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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.01.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 2/07
Rechtsgebiete: StGB, MRK


Vorschriften:

StGB § 57
MRK § 6
Die Berücksichtigung einer neuerlichen Taten des Verurteilten zu seinem Nachteil ist im Rahmen der Prognoseentscheidung des § 57 StGB möglich und zulässig; ihr steht insbesondere auch nicht die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK entgegen.
Beschluss

Strafsache

gegen M.N

wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (hier: sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Duisburg gegen die bedingte Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung).

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Duisburg vom 6. Dezember 2006 gegen den Beschluss der 5. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 28. November 2006 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 01. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Verurteilten sowie seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 28. November 2006 wird aufgehoben.

Eine Aussetzung der Vollstreckung nach Verbüßung von 2/3 der gegen den Verurteilten durch Urteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 12.03.2001 in der Fassung des Berufungsurteils des Landgerichts Duisburg vom 25.09.2003 (37 Ns 71 Js 1208/99 - 44/03) verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wird abgelehnt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Verurteilten zur Last.

Gründe:

I.

Durch das im Tenor genannte Erkenntnis ist der Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom 14.07.2000 - 26 Ds 178/00 - in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Duisburg vom 22.12.2000 - 36/70 Js 197/00 - und unter Einbeziehung der Einzelfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Dinslaken - 3 Ds 38/00 - vom 03.04.2000 und dem Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom 14.07.2000 - 26 Ds 178/00 - in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Duisburg vom 22.12.2000 - 36/70 Ns 197/00 - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden. Durch die angefochtene Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer angeordnet, dass der Verurteilte nach Verbüßung von 2/3 der vorgenannten Freiheitsstrafe am 13. Dezember 2006 aus der Strafhaft zu entlassen sei. Das Strafende ist auf den 24.05.2007 notiert.

Die Strafvollstreckungskammer hat die angefochtene Entscheidung damit begründet, dass die Gesamtwürdigung aller zu berücksichtigenden Umstände ergebe, dass eine Erprobung des Verurteilten gemäß § 57 Abs. 1 StGB verantwortet werden könne; dem Verurteilten könne unter Berücksichtigung der im Beschluss angeordneten flankierenden Maßnahmen - Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe und Auferlegung einer psychotherapeutischen Einzelmaßnahme, ggf. Durchführung einer Psychotherapie - eine günstige Sozialprognose gestellt werden.

II.

Die in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Duisburg gegen diese Aussetzungsentscheidung ist in der Sache begründet. Die Strafvollstreckungskammer hat hierbei nämlich einen wesentlichen Gesichtspunkt nicht bzw. nur unzureichend gewürdigt, und zwar die neuerliche Verurteilung durch das Amtsgericht Oberhausen vom 4. August 2006 (Az.: 26 Ds 154 Js 142/06 (200/06) des Angeklagten wegen unerlaubten Betäubungsmittelerwerbs in 302 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, wenngleich diese Verurteilung nicht rechtskräftig ist, weil der - geständige - Angeklagte gegen diese Verurteilung Berufung eingelegt hat, über die noch keine Entscheidung getroffen worden ist. Zu Recht weist die Generalstaatsanwaltschaft Hamm in ihrer Stellungnahme vom 29.12.2006 aber darauf hin, dass die Berücksichtigung der neuerlichen Taten des Verurteilten im Rahmen der Prognoseentscheidung des § 57 StGB zu seinem Nachteil möglich und zulässig ist; ihr steht insbesondere auch nicht die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK entgegen (Beschluss des 2. Strafsenats des OLG Hamm vom 12.07.2004 - 2 Ws 168/04 -). Da es im Verfahren nach § 57 StGB nicht um die Rechtsfolgen aus den neuerlichen Straftaten geht, sondern allein um die Frage der Fortsetzung der Vollstreckung einer bereits rechtskräftig erkannten Strafe wegen einer ungünstigen Prognosebeurteilung, kommt es jedenfalls auf die endgültige Rechtskraft der vorgenannten Verurteilung nicht maßgeblich an. Der Verurteilte ist weder in seinem Anhörungstermin im Rahmen des Aussetzungsverfahrens, noch nach der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt, noch nach seinen Ausführungen im Beschwerdeverfahren davon abgerückt, dass er in einem längeren Zeitraum ab August 2004 Heroinkäufe von jeweils einem Gramm - nach seiner geständigen Einlassung - entsprechend den Urteilsgründen in 302 Fällen - nach seinen Angaben in der JVA in ca. 50 Fällen - getätigt hat. Diese Umstände hat die Strafvollstreckungskammer bei ihrer Entscheidung erkennbar nicht ausreichend berücksichtigt. Sie stehen indes nach Auffassung des Senates einer positiven Sozialprognose maßgeblich entgegen, insbesondere vor dem Hintergrund der von dem Verurteilten gezeigten vielfältigen Straffälligkeiten, bei denen er sich mehrfach als Bewährungsversager gezeigt hat und extrem hohe Rückfallgeschwindigkeiten zu verzeichnen waren und auch wiederholte Strafverbüßungen neuere Straftaten nicht haben verhindern können. Die in dem angefochtenen Beschluss ausgeführten positiven Ansätze des Verurteilten, die er in seiner positiven Führung im Strafvollzug gezeigt hat, auch seine stabilen familiären Verhältnisse und eine mögliche Arbeitsstelle sowie seine Bereitschaft zu einer ambulanten Therapie vermögen demgegenüber keine ausreichenden Argumente für eine gegenteilige Beurteilung zu begründen.

Daher war der angefochtene Beschluss aufzuheben und eine Reststrafenaussetzung nach Verbüßung von 2/3 der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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