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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.02.2009
Aktenzeichen: 3 Ws 39/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 112a
StPO § 114
StPO § 115
Wird auf eine Haftbeschwerde des Beschuldigten hin der Haftgrund ausgetauscht, so bedarf es der vorherigen persönlichen Vernehmung des Beschuldigten entsprechend § 115 StPO.
Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 17.12.2008 (Qs 575/08 VIII LG Bielefeld) und der Nichtabhilfebeschluss vom 19. Januar 2008 werden aufgehoben.

Die Sache wird an das Landgericht Bielefeld zur Nachholung der Vernehmung des Angeklagten entsprechend § 115 StPO und zur anschließenden erneuten Entscheidung über die Haftbeschwerde des Angeklagten gegen den Haftfortdauerbeschluss des Amtsgerichts Herford vom 2. Dezember 2008 zurückgegeben.

Gründe:

I.

Der Angeklagte wurde am 27.07.2008 bei einem mit zwei weiteren Mittätern versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl auf frischer Tat betroffen und festgenommen. Er befindet sich seit dem 28.07.2008 aufgrund Haftbefehls des AG Herford vom gleichen Tage in Untersuchungshaft. Mit dem Haftbefehl wird ihm neben dem versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl noch ein in der Tatnacht zuvor verübter vollendeter Wohnungseinbruchsdiebstahl vorgeworfen. Als Haftgrund wird Fluchtgefahr aufgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf den in den Akten befindlichen Haftbefehl verwiesen.

Das Amtsgericht Herford hat den geständigen Angeklagten mit Urteil vom 02.12.2008 wegen "gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall im Versuch handelnd" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Die abgeurteilten Taten sind identisch mit denen des Haftbefehls und der Anklage vom 04.09.2008. Auf diese und auf das Urteil des Amtsgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Gegen das Urteil hat der Angeklagte "Rechtsmittel" eingelegt.

Gleichzeitig mit der Verurteilung hat das Amtsgericht beschlossen, dass der Haftbefehl vom 28.07.2008 aus den Gründen seiner Anordnung und den Urteilsgründen aufrechterhalten und in Vollzug bleibt. Hiergegen hat der Angeklagte am 04.12.2008 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr, im übrigen auch der einer Wiederholungsgefahr, nicht vorlägen.

Das Amtsgericht Herford hat der Beschwerde nicht abgeholfen, das Landgericht Bielefeld hat sie mit dem angefochtenen Beschluss -ohne eine persönliche Vernehmung des Angeklagten - verworfen. Es hat ausgeführt, dass zwar keine Fluchtgefahr vorliege. Es stützt nunmehr aber den Haftbefehl - erstmalig - auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr gem. § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO, da der Angeklagte u.a. zuletzt vom AG Bielefeld im Jahre 2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten, u.a. wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in 11 Fällen und Wohnungseinbruchsdiebstahls in 3 Fällen, verurteilt worden war. Die vorliegenden Taten habe er nur vier Monate nach der Haftentlassung, trotz eines geregelten Einkommens und geordneter familiärer Verhältnisse begangen.

Der weiteren Beschwerde des Angeklagten hat das Landgericht mit Beschluss vom 19.01.2009 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1.

Die Sache ist derzeit nicht endgültig entscheidungsreif. Vielmehr war der angefochtene Beschluss nebst Nichtabhilfeentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung nach Durchführung einer mündlichen Anhörung entsprechend § 115 StPO an das Landgericht zurückzugeben.

§ 115 StPO, der bestimmt, den Beschuldigten nach Ergreifung auf Grund eines Haftbefehls von dem zuständigen Richter vor der Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Haftbefehls vernehmen zu lassen, ist nach einhelliger Ansicht entsprechend auf den schon in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten anzuwenden, wenn ein bestehender Haftbefehl geändert, erweitert oder durch einen anderen Haftbefehl ersetzt wird (BVerfG NStZ 2002, 157 f.; OLG Hamburg NStZ-RR 2003, 346; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 277, 278; OLG Jena Beschl. v. 27.06.2008 - 1 Ws 240/08 - juris; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 115 Rdn. 12).

Die persönliche Vernehmung entsprechend § 115 Abs. 2 und 3 StPO soll es dem Gericht ermöglichen, sich einen unmittelbaren Eindruck vom Beschuldigten zu verschaffen, und der Beschuldigte soll Gelegenheit erhalten, im unmittelbaren persönlichen Kontakt mit dem zuständigen Gericht die Verdachts- und Haftgründe zu entkräften und die ihn entlastenden Tatsachen vorzutragen. Eine wesentliche Änderung des Haftbefehls, wie sie bei dem Austausch des Haftgrundes (hier Fluchtgefahr ersetzt durch Wiederholungsgefahr) vorliegt, ist wie ein neuer Haftbefehl zu behandeln, so dass es hier der persönlichen Vernehmung bedurft hätte (vgl.: OLG Jena Beschl. v. 27.06.2008 - 1 Ws 240/08 - juris; OLG Schleswig Beschl. v. 18.02.2004 - 1 Ws 52/04 - juris). Diese hat die Strafkammer verabsäumt. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob ein Ausnahmefall anzuerkennen ist, wenn der neu eingetauschte Haftgrund bereits einmal Gegenstand einer früheren Haftentscheidung war (vgl. OLG Karlsruhe Beschl. v. 26.09.2000 - 3 Ws 196/00 - juris), denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Auch der Umstand, dass der Verteidiger in seiner Beschwerdeschrift bereits Ausführungen zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemacht hat, kann den persönlichen Eindruck, der gerade für die Gefahrenprognose nach § 112a StPO durchaus von großer Bedeutung sein kann, nicht ersetzen.

Die Strafkammer wird daher ihre Beschwerdeentscheidung nach Durchführung einer persönlichen Anhörung des Verurteilten erneut zu treffen haben, wenn sie weiterhin den Haftgrund austauschen will.

2.

Da es sich nicht um eine verfahrensabschließende Entscheidung handelt, bedarf es keiner Kostenentscheidung.

Ende der Entscheidung

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