfahren wegen des Auslandsaufenthalts der Zeugin von nicht unbeträchtlicher Dauer war und mehrfache Gespräche mit dem Angeklagten sowie den Verfahrensbeteiligten stattgefunden haben. Dagegen sind die Einkommensverhältnisse des Angeklagten eher im unteren Durchschnitt anzusiedeln und bot die Sache weder vom Tatsächlichen noch vom Rechtlichen her - gemessen an den üblichen Verfahren vor der Strafkammer - keine besonderen Schwierigkeiten. Auch war das Aktenmaterial vom Umfang her eher unterdurchschnittlich. Angesichts dieser Kriterien kann die Beurteilung der anwaltlichen Gebührenbestimmung als unbillig und die gerichtliche Festsetzung der Gebühren - unter Einschluss der teilweisen Abhilfe - nicht beanstandet werden. Dies gilt insbesondere auch für die Absetzung der Gebühren für den ersten und zweiten Hauptverhandlungstermin, die der unterschiedlichen Dauer und Schwierigkeit - Abladung aller Zeugen im zweiten Termin - zutreffend Rechnung trägt; die insoweit festgesetzten Gebühren erscheinen ebenfalls angemessen wie ausreichend.

Eine weitergehende Festsetzung von Gebühren kam daher nicht in Betracht; das Beschwerdevorbringen hat insoweit keinerlei Umstände erbracht, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen lassen.

Die sofortige Beschwerde war daher als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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