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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.06.2005
Aktenzeichen: 3 Ws 225/05
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 138a | |
StPO § 138 c |
Beschluss
Strafsache
gegen M.B.
wegen Steuerhinterziehung (hier: Antrag des Amtsgerichts Essen auf Ausschließung des Verteidigers Rechtsanwalt U. gemäß §§ 138 a Abs. 1 Nr. 1, 138 c Abs. 2 StPO).
Auf die Vorlage des Amtsgerichts Essen vom 11.04.2005 auf Ausschließung von Rechtsanwalt U. aus Essen als Verteidiger im Verfahren gemäß § 138 a StPO hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 06. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Die Vorlage des Amtsgerichts Essen vom 11.04.2005 auf Ausschließung von Rechtsanwalt U. als Verteidiger wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Essen hat mit Vorlagebeschluss vom 11.04.2005 dem Senat die Akten aufgrund des Antrags der Staatsanwaltschaft Essen vom 29.03.2005 zur Entscheidung über die Ausschließung von Rechtsanwalt U. als Verteidiger des Angeschuldigten Benedikt M. vorgelegt. Dem Angeschuldigten wird mit der noch nicht zugelassenen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Essen vom 14.11.2004 vorgeworfen, vom 05.05.2000 bis zum 07.02.2003 in Bottrop in 37 Fällen den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben gemacht und sie pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen zu haben und so als Vorsitzender des Sportvereins V. e.V. in XX in dem genannten Zeitraum Umsatzsteuern in Höhe von 31.632,- €, Lohnsteuern in Höhe von 24.083,- € und Solidaritätszuschlag in Höhe von 1.430,- € hinterzogen zu haben. Als Vereinsvorsitzender sei der Angeschuldigte M. verantwortlich für die steuerlichen und finanziellen Angelegenheiten des Vereins gewesen und habe finanzielle Abreden mit Spielern und Trainern eigenverantwortlich getroffen. Er habe entsprechende Verträge ausgehandelt und unterzeichnet und sei im Wesentlichen auch an den vertraglichen Gestaltungen mit Sponsoren und Marketing-Firmen beteiligt gewesen. Die hinterzogenen Steuern werden in der Anklageschrift im Einzelnen dargelegt.
Das Amtsgericht Essen hatte die Akten bereits mit Vorlagebeschluss vom 24.11.2004 auf Antrag der Staatsanwaltschaft Essen dem Senat vorgelegt, um die Ausschließung von Rechtsanwalt U., der als Verteidiger für den Angeschuldigten M. tätig ist, zu erreichen. Der Senat hat die Vorlage mit Beschluss vom 13.01.2005 als unzulässig verworfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Vorlagebeschluss in unzulässiger Weise zur Begründung der Ausschließung des Verteidigers im Wesentlichen auf Anlagen Bezug nehme, nicht aber aus sich selbst heraus verständlich sei. Insbesondere fehlten jegliche Angaben, in welcher Höhe tatsächlich Lohnaufwendungen in den Jahren 2000 und 2001 an Spieler und Trainer erfolgt seien und in welcher Höhe dadurch ein Schaden bei dem zuständigen Finanzamt eingetreten sei. Zudem fehlten ausreichende Tatsachenangaben vornehmlich zum subjektiven Tatbestand, da der Vorlagebeschluss die Einlassung des Verteidigers und des Angeschuldigten zu den betreffenden Vorgängen nicht erwähne.
Das Amtsgericht hat die Akten nunmehr auf Antrag der Staatsanwaltschaft erneut zum Zwecke der Ausschließung von Rechtsanwalt U. als Verteidiger des Angeschuldigten M. vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen eines Ausschlusses von der Mitwirkung in dem hiesigen Verfahren gemäß § 138 a StPO lägen vor, da Rechtsanwalt U. verdächtig sei, an der Tat des Angeschuldigten M., nämlich der Steuerhinterziehung, als Gehilfe beteiligt gewesen zu sein. Rechtsanwalt U. habe zu der dem Angeschuldigten M. für die Jahre 2000 und 2001 zur Last gelegten Lohnsteuerhinterziehung vorsätzlich Beihilfe geleistet, indem er in Kenntnis der erfolgten Lohnzahlungen die Lohnsteuerjahresanmeldungen für die Jahre 2000 und 2001 gefertigt, unterschrieben und bei den Finanzbehörden eingereicht habe. Dies werde belegt durch die Steueroberamtsräte B. und W., durch die von Rechtsanwalt U. unterzeichneten Lohnsteueranmeldungen sowie durch die in der bei Rechtsanwalt U. sichergestellten Steuerberaterhandakte aufgezeichneten Zahlungen an Spieler und Trainer und eine sich in dieser Handakte befindlichen Abhandlung der Steuerpflicht, in welcher der Rechtsanwalt sich mit der steuerrechtlichen Materie der vereinsseitigen Zahlungen an Spieler und Trainer befasst habe. Der Tatbeitrag von Rechtsanwalt U. habe darin bestanden, dass er, obwohl er Kenntnis über Lohnzahlungen hatte, für den Verein Lohnsteueranmeldungen für die Jahre 2000 und 2001 über 0,- DM gefertigt, diese eigenhändig unterschrieben und beim Finanzamt Bottrop eingereicht habe, so dass fälschlicherweise keine Lohnsteuer festgesetzt wurde. Rechtsanwalt U. sei seit ca. 1999 zunächst als Angestellter im Steuerbüro L., XX, und später als selbstständiger Steuerberater für den Verein tätig gewesen. Bei der Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes Bottrop für die Jahre 1995 bis 1999 sei festgestellt worden, dass der Verein erhebliche Lohnzahlungen pflichtwidrig nicht versteuert habe. Aufgrund der sportlichen Situation des Vereins in den Jahren 2000 und 2001 sei davon auszugehen, dass dieser auch in diesen Jahren qualifizierte Spieler und Trainer beschäftigt habe, die auch entsprechend entlohnt worden seien. Rechtsanwalt U. sei bekannt gewesen, dass im Zeitraum 1995 bis einschließlich 1999 an Spieler und Trainer lohnsteuerpflichtige Zahlungen erfolgt seien. Insbesondere sei ihm der das seinerzeitige Besteuerungsverfahren abschließende Bescheid vom 29.01.2001 als Empfangsbevollmächtigtem des Vereins persönlich bekannt gegeben worden. Rechtsanwalt U. müsse bewusst gewesen sein, dass die Spieler in der Saison 1999/2000 auch nach dem Jahreswechsel von 1999 nach 2000 in etwa die gleichen Bezüge erhalten hätten, wie vor dem Jahreswechsel, da der Spielerkader im Wesentlichen gleichgeblieben sei. Zumindest für das Jahr 2001 hätten Rechtsanwalt U. auch Aufzeichnungen vorgelegen, aus denen sich die Zahlungen an Spieler und Trainer ergeben hätten. Die Einlassung von Rechtsanwalt U., er habe sich auf Angaben des Angeschuldigten verlassen, dass keine Arbeitnehmer beschäftigt worden seien, für die Lohnsteuer angefallen sei, sei daher als Schutzbehauptung anzusehen. Im Einzelnen hätten die Ermittlungen der Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes Bottrop und der Fahndungsstelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Bochum zu dem Ergebnis geführt, dass insgesamt im Jahre 2000 Lohnsteuern in Höhe von 8.436,- € und im Jahre 2001 in Höhe von 7.490,- € sowie Solidaritätszuschlag im Jahre 2000 in Höhe von 464,- € und im Jahre 2001 in Höhe von 412,- € vorsätzlich hinterzogen worden seien.
II.
Die Vorlage des Amtsgerichts erweist sich erneut als unzulässig. Sie musste daher erneut ohne mündliche Verhandlung verworfen werden. Die mündliche Verhandlung ist vom Gesetzgeber allein im Interesse des Verteidigers vorgesehen worden, weil sie ihm eher als ein schriftliches Verfahren Gelegenheit gibt, entlastende Umstände darzulegen und belastende Beweise zu entkräften (OLG Hamm, NStZ-RR 1999, 50, 51). Kommt eine Ausschließung des Verteidigers wie hier von vornherein nicht in Betracht, weil bereits die Vorlage unzulässig ist, dann besteht kein Grund für eine mündliche Verhandlung (OLG Hamm, a.a.O.).
Die Vorlage durch das Amtsgericht Essen ist unzulässig. Sie genügt wiederum nicht den Mindestanforderungen, die nach der obergerichtlichen Rechtsprechung an eine derartige Vorlage im Verfahren gemäß §§ 138 a ff. StPO zu stellen sind.
Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur muss der nach Erhebung der öffentlichen Klage ergangene Vorlagebeschluss des mit der Sache befassten Gerichts - ebenso wie ein Ausschließungsantrag der StA - hinsichtlich seiner Zulässigkeit bestimmten inhaltlichen Mindestanforderungen genügen. Damit das Ausschließungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt werden kann, muss der Vorlagebeschluss mindestens die Tatsachen enthalten, aus denen sich im Falle ihres Nachweises das zum Ausschluss des Verteidigers rechtfertigende Verhalten i.S.d. § 138 a Abs. 1 StPO sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht ergibt (OLG Hamm, NStZ-RR 1999, 50; OLG Karlsruhe, NJW 1975, 943, 944; OLG Düsseldorf, StV 1983, 117; OLG Düsseldorf, StV 1997, 459; OLG Düsseldorf, StV 1998, 64, 65; OLG Düsseldorf StraFo 1998, 119 und 304; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 138 c Rdnr. 9 m.w.N.). Die Tatsachen und die dazugehörigen Beweismittel müssen sich entsprechend den an einen Klageerzwingungsantrag gemäß § 172 StPO zu stellenden Anforderungen schlüssig allein aus der Begründung des Vorlagebeschlusses ergeben, d.h. es muss allein aufgrund des Vorlagebeschlusses schlüssig nachvollzogen werden können, dass die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Ausschließungsgrundes gemäß § 138 a Abs. 1 StPO gegeben sind. Dagegen ist es nicht Aufgabe des Senats, sich die zur hinreichenden Substantiierung des Vorlagebeschlusses erforderlichen Angaben erst selbst aus den Akten zusammenzustellen (OLG Hamm, a.a.O., m.w.N.).
Diesen inhaltlichen Mindestanforderungen genügt der Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Essen vom 11.04.2005 weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht. Dem Vorlagebeschluss kann mit der gebotenen Substantiierung jedenfalls nicht entnommen werden, dass Rechtsanwalt U. Kenntnis davon hatte, dass der Verein in den Jahren 2000 und 2001 lohnsteuerpflichtige Arbeitnehmer als Spieler, Betreuer und Trainer beschäftigt hätte. Der Vorlagebeschluss übersieht insoweit nämlich, dass Amateurfußballspieler nicht ohne weiteres bereits dann Arbeitnehmer i.S.d. Steuerrechts, für die Lohnsteuer angemeldet und abgeführt werden müssen, sind, wenn sie überhaupt für den Trainings- und Spieleinsatz eine Vergütung erhalten. Erforderlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (DStR 1993, 507, 508) vielmehr darüber hinaus, dass die für den Trainings- und Spieleinsatz an die Amateurfußballspieler gezahlten Vergütungen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als Arbeitslohn zu beurteilen sind, wobei Arbeitslohn dann nicht vorliegt, wenn die Vergütungen die mit der Tätigkeit zusammenhängenden Aufwendungen der Spieler nur unwesentlich übersteigen. Voraussetzung für eine lohnsteuerpflichtige Tätigkeit als Arbeitnehmer des Fußballvereins ist damit, dass die gezahlten Vergütungen die mit der Tätigkeit zusammenhängenden Aufwendungen der Spieler mehr als nur unwesentlich übersteigen. Eine entsprechende Kenntnis von Rechtsanwalt U. ist aber in dem Vorlagebeschluss nicht dargelegt. Zu ihrer Darlegung wäre erforderlich gewesen, dass zunächst einmal mitgeteilt wird, welche Spieler und Betreuer bzw. Trainer im Einzelnen welche Zahlungen erhalten haben und welche mit der Tätigkeit als Amateurfußballspieler, Betreuer oder Trainer zusammenhängenden Aufwendungen dem jeweiligen Betroffenen entstanden sind. Über beides schweigt sich der Vorlagebeschluss aber ebenso vollständig aus wie über das Vorhandensein konkreter und greifbarer Umstände, aufgrund derer Rechtsanwalt U. entsprechende Kenntnisse über die konkret an einen einzelnen Spieler oder Betreuer bzw. Trainer geleisteten Zahlungen und die ebenso konkret einzelnen Betroffenen entstandenen Aufwendungen hatte. Der pauschale Hinweis darauf, dass sich in seiner Steuerberaterhandakte Aufzeichnungen über Zahlungen an Spieler und Trainer befinden, reicht bereits deshalb nicht aus, weil die Zahlungen im Vorlagebeschluss nicht im Einzelnen aufgeschlüsselt werden und weil es darüber hinaus an der Gegenüberstellung der Zahlungen mit den jeweils entstandenen Aufwendungen fehlt. Soweit der Vorlagebeschluss darüber hinaus auf eine Abhandlung der Steuerpflicht des Vereins Bezug nimmt, die Rechtsanwalt U. erstellt haben soll, wird der Inhalt dieser Abhandlung ebenfalls nicht näher dargelegt. Dass Rechtsanwalt U. als Steuerberater um die lohnsteuerrechtliche Relevanz von Zahlungen an Amateurfußballer wusste, ergibt sich bereits aus seinem beruflichen Status. Hierzu bedarf es nicht des Zurückgreifens auf von ihm gefertigte Abhandlungen. Allein wenn sich aus den Abhandlungen ergeben würde, dass ihm aufgrund im Einzelfall getätigter Zahlungen und ebenso im Einzelfall entstandener Aufwendungen der einzelnen Spieler oder Betreuer konkret für die Jahre 2001 und 2002 bekannt gewesen sein sollte, dass hier lohnsteuerpflichtige Tätigkeiten vorlagen, wäre dies geeignet, einen entsprechenden Beihilfevorsatz des Rechtsanwalts U. darzulegen. Hierüber schweigt sich der Vorlagebeschluss aber wie ausgeführt vollständig aus. Auch der Hinweis auf das Ergebnis der Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes Bottrop für die Jahre 1995 und 1999 ist nicht schlüssig. Aus dem Umstand, dass in den Jahren vor den dem Rechtsanwalt U. zur Last gelegten Zeiträumen 2000 und 2001 lohnsteuerpflichtige Tätigkeiten für den Verein ausgeübt und nicht angemeldet worden sind, ergibt sich keinesfalls zwingend, dass dies auch in den Jahren 2000 und 2001 der Fall war. Ebenso gut ist möglich, dass der Verein im Hinblick auf das Ergebnis der genannten steuerlichen Außenprüfung die bis zum 1999 geübte rechtswidrige Praxis aufgegeben hatte, um sich nicht weiteren Steuernachforderungen auszusetzen. Insoweit argumentiert der Vorlagebeschluss letztlich nur mit bloßen Vermutungen, die ebenfalls nicht durch konkrete Tatsachen belegt sind.
Der Vorlagebeschluss lässt zudem auch jegliche Auseinandersetzung mit dem Verteidigungsvorbringen von Rechtsanwalt U. vermissen. Rechtsanwalt U. hatte bereits in dem vergangenen Vorlageverfahren vor dem Senat mit Schriftsatz vom 14.01.2005 umfangreich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung genommen und sich insbesondere auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Arbeitnehmereigenschaft von Amateurfußballspielern bezogen und im Einzelnen ausgeführt, dass an die Spieler stets nur eine Aufwandsentschädigung gezahlt worden sei und dass er über keinerlei in diesem Zusammenhang erhebliche Kenntnisse verfügt hätte. Dieser Gesichtspunkt wird in dem Vorlagebeschluss an keiner Stelle angesprochen, noch wird sich mit diesem ausführlichen Verteidigungsvorbringen von Rechtsanwalt U. näher auseinandergesetzt. Auch dies führt zur Unzulässigkeit des Vorlagebeschlusses (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).
Der Senat konnte daher - wie eingangs ausgeführt - den Vorlagebeschluss erneut ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verwerfen.
Ende der Entscheidung
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