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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.10.2009
Aktenzeichen: 3 Ws 386/09
Rechtsgebiete: StGB, GG


Vorschriften:

StGB § 56f
GG Art. 20 Abs. 3
1. Wird die Bewährungszeit erst nach Ablauf der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert, so schließt sich der Verlängerungszeitraum unmittelbar an das Ende der zunächst bestimmten Bewährungszeit an.

2. Auch Straftaten, die zwischen dem Ende der zunächst bestimmten Bewährungszeit und dem Verlängerungsbeschluss begangen werden, können dann zum Widerruf gem. § 56f Abs. 1 StGB führen, wenn der Verurteilte damit rechnen musste, dass die Bewährungszeit verlängert wird.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Lichtenfels hatte den Beschwerdeführer am 13.12.2005 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hatte. Das Urteil wurde am gleichen Tage rechtskräftig. Die Bewährungszeit war auf zwei Jahre festgesetzt worden. Gleichzeitig war dem Beschwerdeführer eine Arbeitsauflage von 40 Arbeitsstunden erteilt worden. Der Beschwerdeführer stand zum Zeitpunkt der Begehung der abgeurteilten Tat unter Bewährung, da er zuletzt am 24.02.2005 wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer viermonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war.

Zwei Tage nach der Verurteilung vom 13.12.2005 beging der Beschwerdeführer eine Unterschlagung, wegen der er vom Amtsgericht Lichtenfels am 28.11.2006 zu einer Geldstrafe verurteilt wurde (rechtskräftig seit dem 12.12.2006). Wegen dieser Sache wurde an ihn ein Anhörungsschreiben am 23.01.2007 im Hinblick auf eine Verlängerung der Bewährungszeit versandt. Ob er dieses Schreiben erhalten hat, geht aus den Akten nicht hervor.

Mit Urteil vom 25.07.2007 wurde der Beschwerdeführer vom Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt. Gegen das Urteil legte der Angeklagte Berufung ein. Im Hinblick auf die erneute Verurteilung hat die Staatsanwaltschaft am 27.08.2007 den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung beantragt. Am 13.09.2007 ist der Beschwerdeführer schriftlich - unter Erbieten eines mündlichen Anhörungstermins - vom Amtsgericht Lichtenfels zur Frage des Widerrufs angehört worden. Auf das Schreiben hat sich ein Verteidiger fernmündlich gemeldet und mit Schriftsatz vom 01.10.2007 darum gebeten, zunächst den Ausgang des Berufungsverfahrens hinsichtlich des Urteils vom 25.07.2007 abzuwarten. Mit Urteil vom 04.02.2008 hat das Landgericht Dessau-Roßlauf auf die Berufung des Angeklagten das erstinstanzliche Urteil dahin abgeändert, dass der Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt wurde. Das Urteil ist rechtskräftig. Mit Beschluss vom 01.07.2008 hat das Amtsgericht Lichtenfels - auf den entsprechend geänderten Antrag der Staatsanwaltschaft - die Bewährungszeit in vorliegender Sache um ein Jahr verlängert. Der Beschluss wurde nicht angefochten. Mit Beschluss vom 01.08.2008 wurde die Arbeitsauflage in eine Zahlungsauflage von 200 Euro umgewandelt. Bis zum 20.10.2008 hatte der Beschwerdeführer hierauf nichts gezahlt. Aus dem Bewährungsheft ist nicht ersichtlich, dass er in der Folgezeit Zahlungen erbracht hat.

Am 03.04.2008 beging der Beschwerdeführer einen Betrug, indem er ein Zeitschriftenabonnement für einen Dritten ohne dessen Wissen abschloss und den Bestellschein seinem Kolonnenführer vorlegte, um die Provision für die Zeitschriftenwerbung zu kassieren, was ihm auch gelang. Deswegen ist der Beschwerdeführer am 31.07.2008 vom Amtsgericht Erlangen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten (rechtskräftig) verurteilt worden. Diese Freiheitsstrafe hat der Beschwerdeführer bis zum 15.03.2009 in der JVA Bielefeld-Brackwede II verbüßt. Im Hinblick auf die neuerliche Tat war im Dezember 2008 das Widerrufsverfahren vom Amtsgericht eingeleitet und sodann die Sache an die Strafvollstreckungskammer an das Landgericht Bielefeld abgegeben worden. Diese hat den Beschwerdeführer am 23.04.2009 schriftlich angehört und sodann mit dem angefochtenen Beschluss die Strafaussetzung zur Bewährung wegen der neuen Straftat vom 03.04.2009 widerrufen.

Wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, begangen im November und Dezember 2008 ist der Verurteilte inzwischen erneut rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden (Urt. AG Lemgo vom 18.09.2009 - 22 Ds 35 Js 79/09 - 45/09).

Gegen den Widerruf wendet sich der Beschwerdeführer mit der sofortigen Beschwerde. Er macht insbesondere geltend, dass die zum Widerruf führende Tat nach Ablauf der regulären Bewährungszeit und vor deren Verlängerung begangen wurde und keinen kriminologischen Zusammenhang zur ursprünglichen Verurteilung aufweise. Die Generalstaatsanwaltschaft hat im Hinblick auf den erstgenannten Umstand die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache beantragt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Der Beschwerdeführer hat in der Bewährungszeit eine Straftat begangen und dadurch gezeigt, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zu Grunde lag, nicht erfüllt hat (§ 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Der Beschwerdeführer hat am 03.04.2008 eine neue Straftat, nämlich einen Betrug, begangen. Diese Tat fiel in die Bewährungszeit. Die Bewährungszeit, die ursprünglich bis zum 22.12.2007 lief, ist mit Beschluss vom 01.07.2008 um ein Jahr, d.h. bis zum 22.12.2008, verlängert worden. Dass der Widerruf erst nach Ablauf der Bewährungszeit erfolgte, ist unschädlich. Eine Ausschlussfrist existiert insoweit nicht.

a) Nach der - vom Senat geteilten - h. M. in Rechtsprechung und Literatur schließt sich eine nach Ablauf der Bewährungszeit angeordnete Verlängerung rückwirkend an die abgelaufene Bewährungszeit unmittelbar an (OLG Brandenburg Beschl. v. 17.03.2004 - 1 Ws 29/04 - juris; KG Berlin Beschl. v. 12.05.2009 - 2 Ws 176/09 - juris; OLG Celle NStZ 1991, 206; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 221; OLG Hamm Beschl. v. 15.12.1987 - 5 Ws 445/87 - juris; OLG Jena NStZ-RR 2007, 220; OLG Köln Beschl. v. 27.01.2006 - 2 Ws 37/06 - juris; OLG Rostock Beschl. v. 05.10.2004 - I Ws 430/04 - juris; OLG Zweibrücken NStZ 1993, 510; Hubrach in LK-StGB, 12. Aufl. § 56f Rdn. 42; Lackner/Kühl StGB 26. Aufl. § 56f Rdn. 12; Dölling NStZ 1989, 345, 348). Schon der Wortlaut des § 56f Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB ("verlängern") belegt dies. Denn würde die "Verlängerung" der Bewährungszeit erst mit Erlass oder Rechtskraft des nach Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit ergangenen Beschlusses beginnen, läge keine Verlängerung vor, sondern ein Neubeginn bzw. eine weitere Bewährungszeit, was gesetzlich nicht vorgesehen ist (OLG Rostock a.a.O.). Zudem wäre dann der exakte Zeitpunkt des Neubeginns der Bewährungszeit fraglich (Erlass, Rechtskraft, tatsächlicher Zugang?, vgl. KG Berlin a.a.O.) und es entstünden nicht zuletzt Anwendungsprobleme hinsichtlich §§ 56a, 56f Abs. 2 S. 2 StGB was die maximale Dauer der Bewährungsfrist angeht. Auch wird nur durch eine rückwirkende Anknüpfung des Verlängerungszeitraums an den Endtermin der zunächst bestimmten Bewährungszeit vermieden, dass sich Bewährungsverfahren unverhältnismäßig in die Länge ziehen. Dass der Gesetzgeber dies vermeiden wollte, zeigt sich an der Regelung des § 56f Abs. 2 S. 2 StGB (vgl. OLG Rostock a.a.O.; Hubrach in LK-StGB a.a.O.). Die Gegenansicht überzeugt letztendlich nicht. Sie stellt darauf ab, dass in dem Zeitraum zwischen Ende der regulären Bewährungszeit und dem Verlängerungsbeschluss die Begehung einer neuen Straftat nicht als Widerrufsgrund herangezogen werden dürfe, so dass eine rückwirkende Verlängerung sinnlos sei und dieser Zeitraum schwerlich als Zeit der Bewährung angesehen werden könne (OLG Bamberg NStZ-RR 2006, 326; LG München I NStZ 2003, 317; Stree in: Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. Rdnr. 10; Horn NStZ 1986, 356). Diese Prämisse ist - jedenfalls in ihrer Pauschalität - unzutreffend, wie die nachfolgenden Ausführungen noch zeigen werden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch aus verfassungsrechtlicher Sicht eine rückwirkende Anknüpfung des Verlängerungszeitraums nicht zu beanstanden ist (BVerfG NStZ 1995, 437).

b) Fiele die Begehung der Tat - wie hier - in die rückwirkend verlängerte Bewährungszeit, so ist es eine Frage des Einzelfalls, ob sie zum Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung herangezogen werden kann. Entgegen der ganz h. M. in Rechtsprechung und Literatur (OLG Bamberg NStZ-RR 2006, 326; OLG Brandenburg Beschl. v. 17.03.2004 - 1 Ws 29/04 - juris; KG Berlin Beschl. v. 12.05.2009 - 2 Ws 179/09 - juris; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 221; OLG Hamm Beschl. v. 15.12.1987 - 5 Ws 445/87 - juris; OLG Hamm Beschl. v. 04.04.1996 - 2 Ws 132/96 - juris [LS]; OLG Jena NStZ-RR 2007, 220, 221; OLG Köln Beschl. v. 27.01.2006 - 2 Ws 37/06 - juris; OLG Zweibrücken NStZ 1993, 510; Fischer StGB 56. Aufl. § 56f Rdn. 3a; von Heintschel-Heinegg in Beck-OK-StGB Ed. 9 § 56f Rdn. 19; Stree a.a.O.; Lackner/Kühl a.a.O. § 56f Rdn. 3; Dölling NStZ 1989, 345, 348) hält der Senat dies für grundsätzlich möglich.

aa) Die Gegenansicht beruft sich - neben Vertrauensschutzgesichtspunkten - u. a. darauf, dass zu dem Zeitpunkt als der Verurteilte die neue Straftat beging, er diese eben noch nicht "in der Bewährungszeit" begangen habe, sondern der Tat gleichsam nachträglich die Begehung in der Bewährungszeit untergeschoben wurde, die Tat nur "formal" in die Bewährungszeit falle (OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 221; OLG Köln Beschl. v. 27.01.2006 - 2 Ws 37/06 - juris). Es überzeugt aber schon nicht, wenn die Vertreter dieser Ansicht einerseits eine rückwirkende Verlängerung der Bewährungszeit anerkennen, dann aber nicht die sich hieraus ergebenden Konsequenzen ziehen wollen. Entweder die Tat fiel in die Bewährungszeit, dann greift § 56f StGB ein, oder sie fiel nicht hinein. § 56f StGB unterscheidet hingegen nicht, ob eine Tat nur "formal" in die Bewährungszeit fiel bzw. nach dem Zeitpunkt, wann sich (hier durch den Verlängerungsbeschluss) ergab, dass eine Tat in die Bewährungszeit fiel.

bb) Ein Widerruf scheidet auch nicht schon aus, weil Art. 103 Abs. 2 GG bzw. § 1 StGB entgegenstünden. Das strafrechtliche Rückwirkungsverbot greift in Konstellationen wie der vorliegenden seinem Wortlaut nach bereits nicht ein. Die Strafbarkeit des Betruges zum Zeitpunkt seiner Begehung im April 2008 bestand unzweifelhaft. Es geht vorliegend auch nicht um die Bestrafung dieser neuen Tat, sondern um eine Reaktion im Hinblick auf ein Bewährungsversagen.

cc) Demnach ist es eine Frage des allgemeinen Vertrauensschutzgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 GG), ob hier die neue Straftat, die zwischen Ende der regulären Bewährungszeit und Verlängerungsbeschluss begangen wurde, als Anknüpfungspunkt für einen Widerruf herangezogen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass es keinen verfassungsrechtlichen Einwänden begegnet, wenn die Bewährungszeit (noch vor Ende des regulären Zeitraums) verlängert wurde, der Verurteilte aber von dem Verlängerungsbeschluss keine Kenntnis hat, dann - im Verlängerungszeitraum - neue Straftaten begeht und deswegen die ihm gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wird und das Vertrauen des Verurteilten vor Ende der regulären Bewährungszeit zerstört wurde, weil er Kenntnis vom laufenden Verlängerungs-/Widerrufsverfahren hatte (BVerfG NStZ 1995, 437). Eine vergleichbare Konstellation liegt hier vor. Es macht im Hinblick auf ein etwaiges Vertrauen des Verurteilten auf den Eintritt des regulären Endes der Bewährungszeit bei Begehung der neuen Straftat keinen Unterschied ob ein Verlängerungsbeschluss bereits in der Welt war und der Verurteilte lediglich hiervon nichts wusste oder ob der Verlängerungsbeschluss erst später erlassen wurde (a.A. - ohne nähere Begründung: KG Berlin Beschl. v. 12.05.2009 - 2 Ws 176/09 - juris). Es ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass derartige Schwebezustände dem Gesetz nicht fremd sind und dieses es gestattet an in einem solchen Interimszeitraum begangenes Fehlverhalten nachteilige Konsequenzen zu knüpfen. So kann nach § 56f Abs. 1 S. 2 StGB ein Widerruf auch erfolgen, wenn die neue Tat zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft begangen wurde. Hier ist es sogar so, dass der Täter bei Begehung der Tat in diesem Zeitraum gar nicht (auch nicht rückwirkend) unter Bewährung steht.

Dementsprechend stellt ein Teil der Rechtsprechung und der Literatur darauf ab, ob bei dem Verurteilten ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Beendigung der Bewährungszeit vorlag, als er die neue Straftat beging, oder nicht. Nicht schutzwürdig ist das Vertrauen danach dann, wenn der Verurteilte bereits vor dem Ende der regulären Bewährungszeit von der Prüfung der Verlängerung der Bewährungszeit im Hinblick auf einen früheren Bewährungsbruch erfahren hat und demnach nicht ohne weiteres davon ausgehen durfte, dass die Bewährungszeit nicht verlängert wird (OLG Brandenburg Beschl. v. 17.03.2004 - 1 Ws 29/04 - juris -; OLG Düsseldorf Beschl. v. 23.02.2005 - 3 Ws 50/05 - juris; Hubrach a.a.O. § 56f Rdn. 44). Dem schließt sich der Senat an. Von jedem Bürger wird erwartet, dass er keine Straftaten begeht (unabhängig von einer Bewährungszeit). Die Erwartung, die § 56f Abs. 1 StGB meint, ist zudem nicht etwa nur die Erwartung, dass der Verurteilte allein in der Bewährungszeit keine neuen Straftaten mehr begeht, sondern die Erwartung, dass er überhaupt keine neuen Straftaten mehr begehen wird (Fischer a.a.O. § 56f Rdn. 4 m.w.N.). Dementsprechend kann ein etwaiges Vertrauen desjenigen, der schon diese Grundsätze nicht beachtet, der - wie vorliegend - bereits vor Ende der regulären Bewährungszeit davon erfahren hat, dass im Hinblick auf früheres Bewährungsversagen ein Widerruf (und damit zwangsläufig als milderes Mittel auch eine Bewährungszeitverlängerung) geprüft wird und bei dem das zum Widerruf berufene Gericht gerade auf Wunsch des Verurteilten selbst zunächst noch den Ausgang des Berufungsverfahrens (dessen Ziel nach den Ausführungen des damaligen Verteidigers die Erreichung einer Strafaussetzung zur Bewährung der zunächst vom Amtsgericht bewährungslos verhängten Strafe war) abwartet, nicht als schutzwürdig angesehen werden. Vielmehr musste er damit rechnen, dass wenn schon kein Widerruf der Strafaussetzung aufgrund des früheren Bewährungsversagens so doch jedenfalls eine Verlängerung der Bewährungszeit erfolgen würde.

2.

Mildere Mittel i. S. des § 56f Abs. 2 StGB standen hier zur Abwendung des Widerrufs nicht zur Verfügung. Der Verurteilte ist ein vielfacher Bewährungsversager. Schon die vorliegende Straftat beging er in laufender Bewährungszeit. Es folgten drei weitere Straftaten, wegen der er verurteilt wurde. Der Senat verkennt nicht, dass es sich jeweils um Kleinkriminalität handelt. Das ändert indes nichts an der äußerst negativen Legalprognose, da auch ein Abflauen der kriminellen Aktivitäten nicht erkennbar ist. Auch der Umstand, dass die zum Widerruf führende Tat als Vermögensdelikt einem anderen Kriminalitätsbereich entstammt, als die frühere Straftat (Straßenverkehrsdelikt), hindert den Widerruf nicht. Eine kriminologische Vergleichbarkeit der Taten ist nicht erforderlich. Insbesondere bei einem kleinkriminellen Täter wie dem Angeklagten, der sich bereits in mehreren Kriminalitätsbereichen betätigt hat, können aus einer fehlenden kriminologischen Vergleichbarkeit keine dem Verurteilten günstigen Schlüsse gezogen werden.

Das Amtsgericht Lemgo hat die mit Urteil vom 18.09.2009 verhängte erneute Freiheitsstrafe zwar zur Bewährung ausgesetzt, worauf auch der Verteidiger hinweist. Dies sei unter "Zurückstellung von Bedenken" geschehen. weil sich die Lebensumstände des Angeklagten gefestigt hätten, da er nach den Taten geheiratet habe und Vater geworden sei. Auch habe er inzwischen Strafvollzug in anderer Sache erfahren und "schien" beeindruckt und habe er ab Mai eine Arbeitsstelle gefunden.

Dieser - ohnehin nicht bindenden - Prognose vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Bei der häufigen Straffälligkeit des Verurteilten und der hohen Frequenz der Bewährungsverstöße (der erste Verstoß wurde nur wenige Tage nach der Verurteilung in der hier vorliegenden Sache begangen, die Taten, die der jüngsten Verurteilung zu Grunde lagen nur wenige Monate nach Erlass des Verlängerungsbeschlusses und nach Verurteilung durch das Amtsgericht Erlangen zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe) kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihn die jetzt erstmals verbüßte Strafhaft soweit beeindruckt hat, dass andere, mildere Mittel ausreichen. Auch die veränderten persönlichen Verhältnisse reichen insoweit nach Ansicht des Senats nicht aus. Es erscheint zweifelhaft, ob diese den Verurteilten, der alkoholkrank ist - wenn auch seit einiger Zeit abstinent -, soweit zu stabilisieren vermögen, dass er nicht wieder in kriminelle Verhaltensweisen zurückfällt, zumal der Verurteilte die neue Arbeitsstelle - wie sein Verteidiger mittelte - aufgrund der im jüngsten Verfahren vor dem AG Lemgo angeordneten Untersuchungshaft - wieder aufgeben musste. Hier ist ein Anreiz zur Begehung neuer Straftaten aufgrund schwieriger finanzieller Verhältnisse gegeben. Angesichts des bisherigen vielfachen Bewährungsversagens trotz nachhaltiger "Warnschüsse" kann auch unter Berücksichtigung der vom Verteidiger angeführten und im jüngsten Urteil des AG Lemgo bestätigten Umstände nicht davon ausgegangen werden, dass mildere Mittel als ein Widerruf den Verurteilten zukünftig zu einem straftatenfreien Leben anhalten könnten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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