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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.06.2009
Aktenzeichen: 3 Ws 229/09
Rechtsgebiete: StPO, EMRK


Vorschriften:

StPO § 305
EMRK Art. 6 Abs. 3
Lehnt ein Strafkammervorsitzender es ab, eine schriftliche Erklärung des Angeklagten, die zunächst für den Verteidiger bestimmt ist, für den Verteidiger übersetzen zu lassen und verweist er ihn auf die mündliche Erörterung unter Vermittlung eines Dolmetschers, so ist diese Entscheidung nach § 305 S. 1 StPO mit der Beschwerde nicht anfechtbar.
Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat am 21.04.2009 gegen den Angeklagten Anklage wegen Mordes zum Landgericht - Schwurgericht - Bielefeld erhoben. Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, seine Ehefrau am 01.01.2009 aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben. Der Angeklagte befindet sich seit dem 01.01.2009 in Untersuchungshaft. Das Hauptverfahren ist am 25.05.2009 eröffnet worden. Die Hauptverhandlung ist terminiert ab dem 28.07.2009.

Am 11.05.2009 hat der Verteidiger des Angeklagten beim Landgericht beantragt, einem Dolmetscherbüro den Auftrag zu erteilen, eine von dem Angeklagten vorbereitete Einlassungserklärung in die deutsche Sprache zu übersetzen. Dazu hat er ausgeführt, dass der Angeklagte eine handschriftliche, 273 Seiten umfassende Erklärung in türkisch-kurdischer Sprache zum Tatvorgeschehen und zum Tatgeschehen verfasst habe, die bei Gericht "vorgelesen" werden solle. Ohne Übersetzung könne der Verteidiger den Inhalt der Erklärung nicht nachvollziehen. Die Vorsitzende des Schwurgerichts hat den Verteidiger mit Schreiben vom 13.05.2009 darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für eine Übersetzung nicht vorlägen. Im Rahmen der Besprechungen des Verteidigers mit dem Angeklagten sei aber die Hinzuziehung eines Dolmetschers "eventuell auch zur Besprechung der 273 Seiten" möglich. Mit Schreiben vom 20.05.2009 hat der Verteidiger darauf hingewiesen, dass die Erklärung des Angeklagten möglicherweise auch für den Sachverständigen Bedeutung habe und es dem Verteidiger wegen des Umfangs der Erklärung nicht möglich sei, diese mit einem Dolmetscher und dem Angeklagten in der Haftanstalt zu besprechen. Mit Schreiben vom 27.05.2009 teilte die Schwurgerichtsvorsitzende mit, dass die Strafkammer keinen Anlass sehe, die Erklärung übersetzen zu lassen. Etwas anderes sei allerdings für den Fall geboten, dass der Angeklagte seine Erklärung als Einlassung zu den Akten reiche. Hiergegen hat der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 02.06.2009 Beschwerde eingelegt. Die Vorsitzende des Schwurgerichts hat dieser mit Beschluss vom 04.06.2009 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig nach § 305 S. 1 StPO.

Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich um eine solche des erkennenden Gerichts. Erkennendes Gericht kann nicht nur der Kollegialspruchkörper, sondern auch - wie vorliegend - der funktional zuständige Kammervorsitzende sein (OLG Düsseldorf NStZ 1986, 138; Engelhardt in KK-StPO 6. Aufl. § 305 Rdn. 4 m.w.N.; vgl. auch OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 374).

Nicht beschwerdefähig sind nach § 305 S. 1 StPO solche Entscheidungen, die der Urteilsvorbereitung dienen, bei der Urteilsfällung der nochmaligen Überprüfung unterliegen und vom Revisionsgericht unter bestimmten Voraussetzungen überprüft werden können bzw. keine weiteren Verfahrenwirkungen erzeugen, die nicht mehr mit einem Rechtsmittel überprüft werden können (KG Berlin Beschl. v. 27.02.2008 - 1 Ws 24/08 - juris; KG Berlin Beschl. v. 27.03.2009 - 4 Ws 17/09 - juris; OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 374; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 46, 47; Engelhardt a.a.O. Rdn. 5; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 305 Rdn. 4). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Übersetzung einer Erklärung des Angeklagten zum Tat- und Tatvorgeschehen für den Verteidiger (nur um diese Frage geht es hier, da die Erklärung als solche noch nicht zu den Akten gereicht wurde und die Strafkammervorsitzende die Übersetzung der Erklärung für den Fall, dass sie als Einlassung des Angeklagten dem Gericht überreicht werden sollte, bereits angekündigt hat) dient ggf. der Wahrung des Rechts des Angeklagten auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren sowie der Wahrung seiner Rechte aus Art. 6 Abs. 3 EMRK in der anstehenden Hauptverhandlung bzw. deren Vorbereitung. Ob sie dazu erforderlich ist oder auch der vom Landgericht aufgezeigte Weg ausreicht, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Sie steht damit in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung und geht dieser voraus. Die Gewährleistung von Prozess(grund)rechten ist Aufgabe der Fachgerichte, so dass das Schwurgericht vor Urteilsfällung die angefochtene Entscheidung auf seine Rechtsmäßigkeit hin überprüfen muss (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 374). Die Entscheidung unterliegt auch der revisionsgerichtlichen Überprüfung zusammen mit dem tatrichterlichen Urteil. Insoweit besteht die Möglichkeit, die Ablehnung der Übersetzung z. B. durch eine Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 8 StPO zu Überprüfung des Revisionsgerichts zu stellen, so dass etwaige, dem Angeklagten nachteilige prozessuale Wirkungen der verweigerten Übersetzung beseitigt werden können. Weitere Verfahrenswirkungen, die nicht mit einem Rechtsmittel überprüft werden könnten, sind nicht erkennbar.

Eine ausnahmsweise Anfechtbarkeit nach § 305 S. 2 StPO liegt nicht vor. Ob auch ein Ausnahmefall anzuerkennen ist, wenn die angefochtene Entscheidung willkürlich oder zur Verfolgung verfahrensfremder Ziele getroffen wurde (vgl. OLG Brandenburg Beschl. v. 02.07.2008 - 1 Ws 107/08 - juris), kann dahinstehen, da es hierfür keinerlei Anhaltspunkte gibt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Der Senat weist darauf hin, dass die Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO nach Ablauf der gesetzten Stellungnahmefrist gesondert ergeht.

Ende der Entscheidung

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