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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.09.2006
Aktenzeichen: 3 Ws 406/06
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 329
Grundsätzlich reicht die Inhaftierung eines Angeklagten in der Regel ohne Weiteres aus, das Ausbleiben in einem Berufungshauptverhandlungstermin zu etnschuldigen. Das gilt jedoch dann nicht, wenn es dem Angeklagten bereits zum Zeitpunkt seiner Festnahme unmöglich war, rechtzeitig zum Hauptverhandlungstermin zu erscheinen.
3 Ws 406/06 OLG Hamm 3 Ss 386/06 OLG Hamm

Beschluss

Strafsache

gegen H.T.

wegen Betruges, (hier: Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung; Revision des Angeklagten).

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 04.07.2006 gegen den Beschluss der XIV. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 23.06.2006 sowie auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der vorgenannten Strafkammer vom 09.03.2005 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 09. 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht Posthoff, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Revision wird als unzulässig verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittel (§ 473 Abs. 1 StPO).

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 18.08.2006 u.a. Folgendes ausgeführt:

"I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Rahden vom 15.03.2005 wegen Betruges in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden (Bl. 50 - 53 d.A.). Die gegen dieses Urteil rechtzeitig eingelegte Berufung hat das Landgericht Bielefeld mit Urteil vom 09.03.2006 gem. § 329 StPO verworfen (Bl. 65 R, 66 f. d.A.). Das Urteil ist dem Verteidiger des Angeklagten am 15.03.2006 zugestellt worden (Bl. 70 d.A.). Mit am 22.03.2006 per Telefax bei dem Landgericht Bielefeld eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage hat der Angeklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung beantragt und - für den Fall der Verwerfung des Antrags auf Wiedereinsetzung - Revision eingelegt (Bl. 73 f. d.A.). Mit Beschluss vom 23.06.2006 (Bl. 104 d.A.) hat das Landgericht Bielefeld den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verworfen. Gegen diesen, seinem Verteidiger am 27.06.2006 zugestellten (Bl. 105 c d.A.), Beschluss hat der Angeklagte mit per Telefax am 04.07.2006 bei dem Landgericht Bielefeld eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage (Bl. 110 d.A.) sofortige Beschwerde eingelegt und diese näher begründet (Bl. 106 f., 110 f. d.A.).

II.

Die gem. §§ 329 Abs. 3, 46 Abs. 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt worden und damit zulässig. In der Sache ist sie jedoch nicht begründet. Die Strafkammer hat das Wiedereinsetzungsgesuch zu Recht als unbegründet verworfen. Der Angeklagte hat entgegen §§ 329 Abs. 3, 45 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht innerhalb der Wochenfrist seit der Zustellung des Urteils ausreichend dargetan, dass sein Ausbleiben in dem Berufungshauptverhandlungstermin entschuldigt war.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungshauptverhandlung kann nach §§ 329 Abs. 3, 44 Satz 1 StPO nur dem Angeklagten gewährt werden, der ohne Verschulden gehindert war, den Termin wahrzunehmen. Er hat dazu einen Sachverhalt vorzutragen und glaubhaft zu machen, der ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes eigenes Verschulden ausschließt. Erforderlich ist eine genaue Darstellung der Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch welche Umstände es zu der Versäumung der Berufungshauptverhandlung gekommen ist (zu vgl. OLG Hamm, VRS 96, 439; OLG Köln, NStZ-RR 2002, 142 m.w.N.). Entscheidend ist, ob der Angeklagte genügend entschuldigt ist, nicht aber, ob er sich gegenüber dem erkennenden Gericht genügend entschuldigt hat (zu vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2000, 84 f.).

Vorliegend hat der Angeklagte bereits keinen Sachverhalt vorgetragen, der ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes eigenes Verschulden ausschließt. Seine Inhaftierung in anderer Sache am Tage der Berufungshauptverhandlung reicht hierzu nicht aus. Zwar rechtfertigt die Inhaftierung eines Angeklagten das Ausbleiben in der Regel ohne Weiteres, wobei auch eine Verpflichtung des Angeklagten, die Justizvollzugsanstalt auf die Notwendigkeit seiner Vorführung rechtzeitig hinzuweisen, nicht angenommen wird (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 329 Rdnr. 24 m.w.N.). Vorliegend gilt es jedoch zu beachten, dass es dem Angeklagten bereits zum Zeitpunkt seiner Festnahme auf der Grundlage des Vollstreckungshaftbefehls in dem Verfahren 33 Js 1000/03 V StA Bielefeld am 09.03.2006 um 10:00 Uhr (zu vgl. Bl. 90 d.A.) unmöglich war, rechtzeitig zum Hauptverhandlungstermin zu erscheinen, wobei auch ein Erscheinen innerhalb der regelmäßig zu beachtenden Wartefrist von 15 Minuten faktisch unmöglich war. Bereits nach dem eigenen Vortrag des Angeklagten hatte dieser seinem Bekannten J.G. angekündigt, er werde sich zu dessen Wohnanschrift begeben, um von dort aus gemeinsam mit G. nach Bielefeld zu fahren. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte über keine Fahrerlaubnis verfügt, er sich zum Zeitpunkt der Festnahme um 10:00 Uhr in seiner Wohnung in Rahden befand und er sich demzufolge noch unter Zuhilfenahme eines Taxis oder öffentlicher Verkehrsmittel nach Espelkamp hätte begeben müssen, um von dort aus nach Bielefeld zu fahren, hätte er das Landgericht Bielefeld nicht mehr rechtzeitig erreichen können. Vor diesem Hintergrund war sein Ausbleiben in der Berufungshauptverhandlung nicht entschuldigt. Angesichts dessen kann auch dahinstehen, ob die (einfache) schriftliche Erklärung des J. G. überhaupt als Mittel zur Glaubhaftmachung im Sinne des § 45 Abs. 2 StPO in Betracht gekommen wäre.

III.

Die Revision des Angeklagten ist gem. § 349 Abs. 1 StPO bereits als unzulässig zu verwerfen.

Soweit dem Vorbringen die Verfahrensrüge der Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO entnommen werden kann, ist diese nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Form erhoben worden.

Wird mit der Revision gegen ein gem. § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil geltend gemacht, diese gehe zu Unrecht davon aus, dass der Angeklagte nicht entschuldigt gewesen sei, setzt die Überprüfung der vom Landgericht vorgenommenen Wertung die Erhebung einer den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus (zu vgl. OLG Hamm, VRS 98, 203 f. m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das Revisionsvorbringen des Angeklagten nicht gerecht. Der Angeklagte hätte im Einzelnen darlegen müssen, auf Grund welcher Anhaltspunkte das Gericht sich zur Aufklärung der Gründe seines Nichterscheinens hätte gedrängt sehen müssen, mit welchen Beweismitteln welche Tatsache aufzuklären gewesen wären und insbesondere welches konkrete Ergebnis die Bemühungen gehabt hätten. Die zu Grunde liegenden Verfahrenstatsachen teilt die Revision jedoch nicht mit. Die Sachrüge ist dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen, sodass die Revision gem. § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen ist."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.

Ergänzend weist der Senat in Bezug auf die sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung darauf hin, dass nach dem durch den Senat herangezogenen Routenplaner die Entfernung zwischen der Wohnung des Angeklagten in Rahden und der Wohnung des J. G. in Espelkamp 7,24 km (Fahrzeit: 11 Minuten) und die Entfernung zwischen der Wohnung des J. G. und dem Landgericht Bielefeld 53,29 km (Fahrzeit: 1 Stunde 17 Minuten) beträgt. Die von dem Angeklagten zu berücksichtigende Fahrzeit betrug daher insgesamt 1 Stunde und 28 Minuten, so dass der Angeklagte auch dann nicht mehr zum Hauptverhandlungstermin beim Landgericht Bielefeld um 11.00 Uhr pünktlich hätte erscheinen können, wenn er nicht gegen 10.00 Uhr in seiner Wohnung in Rahden verhaftet worden wäre.

Ende der Entscheidung

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